Ulrike Neumann

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Morgen ist der Internationale Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Gewalt gegen Frauen berührt die Grundwerte unserer Gesellschaft und Verfassung. In Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das gilt umfassend für alle Menschen, für Männer, Frauen und Kinder, unabhängig von der Nationalität in allen Lebensbereichen, auch am Arbeitsplatz, in Ehen, Familien, im sozialen Nahbereich insgesamt. Um den Schutz der Menschenwürde der Betroffenen ging es im Abgeordnetenhaus, als wir am 17. März dieses Jahres den Senat aufforderten, Maßnahmen zur Bekämpfung der Zwangsverheiratung zu ergreifen. Die vorliegende Mitteilung – zur Kenntnisnahme – des Senats berichtet über eine breite Palette von Maßnahmen, um dem Auftrag gerecht zu werden, von der Erhebung von Tatsachen über die unterschiedlichen Angebote für Betroffene bis hin zu den Initiativen, Gesetze den Erfordernissen der Gewaltbekämpfung anzupassen. Ich will mich im Schwerpunkt auf diesen Teil der Problematik konzentrieren.
In seinem Beschluss forderte das Abgeordnetenhaus den Senat auf, sich auf Bundesebene für Gesetzesänderungen zur Bekämpfung von Zwangsheirat einzusetzen. Unter Federführung der Senatsverwaltung für Justiz erarbeitete der Senat einen Gesetzentwurf, der die vom Abgeordnetenhaus genannten Punkte berücksichtigt. In das Strafrecht soll ein eigener Straftatbestand „Zwangsheirat“ eingefügt werden. Im Ausland begangene Taten sollen auch in Deutschland verfolgt werden und Opfer Nebenklage erheben können. Im Zivilrecht soll die Frist für den Antrag auf Aufhebung der Zwangsehe von einem Jahr auf drei Jahre verlängert und das Erbrecht so geändert werden, dass alle vom Erbrecht am Vermögen des Opfers ausgeschlossen werden können, die an der Drohung beteiligt waren.
Vor allem wollte der Senat zugleich das Aufenthaltsgesetz ergänzen. Wer infolge einer Zwangsverheiratung das Bundesgebiet verlassen musste, soll dadurch keine aufenthaltsrechtlichen Nachteile erleiden. Der Berliner Vorstoß hat den Bundesrat tätig werden lassen, entsprechend seiner Mehrheit beschloss er aber nicht den aktuellen Antrag aus Berlin, sondern einen in seinen Ausschüs
sen auf Eis liegenden baden-württembergischen Antrag. Die Strafandrohung wurde erhöht, die Frist verlängert, einen Antrag auf Aufhebung der Ehe zu stellen. Der Versuch, den Gesetzentwurf um die notwendige Änderung im Aufenthaltsrecht zu ergänzen, scheiterte.
Jetzt war Zwangsverheiratung ein Thema der Koalitionsvereinbarung, an denen unsere Justizsenatorin Karin Schubert teilnahm, wobei sie versucht hat, die Berliner Vorstellungen einzubringen. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, alle zur Bekämpfung der Zwangsverheiratung geeigneten rechtlichen Instrumente zu prüfen, nicht nur die Aufnahme von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen, sondern auch Änderungen im Aufenthaltsgesetz. Schon jetzt wird übrigens die Senatsverwaltung für Inneres der Ausländerbehörde Weisung erteilen, Opfern von Zwangsverheiratung unter bestimmten Voraussetzungen die Rückkehr zu ermöglichen.
Doch! Ich habe gesagt „wird“. – Es gibt also Fortschritte im Kampf gegen die Zwangsverheiratung.
Wir alle wissen, dass zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung die Sensibilisierung und Aufklärung der fachlich betroffenen Berufsgruppen und der Öffentlichkeit erforderlich ist. Nötig sind ebenso Beratungs- und Unterstützungsangebote, nicht zuletzt Zufluchtsorte für von Zwangsverheiratungen Bedrohte.
Daneben bleibt es unabdingbar, in der Rechtsordnung Regelungen zu schaffen, die zur Bekämpfung von Zwangsheirat in allen ihren Facetten beitragen und den Opfern helfen. Dazu wollen wir beitragen. Dabei wissen wir den Senat und besonders unsere Justizsenatorin auf unserer Seite. Gestern im Fachausschuss waren sich alle Fraktionen einig, dass alle hier vertretenen Parteien, auch die CDU, auf Bundesebene für unseren umfassenden Ansatz zur Bekämpfung von Zwangsverheiratung eintreten und dass das auch Verbesserungen des Aufenthaltsgesetzes einschließt. Deswegen verwundert es mich doch sehr, dass von den Grünen und von der FDP noch ein Antrag zum Aufenthaltsrecht eingebracht wird. Meines Erachtens sind diese beiden Anträge überflüssig.
In der Bundesratsinitiative, die vom Senat eingebracht worden ist, haben wir dieses mit aufgenommen.
Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war der große frauenpolitische Wurf der CDU. Man sieht es in ihren Reihen, wie stark die Frauen bei ihnen vertreten sind. Das war ein Beitrag, der nur negativ behaftet gewesen ist, aber nichts positiv voran gebracht hat.
zumindest, was das Thema Frauen in Führungsetagen angeht.
eine Tradition, die – ich bin stolz darauf – in meiner Fraktion und zum Glück auch in der Mehrzahl der anderen Fraktionen dieses Parlamentes fest verankert ist.
Ich möchte drei Grundpfeiler der Berliner Frauen- und Gleichstellungspolitik hervorheben: Einmal nenne ich das Landesgleichstellungsgesetz mit Quotenregelung, Frauenförderung und Einwirkungen auf die Privatwirtschaft durch öffentliche Auftragsvergabe. Zum anderen verweise ich auf die Konkretisierung des Gleichstellungsgebots in unserer Verfassung, auch in der Europäischen Verfassung.
ohne dass dies medizinisch zu rechtfertigen ist, dass Frauen in der Berufshierarchie in den unteren Positionen zu finden sind – es stimmt, Frauen sind in vielen Berufen schlechter bezahlt, dass müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen –, sie sind in vielen Berufen schlechter bezahlt und werden seltener befördert,
Schließlich erinnere ich an die Schaffung einer besonderen Senatsverwaltung für Frauen. Sie ist in dieser Form unverzichtbar!
dass bei dem Thema häusliche Gewalt ein geschlagener Mann eher als Witzfigur herabgesetzt, denn als Opfer angesehen wird, dass Mädchen trotz besserer Schulabschlüsse schlechtere Ausbildungschancen haben. Das sind nur einige Beispiele.
Konkrete Gleichstellungspolitik baut auf diesen zentralen Grundpfeilern auf. Sie ist in jeder Fachpolitik und im konkreten Verwaltungshandeln zu berücksichtigen. Gender Mainstreaming hat schon jetzt zu unübersehbaren Fortschritten geführt. Die Zeit, in der sich einige Ressorts gleichstellungspolitisch untätig, bequem zurücklehnten und auf ein für Frauenpolitik zuständiges Ressorts verwiesen, sind langsam aber sicher vorbei. In Anlehnung an eine berühmt gewordene Formulierung möchte ich diesen
Wie ich bereits ausgeführt habe, hält sich unser Beratungsbedarf zum konkreten Antrag in Grenzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat!
1. Wie wirkt sich aus Sicht des Senats die Initiative Girls' Day auf die Ausbildungsplatzsuche junger Mädchen aus, und sind Veränderungen z. B. bei der in der vergangenen Woche stattgefundenen Ausbildungsbörse im Flughafen Tempelhof festzustellen?
2. Auf welche neuen Ausbildungsberufe richten sich die Interessen der Mädchen, und in welchen Bereichen hält der Senat weitere Initiativen für nötig?
Präsident Momper Für den Senat antwortet der Wirtschaftssenator Wolf. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Senator Wolf! Ich erkenne, dass wir noch eine Menge tun müssen, um den Anteil von Mädchen in technischen und für Frauen untypischen Berufen zu steigern. – Warum sind Mädchen im Bund-Länder-Sonderprogramm für Ausbildungsplätze und im Bereich MDQM unterrepräsentiert?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie wird der Senat sicher stellen, dass Opfer häuslicher Gewalt schnell und unbürokratisch Arbeitslosengeld II empfangen?
2. Welche Vereinbarungen hat der Senat vorbereitet oder bereits getroffen, damit für diesen Kreis der Betrof
n?
Herr Senator Wolf! Sie sagten gerade, dass Sie auch an die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedacht haben und auch die Antigewaltprojekte mit einbeziehen. Um mehr Klarheit zu schaffen und damit schneller gehandelt werden kann, ist es vielleicht sinnvoll, Verwaltungsausführungsvorschriften zu erarbeiten.
Könnten Sie in etwa sagen, wann diese Regelungen anwendbar sein werden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits darauf hingewiesen worden: Heute denken wir ganz besonders an die Zurückdrängung der Gewalt gegen Frauen. Wir tun das nicht nur heute, sondern immer wieder auf’s Neue. Wir tun es, solange es Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen gibt. Gestern hatten wir eine Anhörung zum Thema Zwangsheirat. Dies ist auch eine brutale Form von Gewalt gegen Frauen.
Heute diskutieren wir über die Große Anfrage zum Menschenhandel in Berlin. Das tun wir in dem Bewusstsein, dass es vor allem um Frauen- und Mädchenhandel geht. Wir bedanken uns bei dem Senat und besonders bei Herrn Senator Wolf für die ausführliche und detaillierte Antwort.
Ich habe eben die Antwort von Herrn Wolf gehört.
Haben Sie sie nicht gehört, Frau Senftleben? Ist das keine Antwort gewesen? –
Sie zeigt, dass in Berlin die Probleme ernst genommen werden und dass sich etwas tut.
Eine weitere Intensivierung erwarten wir von den Gesetzesänderungen zur Reform der strafrechtlichen Vorschriften gegen den Menschenhandel. Diese wurden durch Beschlüsse der Vereinten Nationen und der Europäischen Union initiiert. Vor knapp einem Monat, am 28. Oktober 2004, hat der Bundestag sie einstimmig – ich betone: einstimmig – beschlossen. Am Freitag sollen sie im Bundesrat behandelt werden.
In diesem Zusammenhang ein Hinweis: In § 240 Strafgesetzbuch wird die Zwangsverheiratung ausdrücklich als besonders schwerer Fall der Nötigung aufgenommen. Ich bin nicht sicher, ob das ausreicht. Das wird im Rahmen der Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg zu prüfen sein. Mit strafrechtlichen Bestimmungen allein kommen wir aber nicht weiter. Auch Änderungen des Aufenthaltsrechts sind zu prüfen. Ich warne aber davor, dieses Thema zu einem Kampf der Kulturen aufzubauschen.
Schwerpunkt des Frauen- und Menschenhandels ist Gewalt gegen Frauen, um sie zur Prostitution zu zwingen. Entsprechend den internationalen Vorgaben wird mit der Änderung des Strafrechts künftig unterschieden zwischen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft. Insgesamt sind die neuen Vorschriften gerade für den Menschenhandel zur Ausbeutung der Prostitution umfassender und präziser als bisher und führen vor
Es ist deutlich geworden, dass Menschenhandel kein quantitativ unbedeutendes Ausnahmedelikt ist. Das zeigen schon die offiziellen Zahlen. Jeder und jede weiß zudem, dass mit einer riesigen Dunkelziffer gerechnet werden muss. Menschenhandel und Zwang zur Prostitution sind ein ins Gewicht fallender und lukrativer Wirtschaftszweig, ein Zweig der organisierten Kriminalität insgesamt. Die Verknüpfungen etwa mit Geldwäsche und Drogendelikten sind nicht zu übersehen. Wenn wir den Menschenhandel erfolgreich zurückdrängen, können wir auch die anderen genannten Bereiche organisierter Kriminalität besser bekämpfen. Das sollte uns etwas wert sein. Bei der Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte und Manager wird auf den möglichen volkswirtschaftlichen Nutzen geachtet. Warum wird nicht ein Aufenthaltsrecht für die akzeptiert, die durch ihre Anzeige und Aussagebereitschaft nicht nur einen Beitrag zur Verbrechensbekämpfung leisten, sondern mittelbar ganz erhebliche volkswirtschaftliche Schäden abzuwenden helfen?
allem zur Vereinheitlichung auf internationaler Ebene. Wir versprechen uns dadurch ein schärferes und wirksameres Vorgehen gegen die Akteure und Nutznießer des Menschenhandels.
Wir dürfen aber die Augen nicht vor der ursächlichen Rolle verschließen, die Männer als Freier in diesem kriminellen Geschäft spielen.
Keine Sorge, ich werde mich nicht gegen die Legalisierung der Prostitution wenden. Es geht mir auch nicht um Männer, die Prostituierte besuchen und mit ihnen Dienstleistungsverträge abschließen, um es einmal so auszudrücken. Wenn aber eine Prostituierte telefonisch bestellt wird, wenn Leistung und Entlohnung nicht mit ihr, sondern mit einem Begleiter vereinbart werden, wenn dieser auch das Geld entgegennimmt, dann muss der Freier wissen, dass es sich hier um Zwangsprostitution handeln kann. Er nimmt das mindestens billigend in Kauf, handelt mit bedingtem Vorsatz. Ob das strafrechtlicher Sanktionen zugänglich ist, weiß ich nicht, moralisch sollten wir aber niemandem die Schutzbehauptung durchgehen lassen, er habe von nichts gewusst.
Nun aber zu den Opfern. Potentielle zukünftige Opfer werden vielleicht durch die Bestrafung der Täter geschützt. Doch was ist mit denen, die schon Opfer geworden sind, vor allem mit denen, deren Anzeigen und Aussagen die Täter erst namhaft und dingfest gemacht haben? Häufig haben sie schwere Schäden wie eine Traumatisierung davongetragen. Häufig erleiden sie dann noch weitere Nachteile. Immerhin zu begrüßen ist die Einführung eines zweiten Absatzes in § 154 c Strafprozessordnung. Es geht dabei um Folgendes: Wenn eine Frau, die Opfer eines Menschenhändlers wurde, diesen anzeigt, bekommt sie oft ein Problem. Wenn sie gegen das Ausländergesetz verstoßen oder sich sonst strafbar gemacht hat, handelt sie sich durch ihre Anzeige selbst ein Ermittlungsverfahren ein. In solchen Fällen kann die Staatsanwaltschaft künftig von der Strafverfolgung absehen. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Weniger zufriedenstellend ist aber die aufenthaltsrechtliche Situation der Opfer von Menschenhandel, die durch ihre Strafanzeige eine Verfolgung der Täter erst ermöglicht haben. Sie müssen nicht nur befürchten, in eine schwierige Situation in ihre Heimat zurückzukehren, häufig sind sie dort auch Gefahren von Seiten der Täter oder ihrer Kumpanen ausgesetzt. Hier hat die Weisung von Senator Körting die Duldung während des Strafverfahrens auf mindestens ein Jahr gesichert. „Der Staat ist auf aussagewillige Frauen angewiesen, wenn er Schleuserringe zerschlagen will“, sagte Senator Körting dazu im August. Ich hoffe nur, dass auch nach Inkrafttreten des neuen Aufenthaltsrechts ab dem 1. Januar 2005 die tatsächliche Sicherheit des Aufenthalts eines Opfers wäh
rend des Strafverfahrens gegen die Täter aufrechterhalten werden kann.
Ich komme zum Schluss. – Ich sehe Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels, auch und gerade bei uns in Berlin. Wir müssen aber lernen, stärker nicht nur die Seite der Täter, sondern auch die der Opfer zu sehen. Da bleibt noch eine Menge zu tun. In diesem Sinn gehe ich davon aus, dass der heutige Tag gegen Gewalt gegen Frauen sich nicht nur im nächsten Jahr wiederholen wird. Wir brauchen solche Tage, auch dazwischen, immer wieder. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Klotz! Auf Ihre Rechenspiele werde ich jetzt nicht eingehen.
Sie liegen in vielen Punkten falsch! – Der Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen hat empfohlen, beide Anträge – sowohl den Antrag der CDU als auch den der Grünen – abzulehnen, und wir werden dieser Empfehlung zustimmen.
Die Frage, wie die Arbeit von Frauenprojekten in einer schwierigen Haushaltslage gesichert werden kann, ist zu wichtig und zu ernst, als dass wir dieses Thema zu einem Tummelplatz für parteipolitische Profilierungsversuche werden lassen.
Das tun aber die beiden Fraktionen mit ihren Anträgen – wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise.
Die Grünen behaupten in der Überschrift ihres Antrags, es handle sich bei den kritisierten Entscheidungen um eine Pseudohaushaltssanierung. – In der Tat! Die Umschichtungen und teilweisen Kürzungen in diesem Bereich sind im Verhältnis zu dem Haushaltsdefizit, das wir zu bewältigen haben, fast zu vernachlässigen. Aber was wollen Sie tun?
Ich weiß, das wollen Sie nicht, aber wenn das so ist, dann lassen Sie doch einfach mal Ihre billige Polemik.
Die von den Grünen in ihrem Antrag vorgeschlagenen Umschichtungen aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik müssen wir in der jetzigen dramatischen Arbeitsmarktlage ablehnen. Ich weise darauf hin, dass die dortigen Kürzungen gerade Frauen treffen. Es ist selbstverständlich, wenn in bestimmten Töpfen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik noch Geld übrig ist, dass uns das SGB II genügend neue Instrumente bietet, dieses Geld für Beschäftigung auszugeben. Das ist nötig und sinnvoll! Besonders interessant finde ich nun, dass die Grünen die Frauenverwaltung, die damals unter Rot-Grün geschaffen wurde, immer weiter ausdünnen wollen. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem das Frauenressort geschlossen werden kann, und da machen wir nicht mit!
Nun zur CDU:
Bei der Zusammensetzung Ihrer Fraktion mit nur drei weiblichen Mitgliedern erkennt doch jede und jeder den Stellenwert der Frauenpolitik bei der CDU.
Die CDU weiß offensichtlich überhaupt nicht, was sie will.
Sie schlägt in ihrem Antrag vor, der Senat solle eine Konzeption erarbeiten und vorlegen, aber schon die Kriterien, die Sie auflisten, sind völlig unzureichend. Wenn man das, was Sie da zu Papier gebracht haben, ernst nehmen
)
Besonders dramatisch wird das am Beispiel der Kürzungen für das zweite Frauenhaus. Auf Grund der beson
ders ernsten Situation für diese außerordentlich wichtige Einrichtung sollten einige Sachverhalte beim Namen genannt werden. Die vorgesehene Einsparung soll durch die Umwandlung von Frauenhauskapazitäten in Zufluchtswohnungen erbracht werden. So wurde seitens der Staatssekretärin Ahlers im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz argumentiert, dass das noch relativ neue Gewaltschutzgesetz eine Rückkehr in die eigene Wohnung möglich mache. Fragt man nach, ob diese Studie auch belegt, dass dann weniger Frauenhausplätze benötigt werden, bekommt man die Antwort, dass es darüber in Deutschland noch keine Studien gebe.
Ein Blick über den Tellerrand sollte hier gestattet sein, auch dem rot-roten Senat. Da er dazu nicht in der Lage zu sein scheint, haben wir es als Opposition für ihn getan. Unsere Nachbarn, die Österreicher, haben auch ein solches Gewaltschutzgesetz. Sie haben noch eines dazu: Sie haben Studien. Und siehe da, dieses Gesetz führt nicht zu einem Rückgang des Bedarfs an Frauenhausplätzen, das Gegenteil ist der Fall: Der Bedarf steigt. Deswegen wurde kürzlich in Wien ein viertes Frauenhaus eröffnet, ein fünftes und sechstes sind geplant.
(D
Die Diskussionen im Vorfeld der Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes haben zu einer großen gesellschaftlichen Wahrnehmung dieser Problematik geführt. Das Thema gelangte aus dem Tabubereich in die breite Öffentlichkeit. Deshalb trauen sich immer mehr betroffene Frauen, überhaupt zu Hilfeangeboten zu neigen, sie wahrzunehmen, weil sie gesellschaftliche Akzeptanz in ihrer Situation spüren. Es wird dabei eben oft nicht auf die Schutzmechanismen des Gewaltschutzgesetzes selbst zurückgegriffen, sondern auf alle Schutzmaßnahmen des Antigewaltbereichs. Insbesondere auf die Frauenhäuser. Das belegt eine Studie des zweiten Frauenhauses. Die hätte man sich einfach nur einmal ansehen müssen, Herr Senator!
wollte, dann wollen Sie, ohne überhaupt nur den Ansatz einer Konzeption zu haben, alle soziokulturellen Projekte abschaffen. Einen so verengten Begriff von Frauenpolitik lehnen wir ab. Nur weil Sie selbst keine Konzeption haben, wollen Sie, dass die Verwaltung Ihnen eine auf der Grundlage verengter Kriterien erarbeitet. Das ist jedoch nicht nur inhaltlich falsch, sondern das würde weitere finanzielle Mittel binden, die wir lieber für die Projekte ausgeben.
Wir hingegen haben eine Konzeption, und danach handeln wir auch. Wir treffen die notwendigen Entscheidungen, was nicht immer einfach ist, und dafür ernten wir nicht nur Freundlichkeit. Wir haben unsere Vorschläge in langen und schmerzhaften Diskussionen vorbereitet. [Henkel (CDU): Ist nicht wahr!]
Die Fusion von EWA und Brunnhilde halten wir für richtig und wichtig. Sie wird zur Stärkung des Angebots an diesem Standort beitragen. Somit erhalten wir die Projektlandschaft in Strukturen, die zukünftig ausgebaut werden können.
Der Diskussionsprozess über die regionale Ausstattung der Stadt wird uns sicherlich auch weiterhin beschäftigen. Von dieser notwendigen und konstruktiven Politik lassen wir uns auch nicht durch polemische und destruktive Schaufensteranträge abhalten. – Wir lehnen beide Anträge ab. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Zeiten unzureichenden Wirtschaftswachs
tums und beengter Staatsfinanzen ist es schwer, Gleichstellungspolitik umzusetzen. Aber in diesen Zeiten ist sie besonders wichtig. Sie ist notwendig, um wesentlichen Prinzipien unserer Verfassungsordnung gerecht zu werden. Die Koalition aus SPD und PDS hatte bei der Senatsbildung einen mutigen Schritt gemacht. Wir haben das Senatsressort für Arbeit und Frauen mit der Wirtschaftsverwaltung zusammengeschlossen, auch um mehr zu tun für die Gleichstellungspolitik außerhalb des öffentlichen Bereichs in der privat organisierten Wirtschaft. Das ist in Deutschland einmalig.
Jetzt haben wir eine Große Anfrage eingebracht, um eine erste Zwischenbilanz ziehen und weitere Schritte bestimmen zu können. Dabei ist es uns klar, dass gerade die Gleichstellungspolitik auf vielerlei Hindernisse stößt und wir dicke Bretter bohren müssen. Für die ausführliche und gründliche Antwort bedanken wir uns herzlich beim Senat, bei dem zuständigen Senator und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Gerade bei einem Querschnittsanliegen wie der Gleichstellungspolitik ist der Arbeitsaufwand beträchtlich, müssen vielfältige Angaben von den verschiedenen Stellen zusammengetragen und aufbereitet werden. – In der Kürze der zur Verfügung stehenden Redezeit werde ich mich auf einige Schwerpunkte konzentrieren. Ich denke, dass die anderen Aspekte auch von anderen mit berücksichtigt werden.
Die schon seit mehreren Wahlperioden in einer Senatsverwaltung zusammengeschlossenen Bereiche Frauen und Arbeit haben sich gegenseitig geprägt und in der Leistungsfähigkeit gestärkt. Das wird besonders deutlich in der Sensibilität und Effektivität der Arbeitsmarktpolitik für Gesichtspunkte der Gleichstellung. Hinsichtlich der erst kürzlich erfolgten Einbindung der Wirtschaftsverwaltung kann das naturgemäß noch nicht so weit sein. Ich bin aber sicher dass das im Laufe der Zeit überwunden werden kann, auch in Folge einer stärkeren und kontinuierlichen Teilhabe des zuständigen Senators an den Ausschussdiskussionen.
Ich betone: Das Thema Frauen und Wirtschaft ist nicht ausschließlich und auch nicht in erster Linie eine Frage des Wirtschaftsstandortes und der Wettbewerbsfähigkeit. Hier geht es um mehr. Hier geht es um Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens und unserer Verfassungsordnung. Artikel 10 der Verfassung von Berlin kann nicht oft genug zitiert werden:
Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern. Zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung zulässig.
Das steht in Übereinstimmung mit Artikel 3 des Grundgesetzes und mit Artikel 3 des EG-Vertrages. Übrigens will auch der Entwurf des europäischen Verfassungsvertrages
in Artikel III-2 dazu verpflichten, „dass Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen beseitigt werden und die Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert wird“.
Das ist auch zu berücksichtigen, wenn wir neuerdings Gleichstellungspolitik als Gender-Mainstreaming bezeichnen. Dieser Begriff ist aus der Entwicklungspolitik über die europäischen Institutionen zu uns gelangt. Er gefällt mir nicht so sehr, aber er hat sich schließlich durchgesetzt. Richtig verstandenes Gender-Mainstreaming hat einen doppelten Ansatz. Zum einen geht es darum, die Gleichstellung von Männern und Frauen als durchgängiges Leitprinzip in allen Politikfeldern zu begreifen und sie als Querschnittsaufgabe zu praktizieren. Im Verwaltungshandeln gibt die Senatsverwaltung für Arbeit ein positives Beispiel für die konsequent paritätische Aufteilung der Mittel ab. Dies ist im Bereich der Wirtschaftsverwaltung noch nicht im gleichen Maße gediehen. Aber gerade hier erwarten wir positive Effekte des Neuzuschnitts der Verwaltung.
Es bleibt weiterhin unverzichtbar, bestehende strukturelle Benachteiligungen von Frauen durch jeweils konkrete Maßnahmen auszugleichen. Auf Landesebene steht uns dafür vor allem das Instrument des Landesgleichstellungsgesetzes zur Verfügung. Die Frage nach der Beachtung der Grundsätze der Frauenförderung bei einer Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen hat der Senat bisher noch nicht so befriedigend beantwortet. Da muss noch nachgebessert werden.
In diesem Zusammenhang – und weil gerade der 6. Gleichstellungsbericht vorgelegt wurde – noch eine generelle Bemerkung: Das LGG will auch erreichen, dass eine fortschreitende Gleichstellung im öffentlichen Bereich auf den Bereich der Privatwirtschaft ausstrahlt und dort beispielgebend wirkt. Das setzt allerdings voraus, dass sich tatsächlich etwas positiv bewegt. In Wirklichkeit ist aber der Frauenanteil im höheren Dienst bei Beamten und Angestellten rückläufig. Zu Recht stellt der Deutsche Juristinnenbund in seiner Erklärung vom 23. März fest:
Bei Leitungspositionen in Haupt- und Bezirksverwaltungen beträgt der Frauenanteil bei Abteilungsleitungen beschämende 9,8 %.
Das ist kaum beispielgebend für die Privatwirtschaft. Die gestern im Ausschuss begonnene Diskussion hierüber werden wir daher intensiv fortsetzen müssen.
Unmittelbar auf den Bereich der Privatwirtschaft soll mit den §§ 13 und 14 des Landesgleichstellungsgesetzes eingewirkt werden. Hier fällt zunächst unangenehm auf, dass der aktuellste besondere Bericht dazu vom 30. Januar 2001 datiert. Das ist doch etwas lange her, Herr Wolf! Auch jetzt vermögen die Antworten des Senats nicht wirklich zu befriedigen. § 13 sieht die Verknüpfung von öffentlicher Auftragsvergabe und Frauenförderung vor. Zu seiner Umsetzung wurde vom Senat am 23. August 1999 die Frauenförderverordnung erlassen. Es beruhigt
ungemein, dass dieses Instrument bei den erfolgten Ausschreibungen grundsätzlich beachtet wurde. Dass es aber über die tatsächliche Durchführung und Wirkung der Auftragsvergaben keine Angaben gibt, ist unbefriedigend. Wenn statistische Auskünfte von den Vergabestellen mangels Regelungen in der Förderverordnung nicht gegeben werden, so zeigt das ein Versäumnis des Verordnungsgebers. Hier muss auch nachgebessert werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich dick unterstreichen, dass Gleichstellungspolitik generell nur effektiv wirken kann, wenn statistische Erfolgskontrollen stattfinden und Nachbesserungen ermöglichen. In diesem Sinne war die Bemühung des Senats im Bundesrat richtig, eine Änderung des Gesetzes zur Statistik im produzierenden Gewerbe abzulehnen. Es ist kontraproduktiv, statistische Angaben nicht mehr nach der Beteiligung von Frauen und Männern aufzulisten. Dagegen hat sich der Senat gewehrt. Das finde ich gut. Diese Verpflichtung, das so aufzulisten, ist vor 2001 eingeführt worden – leider nur für Unternehmen mit mehr als einem Betrieb. Statt einer Ausweitung auf alle Unternehmen will der Bundesrat sie nun ganz streichen. Angeblich ist der bürokratische Aufwand zu hoch. Das kommt von Seiten der CDU. Das muss ich an dieser Stelle einmal deutlich sagen. Diese Behauptung ist angesichts der Realität der Datenverarbeitung in den Unternehmen schlicht Unsinn.
Zurück zum Landesgleichstellungsgesetz: § 14 sieht vor, die Gewährleistung staatlicher Leistungen an private Unternehmen von Maßnahmen der Frauenförderung abhängig zu machen. Für die Umsetzung auch dieser gesetzlichen Regelung ist eine Verordnung erforderlich. Leider liegt die immer noch nicht vor.
Sie wollen es nicht. Das ist mir klar. – Die Gründe dafür überzeugen nicht. Es ist nicht einsichtig, welche rechtlichen Hindernisse dem entgegenstehen sollten. Vor allem ist nicht einzusehen, aus welchen Gründen die Privatautonomie hier vor der Berliner Verfassung, vor dem Grundgesetz, dem EG-Vertrag und gegebenenfalls vor dem europäischen Verfassungsvertrag Vorrang haben soll.
Unsere Große Anfrage war notwendig und hilfreich. Die Antworten des Senats zeigen, dass schon viel geleistet worden ist, aber auch noch unerledigte Aufgaben anstehen, die wir gemeinsam anpacken müssen. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie beurteilt der Senat den kürzlich geäußerten Vorstoß des Deutschen Industrie- und Handelskammertages für eine Kürzung der Ausbildungsvergütung als Anreiz zur Schaffung von neuen Lehrstellen?
2. Was tut der Senat neben der Unterstützung des Girls’ Days, um in den Schulen darauf hin zu wirken, Mädchen vermehrt auf bisher für sie atypische Berufe aufmerksam zu machen?
Die Berufswahl ist nach wie vor geschlechtstypisch, was mit geringeren Löhnen für die von Mädchen gewählten Ausbildungsgänge verbunden ist. Wie können Sie als Senator dagegen angehen, dass Mädchen schlechter bezahlt werden? – In weiblichen Berufsfeldern darf es keine schlechtere Bezahlung geben – zumal bei gleicher Qualifikation wie in männlichen Berufsfeldern. Denn es ist festzustellen, dass Mädchen bessere Qualifikationen und Schulabschlüsse haben als Jungen.
Danke! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage gibt einen umfassenden Überblick über die jetzige Situation, vor allem über die erzielten Erfolge beim Zurückdrängen häuslicher Gewalt, Erfolge, die zu einem großen Teil der Arbeit der rot-grünen
Koalition auf Bundesebene zu danken sind, aber an denen auch wir in Berlin unseren erheblichen Anteil haben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle den früheren Senatorinnen Gabriele Schöttler und Christine Bergmann Dank sagen, Christine Bergmann besonders auch für ihre hervorragende Arbeit als Bundesfrauenministerin.
Die Antwort des Senats zeigt neben den Erfolgen auch, welche Probleme und Aufgaben noch vor uns liegen. Sie muss Anlass sein, uns fraktionsübergreifend zu verständigen über den gegenwärtigen Stand und über die fortbestehenden Aufgaben bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Insgesamt stelle ich fest, die Antwort des Senats markiert einen Meilenstein auf dem Weg zur Überwindung häuslicher Gewalt in unserer Gesellschaft. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion herzlich bedanken beim Senat, bei der Fachverwaltung und vor allem bei Frau Senatorin Schubert.
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]
Häusliche Gewalt, vor allem von Männern gegen Frauen, aber auch gegen Kinder, ist schon zahlenmäßig ein gravierendes gesellschaftliches Problem. Das zeigen die zunehmenden Strafanzeigen, die Ermittlungs- und Strafverfahren. Dennoch stellen sie nur einen kleinen Ausschnitt dar. Noch immer ist die Anzahl der Taten, die im Dunkeln bleiben, um ein Vielfaches höher. Die in der Antwort erwähnte wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahre 1995 hat eine Anzeigebereitschaft von nur 4,8 % ergeben.
Nur jede 20. Gewalttat wurde aktenkundig. Nun ist die Anzeigebereitschaft in Berlin sicherlich größer als im christdemokratisch regierten BadenWürttemberg und aufgrund unserer offensiven Politik auch noch deutlich gewachsen. Dennoch brauchen auch wir zusätzliche Ergebnisse wissenschaftlicher Begleitforschung, um das ganze Ausmaß dieser gesellschaftlichen Schattenseiten ermessen zu können.
In Berlin haben wir früher als anderswo begonnen, das Tabu um die häusliche Gewalt zu brechen. Anfang der 70er Jahre entriss die Frauenbewegung der Gewalt im gesellschaftlichen Nahbereich den Schleier des angeblich Privaten.
Bereits 1976 wurde in Berlin das erste Frauenhaus gegründet; weitere folgten in den nächsten Jahren. Die politische Unterstützung und Förderung ihrer Arbeit wurde durchgesetzt und ausgebaut. Lange Zeit standen Beratung und Hilfe für die Opfer im Zentrum. Seit 1993, seit der Fachtagung "Sag mir, wo die Männer sind", können wir aber einen Paradigmenwechsel verzeichnen. Zunehmend geht es um wirksame Sanktionen gegen häusliche Gewalt und um gesellschaftliche Prävention. Dreh- und Angelpunkt, das wurde schon gesagt, wurde die Arbeit des 1995 gegründeten Interventionsprojekts gegen häusliche Gewalt, das BIG. In ihm arbeiteten zuletzt 150 Beteiligte aus staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Projekten zusammen.
1999 wurde die Hotline des BIG geschaffen. Hier finden Betroffene telefonische Hilfe und Beratung. Seit Mai 2001 ist die mobile Intervention der Hotline hinzugekommen. Allen an dem Projekt und seinem Umfeld Beteiligten danken wir für ihr Engagement und für die erzielten Erfolge. Für die Weiterarbeit als Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt im Rahmen des Berliner Aktionsplans wünschen wir alles Gute!
Die Frage der häuslichen Gewalt berührt Grundwerte unserer Gesellschaft und Verfassung. Im Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Das gilt umfassend für alle Menschen, für Männer, für Frauen, für Kinder, unabhängig von der Nationalität in allen Lebensbereichen auch am Arbeitsplatz, auch in Ehen und Familien, im sozialen Nahbereich insgesamt. Die Menschenwürde ist vom Staat zu achten. Ihm ist untersagt, sie zu verletzen. Er muss aber alles Notwendige und alles Mögliche tun, die Menschenwürde durch aktive Maßnahmen zu schützen und Gefahren von ihr abzuwenden.
Dem entsprach die deutsche Rechtsordnung lange nicht. Die letzten Korrekturen konnten erst in jüngster Zeit nach heftigen Auseinandersetzungen durchgesetzt werden. Ich nenne dazu drei Beispiele:
1. Erst seit 1997 wurde die Vergewaltigung in der Ehe als solche unter Strafe gestellt gegen den Widerstand eines beträchtlichen Teils von CDU und CSU.
Richtig akzeptiert ist das aber immer noch nicht von allen. So schrieb einer der führenden Strafrechtler noch 1999, ich zitiere:
Immerhin sind die Ehegatten einander zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Dazu gehört auch der Geschlechtsverkehr. Nun bedeutet dies natürlich nicht, dass sich ihn der Ehemann zu jeder beliebigen Zeit nehmen kann, sondern er ist auf die Zustimmung der Frau angewiesen.
- Das ist ein Zitat von einem Strafrechtler. Es geht noch weiter:
Es fragt sich doch, ob es sich bei diesem Verhalten eher um eine Art Selbsthilfe, eine Art Nötigungsunrecht handelt und nicht um das typische Vergewaltigungsunrecht.
Er unterscheidet also zwischen typischem und untypischem Vergewaltigungsunrecht, wobei für ihn das untypische Vergewaltigungsunrecht in der Ehe stattfindet und legitimiert ist. Was ist das für eine Denkweise im Jahr 1999!
2. Erst im Jahr 2000 wurde der Satz in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben. Der nachfolgende Satz lautet: "Körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig." Dabei wird der Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung und Entwürdigung, Verletzung der Menschenwürde aufgenommen. Eine solche Regelung war in der Wahlperiode davor an der damaligen Mehrheit von CDU, CSU und FDP gescheitert.
3. Erst Anfang 2002 traten das Gewaltschutzgesetz und eine entsprechende Änderung des BGB in Kraft. Jetzt können Opfer von Gewalttaten wirksam vor neuer Gewalt, vor Bedrohung und Belästigung geschützt werden. So kann durch gerichtliche Entscheidung eine gemeinsame Wohnung dem Gewaltopfer zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden, nach dem Grundsatz: Wer schlägt, muss gehen. Das Opfer bleibt in der Wohnung.
Jetzt geht es darum, die erzielten Erfolge auf der ganzen Linie auszubauen. Dazu möchte ich vier Punkte benennen. 1. Da häusliche Gewalt nicht mehr als private Streitigkeit missverstanden wird, gewinnt strafrechtliches Vorgehen an
Wirksamkeit. Das wird auch die Anzeigebereitschaft steigern. Mehr konsequentere strafrechtliche Sanktionen aber werden nicht ohne Eindruck und nicht ohne nachhaltige Verhaltensänderung bleiben. 2. Die anfänglichen Schwierigkeiten beim zivilrechtlichen Gewaltschutz sind überwunden. Jetzt kommt es darauf an, die weitere Praxis aufmerksam zu begleiten, gegebenenfalls müssen Nachbesserungen etwa im Verhältnis zum Sorgerecht vorgenommen werden. 3. Die polizeiliche Wegweisung der Gewalttäter aus der Wohnung hat sich bewährt. Um sie noch wirksamer zu machen werden wir das ASOG um § 29 a ergänzen. Damit werden wir die zeitliche Lücke bis zum Greifen von Maßnahmen des zivilrechtlichen Gewaltschutzes schließen. 4. So wichtig rechtliche Regelungen und Sanktionen auch sind, reichen sie allein nicht aus. Beratung und Unterstützung der Opfer müssen wir ausbauen, Schulungen der Verantwortlichen sowie Aufklärung und Information der Bevölkerung intensivieren. Für Gewalt, auch für Gewalt im häuslichen Bereich, darf es weder Verständnis noch Gleichgültigkeit geben. - Danke!