Siglinde Schaub
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Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Sie zu dem Stichwort „Grundschulgutachten“ ausreichend durch meine Vorrednerin und meinen Vorredner aufgeklärt worden sind. Herr Schlede hat gesagt, was Sie hierzu diskutieren, was die Berliner Schule ganz wesentlich betrifft, hält er für wichtig. Damit habe ich ein Problem – nicht damit, dass man diskutieren muss, was die Berliner Schule ganz wesentlich betrifft, sondern dass man das wirklich grundsätzlich und nicht „fix mal eben“ auf der letzten Ausschusssitzung und auf der letzten Plenarsitzung entscheiden muss.
Über ein Jahr, ich nehme das gerne auf. Dank Ihrer Debatte über ein Jahr haben wir dann eine Schulgesetzänderung gehabt, in die das Grundschulgutachten als Kriterium aufgenommen wurde. Das hat die große Koalition damals noch zu Werke gebracht. Und die Eltern haben dann getan, was zu ahnen war: Sie haben gegen das Grundschulgutachten geklagt und sich durchgesetzt. Ich finde, dass das Verwaltungsgericht Berlin diesbezüglich eine ganz weise Entscheidung getroffen hat. Es hat festgestellt,
... dass es sich hier
gemeint ist: beim Übergang auf die Oberschule –
um eine Abstufung individueller Belange und die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit handelt.
Das Verwaltungsgericht stellte fest:
1. Es fehlen solche Verwaltungsvorschriften zur Erstellung des Grundschulgutachtens.
2. Es hat sich aber auch in Berlin keine einheitliche Praxis im Umgang mit dem Grundschulgutachten – mit seiner Erstellung – herausgebildet. Und auch im Schulgesetzentwurf, so stellt das Verwaltungsgericht fest, finden sich solche Regelungen nicht.
Nun kommt die für mich wichtigste Formulierung in der Urteilsbegründung: Nach ständiger Rechtsprechung müssen Kriterien, nach denen Bewerber für Schulplätze an Oberschulen im Falle
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nicht ausreichender Kapazitäten entschieden werden müssen – die Einfügung „entschieden werden müssen“ war von mir –, vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden. Und was tut Ihr Antrag? – Er formuliert eine Ermächtigung für die Senatsverwaltung, dieses zu tun. Genau aus diesem Grunde wird von der PDS-Fraktion keine Zustimmung zu diesem Antrag geben. Wir wollen, dass der Gesetzgeber – so wie in der Urteilsbegründung festgestellt – Kriterien für die Auswahl beim Übergang zur Oberschule findet. – Danke!
Wir haben heute reichlich Gelegenheit, die Reihenfolge auch zu üben.
Es ergibt sich einfach so, weil die CDU mit einer Reihe von Anträgen das ganze Haus in verschiedenen Sachgebieten beschäftigt.
Dass Sie nun einen neuerlichen Vorstoß machen, Berlin sozusagen in die Herde der Bundesländer zurückzubringen, finde ich aus mehreren Gründen unpassend.
Die schon erwähnte Schulgesetzdiskussion möchte ich aufrufen. Hier handelt es sich ja um ein sehr grundsätzliches, aber auch sehr sensibles Problem – Religionsunterricht ja oder nein. Ich denke, wir haben hier ausführlich und gründlich diskutiert, und ich halte die Argumente für ausgetauscht. Da sind keine neuen Positionen zu erkennen.
Einigkeit besteht nach meiner Meinung darin, dass Wertevermittlung, Werteerziehung, Kenntnisse über die großen Religionen der Welt, dass alle diese Dinge in der Berliner Schule verstärkt stattfinden müssen – da sind sich, denke ich, alle einig –, und ich füge hinzu: auch nicht nur als Vermittlung stattfinden müssen, sondern dort auch gelebt werden sollen und gelebt werden können. Der Dissens besteht darin, dass Sie meinen, dazu braucht es Religionsunterricht. Und wer das nicht möchte, so bieten Sie an, der kann Ethik oder Philosophie wählen. Die PDS-Fraktion ist der Auffassung, dass Wissen über die großen Weltreligionen, die dazu gehörenden Sitten und Gebräuche, das Befassen mit philosophischen und ethischen Fragen alle gemeinsam tun sollten, alle gemeinsam in der Klasse, und zwar unabhängig von ihrer religiösen oder weltanschaulichen Orientierung oder ihrem Bekenntnis. Das, denke ich, ist die Verpflichtung, die wir gegenüber den Berliner Schülerinnen und Schülern haben, von der Sie vorhin sprachen. Ich wiederhole mich: Ich möchte Wissen und Glauben auseinander gehalten wissen, auch und erst recht in der Schule. Und ich möchte Wissen zensiert haben, auf keinen Fall Glauben oder Wertungen. Wissen und Kenntnisse über die Weltreligionen sind aber grundverschieden und klar zu unterscheiden von Glauben und Glaubensbekenntnissen.
Glaubens- und Religionsfreiheit ist, wie wir alle wissen, ein vom Grundgesetz formuliertes und von uns allen hoch zu achtendes Gut. Ich sage hier mit Deutlichkeit: Diese Position hat nichts, aber auch gar nichts mit einem Antikirchen- oder auch Antireligionskampf zu tun. Ganz im Gegenteil wird sie, so erlebe ich es in vielen Gesprächen, von vielen engagierten Christinnen und Christen geteilt, die das Bibelwort Ernst nehmen: Lasset die Schäflein zu mir kommen. Lassen wir der Schule, was der Schule und den Kirchen, was das ihre ist.
Besonders unpassend finde ich Ihren Antrag zu diesem Zeitpunkt, nachdem die Islamische Föderation die von Ihnen schon mitgeteilte Erlaubnis bekommen hat. Der CDU-Antrag ist für
mich der Versuch, ein Wahlpflichtfach gegen die Islamische Föderation zu instrumentalisieren, und das halte ich für völlig unbrauchbar, für völlig daneben.
Und zwar unter dem Motto: Wir brauchen dieses Fach, um die Islamische Föderation draußen zu halten. So klar und deutlich ist es ja auch ausgesprochen worden.
Ich denke aber, wir haben es hier mit einem höchstrichterlichen Urteil zu tun. Das habe ich nicht zu bewerten.
Das habe ich auch nicht zu kritisieren, aber das Urteil, das die Islamische Föderation als Religionsgemeinschaft anerkennt, gilt, ob mir das nun passt oder nicht.
[Frau Richter-Kotowski (CDU): Deshalb wollen wir ja das Gesetz ändern! – Dann müssen Sie das Urteil ändern, das Gericht dazu bewe- gen. [Unruhe bei der CDU – Frau Richter-Kotowski (CDU): Nein!]
Der Respekt vor dem Gleichheitsgrundsatz gebietet und kann nur bedeuten, ein staatliches Fach einzurichten, dass den vorher von mir skizzierten Anforderungen gerecht wird und es damit Kirchen und Religionsgemeinschaften anheim gestellt ist, ihren Glauben in ihren Räumen mit ihren Möglichkeiten zu vermitteln und auszuüben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und etwas leicht erregten Herren auf der rechten Seite! Mit der Wahrheit gibt es manchmal Probleme; mitunter ist es auch Vergesslichkeit. Herr Schlede, Sie scheinen mir heute nicht so ganz auf der Höhe der Zeit zu sein! Wieso diese beiden Punkte unter einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst sind, kann ich Ihnen beantworten: Das ist der Antrag Ihrer Fraktion! Sie meinten, es müsse jemand beantragt haben, der nichts von Schule versteht. Dem hätte ich nun nichts hinzuzufügen.
Dass wir diese beiden Anträge hier drauf haben, ist dem Eifer und dem Fleiß der Oppositionspartei CDU zu verdanken. Ich finde es auch nicht glücklich, zumal es sich hier in beiden Fällen um Dinge handelt, die nun wirklich nicht neu sind.
Punkt 1 – Wahlpflichtfach Ethik, Philosophie, Religion, oder wie herum man es nun auch immer nennen will. Der Streit, um den es hier im Grunde geht, ist ein paar hundert Jahre alt. Es gibt keine neuen Argumente, die alten sind ausgetauscht zu dem Thema: Sollte konfessioneller, bekenntnisorientierter Religionsunterricht in der Schule stattfinden? – Ich will mich deshalb nur mit einem Argument befassen, das scheint mir ein Kernargument zu sein: die Feststellung, unsere Kultur habe ihre Wurzeln im Christentum. – Dem ist nicht zu widersprechen, das ist so.
Das habe ich schon immer gewusst, und ich war auch immer überzeugt davon. – Ebensowenig ist dem zu widersprechen, dass mindestens die zweite Wurzel unserer Kultur die deutsche Aufklärung ist, übrigens unter maßgeblicher Mitwirkung namhafter Theologen entwickelt und auch vertreten, wie Sie sicher wissen. Mütter und Väter des Grundgesetzes sind heute schon mehrfach bemüht worden, ich tue das hier sehr sinnhaft auch. Die hatten nämlich möglicherweise eben diese beiden Wurzeln im Hinterkopf, als sie drei Dinge ins Grundgesetz schrieben: Erstens Trennung von Staat und Kirche, damit die mittelalterliche Regelung cuius regio, eius religio nicht wieder aufleben soll; zweitens festgeschrieben, Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach; und drittens, Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz gilt nicht in den Ländern, in denen es 1949 keinen Religionsunterricht gab, bekannt als Bremer Klausel. Eine ebenso kluge wie tolerante Regelung, finde ich, die sich in Berlin seit vielen Jahren bewährt hat und die auch nicht durch die Zwischentür Philosophie, Ethik, Religion weggeschoben werden sollte. Wider besseres Wissen, Herr Schlede, Sie haben sich hier auch selbst widersprochen, haben Sie behauptet – zumindest war das so zu entnehmen –, ein religiöses Bildungsverbot sei der Schule, sei dem Staat nicht gestattet, und haben aber im selben Atemzug über die angeblichen Kürzungen für den Religionsunterricht berichtet. Davon kann gar keine Rede sein; in Berlin kann jedes Kind, das evangelischen, katholischen oder jüdischen Glaubens ist, Religionsunterricht haben, auf freiwilliger Basis. Ich finde, das sollte so bleiben.
Lassen Sie uns in der Schulgesetzdiskussion Raum und Möglichkeiten dafür finden, wie Schule so gestaltet und ausgestattet werden kann, dass ethische und philosophische Fragen und Werteerziehung stattfinden können; die findet ja statt. Und es ist ja nicht so, dass man erst ein Fach und Vorschriften erfinden müsste. Man muss Bedingungen für die Schule verändern, damit das auch wirklich im verstärkten Maße gemacht werden kann, was in Lehrplänen und übrigens natürlich auch in § 1 des Schulgesetzes, geschrieben steht. Das ist so lang, dass ich es hier nicht zitieren will.
Ich denke, mit Blick auf den Haushalt – die CDU hat heute mehrfach behauptet, sehr gut im Rechnen zu sein –, die Einführung eines solchen Unterrichtsfachs kostet 200 bis 300 Millionen DM.
Ich frage mich unter anderem auch, woher denn das. Aber das wäre mein letztes Argument.
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Letzter Punkt: Änderung des Schulgesetzes im Hinblick auf den Übergang zur Oberschule. Dort kann ich mich ganz darauf beschränken, dass es uns überhaupt nicht weiterhilft, eine weitere Vorschrift, sei es eine Rechtsverordnung, hier einzuführen, die dann auch wieder Klagegegenstand ist und uns in der Sache überhaupt nicht weiterbringt. Das Grundschulgutachten gehört raus als Kriterium für die Übernahme in eine bestimmte Oberschule. Und lassen Sie uns in der Schulgesetzdiskussion auch diese Diskussion fortsetzen, statt mit Schnellschüssen hier Dinge festzuklopfen, die einfach nicht gehen. – Vielen Dank!
Herr Senator! Ich unterstelle zunächst einmal positiv, dass die Schließungspläne auch verwirklicht werden. Selbst dann bleibt aber eine Zeitspanne, in der die beiden innerstädtischen Flughäfen so, wie gehabt, beflogen werden. Meine Frage lautet: Welches Sicherheitskonzept gibt es für die beiden Flughäfen? – Es dürfte sich vermutlich unterscheiden, weil z. B. Ihre Aussage in Bezug auf Tegel nur die halbe Wahrheit trifft, denn die Anflüge finden selbstverständlich nicht nur über den Tegeler Forst statt. Wenn Sie sich einmal in diese Gegend
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begeben – ich wohne dort –, dann werden Sie feststellen, dass alle zwei Minuten eine Maschine direkt über das Wohngebiet fliegt. Was ist eigentlich, wenn da mal eine herunter fällt? – Deshalb meine Frage: Welche Sicherheitskonzepte gibt es?
Ich frage den Senat:
1. Welche Kenntnisse hat der Senat darüber, wie mit dem Schreiben des Schulsenators an alle Schulen über die „Aktion Noteingang“ an den Schulen umgegangen wird – ob also beispielsweise das Anliegen der Aktion mit Lehrern und Schülern besprochen oder der Aufkleber lediglich an der Schultür angebracht wird –, und wie gedenkt er, die Aktion an den Schulen inhaltlich zu unterstützen?
2. Wie viele Wochenstunden hält der Senat als Abminderung für Pädagogen, die nach Abschluss der Seminarreihe „Pädagogen gegen Rechtsextremismus“ als Multiplikatoren eingesetzt werden sollen, für erforderlich, um bezirkliche Netzwerke knüpfen und koordinieren zu können, und wie viele Multiplikatoren sollen künftig pro Bezirk tätig sein?
Vielen Dank! – Meine Frage richtet sich an Herrn Senator Böger. Sie haben anlässlich der Präsentation des Entwurfs für ein neues Schulgesetz die begrüßenswerte Absicht bekundet, darüber eine gründliche öffentliche Diskussion durchzuführen. Ich frage heute zum einen nach der zeitlichen Planung und zum anderen danach, wer die Diskussionspartner sein sollen. In welcher Form und inwieweit öffentlich soll die Debatte stattfinden? Sollen Anhörungen und Foren dazu durchgeführt werden? Werden Sie auf einer Internetseite der Senatsverwaltung dazu ein Forum einrichten?
Wie werden die Ergebnisse der Diskussionsrunden Eingang in den Entwurf finden, der letztlich dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung vorgelegt werden wird?
Meine Nachfrage richtet sich auf den zeitlichen Verlauf. Sie hatten angekündigt, eine breite öffentliche Diskussion – also auch außerhalb der parlamentarischen Gremien – führen zu wollen. Wann ist damit zu rechnen, dass die Vorlage in den parlamentarischen Geschäftsgang kommt? Erst dann findet die Debatte für das Parlament auch tatsächlich statt.
Vielen Dank! Meine Frage ist an Herrn Senator Böger gerichtet. Trifft die Information zu, dass die Anzahl der Stunden für sonderpädagogischen Förderbedarf in Integrationsschulen bzw. Klassen im kommenden Schuljahr auf dem diesjährigen Niveau eingefroren werden soll, obwohl die Anzahl der betroffenen Schüler zunimmt und dass deshalb die Integrationsplätze mit dem Losverfahren vergeben werden sollen?
Herr Senator! Wir nehmen einmal den Fall, dass eine Familie mit ihrem Kind in das Losverfahren gerät und einen Integrationsplatz nicht erhält. Was bedeutet das für die Familie, das Kind, aber auch für die Schulen, in diesem Fall Sonderschulen?
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schule ist einer der Orte, denen besondere Verantwortung in der Auseinandersetzung gegen rechtsextremistisches Gedankengut zukommt. Für Heranwachsende ist sie wohl der Ort, an dem entweder die tägliche Auseinandersetzung gegen rechtsextremistische Gedanken und Handeln stattfindet oder aber solches geduldet wird. Wie in der Gesellschaft insgesamt gibt es auch an den Schulen eine gewisse Hilflosigkeit, wie Rechtsextremismus wirkungsvoll begegnet werden kann. Niemand hat ein Rezept dafür. – Herr Landowsky, ich
fände es gar nicht so verkehrt, wenn Sie denn auch zuhören würden, statt hier zu stören. –
Die PDS hat natürlich auch kein Rezept dafür, sie hat die Initiative engagierter Pädagogen aufgegriffen, dem Haus und seinem zuständigen Ausschuss einen Antrag zur Unterstützung der Pädagogeninitiative vorgelegt. Der beinhaltet erstens Fertigstellen bereits konzipierter Unterrichtsmaterialien, zweitens Aufbau einer Beratungsstelle für Schüler, Eltern und Lehrer, drittens Entwicklung von Bildungs- und Informationsmaterialien, die vor allem im Freizeitbereich eingesetzt werden können, und viertens Durchführung einer einjährigen Fortbildungsreihe für Lehrerinnen aus allen Bezirken zur Schaffung eines Multiplikatorensystems. In diesem Punkt war die Senatsverwaltung schneller als die Parlamentarier und konsequenter als die Vertreter der großen Koalition im Ausschuss, die unseren Antrag ablehnte. Die Seminarreihe ist mit einer Eröffnungsveranstaltung in der FriedrichEbert-Stiftung seit Mitte Februar im Gange, und ich wünsche ihr, dass sie Lehrerinnen und Lehrern Mut und hilfreiches Instrumentarium geben möge.
Die große Koalition jedenfalls hat unseren Antrag abgelehnt. Die Begründung finde ich interessant. Einen Änderungsantrag hat es weder von der CDU noch von der SPD gegeben, der Versuch wurde erst gar nicht unternommen. Herr Schlede hat es nicht einmal für wert befunden, sich zu diesem Antrag überhaupt äußern, nachdem er das Berliner Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus – „respekt“ heißt es und wurde am gleichen Tag behandelt – als hilfloses Programm von Sozialarbeitern, vollkommen abgehoben und als mit den seit Jahren bekannten Leerformeln bezeichnet hatte. Und Sie, Frau Neumann, fanden dann sogar, der Antrag sei erledigt, die Lehrerschaft sei sensibilisiert. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich:
Nur in einem funktionierenden Beziehungsgeflecht zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern kann in den Schulen wirksame Arbeit am Thema geleistet werden.
Besonders Letzterem stimme ich zu. Ich frage Sie allerdings erstaunt: Sollte Ihnen entgangen sein, dass dieses für das Funktionieren von Schule so notwendige Beziehungsgeflecht eben von Ihrer großen Koalition systematisch zerstört worden ist? Nicht zuletzt deshalb braucht die Berliner Schule, brauchen Berliner Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung und Hilfsinstrumente, um leisten zu können, was die Gesellschaft zu Recht von ihnen erwartet. Sonntagsreden oder Dienstagsstatements gegen Rechtsextremismus vor laufenden Kameras haben wir ausreichend gehört. Lassen Sie Taten folgen. Korrigieren Sie Ihre Entscheidung aus der Abstimmung im Ausschuss und stimmen Sie dem PDS-Antrag zu! Das Signal wäre spät, doch nicht zu spät. Sie wollen den vorgeschlagenen und zu einigen Teilen durch die Senatsverwaltung – nun hört er das Lob nicht mal – schon beschrittenen Weg, und Sie wollen nicht nur reden und die Verantwortung der Senatsverwaltung und den Lehrerinnen und Lehrern überlassen. Anderenfalls bliebe nur der schale Geschmack, Sie können dem Antrag nicht zustimmen, weil er von der PDS kommt. Und damit wären Sie allerdings kaum auf der Höhe der Zeit. – Vielen Dank!
Vielen Dank für Ihre freundliche Empfehlung, Herr Atzler! Ich tue dennoch, was ich für richtig halte.
Meine Damen und Herren! Ich sagte, niemand hat ein Rezept, wie man mit diesem komplizierten Problem umgeht. Aber wenn man unseren Antrag genau liest, dann heißt es in der Überschrift – ich zitiere als Privatissimum für Herrn Schlede, der den Antrag vielleicht nicht gelesen hat: „Konzepte Berliner Pädagoginnen und Pädagogen gegen Rechtsextremismus,“ – es geht nicht um ein Konzept der PDS – „Fremdenfeindlichkeit und Gewalt unterstützen und fördern“. Dieser Intention haben Sie sich bisher mit Ihrer Stimme enthalten.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Ich frage den Senat: 1. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat nach dem verstärkten Auftreten von Krankheitserregern in den Berliner Bädern, und was ist konkret in den nächsten Tagen und Wochen vorgesehen, damit das Baden und Schwimmen in allen Berliner Bädern wieder ohne Bedenken möglich ist? 2. Welchen Zusammenhang sieht der Senat zwischen dem gegenwärtig verstärkten Auftreten von Krankheitserregern in Berliner Bädern und deren hohem Sanierungsbedarf, und was gedenkt der Senat diesbezüglich zu unternehmen? Ist mit weiteren Bäderschließungen zu rechnen?
Das war sehr allgemein und nach dem Motto: „Ein gesunder Mensch übersteht jedes Schwimmbad.“ – Ein bisschen genauer wollte ich es schon wissen und muss deshalb noch einmal nachfragen. Ich habe es so verstanden, Frau Senatorin, dass es offensichtlich kein Richtwertesystem gibt, das einerseits für die Bäderbetriebe Handlungsgrundlage ist, aber andererseits auch Auskunft über regelmäßige Testergebnisse gibt, egal, ob positiv oder negativ, die an die Gesundheitsämter gehen. Welche verbindlichen Regelungen wird der Senat erlassen, um zum einen die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zum anderen den Bäderbetrieben Rechtssicherheit in dieser komplizierten Situation zu geben?
Meine zweite Frage, Frau Senatorin, ist eher auf die Institution, die mit den Kontrolluntersuchungen befasst ist, gerichtet: Welche personellen und finanziellen Konsequenzen wird der Senat ziehen, um die Institutionen, die mit den Probeentnahmen und Kontrolluntersuchungen befasst sind und die in jüngster Zeit auch aus anderen Gründen – BSE, Arzneimittelbefunde in Schweinefleisch usw. – sehr hohe zusätzliche Leistungen zu erbringen haben, weiter arbeits- und handlungsfähig zu erhalten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: 1. Ist dem Senat bekannt, dass an einer Marzahner Schule Schülerinnen und Schüler Unterschriften gegen ein mögliches NPD-Verbot sammeln und dass laut Aussage von Schülerinnen und Schülern eines Oberstufenzentrums im Sozialkundeunterricht Themen, die sich mit Nationalsozialismus und mit dem aktuellen Rechtsextremismus befassen, auch im Einvernehmen mit der IHK nicht mehr behandelt und auch nicht geprüft werden sollen?
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2. Wie bewertet der Senat dies, und was tut er angesichts sich offensichtlich mehrender und zunehmend bekannt werdender Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund an Schulen, Berufsschulen und anderen Ausbildungseinrichtungen des Landes Berlin, um Lehrer und Lehrerinnen sowie Schüler und Schülerinnen und Eltern zu unterstützen und zu motivieren, Hilf- und Sprachlosigkeit sowie Ignoranz zu überwinden, damit Schule ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht wird?
Herr Senator! Es ist Ihnen unbedingt zuzustimmen, sowohl, was den 9. November betrifft, als auch, was Ihre Bewertung der Aktivitäten von Lehrerinnen und Lehrern in der Schule und das Gesamtanliegen betrifft. Meine Frage zielte auch nicht direkt auf das Vorlegen eines Konzeptes. Wir haben Ihres selbstverständlich zur Kenntnis genommen und auch diskutiert. Das Problem scheint mir ein anderes zu sein: Wie können wir helfen, damit Lehrerinnen und Lehrern und anderen Erziehern und Sozialpädagogen der Rücken gestärkt wird, diese Auseinandersetzung auch praktisch zu führen? Erklärungen sind natürlich sehr wichtig, aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die praktische Arbeit, und da habe ich andere Eindrücke. Ich bemerke eine wachsende Unsicherheit und etwas Hilflosigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern, die diesen so wichtigen Prozess jeden Tag bewältigen müssen. Wie ist dem zu begegnen?
Danke schön! – Herr Senator! Sie erwähnten den 9. November. Gibt es eine Mobilisierung über die Schulen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Gesetzesänderung ist anscheinend ein ganz alltäglicher Vorgang. Infolge der Gebietsreform sind auf der Grundlage des Verwaltungsreformgesetzes die Vertretungsgremien auf Landesebene den neuen Gegebenheiten anzupassen. Auf den ersten Blick könnte die Änderung als Formalie das Parlament passieren. Auf den zweiten Blick wird klar, hinter der vermeintlichen Formalie verbirgt sich eine zahlenmäßig annähernde Halbierung des Landesschulbeirates, nämlich von bisher 23 auf 12 Mitglieder.
Seit dem 7. April dieses Jahres liegt der Senatsschulverwaltung ein präziser Vorschlag des Landeselternausschusses für eine Neuregelung der Zusammensetzung der verschiedenen Landesgremien vor, verbunden mit der inzwischen mehrfach wiederholten und sehr dringlichen Bitte, diesen Vorschlag aufzunehmen. Im Namen der PDS-Fraktion fordere ich die Mitglieder dieses Hauses auf: Lassen Sie uns diesem Vorschlag des Landeselternausschusses folgen!
Der Vorschlag besagt, der Landeselternausschuss solle künftig aus 24 Mitgliedern, also je 2 pro Bezirk, bestehen, und auch für die anderen nach Schulverfassungsgesetz zu wählenden Gremien – also Landesschulbeirat, Landeslehrerausschuss, Landesschülerausschuss – sollten die §§ 71, 74 und 75 des Schulverfassungsgesetzes so geändert werden, dass die Gremien personell arbeitsfähig bleiben. Das würde bedeuten, dass mindestens drei Vertreter jeder Gruppierung pro Bezirk.
Im Fachausschuss haben sowohl die Senatsschulverwaltung wie die Koalitionsfraktionen die vorliegende Gesetzesänderung, also die praktisch zahlenmäßige Halbierung der Vertretungsgremien auf Landesebene mit Argumenten verteidigt, die ich ignorant nenne. Sie wissen, dass es sich um ehrenamtliche Arbeit handelt, die von Eltern, Schülern und Lehrern in den Vertretungen geleistet wird, und zwar immer in zwei Gremien auf Bezirksund auf Landesebene.
Sie wissen, wir halbieren zwar fast die Anzahl der Bezirke, aber zum Glück nicht die der Schülerinnen und Schüler und schon gar nicht die der Probleme. Ganz im Gegenteil! – sage ich unter Verweis auf die aktuelle und heute auch schon diskutierte schulpolitische wie politische Situation. Und Sie wissen, insgesamt 28 Positionen im Vorstand und als Delegierte in anderen Gremien sind zum Beispiel durch den Landeselternausschuss zu besetzen – bei bisher 23 und künftig, wenn diese Gesetzesvorlage angenommen wird, 12 Mitgliedern des Ausschusses. „Es geht auch mit weniger Vertretern. Da müsst ihr eben die Arbeit besser einteilen und effektiver sein.“ – Das waren Argumente, die ich da hörte. Natürlich misst sich die Arbeitsfähigkeit von Gremien nicht unbedingt an der Zahl der Mitglieder, das wissen alle. Natürlich aber besteht ein Zusammenhang zwischen den Aufgaben und der zahlenmäßigen Stärke eines Gremiums, und die ist mit einem Vertreter pro Bezirk im Großstadtformat einfach nicht zu akzeptieren.
Mich bestärkt das Verharren der Senatsschulverwaltung auf der Herr-im-Hause-Position in dem Verdacht: Gibt es vielleicht ein Interesse, Vertretungen auf Landesebene zu haben, die nur schwer arbeitsfähig sind? Sie wären dann vermutlich leichter zu handhaben, fielen als Kritik- und Protestpotential schon mal weitgehend aus. Und dennoch könnten Sie, die Sie finden, die Hälfte der Mitglieder reiche auch aus, dann bei passender Gelegenheit ein Hohelied auf das Ehrenamt und die Ehrenamtlichen singen. Ein Lehrbeispiel in Sachen Demokratie finde ich und ebenso in Sachen Ehrenamt, wie Schule und Schüler sie erleben können, wird hier geliefert – würde geliefert, wenn wir es denn annähmen –, gut in Sozialkunde und Politischer Weltkunde übrigens zu verwenden.
Warum eigentlich sollten Schüler, Eltern und Lehrer sich künftig ehrenamtlich engagieren, wo die Politik ihnen mit dieser Gesetzesänderung bedeuten würde: Euer Einsatz ist nicht wirklich gefragt. – Stimmen Sie dieser Gesetzesänderung nicht zu, wenn Ihnen das Ehrenamt und die Interessenvertretung von Schule auf Landesebene wirklich wichtig sind. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Schlede, ich finde es schon erstaunlich, wie Sie dem Haus die Situation an der Berliner Schule schönzureden versuchen.
Der Antrag, der uns vorliegt, wurde in der Debatte zum Haushalt 2000 von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im März dieses Jahres gestellt. Inzwischen sind wir in den Haushaltsberatungen 2001, und der Antrag hat sich keinesfalls erledigt. Im Gegenteil, die im Antrag genannten Schritte zur Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule sind leider nach wie aktuell. Oder anders gesagt: Die neuen Probleme sind die alten.
Der Unterrichtsausfall ist ein zentrales Problem der Berliner Schule geblieben. Er prägt das Bild der Schule in der Öffentlichkeit. Laut Statistik des Landesschulamtes war er im Schuljahr 1999/2000 höher als im Jahr zuvor, und auch in den ersten zwei Monaten des neuen Schuljahres gibt es keine Entwarnung, ganz zu schweigen von einer Senkung des Unterrichtsausfalls unter 1 %. Stattdessen häufen sich bereits wieder die Beschwerden von Eltern über ausgefallenen Unterricht, übrigens auch zunehmend Beschwerden von Schülern über ausfallenden Unterricht. Herr Kollege Mutlu hatte schon darauf hingewiesen – das betrifft übrigens meinen, wenn man so will, Heimatbezirk Pankow –, dass verzweifelte Eltern den Versuch machten, auf eigene Kosten arbeitslose Lehrkräfte zu beschäftigen. Dass dies keine Lösung sein kann, dürfte uns allen im Hause klar sein. Es offenbart jedoch den Handlungsdruck, dem Senat und Landesschulamt unterliegen.
Eine Patentlösung hat derzeit niemand parat. Aber der Antrag enthält diskutable Vorschläge für eine Verbesserung der Personalsituation im Unterricht und im sozialpädagogischen Bereich sowohl im Hinblick auf die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer – und da ist noch einmal aus der Sicht der PDS die Rücknahme der Arbeitszeiterhöhung aufgerufen – als auch für Neueinstellungen zur Verjüngung der Lehrerschaft als auch für flexiblere Handlungsmöglichkeiten der Schulen im Umgang mit Vertretungsmitteln.
Wer die Misere im Schulwesen ernsthaft beheben will, sollte sich diesem Lösungsversuch nicht verschließen, auch wenn der Antrag von der Opposition kommt. Doch nach wie vor beschränken sich die koalierenden Parteien – das haben wir eben wieder erlebt – auf eine Pauschalablehnung. Sie tun das, ohne in diesem Schuljahr bisher reale Alternativen – nicht nur Absichtsbekundungen – geboten zu haben.
Die für dieses Schuljahr anvisierte Personalausstattung der Schulen mit 105 % plus 500 zusätzliche Lehrkräfte für die langzeitkrankten Kolleginnen und Kollegen ist anscheinend bei irgendeiner Rechenkunst angekommen, was den Berliner Durchschnitt betrifft, aber nicht bei einer Vielzahl von Schulen, die sie benötigen, und natürlich auch nicht in den Bezirken. Die Personalausstattung der Schulen liegt in Wedding bei 99,7 %, in Neukölln ebenfalls unter 100 %, in Mitte, Pankow, Weißensee, Charlottenburg und Spandau ganz knapp über 100 % und in Prenzlauer Berg bei 101,7 %. Das heißt, es handelt sich um ein flächendeckendes Problem. Da kann keine Schule der anderen mehr helfen. – Das waren nur einige Beispiele.
Ursachen für dieses Defizit sind u. a. in einer zum Teil falschen oder ungenauen Bedarfsplanung zu suchen. Die Schülerzahlen sind bekanntlich nicht um die erwartete Höhe zurückgegangen, sondern etwa nur um die Hälfte des berechneten Rückgangs, und wir hörten heute schon vom Senator, dass es leider mehr langzeiterkrankte Kollegen, und zwar deutlich mehr als angenommen gibt. Eine weitere Ursache sind bisher unzureichend erfolgte, aber dringend notwendige und auch geplante Neueinstellungen.
Erhöht haben sich damit allerdings die Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte, die in den Schulen unterrichten, und zwar in doppelter Hinsicht. Ihre Pflichtstundenzahl wurde bekanntlich erhöht, und mit dem Rundschreiben des Landesschulamts zur Verringerung des Unterrichtsausfalls werden sie zu mehr Vertretungsunterricht verpflichtet, als das bisher der Fall war. Da sind
bisher verschiedene, aus objektiven Gründen ausgefallene Stunden wie Hitzefrei in der Unterstufe – ich begrenze das absichtlich darauf, weil ich schon höre, was da an Protesten kommen könnte –, aber auch Vertretungsstunden infolge von Klassenfahrten sind zu erteilen. Nicht, dass bisher nicht vertreten wurde, wenn ein Kollege auf Klassenfahrt war. Aber wenn er auch noch Stunden vertreten soll, die er auf der Klassenfahrt zugebracht hat, dann hört für mich der Spaß auf. Übrigens werden nun Klassenfahrten mit dieser Begründung be- und auch verhindert.
Ich komme zur Schlussbemerkung: Von einer Qualität des Unterrichts kann in dieser Phase überhaupt nicht die Rede sein. Das wird ein Grund sein, weshalb am 11. November die Protestaktion der Berliner Eltern, Lehrer und Schüler stattfindet, zu der ich die Solidarität der PDS-Fraktion erklären möchte. Selbstverständlich sind wir an diesem Tag an der Seite der Demonstranten und Protestierenden auf der Straße. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Warum hat die Senatsverwaltung für Finanzen die Vorlage der Senatsverwaltung für Jugend, Familie, Schule und Sport über die dringendsten Sanierungsarbeiten im SEZ bisher nicht mitgezeichnet, obwohl der Hauptausschuss sie dazu mehrfach – zuletzt am 4. Oktober 2000 – dringlich aufgefordert hat?
2. Ist dem Senat bewusst, dass er mit dem monatelangen Verzögern der Finanzentscheidung über die dringlichsten Sanierungsmaßnahmen den deutlichen Rückgang der Besucherzahlen mit zu verantworten hat und so eine Schließung des SEZ billigend in Kauf nimmt?
Ich muss meine Nachfrage an den Senat richten. Die beiden Senatoren müssten sich verständigen. Bekannt ist im Hauptausschuss – das habe ich dort gehört –, dass es eine Vorlage gibt, die in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport den Geschäftsgang durchlaufen hat und in Ihrer Senatsverwaltung, Herr Kurth, hängengeblieben ist. Ich möchte wissen, wie es weitergehen soll. Es ist unerträglich, dass das SEZ sterben soll, weil sich zwei Senatsverwaltungen die Bälle hin und her werfen. Wie wird weiter mit dem SEZ hinsichtlich der dringlichsten Sanierungsmaßnahmen verfahren?
Vielen Dank! Die nächste Frage richte an Herrn Senator Böger. Angesichts der aktuellen Personalmaßnahmen, die in den Bäderbetrieben erforderlich geworden sind, erlaube ich mir die Nachfrage, ob angesichts dieser Lage damit zu rechnen ist, dass dieses Finanzierungskonzept tatsächlich Anfang November entscheidungsreif vorliegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Böger, Sie haben es geschafft, in kurzer Amtszeit 50 000 bis 60 000 Menschen auf die Straße zu bringen, um
Schüler, Eltern, Lehrer gestalteten gestern mit Witz und Phantasie und außerdem, wie ich finde, mit viel Disziplin den Warnstreik. Das war auch ein Beitrag zum Thema Demonstrationsrecht. In der Stadt wurde für alle, die es sehen wollten – darunter waren übrigens auch viele ausländische Gäste –, sichtbar: Lehrer und Schüler ließen sich weder durch die Androhung von Disziplinarmaßnahmen noch durch Verunglimpfungen davon abhalten, zum außergewöhnlichen Mittel des Warnstreiks zu greifen, nachdem andere Protestformen beim Senat auf taube Ohren trafen und der Senator daraus gar noch eine Unterstützung für seine Politik konstruierte.
Herr Landowsky – jetzt ist er gerade wieder mal nicht da –, zum Thema kulturvoller Umgang miteinander: Sie haben die streikbereiten Lehrerinnen und Lehrer, so die Presse in einem wörtlichen Zitat, als „alte 68er“ bezeichnet, die „sich in der Schule festgesetzt“ hätten. Meine gute Erziehung und dieses Haus lassen es mir angeraten sein, Ihnen nicht zu sagen, wo Sie sich festgesetzt haben.
Überhaupt: 68er – der Komplex scheint bei einigen Herren der CDU fest zu sitzen und sich zur Midlife Crisis zu entwickeln.
Gründen Sie eine Selbsthilfegruppe, meine Herren, aber verschonen Sie das Parlament mit Ihren unverarbeiteten Problemen. [Beifall bei der PDS und den Grünen – Frau Künast (Grüne): Sie sollten als fast 60-jährige nicht mehr in der Midlife Crisis sein! – Zuruf der Frau Abg. Richter-Kotowski (CDU)]
Unverschämt ist, Herr Steffel, die Unterstellung gefälschter Krankschreibungen, und das von der Tribüne des Abgeordnetenhauses. – Lehrern, Schülern und Eltern, die am Warnstreik teilgenommen haben, oder wie es Tausende Eltern taten, indem sie ihre Kinder zu Hause behielten, sage ich Danke dafür, dass sie mit aufrechtem Gang für die Lebens- und Zukunftschancen ihrer, unserer Kinder streiten.
Der gestrige Warnstreik machte zwei Dinge deutlich: Es geht um mehr als 45 Minuten zusätzlichen Unterricht, es geht um den Stopp der Talfahrt in der Berliner Schule und eine Bildungsoffensive, die sich in den zurückliegenden Wochen von unten zu entwickeln beginnt. Und: Lehrer, Eltern und Schüler lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Dabei hat der Senator selbst die Unwahrheit nicht gescheut, das zu versuchen.
Ich kann gern auch deutlichere Ausführungen machen, tue ich gern auf Aufforderung, jetzt rede ich erst einmal zu Ende.
Ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit von Wahlversprechen scheint bei CDU und SPD zum politischen Rüstzeug zu gehören, zumindest bei manchen. Verringerung des Unterrichtsausfalls auf das unvermeidbare Maß, hundertprozentige Personalausstattung der Schulen, Sicherung des Unterrichts und des gegenwärtigen pädagogischen Ausstattungsstandards sowie Erhöhung der Ressourcen, insbesondere für die Abdeckung des Fachlehrerbedarfs – das alles waren Versprechen der großen Koalition, bevor sie wieder große Koalition wurde. Das ist in der Dokumentation der Wahlzeit und in der Koalitionsvereinbarung nachzulesen. Bildungspolitik sollte ein Schwerpunkt in der Regierungsarbeit der großen Koalition in dieser Legislaturperiode sein.
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Der erste Haushalt für das Bildungswesen, der uns in dieser Legislaturperiode vorgelegt wird, ist das Gegenteil dieser Versprechungen. Er verstärkt den Bildungsnotstand, statt ihn zu beseitigen. Eine Wochenstunde mehr für Lehrerinnen und Lehrer, drohender weiterer Abbau pädagogischer Ausstattung, 60 DM pro Azubi im Jahr gestrichen – in manchem OSZ ist das die Hälfte des Lehr- und Lernmitteletats –, das bedeutet Schule zurück in die Kreidezeit, und zwar im doppelten Wortsinn.
Und Arbeitsplätze? – Ich hörte Herrn Steffel in den Saal brüllen, die PDS sei gegen die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Und Herr Wowereit fand die elegante Sprachregelung: „Wir wollen die Personalkosten senken, nicht Stellen streichen!“ Lehrerstellen, das steht fest, müssen geschaffen werden, daran führt kein Weg vorbei. Da fragt man denn schon, wer den Lehrerpersonalhaushalt auf Dauer einfrieren will, was das mit Schaffung von Arbeitsplätzen zu tun hat, das müssten Sie mir gelegentlich erklären.
Legt man die Ausstattungsbedingungen des laufenden Schuljahres zu Grunde, dann sind 30 456 Stellen schon unter dem Ausstattungsstandard.
Und für das kommende Schuljahr ist das bekanntlich noch einmal niedriger angesetzt mit 29 950 Stellen und liegt damit über 1 600 Stellen unter einer bedarfsgerechten Ausstattung. Dieses Problem muss gelöst werden in Berlin. Herr Wolf hat heute morgen über Altersteilzeit gesprochen und hat ein deutliches Gesprächsangebot unterbreitet. Das möchte ich hier noch einmal hervorheben und unterstreichen. Die Berliner Schule braucht dringend Reformen, darüber sind sich alle einig. Mit wem aber soll die Schule reformiert werden, wenn Lehrerinnen und Lehrer derart unter Druck gesetzt werden? Verstehen Sie die Proteste von gestern und der Wochen zuvor als Aufforderung, der Erhöhung der Lehrerarbeitszeit nicht zuzustimmen und stattdessen eine wirkliche Lösung des Problems zu diskutieren.
Stimmen Sie unseren Anträgen zu, die beinhalten, auf die Arbeitszeitverlängerung für Lehrerinnen und Lehrer zu verzichten, ebenso darauf zu verzichten, eine weitere Verschlechterung der Ausstattungsstandards zumindest ins Kalkül zu ziehen, wie es Artikel I § 4 Haushaltssanierungsgesetz zulässt. Stimmen Sie unserem Antrag zu, die Lernmittelfreiheit an Berufsschulen auch für das kommende Schuljahr zu sichern. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Herr Böger, ich war einen Augenblick lang in Sorge, Sie könnten angesichts Ihrer vorgetragenen Visionen zum freien Flug abheben. Ich wende mich lieber den Realitäten zu.
PISA ist derzeit im Gespräch – nicht als Reiseziel für die Osterferien, sondern als bislang umfangreichste Leistungsstudie in der deutschen Schulgeschichte. 70 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler in 100 Schulen jedes Bundeslandes werden nach den Osterferien zunächst ihre Lesefertigkeit, später ihr Wissen in Mathematik und den Naturwissenschaften überprüfen und vergleichen lassen. Wie groß werden die Chancen für Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland zur Schule gehen, unter den 30 Staaten, die an der Leistungsstudie teilnehmen, sein, sich im Vorderfeld zu platzieren? Die beiden vorhergehenden Tests sahen Schülerinnen und Schüler aus Deutschland überwiegend auf schlechten Plätzen. Alle waren sich einig, dass das nicht die Schülerinnen und Schüler zu verantworten haben. Hier sind die Politikerinnen und Politiker gefragt.
Schule in Deutschland – dazu hörte ich heute hier Konsens – und Schule in Berlin ist dringend reformbedürftig, will sie nicht Schülerinnen und Schüler heranbilden, die den internationalen Anschluss schon verpasst haben, bevor sie den Weg ins Berufsleben antreten.
Die Berliner Schule ist in der Krise, nicht erst seit heute. Statt sich der Herausforderung zu stellen, im demokratischen Diskurs Ursachen zu analysieren und ein modernes, zukunftsfähiges Konzept für die Berliner Schule zu entwickeln, hat die große Koalition seit 1990 einen Bildungsabbau zu verantworten, wie er seinesgleichen sucht, und damit den hausgemachten Teil der Krise noch verstärkt.
Ich will nur einige Eckpunkte dazu aufzählen:
Kürzung der Stundentafel seit 1989/90 im Umfang eines Schuljahrs,
Kürzung von Förderstunden für Kinder nicht deutscher Herkunftssprache,
faktischer Wegfall der Strukturzuschläge für Schulen in sozialen Brennpunkten im Westteil der Stadt seit 1996/97,
Erhöhung der Klassenfrequenzen um 3 Schüler pro Klasse,
Verlängerung der Lehrerarbeitszeit nun schon zum zweiten Mal,
Streichung von Ermäßigungsstunden, vor allem Altersermäßigungen und Verwaltungsstunden,
häufige Einstellungsstopps,
Kürzung der Ausgaben für Lehr- und Lernmittel
und, nicht zu vergessen, heute schon erwähnt, die Einrichtung des Landesschulamtes.
Herr Schlede, ich finde Ihre Ausführungen zur Struktur des Berliner Schulwesens interessant. Na, dann handeln wir doch gemeinsam, schaffen wir das Landesschulamt ab und geben Kompetenz und Mittel in die künftigen Großbezirke! Dann hätten wir schon ein paar Ebenen ausgeschaltet.
Gewissermaßen als flankierende Maßnahmen zu dem, was bisher stattgefunden hat, bezahlen Eltern immer höhere Beiträge für Ganztagsbetreuung ihrer Kinder, ist die dringend notwendige Schulsozialarbeit – auch davon war heute die Rede – permanent in Gefahr, Gelder für Klassenfahrten werden gekürzt, und manche Schule stinkt im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel.
Nun ist natürlich die Auflage des 100-Millionen-DM-Projektes zu begrüßen. Ich habe aber meine Zweifel, dass die Bezirke die Kofinanzierung leisten können. Erst wenn das geschieht, kann man es wirklich als Erfolg feiern.
Der neue Schulsenator steht bezüglich Kürzung und Abbau seinen Vorgängern in nichts nach. In reichlich 100 Tagen im Amt
hat er keinen der Fettnäpfe ausgelassen, die er selbst aufgestellt hat. Oder, wie er launig meint: Wenn er morgens aufsteht, schaut er in die Zeitung und ist gespannt, was er nun wieder verzapft hat.
Herr Böger, Sie haben drei Leitideen für Ihre Bildungspolitik in dieser Legislaturperiode aufgeschrieben: „Chancengleichheit, Qualität, Selbstverantwortung“. Ich zitierte aus Ihren „Schwerpunkten der Bildungspolitik in der Legislaturperiode“, und Sie schreiben dort weiter: „Bildung entscheidet über unsere Zukunft.“ Und an anderer Stelle: „Bildung wird zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts.“ Da ist Ihnen nur zuzustimmen. Für soziale Gerechtigkeit ist es von grundlegender Bedeutung, Bildungschancen auch gleichberechtigt wahrnehmen zu können. Wie chancengleich ist ein Kind in einer Klasse mit 30 bis 32 Schülern, wenn ihm das Lernen aus verschiedenen Gründen nicht so gut gelingt, wenn der Lehrer oder die Lehrerin keine Zeit hat, sich mit dem einzelnen Kind zu befassen, und die Eltern womöglich dazu auch nicht in der Lage sind? Das gilt erst recht für den von Ihnen, Herr Böger, angemahnten und favorisierten Erwerb von Medienkompetenz. Dort ist das Problem noch viel schlimmer. Viele Zukunftsverlierer ohne Eintrittskarte in die Welt von morgen und Ausdifferenzierungen möglichst schon in der Grundschule – das war bei Herrn Schlede auch deutlich zu hören – an Stelle von Chancengleichheit – das ist die Realität des gegliederten Schulsystems in Konkurrenz zur Gesamtschule und die Realität der Rahmenbedingungen, die Senator und große Koalition noch weiter zu verschlechtern im Begriff sind.
Nun habe ich aufmerksam zugehört und verstanden, Herr Böger – ich hoffe, ich habe Sie da richtig verstanden –: Für gesicherte Rahmenbedingungen stehen Sie ein. Ich denke, das Hohe Haus wird es sich merken. Dafür haben Sie ausdrücklich auch unsere Unterstützung.
Mindestens 1 600, wahrscheinlich 1 900 Lehrerstellen werden für das kommende Schuljahr in Berlin fehlen, um den Unterrichtsbedarf decken zu können, und das, obgleich die Koalitionsvereinbarung die hundertprozentige Unterrichtsversorgung als Ziel stellte. Die klaffende Lücke soll nun geschlossen werden durch eine Unterrichtsstunde mehr pro Woche für Lehrer, durch den weiteren Abbau von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden, diesmal bei Klassenleiter- und Verwaltungsstunden. Ob dadurch das Defizit gedeckt werden kann, bleibt offen.
In diesem Zusammenhang ist eine scheinbar kleine Wortänderung im Haushaltssanierungsgesetz, Artikel I, von Bedeutung. Mir scheint ein deutlicher Widerspruch zu dem zu bestehen, was Sie, Herr Senator, vorhin ausführten. Dort ist in Artikel I das Wort „insbesondere“ durch das Wort „auch“ ersetzt worden. Das bedeutet, dass bisher die Sparvorgaben für Personal im Schulbereich „insbesondere“ durch Erhöhung der Klassenfrequenzen, Reduzierung der Mittel für Vertretungsstunden und von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden erfolgten, also ohne Verlängerung der Lehrerinnen- und Lehrerarbeitszeit, während nun das eingesetzte Wort „auch“ bedeutet, dass trotz Erhöhung der Pflichtstunden weitere Kürzungen in den anderen genannten Ausstattungsbedingungen nicht ausgeschlossen sind. Noch einmal: Sie haben hier deutlich etwas anderes erklärt, und nun bin ich gespannt, ob dieser Passus aus dem Haushaltssanierungsgesetz herauskommt.
Außer den erwähnten Maßnahmen werden 224 Erzieherstellen, 80 Vorklassenleiterstellen, alle Laboranten- und Medienwartstellen gestrichen bzw. haben den kw-Vermerk erhalten. Parallel dazu sollen die Deckelungszahlen für Kinder im offenen Ganztagsbetrieb weiter gesenkt werden, so dass noch weniger Kinder der Klassen 1 bis 4 nach Unterrichtsschluss betreut werden können.
Die dringendsten Probleme – hoher Unterrichtsausfall, Lehrermangel in bestimmten Fächern und der hohe Altersdurchschnitt der Berliner Lehrerschaft, der bekanntlich bei ca. 48 Jahren liegt – sind mit den vorgesehenen Maßnahmen überhaupt nicht zu
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lösen. Im Gegenteil werden hier die Ursachen mit deren Verschärfung bekämpft. Statt Alternativen zu diskutieren, dekretieren Sie. Statt junge Lehrer an die Schulen zu bekommen, die hoch motiviert und belastbar sind, ordnen Sie für die älteren Mehrarbeit an. Nebenbei werden die noch durch Anrechnung der Mehrarbeit auf die Arbeitszeitkonten um das Rückgabeversprechen betrogen.
Philipp Holzmann lässt grüßen.
Unter den vielen Protestbriefen, die sicher auch Sie in der vergangenen Zeit bekommen haben, habe ich mir erlaubt, aus einem ein Zitat aufzuschreiben:
Die Arbeitskraft der Lehrerinnen und Lehrer ist kostbar. Sie sind gleichzeitig Erzieher, Moderator, Seelsorger, Schauspieler, Sozialarbeiter, Psychologe, Verwaltungsbeamter, auch Richter und Reiseleiter. Stündlich müssen sie ihrem Publikum neben Fachwissen Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit entgegenbringen. Wer mit dieser Arbeitskraft nicht sorgsam umgeht, zerstört sie. Können wir uns das leisten?
Damit ich nicht falsch verstanden werde: In jedem Beruf gibt es sehr engagierte und weniger engagierte Kollegen. Es geht nicht zuerst um die Frage, ob Lehrerinnen und Lehrer eine Stunde mehr unterrichten können. Es geht um die Frage, welche Auswirkungen das im Zusammenhang mit den anderen schlechten Bedingungen auf Schülerinnen und Schüler hat. Um sie geht es. Sie brauchen die schon erwähnte Eintrittskarte in die Welt von morgen, und die Gesellschaft braucht Fachleute verschiedenster Richtungen, damit dem Offenbarungseid bei den Computerfachleuten nicht ganz schnell weitere folgen. Die Rufe danach sind ja schon zu hören. Oder findet diese große Koalition, dass es sowieso billiger ist, sich Fachleute als Gastarbeiter ins Land zu holen, statt In- wie Ausländern eine solide Ausbildung zu gewährleisten?
Die 2. Leitidee, die Herr Böger aufgeschrieben hat, heißt Qualität. Die Forderung nach mehr und neuer Qualität kann ich nur unterstreichen. Allerdings muss zunächst der Unterricht stattfinden, bevor man sich mit seiner Qualität befassen kann.
Bisher sind über 8 % des Unterrichts ausgefallen. Viele Stunden wurden zwar dank des Engagements der Lehrerinnen und Lehrer vertreten, konnten aber oft nur als Beschäftigung mit mehr oder weniger Aufsicht stattfinden, weil ein Lehrer zwei Klassen – das sind immerhin 60 und mehr Schüler unter Umständen – zu verkraften hatte. Die Erhöhung der Lehrerausstattung auf 107 % und eigene Honorarmittel für Schulen sind zu begrüßen, aber sozusagen ein Pflaster auf die tiefe Wunde, die eigentlich genäht werden muss, damit sie heilen kann.
Das Defizit an Bildung und Erziehung, das durch Unterrichtsausfall und Lehrermangel entsteht, lässt sich nicht durch eine vermeintliche Wertevermittlung schließen, die Sie, Herr Böger, befürworten. In diesem Sinne verkündeten Sie, die Berliner Schüler brauchen einen Wahlpflichtbereich, der Religion zum ordentlichen Unterrichtsfach erhebt. Ich hörte aber auch, und, wie ich fand, sehr richtig, dass sie sagten, Schulen seien Stätten des Wissens. Das kann ich nur unterstreichen und möchte dem hinzufügen – mit Verlaub –: Kirchen sind Stätten des Glaubens. Ich finde schon, dass wir dieses auseinanderhalten sollten.
Erstens ist Werteerziehung, wenn ich diesen umstrittenen Begriff überhaupt einmal verwende, eine fächerübergreifende Aufgabe der ganzen Schule. Die Rahmenpläne vieler Fächer, insbesondere das Vorwort zu den Rahmenplänen, formulieren diesen Auftrag und seine Inhalte hinreichend. Wissen über die großen Weltreligionen kann in Fächern wie Deutsch, Geschichte, Sach- oder Sozialkunde vermittelt werden. Toleranz kann man kaum besser als beispielsweise mit Lessings Ringparabel lernen. Erfahren und üben können Schülerinnen und Schüler Toleranz vor allem in einer Schule mit niedrigen Klassenfrequenzen, mit Lehrern, die Zeit und Geduld für sie aufbringen, mit einer Schulstation oder Sozialarbeitern, die im Konfliktfall helfen und mit interessanten Angeboten außerhalb des Unterrichts aufwarten. Auf diese Weise könnten Anti-Gewaltprogramme deutlich reduziert werden und das zu ihrer Finanzierung erforderliche Geld direkt sinnstiftend eingesetzt werden.
Zweitens gilt in Berlin bekanntlich die Bremer Klausel der Freiwilligkeit des Religionsunterrichts. Sie hat sich bewährt, gerade in dieser multikulturellen und multireligiösen Stadt. Zwei Drittel der Schüler haben sich nicht für Religionsunterricht entschieden.
Es gehört zur Demokratie, diese Entscheidung zu respektieren. – In welche Schule sind Sie eigentlich gegangen?
Die Koalitionsvereinbarung respektiert die Entscheidung. Herr Böger ließ die Tinte nicht richtig trocknen, nötigte der Stadt eine überflüssige Debatte über ein Wahlpflichtfach Religion und Ethik/Philosophie auf, erfreut assistiert von den Herren Huber, Thierse und Sterzinsky.
Ich bin es gewohnt, Zensuren zu vergeben. Ich bin Lehrerin von Beruf, Herr Böger.
Ein solches Fach würde zudem die Trennung der Schüler nach Konfessionen und deren wechselseitigen Ausschluss vom Unterricht in Philosophie oder Ethik bedeuten. Toleranz und vielseitiges Wissen erwirbt man aber am besten miteinander. Nebenbei möchte ich anmerken, dass die Spendenaffäre der CDU nicht gerade eine Werbung für eine Werteerziehung durch Religionsunterricht ist. Die Beteiligten hatten mit Sicherheit welchen.
Zum Wahlpflichtfach hat der Senator einen ergebnisoffenen Dialog zugesagt. Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Senator. Bei der Gelegenheit können Sie auch erklären, woher die Millionen DM, die für den Religionsunterricht benötigt würden, kommen sollen.
Mit wem und unter welchen Voraussetzungen wollen Sie Ihre Leitideen von Chancengleichheit, Qualität und Selbstverantwortung verwirklichen? Sie sagen selbst, und darin sind wir auch einig, dass Schule gesicherte Rahmenbedingungen braucht. Genau diese – so finde ich – fehlen! Da Sie die Forderung der Aktion Bildung als Unterstützung für ihre Politik bezeichnet haben, rufe ich sie Ihnen und dem Haus in Erinnerung. „Einstellen von 1 200 Lehrkräften,“ habe ich auf den Flugblättern gelesen, „kleinere Klassen, Schulstationen und moderne Unterrichtsmethoden und -formen“. Mindestens 40 000 Eltern, Schüler und Lehrer gingen für diese Forderung am 11. März auf die Straße.
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Da wir den Tagesordnungspunkt mit der Schulgesetzänderung und dem dringlichen Antrag verbunden haben, möchte ich dazu noch zwei Bemerkungen in aller Kürze machen. Für die Schulgesetzänderung unterstützen wir den Antrag der Grünen auf eine Rücküberweisung in den Schulausschuss. Wir haben dort unsere massive Kritik bereits vorgetragen, das Grundschulgutachten nun als Kriterium für die Zuweisung an eine Oberschule zu berücksichtigen. Dem, was im Schulausschuss gesagt wurde, ist aus heutiger Sicht hinzuzufügen, dass ein erstes Rechtsgutachten eher darauf hinweist, dass die Verwaltungsbürokratie noch gestärkt würde, statt sie abzubauen. Wir halten es nach wie vor für unverantwortlich, Elternwillen auf diese Weise auszuhebeln. Sollte es zu keiner Rücküberweisung kommen, werden wir gegen diese Änderung stimmen.
Für den dringlichen Antrag der Grünen wünschen wir uns eine gründliche Diskussion im Schulausschuss. Dort finden wir interessante Vorschläge, haben aber auch manches kritisch zu bedenken und würden dort gern zu gemeinsamen Lösungen kommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Warum will der Senat mit der in großer Eile beabsichtigten Änderung des Schulgesetzes, die den Übergang in die Oberstufe betrifft, das Grundschulgutachten zu einem Kriterium der Aufnahme machen und damit Veränderungen durchsetzen, die den Elternwillen erheblich einschränken?
2. Wie will der Senat verhindern, dass mit dem neuen, dann im Schulgesetz verankerten Kriterienkatalog für den Übergang in die Oberstufe eine Prozessflut gegen die Grundschulgutachten entsteht, die die Gerichte, Lehrerinnen und Lehrer wie die Eltern belasten wird?
Vielen Dank! – Herr Senator! Ich muss Ihnen widersprechen: Es findet hier mit großer Eile statt. Meine Frage: Warum wird dieser zweifellos wichtige Teil – Aufnahme
kriterien für den Übergang in die Oberschule – aus der Schulgesetzdiskussion, wohin sie nämlich gehört, herausgelöst und soll vorab beschlossen werden?
Herr Senator! Habe ich Sie richtig verstanden, dass der neue Kriterienkatalog bereits in diesem Jahr Anwendung finden soll? Halten Sie dies nicht für einen Eingriff in laufende Verfahren? Gegenwärtig finden gerade diese Anmeldungen an den Oberschulen statt. Die umstrittenen Grundschulgutachten sind unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden.