Claudio Jupe
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Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ausgangspunkt für diese hier heute vorliegende Resolution war eine umfangreiche Schriftliche Anfrage meines Kollegen Evers. Wir haben dann aufgrund der Antwort, die uns der Senat gegeben hat, an einer Resolution zur Vorlage in diesem Gremium gearbeitet, haben dafür, ich glaube, der SPD-Fraktion, Herr Kollege, vor über einem Jahr einen Resolutionsentwurf überreicht. Ein bisschen abgeändert liegt er jetzt vor; wir akzeptieren das so. – Das muss jedenfalls einmal gesagt werden: Wir freuen uns, dass wir heute über diese Resolution zur Städteagenda miteinander reden können und dass das hier beschlossen werden kann.
Ich möchte ein paar Dinge dazu sagen, insbesondere zunächst zu den Damen und den Herren hier auf der rechten Seite: Ich habe noch einmal nachgelesen, aber selbst in unserer Verfassung steht ja, dass Deutschland an der Vereinigung Europas mitarbeitet. In Artikel 23 des Grundgesetzes – ich habe es selbst nicht so im Kopf – steht ausdrücklich „zur Verwirklichung eines vereinten Europas“. Von Ihrer Seite sind in gar keiner Weise irgendwelche Vorschläge oder Alternativen aufgezeigt worden, wie man sich diesem Verfassungsauftrag stellen kann.
Ich bin der Meinung, dass dieser Verfassungsauftrag erfüllt werden muss, und dazu gehört eben auch – meine Vorrednerin hat darauf hingewiesen, was die Bedeutung der Städte angeht –, für eine Kooperation in Form von Arbeitsgemeinschaften oder wie immer zwischen den Städten und Kommunen zu sorgen.
Das ergibt sich einmal als Verfassungsauftrag, und wenn man sagt, es ist ein solcher Auftrag, dann kann der sich natürlich nicht nur darauf beziehen, dass die Regierungen der beteiligten Staaten Botschafter austauschen und miteinander in Kontakt kommen; das wäre zu wenig. Man muss sich eben halt auch auf die innere Situation konzentrieren, und das steht in dieser Resolution: Wir wollen uns dafür einsetzen, dass miteinander in verschiedenen Formen kooperiert wird, und zwar nicht nur in den Städten, sondern auch in den Regionen. – Ich denke, das ist
im Sinne von Europa, und komme wieder darauf zurück, was in unserem Grundgesetz, Artikel 23, enthalten ist.
Ich erlaube mir aber in diesem Zusammenhang, vielleicht auch an den Deutschen Städtetag zu erinnern, der bereits Anfang 2019 für ein bürgernahes Europa plädiert hat und ausdrücklich zur Unterstützung – lesen Sie es nach! – der europäischen Idee aufrief. Anlässlich des Deutschen Städtetags wurde Anfang 2019 formuliert, dass eine erfolgreiche Städteagenda gerade aus Sicht der Städte und Regionen als Plattform für innovative Lösungsansätze gestärkt werden sollte, und er forderte weiterhin echte Partizipation. – Insofern sind wir auf derselben Ebene mit dem Deutschen Städtetag.
Vielleicht noch kurz zur Historie: Die Kommunen insgesamt sind in Form einer Arbeitsgemeinschaft, in Form einer Partizipation seit Maastricht 1992 beteiligt. Damals wurde auch der Ausschuss der Regionen gegründet.
Lassen Sie mich schließen – die Redezeit ist abgelaufen, wie ich sehe – mit einem Zitat unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, die gesagt hat:
Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen!
Das tun wir hiermit mit dieser Resolution. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Von dem Antrag der AfD zum Komplettumzug aller Bundesministerien nach Berlin halte ich – so, wie er jetzt bisher formuliert und gestellt ist – nichts. Unserem Eindruck nach hängen Sie von der AfD sich an eine bereits erarbeitete Regelung des Umzugs nach Berlin an und versuchen, das nach draußen als Weckruf zu verkaufen. Das Thema ist nach meiner Auffassung und nach dem Studium des bestehenden Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD, also der gegenwärtigen Bundesregierung, dort auf den Seiten 129 und 147 im Einzelnen abgehandelt. Um die restlichen Bundesministerien von Bonn nach Berlin zu verlegen und um Bonn dafür einen Ausgleich zu verschaffen, ist seinerzeit die Ergänzung des BonnBerlin-Gesetzes vereinbart worden. Ich darf aus der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung zitieren. Zum
Wegzug der Bundesministerien nach Berlin heißt es dort wörtlich:
Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum. Der Bund wird mit der Region Bonn sowie mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine vertragliche Zusatzvereinbarung („Bonn-Vertrag“) schließen.
Ende des Zitats.
Wie sich aus dem Kontext der Koalitionsvereinbarung ergibt, soll der Wegzug der Bundesministerien von Bonn nach Berlin im Rahmen einer sogenannten geordneten Entwicklung der Region erfolgen, und darauf ist der Akzent zu setzen und ist Wert zu legen. Dies soll unter Beachtung gesamtstaatlicher Verantwortung der Vertragspartner geschehen.
Wir können dies nur unterstreichen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die parlamentarische Kontrolle für die beschriebene Zielsetzung, die vertragliche Ergänzung des Bonn-Berlin-Gesetzes, beim Deutschen Bundestag liegt und nicht hier im Berliner Abgeordnetenhaus. Wir sind aber gerne bereit, zu dem Thema miteinander zu kommunizieren. Das können wir gern im Ausschuss machen. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich darf zu der vorliegenden Beschlussempfehlung und dem zugrunde liegenden Antrag wie folgt vortragen – erstens: Ich halte es nicht für richtig, dieses Landesparlament mit den dafür berufenen Bundesorganen zu einer Bühne zu machen für bestimmte Anliegen von Außenpolitik, die natürlich jede Partei haben kann.
Zweitens: Es ist natürlich zu einfach, eine ICANKampagne zur Abschaffung von Atomwaffen wörtlich mit einem parlamentarischen Beschluss unseres Landesparlaments, dem Abgeordnetenhaus von Berlin zu unterstützen. Sie lassen dabei bewusst außer Acht, dass für diesen Fall unsere gesamte westliche Verteidigungsstrategie, auf die wir, zumal in Europa, nach 70 Jahren Frieden angewiesen sind, betroffen wäre. Schließlich würden wir dadurch schutzlos werden, und ich füge hinzu, dass ich ausdrücklich und dankbar auf den Schutz durch den Atomwaffenschirm der USA hinweise.
Nebenbei: Wenn wir darauf verzichten würden oder sich das erübrigen würde aus irgendwelchen Entwicklungen heraus, dann würden wir sicherlich in den Zwang kommen – wie es derzeit ja in Verhandlungen erforscht wird – eine europäische Verteidigungsgemeinschaft zu machen. Gespräche mit einigen Ländern, u. a. mit Frankreich, laufen.
Drittens: Geschichtlich und rechtlich gesehen schießen Sie natürlich völlig am Ziel vorbei. Denn Deutschland hat bereits auf Atomwaffen verzichtet. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es 1954 den Vertrag über die Westeuropäische Union gegeben hat, und da hat Deutschland auf eigene atomare, biologische und chemische Waffen ausdrücklich und wortwörtlich verzichtet. Wenn man das außer Acht lässt, muss ich sagen, kann ich Sie politisch eigentlich nicht ernst nehmen.
Lassen Sie mich zum Abschluss – weil wir eine vollständig andere Auffassung dazu haben – noch vier Bemerkungen machen, die ich in Anlehnung an Herrn von Marschall gerne vortragen würde. – Gut, dann muss ich es wegen der Redezeit zu Protokoll geben. – Sie beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass die gegenseitige Abschreckung, die wir 70 Jahre lang gehabt haben, die beste Garantie war und heute auch noch ist, dass eben Atomwaffen nie eingesetzt werden. Das setzt aber ein Abschreckungsvolumen voraus, und deswegen können wir nicht einfach abrüsten. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf mich mit folgenden Argumenten zu der Frage, weshalb wir diesen Antrag mit unterstützen, zu Wort melden; es ist ein Mehrparteienantrag, dem sich die CDU angeschlossen hat: Zunächst einmal halte ich die Möglichkeit, ein demokratisches Wahlrecht wahrzunehmen, für einen Wert an sich.
Wir sind eine demokratische Gesellschaft, und wir bewegen uns auch in Europa in demokratischen Verhältnissen,
sodass ich meine, man sollte wählen gehen, man sollte damit zum Ausdruck bringen, welchen Prioritäten man den Vorzug gibt.
Zweitens: Wir als CDU-Fraktion haben bereits vor zwei Jahren der Verträge aus den Fünfzigerjahren gedacht und dabei besonders betont, dass seit der Zeit, als die damalige Europäische Gemeinschaft – heute EU – gegründet wurde, wir 60 Jahre Frieden hatten. Das ist zwar eine rückwärtsgewandte Betrachtung, die aber wahr ist. Keiner der 28 Staaten, die wir bisher waren, hat mit einem anderen Mitglied der Europäischen Union eine kriegerische Auseinandersetzung geführt. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das letzte Jahrhundert von zwei Weltkriegen geprägt war – am Anfang des 20. Jahrhunderts und dann noch einmal Mitte desselben Jahrhunderts –, dann ist es umso bemerkenswerter, dass es gelungen ist, über viele Jahrzehnte hinweg – ich habe von 60 Jahren gesprochen – Frieden zu erreichen.
Das halten wir für eine so wichtige Tatsache, dass wir sie herausstellen wollen. Deswegen sagen wir auch: Wir wollen dieses demokratische System namens Europawahl mit unterstützen. Aber nun ist es natürlich so, dass man dann, wenn man hier einen solchen Antrag stellt und mit abstimmt, seine eigenen Vorstellungen von Europa und von dem, was man mit Europa verbindet, betont. Dabei will ich mich gar nicht mit eigenen Grundsätzen aufhalten, sondern mich an das anschließen, was unser Spitzenkandidat für die Europawahl zusammen mit unseren Vorsitzenden erklärt hat. Das sind folgende Auszüge aus einer Proklamation, die vom 15. Februar 2019 stammt; da heißt es – das mache ich mir zu eigen –:
Es geht um eine starke und handlungsfähige Zukunft Europas und eine gute Richtung für den Kontinent.
Auszugsweise heißt es darüber hinaus:
Unser Europa ist eine Werteunion
das betone ich hiermit ausdrücklich –
(Carsten Schatz)
mit gemeinsamen Grundsätzen und dem Willen zu Kompromiss und Partnerschaft.
Dann heißt es auszugsweise weiter – es würde zu lange dauern, wenn ich das jetzt alles hier vortrage –: Aber wir wissen auch, dass die EU Reformen braucht.
Damit gehe ich natürlich auf die Skeptiker ein.
Die EU darf kein Projekt der Eliten sein, sie muss Heimat für jedermann bieten: ob Süd oder Nord, Ost oder West.
Dann heißt es:
Wir wollen gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen und werden die EU raus aus den Hinterzimmern und in die Mitte der politischen Diskussion holen.
Das kann ich nur unterstützen, denn das, was der EU und ihren Organen an Misstrauen entgegenschlägt, rührt zum Teil vom falschen Verständnis her, zum anderen Teil daher, dass man eigentlich nicht durchblickt und nicht weiß, was dort passiert, und dann auf die Idee der Hinterzimmer kommt.
Dann heißt es abschließend:
Europa braucht unsere kraftvolle Stimme. Bei der Europawahl geht es nicht um die Frage, ob man die EU gut oder schlecht findet. Es geht um die Frage, welche EU wir für die Zukunft wollen.
Das kann ich nur unterstreichen.
Unser Europa ist sicher, stabil und hält zusammen. Unser Europa ist schlagkräftig, gerecht und zukunftsfest.
Das ist unser Angebot, und dafür werden wir im Wahlkampf gemeinsam und leidenschaftlich eintreten.
Das bezieht sich auf den Wahlkampf, den wir gerade führen. Wir freuen uns auf den lebendigen, demokratischen Streit über die künftige Richtung Europas. Das ist das, was Europa in den nächsten 100 Tagen braucht.
Ich weiß nicht genau, ob es noch 100 Tage sind, aber auf jeden Fall ist es das, was ich hier für unsere Motivation vortrage. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich meinem Vorredner insoweit zustimmen, als nach meinen Informationen jedenfalls Ehrungen offizieller Art im öffentlichen Raum für Herrn Erdoğan gar nicht beabsichtigt sind, sodass ich mich frage, was dieser Antrag soll. Mit einem entsprechenden Begriff würde ich sagen: Schaufensterantrag!
Aber ich möchte Ihnen von der AfD als Antragsteller auch einige sachliche Argumente entgegenhalten, und da beginne ich dort, wo Kollege Zimmermann geendet hat, nämlich bei der Frage, welche Probleme im internationalen Bereich – man kann auch sagen, im europäischen Bereich, aber auch im internationalen Bereich – mit der Türkei bestehen: Demokratieentwicklung, die Defizite, die dort in den letzten Jahren entstanden sind – neben bestimmten positiven Ergebnissen, die in den Zwischen
berichten der Europäischen Union auch festgestellt worden sind –, die Verfolgung von Gülen-Anhängern, die Flüchtlingssituation – wir wissen, wir haben ein Abkommen mit der Türkei. Das Problem Idlib ist hier gar nicht angesprochen worden; es könnte sich daraus noch ein größerer internationaler Konflikt ergeben. Dann unsere Situation, herrührend aus der Gastarbeitersituation, die wir hatten. Viele türkische Mitbürger sind hiergeblieben, einige haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Frage, wie der türkische Staat, repräsentiert durch seinen Staatspräsidenten, auf diese einwirkt, ist meiner Meinung nach notwendig mit der Staatsspitze der Türkei zu besprechen. Letztlich auch das Kurdenproblem, das sich über die Grenze der Türkei hinweg erstreckt, aber halt auch innerhalb der Türkei mit Verfolgungen, die wir ablehnen, verbunden ist. Da stellt sich der Begriff eines möglichen Föderalismus.
Das sind alles Probleme, die wir eigentlich so nicht stehenlassen können, und da besteht die Notwendigkeit unserer Bundesregierung, einzuwirken und ihre Position deutlich zu machen, die getragen wird von einer Mehrheit im Deutschen Bundestag.
Dann möchte ich etwas Formales anmerken, warum Ihr Antrag auch insoweit neben der Sache ist. Öffentliche Auftritte von Erdoğan wollen Sie verhindern. Was ist denn mit der Presse? Wenn die Verhandlungen zwischen Erdoğan und entsprechenden Leuten von uns – Merkel und Co. – stattgefunden haben, wird es Pressekonferenzen geben. Soll der da nicht auf Fragen der Presse antworten? – Insofern finde ich Ihren Antrag auch einfach schlecht formuliert, muss ich sagen – zu pauschal.
Dann komme ich – drittens – darauf zurück, dass unsere Fraktion schon unter Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde – darauf hingewiesen hat, ich glaube, es war Herr Dregger oder einer der anderen Redner, dass es schlecht ist, politische Argumente immer in Kästen zu werfen, in Kästen von schwarz und weiß. Das sollte eigentlich unterlassen werden. Das will ich auch gleich noch mal sachlich begründen. Wie Sie wissen, laufen bis auf den heutigen Tag formell Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei. Die sind nie aufgehoben worden. Es gibt natürlich Streit darüber, das ist mir auch klar, doch auch in diesem Sinne ist es notwendig, miteinander in Kontakt zu bleiben. Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin von einer privilegierten Partnerschaft seit einigen Jahren ausgegangen ist und dies auch vorgeschlagen hat. Auch das muss unterfüttert werden. Auch insofern können wir jedenfalls Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Ein vierter Punkt ist: Kollege Dregger hat darauf hingewiesen, dass es ganz gut ist, wenn man sich in der politischen Auseinandersetzung für Mäßigung ausspricht. Ihren Antrag kann ich, nachdem ich einzelne Argumente vorgetragen habe, nun nur so bewerten, dass das so eine Art Aufputschmittel ist, welches in die Öffentlichkeit, in
(Frank Zimmermann)
die Bevölkerung getragen wird, um damit für sich Reklame zu machen, denn sachlich ist der Antrag abzulehnen. Ich sage es ganz deutlich, und wir werden es auch tun.
Kommunikation – fünftens – ist natürlich ein Mittel, das die Politik braucht, und das tut man normalerweise nicht durch Gewaltauseinandersetzungen, sondern durch miteinander reden, durch Dialog.
Das vermisse ich bei Ihnen, auch bei dem, was Sie in Ihren Antrag geschrieben haben.
Die Türkeiprobleme, lassen Sie mich das abschließend sagen, bedürfen einer nüchternen, sachlichen und rationalen Bearbeitung und eines Dialoges. Man sollte auch einen anlässlich dessen stattfindenden Staatsbesuch, der Ende September passiert, nicht mit Störfeuer begleiten. Es wird, um Meinungen aus der Zivilgesellschaft zu verdeutlichen, Demonstrationen geben, was ich richtig finde. Das rechtfertigt aber nicht, einen solchen Antrag zu stellen, wie Sie es gemacht haben. – Danke sehr!
Ich werde meine Rede etwas nüchterner halten, weder in anderen Sprachen noch mit einem emotionalen Unterton. – Ich möchte zunächst feststellen, die Bezugnahme zu dieser Entschließung, die Sie vorgelegt haben, heißt: „60 Jahre Römische Verträge – Berlin baut weiter mit“, und dazu reden wir hier heute. Wir sind kein Ersatzparlament. Es ist das Europäische Parlament, das Initiativen einbringt. Sie haben es als Antragsteller selbst im letzten Absatz Ihres Antrages erwähnt. Wir sind kein Ersatzparlament, das alle möglichen Vorschläge zur Realisierung zu bringen hat. Ich finde, dass Ihre Entschließung mit Ihrer Bezugnahme, die Sie hineingeschrieben haben, nämlich „60 Jahre römische Verträge – Berlin baut weiter mit“, relativ spät kommt. Das richtige Datum wäre mindestens Ende März, Anfang April gewesen. Wir haben jetzt sechs Wochen später.
Zum Inhalt darf ich Ihnen Folgendes sagen, und ich hole dabei etwas weiter aus: Es gibt drei Begriffe in Ihrem Entschließungstext, die ich untersuchen möchte und die wir in unserem Änderungsantrag auch berücksichtigt haben. Der erste und wesentliche Begriff ist „Frieden“. Der zweite Begriff, der mir aufgefallen ist in der Aussage, die Sie damit treffen, ist „Anfeindung“. Der dritte Begriff ist „Austeritätspolitik“.
Ich fange zunächst mit „Frieden“ an und möchte Folgendes ausführen: Neil MacGregor, der englische Gründungsdirektor des Humboldt-Forums im neuen Berliner
Stadtschloss hat im Schlusskapitel seines Buches „Deutschland – Erinnerungen einer Nation“ die deutsche Erinnerungskultur hinsichtlich der Ereignisse im 20. Jahrhundert beschrieben. Er geht dabei von den als Kunstwerk berühmt gewordenen Erinnerungsstücken der Künstler Ernst Barlach und Käthe Kollwitz, Stichworte: Schwebender Engel, die Pietà, aus. Diese Kunstwerke beziehen sich auf das Leid, das mit den Weltkriegen im 20. Jahrhundert verbunden war, im Ersten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg, den das Dritte Reich provozierte und der eine unbeschreibliche Zerstörung über ganz Europa gebracht hat.
Diese leidvollen Kriegserfahrungen des 20. Jahrhunderts sind es, die uns Europäer bewogen haben, nach Kriegsende einen Schlussstrich zu ziehen und von nun an für ein nunmehr gemeinsames Europa einzustehen. Menschen der verschiedenen Nationalstaaten – um nur einige zu nennen: Jean Monet, De Gasperi, Paul Spaak, Konrad Adenauer – wollten heraus aus einer Entwicklung, die wegen unterschiedlicher Interessenlagen, zuweilen aus Streitlust und dem Streit um einzuschlagende politische Wege, Tod, Leid und Zerstörung über die Völker und Kontinente gebracht hat. Das Datum, das hieran erinnert, ist der Tag des Abschlusses der Verträge von Rom am 25. März 1957, dessen wir am 25. März 2017 gedachten. Meine Partei, die maßgeblich am Zustandekommen der Römischen Verträge unter Bundeskanzler Konrad Adenauer mitgewirkt hatte, hat aus diesem Grunde öffentlich des Datums 25. März 1957 gedacht und im Einzelnen Folgendes erklärt:
Die Gründung der Europäischen Union, die als europäische Wirtschaftsgemeinschaft begann, hat eine kaum zu übertreffende Dimension erreicht. Gepeinigt von den Erfahrungen zweier Weltkriege im 20. Jahrhundert, die sich ganz überwiegend auf europäischem Boden abspielten, war es richtig, dass sich europäische Staaten zu einer Gemeinschaft zusammenschlossen. Aus der Zahl der sechs Gründungsmitglieder ist inzwischen eine ganze Gruppe von 27 Mitgliedstaaten geworden, die dem europäischen Gedanken verbunden sind.
Nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch im Hinblick auf die Freiheit zum geistigen Austausch der Menschen untereinander und in der grenzüberschreitenden Kommunikation ist der Gedanke, der die europäischen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union verbindet, für uns alle immanent geworden.
Herauszustellen ist insbesondere, dass es gelungen ist, Frieden zwischen den 27 Staaten der Europäischen Union zu bewahren und mit einer Vielzahl von Initiativen fortzuentwickeln. In diesem Bewusstsein begrüßen wir ausdrücklich das Gedächtnis an den 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März 2017 und fordern, auf dem
(Carsten Schatz)
eingeschlagenen Weg einer europäischen Einigung weiterzugehen.
So unsere Erklärung.
Der zentrale Gedanke, um den vor Abschluss der Römischen Verträge im Jahre 1957 gerungen wurde, war also der Wunsch nach Frieden – und das muss meiner Meinung nach in einem Entschließungstext auch zum Ausdruck kommen –, der in der Folgezeit nicht immer einfach zu halten war, der aber gleichwohl über viele Jahrzehnte und nun schon über mehrere Generationen hinweg bis heute andauert. Das ist aus unserer Sicht das große Thema auch unserer Zeit heute, worüber Sie jedoch in Ihrem Entschließungstext kaum ein Wort verlieren, jedenfalls nicht in dem Maße, wie wir es für angemessen und erforderlich halten. Sie sprechen von einem Friedensprojekt. Die europäische Idee ist jedoch nicht einfach ein Projekt neben vielen anderen. Wir benennen alle möglichen Vorstellungen über Realisierung von politischen Wegen heutzutage als Projekt. Es ist aber mehr als ein Friedensprojekt. Es ist der Friede, der seit 60 Jahren herrscht und der tagtäglich erarbeitet wird.
EU-Europa bedeutet das ununterbrochene Bemühen der Mitgliedstaaten um ein friedliches Miteinander und um gewaltfreie Lösungen im politischen Alltag. EU-Europa ist der Zwang zur Besonnenheit in der Kommunikation der Mitgliedstaaten untereinander, und es ist ständiger Anlass, sich konstruktiv mit den Standpunkten und Werten der europäischen Partner auseinanderzusetzen. Blickt man auf die Zeit der Verhandlungen vor den Römischen Verträgen und dann auf die Folgejahre, die den Streit um das Mehrheitsprinzip brachten, Stichwort Vetopolitik, bis hin zum Vertrag von Lissabon, in dem mittlerweile eingespielten politischen Wirken des Europäischen Rates, des Ministerrates, des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofes, so zeigt sich, dass es gelang, auch den Frieden nach innen einzuhalten. Das zum Ausdruck zu bringen, halten wir für fundamental. Insofern verweise ich auf das, was wir in unseren Änderungsantrag hineingeschrieben haben.
Zwei weitere kleine Bemerkungen, Stichwort Anfeindungen: Auch wir verurteilen einen Populismus, der niedrige Instinkte wecken will, auf kritikwürdige Propaganda und Schwarz-Weiß-Malerei aus ist und sich ausschließlich emotional äußert. Sie Ihrerseits mögen dieses zwar als Tribut an die heutigen Abläufe einiger politischer Debatten formuliert haben, wir meinen aber, dass die Einschränkung von Anfeindungen gegen ein gemeinsames Europa auf den Populismus zu wenig ist. Wir halten es für falsch. Wir müssen uns gegen alle Anfeindungen wenden, seien sie verbal, seien sie gewalttätig. Ich finde,
da muss der Text, den Sie vorgelegt haben, verändert werden. Wir haben dazu wahrscheinlich Gelegenheit.
Letzte Bemerkung: Sie verlangen wortwörtlich, den alleinigen Fokus auf die Austeritätspolitik zu beenden. Da machen Sie es sich zu leicht. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht richtig ist, eine solche Entschließung mit Fragen des politischen Alltags zu verbinden. Sie wissen genau wie ich, dass über Austeritätspolitik, über Wirtschaftspolitik, über Finanzpolitik im nationalen und europäischen Rahmen gestritten wird. Es gibt keinen alleinigen Fokus auf eine sogenannte Austeritätspolitik. Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik ist bestimmt vom Grundsatz, nicht über die Verhältnisse zu leben, und dem kann ich nur zustimmen. Dies ist auch im Sinne von Ludwig Erhard, wenn ich an den Begriff des Maßhaltens denke. Es muss doch von allen EU-Mitgliedern gefordert werden können, dass die gemeinsamen Regeln der Haushaltsführung und damit auch die Regeln der Haushaltsdefizite eingehalten werden. Wir haben uns dafür schon im Vorhinein Regeln gegeben, sodass jeder weiß, worauf er sich einlässt. Insofern ist dieser Satz in Ihrer Entschließung falsch, den alleinigen Fokus auf die Austeritätspolitik zu beenden. Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass Verschuldungen, die maßlos zu werden drohen, unbedingt zurückgeführt werden. Wir halten es auch für sinnvoll, eine Politik zu betreiben, wie es meine Partei verlangt, die die Vergemeinschaftung von Schulden auf der Ebene der Staaten der Europäischen Union zurückweist.
Das, was Sie dazu in Ihre Entschließung hineinschreiben, halte ich nicht für real. Nur mit einer sparsamen und verantwortungsvollen Haushaltspolitik werden wir schließlich weitere Vorhaben wie die von Ihnen erwähnte soziale Säule ins Leben rufen können. Wir haben in unserem Änderungsantrag auch noch einen Fonds, den sogenannten EFSI-Fonds, erwähnt. Wenn wir schon über Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene miteinander sprechen, dann sollten wir auch die Notwendigkeit von strategischen Investitionen berücksichtigen. Ich halte das alles insoweit für notwendig, als das eine nicht ohne das andere geht. Wenn Sie eine sogenannte soziale Säule aufbauen wollen – das ist ein Bild –, brauchen Sie dafür die Mittel. Die müssen dafür auch die gesamte Infrastruktur, die wir in Europa haben, unterstützen. Das wollen wir mit unserem Abänderungstext erreichen. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema kann man eigentlich auch sachlich abhandeln. Ich denke, dass es auch insofern richtig ist, dass wir die Anträge, die zu dem Thema, und das betone ich hiermit, Wohneigentum gestellt worden sind, in den entsprechenden Ausschüssen behandeln. Ich will dabei die Position meiner Partei in Kürze darstellen. Das Thema der kontinuierlichen Erhöhung der Grunderwerbsteuer in den einzelnen Bundesländern und der Quasiwettbewerb, der sich im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland daraus ergeben hat, ist schon ein Thema wert. Insofern danke ich denjenigen, die hier die Anträge gestellt haben, dass sie den Finger auf diese Wunde gelegt haben. Kapitalbeschaffung für die öffentliche Hand kann kein Grund sein, auf Dauer immer höhere Grunderwerbsteuern festzulegen, und das auch noch völlig unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern.
Andererseits sollte nach unserer Auffassung der Antragsgegenstand der Grunderwerbsteuererhöhung eingebettet sein in ein größeres Konzept. Es ist natürlich auch zu prüfen, inwieweit die Haushaltslage in unserer Berliner Lage einiges hergibt, um Änderungen herbeizuführen. Aber das sollte man vielleicht in Ruhe miteinander besprechen.
Am Wichtigsten erscheint mir, dass die Bürgerinnen und Bürger Besitz und Eigentum und die damit verbundenen Vorteile für den Einzelnen, für seine Familie, für seine Nachkommen, für seine Kinder weiterhin als Wert real erfahren. Und das ist auch der Sinn dieser Debatte, wenn wir über Sinn und Zweck von selbstgenutzten Wohneigentum sprechen.
Die Antragsteller haben in ihren Anträgen auf Steuerlasten infolge der Grunderwerbsteuer und auf Minderung der Steuerlasten hingewiesen. Mir erscheint es wichtig, darauf hinzuweisen, dass gemäß Berliner Verfassung – und das hat eine Vorrednerin eben auch zitiert – das Land Berlin die Bildung von Wohnungseigentum selbst fördert, das heißt, es handelt sich hierbei um einen Verfassungsauftrag. Sicher, dabei spielt auch die Grunderwerbsteuer als so genannter Nebenkostenfaktor eine Rolle. Sie ist jedoch eine von mehreren Schrauben, mit denen das verfassungsgemäße und auch gesellschaftliche Anliegen – da es in der Verfassung schon verankert worden ist, ist
es ein gesellschaftliches Anliegen –, der Bildung von Wohnungseigentum, beeinflusst werden kann.
Wenn ich die vorliegenden Anträge lese, kann ich feststellen, die Antragsteller selbst haben den Begriff des selbstgenutzten Wohneigentums in ihrer Bezugnahme ausdrücklich eingesetzt – nur darum geht es in der heutigen Debatte. Dazu gäbe es aus Sicht meiner Partei neben der Frage der Grunderwerbsteuer und auch der Freibeträge, die hier mehrfach in den Vorschlägen zitiert worden sind, mehreres andere zu sagen und zu berücksichtigen, beispielsweise Wohneigentumsbildung als Teil der Altersversorgung, als Chance der Altersversorgung und auch der Sicherung, Familienförderung – wie es meine Partei vorgeschlagen hat –, zum Beispiel mit Familienbaudarlehen oder durch Einbeziehung des Themas Erwerb kostengünstigen Wohnungseigentums in großen Stadtentwicklungsprojekten und weiter Eigentumsprogramme für Mieter städtischer Wohnungsbaugesellschaften mit Erwerb für Selbstnutzer – das ist alles nachzulesen.
Nein, ich bin gleich fertig! – Meine Ausführungen geben nur einen Teil der Überlegungen und der Forderungen, die meine Partei bereits in den letzten Jahren vorgetragen hat, wieder. Auf die werden wir dann im entsprechenden Fachausschuss zurückkommen.
Frau Becker, ich will hier nicht auf Ihre Polemik eingehen, ich werde meinen Vortrag hier sachlich beenden. – Mir persönlich scheint jedenfalls die Berücksichtigung von jungen Familien und insbesondere Familien mit Kindern beim Erwerb von Wohnungseigentum wichtig zu sein.
Auch die Schaffung von Baukostenzuschüssen in diesem Zusammenhang wäre zu prüfen. All dies sollten wir im Fachausschuss miteinander bereden.
Zum Schluss möchte ich Ihnen sagen, der Zeitpunkt für die Förderung und Bildung selbstgenutzten Wohneigentums ist besonders günstig vor dem folgenden wirtschaftlichen Hintergrund:
Lesen Sie doch bitte den Wirtschafts- und den Finanzteil der „FAZ“ der letzten Wochen! Dann werden Sie das bestätigt finden. Die Einkommen sind gestiegen, der Arbeitsmarkt ist stabil, es gibt kaum noch Arbeitslo
sigkeit, die Zinssituation ist für die Eigentumsbildung trotz gestiegener Immobilienwerte günstig. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!