Bilkay Öney

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Ich frage den Senat:
1. Unterstützt der Senat die auch von Vizekanzler FrankWalter Steinmeier geforderte Aufnahme von entlassenen Guantanamo-Häftlingen in der Bundesrepublik? Wenn nein, warum nicht?
2. Inwiefern ist der Senat bereit, im Sinne der Humanität und der deutsch-amerikanischen Freundschaft aus Guantanamo entlassene Menschen in Berlin aufzunehmen?
Sind Sie wenigstens gewillt, nachgewiesenerweise unschuldige Menschen hier aufzunehmen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wansner! Die Stunde Null der Integrationspolitik begann im Jahr 2005, als unter Rot-Grün verpflichtende Integrationskurse eingeführt wurden. Warum diese Kurse so wichtig sind, muss ich Ihnen nicht sagen. Dass diese Kurse nicht ganz optimal laufen, habe ich bereits gesagt. Ich erinnere an meine Kleine Anfrage vom März 2007. Damals redete der Senat sich heraus und sagte, dass die Zuständigkeit dafür nicht beim Senat, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liege. Das stimmt zwar. Aber warum soll sich Berlin nicht einmischen, wenn es Fehler beim Bund entdeckt? – Die Einstellung, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, oder was nicht meine Aufgabe ist, geht mich nichts an, darf nicht das Motto der Berliner Integrationspolitik sein. Dafür ist das Thema für unsere Stadt einfach zu wichtig.
Darum hat unsere Fraktion bereits 2006 das Konzept „Integration konkret“ vorgelegt. Wenn Sie nun endlich bereit sind, den Schwachstellen der Integrationskurse nachzugehen, ist das ein überfälliger Schritt. Er ist vergleichsweise klein, aber er geht in die richtige Richtung.
Wir haben Ihre Anträge wohlwollend geprüft und Folgendes festgestellt: Beim ersten Antrag zur praktischen Integration handelt es sich um einen Prüfauftrag. Sie wollen prüfen lassen, ob man im Rahmen der Integrationskurse freiwillige Praktika anbieten kann. Prüfen kann man natürlich immer. Insofern ist der Antrag völlig unspektakulär. Das Kernproblem der Integrationskurse ist ein anderes. Die Evaluation hat gezeigt: Die Kurse sind unterfinanziert, und ihre Qualität ist unzureichend. Die Folge? – Bundesweit erreichen nur 46 Prozent der Kursteilnehmer das vorgesehene Sprachniveau B 1. Und wenn über die Hälfte der Teilnehmer das Sprachniveau nicht erreicht, muss man sich schon fragen, ob ein freiwilliges Praktikum die Probleme löst.
Auf jeden Fall darf das Praktikum nicht auf Kosten des knapp bemessenen Deutschunterrichts gehen. Realistischer erscheint daher ein Praktikumsangebot im Anschluss an den Sprachkurs oder begleitend zum Orientierungskurs. Und es spricht überhaupt nichts dagegen, mit den Trägern zu sprechen, ob Praktika im Verbund angeboten werden können. Es spricht auch nichts dagegen, insbesondere die Orientierungskurse mit lokalen Strukturen zu vernetzen und Begegnungsmöglichkeiten zu schaf
fen. Ziel der Integrationskurse und der Begleitmaßnahmen muss es sein, auch berufliche Perspektiven zu eröffnen.
Eine andere Frage ist, wie viele Migranten tatsächlich an einem Praktikum teilnehmen könnten. Nicht wenige müssen neben den Kursen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie haben bereits jetzt Schwierigkeiten, die Pflichtstunden zu erfüllen. Diesen Leuten fehlt keine Arbeitspraxis, sondern einfach nur die Zeit. Wichtig wäre daher ein zeitlich flexibles Kursangebot. Was wir brauchen, sind Abendkurse und bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Auch das ist seit Langem bekannt; auch diese Missstände muss Berlin angehen. Ein gutgemeinter Prüfauftrag wird dazu kaum ausreichen.
In Ihrem zweiten Antrag fordern Sie eine Verknüpfung von Sprachfördermaßnahmen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen. Da kann ich nur Ja sagen. Es kann doch nicht sein, dass die Leute an einem Integrationskurs teilnehmen, um anschließend ihrem Schicksal überlassen zu werden! Integrationsmaßnahmen müssen daher mit beruflichen Maßnahmen verzahnt werden. Das ist richtig und wird auch nicht dadurch falsch, dass Rot-Rot das nun auch fordert. Wir werden das auf jeden Fall unterstützen. Wie das praktisch aussehen soll, darüber wird im Ausschuss noch zu reden sein. Sie sehen: Wenn sich Rot-Rot integrationspolitisch endlich bewegt, findet das unsere Zustimmung, und wir könnten längst weiter sein, wenn die Regierungsfraktionen unsere Anträge nicht grundsätzlich ablehnten.
Lassen Sie uns im neuen Jahr konstruktiv zusammenarbeiten, damit die Integrationspolitik in dieser Stadt vorankommt! – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Mensch ist im Leben vielen Zwängen unterworfen: dem Zwang, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen, dem Zwang, Termine wahrzunehmen, obwohl man andere Dinge lieber täte, dem Zwang, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann. – Das klingt alles sehr vertraut. Aber könnten Sie sich vorstellen, jemanden heiraten zu müssen, den Sie nicht kennen und nicht lieben? – Wohl kaum! Und doch gibt es auch in Berlin Fälle von Zwangsheirat. Diese Situation können und wollen wir als Grüne auf keinen Fall hinnehmen.
Zwangsheirat ist zwar als besonders schwere Form der Nötigung ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Doch wir wissen alle, dass Gesetze Menschen noch nie davon abgehalten haben, Dinge zu tun, die eigentlich verboten sind. Wenn wir Zwangsheiraten wirklich verhindern wollen, müssen wir ernsthaft und konsequent dagegen vorgehen. Das ist die Intention unseres Antrags.
Zunächst zum Ausmaß und zu den Auswirkungen von Zwangsheiraten in Berlin: Im Jahr 2005 wurden in Berlin 300 Fälle von Zwangsheirat bekannt. Der Zulauf zu Or
ganisationen wie Hatun & Can zeigt uns aber, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Die Einrichtung Hatun & Can bekommt übrigens für die Arbeit keinen Cent. Das ist peinlich.
Gerade weil Zwangsheirat mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden kann, wenden sich die Betroffenen Migranten nicht an die Behörden. Niemand will die Familie anzeigen. Auch uns wäre lieber, wenn die Menschen gar nicht in diese Situation kämen. Dafür muss aber sehr viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Das passiert leider nicht. Bisher hat sich der Senat in dieser Sache nicht besonders hervorgetan.
Wir hatten bereits vor zwei Jahren mehr Aufklärung in der Ausländerbehörde gefordert. Wir haben inzwischen festgestellt, dass sich diesbezüglich bis heute nichts getan hat. Wir haben im Selbsttest eine junge Frau losgeschickt. Das erste Mal kam sie mit Flyern von Pizza Max zurück, und das zweite Mal fragte sie nach Infobroschüren und bekam die Antwort: Wir sind doch nicht die Bundesdruckerei. – Das ist unverschämt.
Das ist aber nicht das einzige Problem. Es sind nicht nur Ausländer von Zwangsheirat betroffen, sondern auch Menschen, die inzwischen deutsche Staatsangehörige sind, und die gehen eben nicht zur Ausländerbehörde. Daher ist die Schule der geeignete Ort für Frühaufklärung, und zwar nicht nur, weil man dort die Schülerinnen und Schüler erreicht, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer einbeziehen kann. Viele sind in solchen Situationen hilflos und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Oft berichten Lehrerinnen und Lehrer, das Mädchen Angst haben, in die Ferien zu fahren, weil ihnen dort eine Heirat bevorsteht. Wir haben demnach nicht nur ein Problem von sogenannten Importbräuten, sondern oft sind es auch Importgatten, denen die Anpassung in Deutschland schwerfällt. Oft heiraten Migranten durch den Einfluss der Familie viel zu jung. Daraus ergeben sich viele Probleme. Überforderung, fehlende Familienplanung, Aggression, häusliche Gewalt und Unvermögen, mit diesen Problemen umzugehen, sind die Folgen. Mit diesen Folgen haben wir zu kämpfen, wenn wir die Menschen nicht aufklären.
Wir brauchen deshalb ein Konzept zur Information und Sensibilisierung der Betroffenen und der Behörden, etwas, das die Menschen stadtweit erreicht.
In Nordrhein-Westfalen hat man das erkannt und eine breit angelegte Kampagne gestartet. Ähnliches wollen wir in Berlin. Ich finde es ärgerlich, wenn manche CDUregierten Länder dem rot-roten Senat in integrationspolitischen Dingen voraus sind. Jedenfalls könnten das Wissen
und die Erfahrungen aus NRW hier sinnvoll genutzt werden.
Wir müssen uns überlegen, wie die Zusammenarbeit der Schulen, der Migrantenverbände, der Jugendämter und der Polizei verbessert werden kann. Ich sagte es bereits: Weil Zwangsheirat strafbar ist, versuchen die Betroffenen, sich selbst zu helfen, oder wenden sich an anonym arbeitende Träger. Denen fehlen aber die Möglichkeiten und vor allem das Geld. Die Behörden, die Mittel für solche Zwecke haben, wie z. B. das Jugendamt, arbeiten nicht anonym und schon gar nicht unbürokratisch. Dieses Dilemma müssen wir lösen. Entweder wir geben denen, die anonym arbeiten, Geld, oder die Behörden helfen unbürokratisch und schnell. Eins von beiden muss geschehen. Es hilft nichts, nur zu reden und nichts zu tun.
Um die Anbahnung von Zwangsehen im Vorfeld zu verhindern, müssen die Betroffenen frühzeitig aufgeklärt, sensibilisiert und immunisiert werden.
Ich bin gleich am Ende. – Wir denken, dass die Schule der geeignete Ort dafür ist. Wir müssen sicherstellen, dass an Schulen Präventionsarbeit geleistet werden kann. Gezieltes Unterrichtsmaterial, Fortbildungen für die Lehrkräfte und die Zusammenarbeit mit Experten und Organisationen wie Terre des Femmes können hilfreich sein.
Vor ein paar Wochen kamen Politikerinnen und Politiker aus allen Fraktionen am Todestag von Hatun Sürücü zusammen. Drei Jahre nach ihrem Tod und kurz vor dem internationalen Frauentag am 8. März wäre es ein gutes Zeichen, wenn wir uns gemeinsam gegen Zwangsheirat einsetzen würden. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat der Senat ein Integrationskonzept mit der Überschrift „Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ vorgelegt – Sie erinnern sich. Nun hätte man meinen können, dass wir heute über die Bilanz des ersten Konzepts reden. Das tun wir aber nicht. Die Bilanz frage ich gerade ab.
Stattdessen reden wir über ein zweites, sehr umfangreiches und wissenschaftliches Konzept. Ich weiß gar nicht, wie viele von Ihnen das Konzept kennen. Ich fürchte, sehr wenige. Mehr noch fürchte ich, dass die Betroffenen selbst das Konzept nicht kennen, und das ist das Schlimme. Integration lässt sich nämlich nicht verordnen. Das schafft kein Konzept der Welt. Wenn Sie integrieren wollen, müssen Sie wissen wie. Dafür brauchen Sie das Konzept, aber integrieren müssen sich die Leute schon selber. Um sie dazu zu bringen, müssen Sie sie erst einmal von Ihrem Konzept überzeugen. Das schaffen Sie nicht, und da ist der Haken.
Die Handlungsstrategien in dem Konzept kritisieren wir gar nicht – Arbeit, Bildung, Ausbildung, all das halten wir für enorm wichtig. Wir fragen uns aber, warum der Senat es nicht schafft, Verbesserungen in der Lebenssituation der Migrantinnen und Migranten zu präsentieren. Das macht doch eine erfolgreiche Integrationspolitik erst aus. Da stimmt offenbar die Handlungsstrategie des Senats nicht ganz. Das kritisieren wir.
Wir haben zwar eine Integrationssenatorin, aber keine echte Integrationsverwaltung. In allen wichtigen Bereichen haben der Innensenator, der Bildungssenator, die Stadtentwicklungssenatorin und auch der Finanzsenator ein Wörtchen mitzureden. Da kann sich Frau KnakeWerner immer zurücklehnen und die Schuld den anderen geben. Das kann es aber nicht sein!
Interessant ist auch, dass Sie auf der einen Seite jammern, weil Sie kein Geld haben, aber auf der anderen Seite zur Verfügung stehende Mittel nicht einsetzen. Sie räumen nämlich ein, dass Sie im Jahr 2006 rund 14 Millionen € Ausbildungsmittel im öffentlichen Dienst und rund 8 Millionen € zur Förderung der Verbundausbildung nicht eingesetzt haben. Warum eigentlich nicht? Dabei haben wir ein massives Ausbildungsproblem, nicht unter Migrantenjugendlichen, aber gerade dort zählt jede Maßnahme. Auch da haben Sie nur 40 Prozent der Gelder in Anspruch genommen. In Anbetracht der Situation ist das grob fahrlässig, und dann wundern Sie sich, dass junge Migranten gewalttätig werden! Eigentlich können Sie froh sein, dass sich die Jugendgewalt nicht am Roten Rathaus entlädt.
Wir reden immer von der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Tatsache ist, dass wir durch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung nicht von der sozialen Ausgrenzung ablenken können, die täglich stattfindet. Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten hat zugenommen. Wie wollen Sie den Menschen vermitteln, dass kulturelle Vielfalt ein Wert an sich ist? Dazu finde ich in dem Konzept leider gar nichts.
Ich finde auch nichts zu dem Thema Umgang mit dem Islam und Islamophobie, dabei müssen wir die Ängste ernst nehmen. Ich finde es gut, dass Sie jetzt Imame weiterbilden wollen. Nur brauchen die Imame nicht uns, sondern wir brauchen die Imame, denn sie erreichen Menschen, an die wir gar nicht herankommen.
Wir haben viele positive Beispiele gelungener Integration. Diese brauchen keine zusätzliche Hilfe. Da wir ohnehin wenig Mittel haben, ist es gut, dass wir die wenigen Mittel auf Problemgruppen konzentrieren, aber besser wäre es, wenn wir nicht nachholende Integrationsarbeit machten, sondern vorausschauende, präventive Arbeit. Nachholende Maßnahmen sind nämlich nicht nur viel teurer, sondern auch viel mühsamer.
Warum denken wir nicht über ein Kitagebot für Migranten nach – nicht um die Migranten zu ärgern, aber um Sprachdefizite und kulturelle Unterschiede möglichst frühzeitig zu beseitigen. Statt zu sagen, dass Sie Ihre Kinder nicht in Kreuzberg auf die Schule schicken würden, sollten Sie sagen: Ihr lieben Migranten! Ich bin auch euer Bürgermeister, und ich habe Erwartungen an euch! – Warum tun Sie das nicht? Auch Migranten brauchen einen Bürgermeister.
Wir finden es gut, dass der Senat Integration nunmehr mit Indikatoren messen will. Es bleibt zu hoffen, dass überhaupt etwas zu messen vorhanden ist. Gut finden wir auch den Vorstoß von Berlin, eine Bundesratsinitiative für ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger zu starten. Wir unterstützen das seit jeher.
Ich weiß, dass Integrationspolitik nicht bequem ist, weder für die einen noch für die anderen. Ich weiß auch, dass Politik allein nicht alle Probleme lösen kann, aber Politik schafft den Rahmen, in dem Integration funktionieren soll. Dafür müssen dann die Konzepte leicht verständlich sein, und die Konzepte müssen bekannt sein. Bisher ist das Konzept wenig bekannt. Es ist noch unverbindlich, weil es zu der personellen, zeitlichen und finanziellen Umsetzung nichts aussagt. Zudem ist das Konzept halbherzig, weil bisher nur sehr wenig umgesetzt wurde und der Senat auch keinerlei Anstalten macht, irgendetwas daran zu ändern. Das muss sich ändern! Aktivierende Integrationspolitik sieht anders aus.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag auf Sofortabstimmung eingebracht, weil bereits morgen im Bundesrat der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien beraten wird. Wir fordern den rot-roten Senat auf, diesen Gesetzentwurf und die Änderungsanträge aus den unionsregierten Ländern abzulehnen, mit denen eine schlechte Vorlage noch weiter verschlechtert werden soll.
Wir sind nicht gegen die Umsetzung der EU-Richtlinien, sondern im Gegenteil: Wir wünschten, die Bundesregierung würde die Richtlinien umsetzen, aber das macht sie nicht, und das ist der Punkt.
Stattdessen werden geltende Regeln zum Familiennachzug, zur Einbürgerung und Integration verschärft. Das ist nicht hinnehmbar! Genauso sehen das die Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen, und sie haben recht,
weil der Entwurf integrationsfeindlich und fast schon zynisch ist. Er ist zynisch, weil er glaubt, Zwangsverheiratungen durch die Erschwerung des Ehegattennachzugs verhindern zu können. Wer Zwangsheirat verhindern will, der gewährt nachziehenden Ehegatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. – So einfach ist das! – Wer das nicht tut, dem geht es nicht um die Sache, der soll aufhören, den Retter der Witwen und Waisen zu spielen.
Drei Schwerpunkte nennt die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm. Erstens: Familie, zweitens: Arbeit und drittens: Integration. Nichts davon steht in dem Gesetzentwurf. Im Gegenteil! Der im Grundgesetz verankerte und von der CDU propagierte Schutz der Familie soll für Migranten gar nicht mehr gelten. Aus dem Ausland nachziehende Ehegatten sollen künftig vor der Einreise Deutschkenntnisse vorweisen, was mit der Familienzusammenführungsrichtlinie der EU nichts zu tun hat, denn diese sieht keine Sprachkenntnisse vor. Natürlich sind wir dafür, dass Migranten Deutsch lernen, aber das sollen sie hier tun, in den dafür vorgesehenen Integrationskursen. Wozu gibt es diese Kurse denn sonst?
Oder sollen die Migranten jetzt Deutsch im Ausland lernen, weil die Integrationskurse hier so schlecht sind? Dann müssen eben die Kurse besser werden. – So einfach ist das. Uns ist es lieber, dass die Menschen hier die Sprache lernen, in Verbindung mit der gesellschaftlichen Ordnung, mit den Rechten und Pflichten, die übrigens für alle gelten. Das dürfte im Interesse aller und auch im Interesse der Integration sein.
Gerade in einer europäischen Metropole wie Berlin, in der fast jeder achte Einwohner keinen deutschen Pass besitzt, brauchen wir ein zeitgemäßes, modernes und integrationsförderndes Aufenthalts- und Flüchtlingsrecht. Da kann man nicht auf der einen Seite für Einbürgerung werben und auf der anderen Seite zusätzliche Hürden dagegen aufstellen. Diese Überlegungen werden ausgeblendet, und die EU-Richtlinien, die der Verbesserung des Flüchtlingsrecht dienen sollen, werden ignoriert. Nicht einmal das, was die EU an zwingenden Verbesserungen für den Schutz von Flüchtlingen vorsieht, wird im Gesetzentwurf vollständig übernommen. Aufenthaltstitel für subsidiär Geschützte, Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen, verbesserter Opferschutz bei Menschenhandel und medizinische Behandlung der Opfer, alles das ist nicht geregelt. Die Altfallregelung ist teilweise unbrauchbar. Es gibt keine realistische Option für langjährig Geduldete – nicht bei diesen Arbeitslosenzahlen.
Alte, Kranke, Behinderte und Kinder können diese Anforderungen nicht erfüllen; sie können keine Arbeit aufnehmen. Wenn es neuerdings nach einigen Stimmen aus der SPD geht, dann sollten sogenannte „Problemfälle“ ausgewiesen werden, nach dem Motto: Kriminelle Ausländer raus! – Dass so etwas aus diesem Haus, vom Vorsitzenden des Petitionsausschusses kommt, ist für uns unerträglich.
Dieser Mann, der Mann mit den roten Absätzen und der schwarzen Gesinnung, entscheidet über Einzelschicksale von Flüchtlingen. Kein Wunder, dass die Zahl der Abschiebungen in Berlin gestiegen ist. Wenn Sie mit dieser Rhetorik weitermachen, dann verlieren Sie auch die letzten Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund. Ich weiß nicht, ob Sie sich das leisten können oder wollen. Sie haben jetzt die Gelegenheit, klar Position zu beziehen. Rot-Rot kann sich nicht mit einer Enthaltung wegducken und so tun, als ginge das Berlin nichts an. Wir möchten die Sofortabstimmung. Wenn auch Sie eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinien wollen, also mehr Integration und Flüchtlingsschutz, dann stimmen Sie hier und jetzt mit einem Ja. – Danke!