Friedrich Loscher-Frühwald
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der schwierigen Haushaltssituation, in welcher wir uns befinden, ist der Doppelhaushalt 2003/2004 ein Beleg dafür, dass wir der Landwirtschaft und damit auch den bäuerlichen Familien in Bayern helfen, so gut es geht. Herr Staatsminister Miller hat die Zahlen schon vorgetragen. Ich brauche sie nicht mehr zu wiederholen.
Unser agrarpolitisches Ziel ist es, auch künftig eine flächendeckende Bewirtschaftung des Landes zu ermöglichen und eine möglichst große Zahl bäuerlicher Betriebe zu erhalten. Unser Land würde sein Gesicht verändern, wenn wir nicht eine so intakte und von bäuerlicher Hand gepflegte Kulturlandschaft hätten. Kollege Starzmann hat einen Blick weit zurück in die Vergangenheit geworfen. Ich will auch versuchen, das zu tun. Ich will aber auch den Blick in die Zukunft richten, und ich werde dabei natürlich auch die Agrarpolitik der rot-grünen Bundesregierung bewerten.
Das Ergebnis meiner Bewertung wird dabei sicher nicht besser ausfallen, als die Bewertung der Arbeit der fünf Landwirtschaftsminister durch Sie, Herr Kollege Starzmann, die Sie und auch ich in den letzten 20 Jahren Parlamentszugehörigkeit erlebt haben. In Ihrer Rede zum
Doppelhaushalt 2001/2002 – ich habe Ihre Rede noch einmal nachgelesen, Herr Kollege Starzmann – haben Sie eigentlich bestätigt, dass wir in Bayern mit unserer Agrarpolitik auf einem guten und richtigen Weg sind. Diesen guten und richtigen Weg wollen wir fortsetzen. Wir werden über unsere bayerischen Förderprogramme den Betrieben, die sich weiterentwickeln wollen, die notwendigen Hilfen geben, und wir werden über das bayerische Kulturlandschaftsprogramm und über die Ausgleichszulage es ermöglichen, dass auch in schwierigen Lagen – ich denke vor allem an die Gebirgs- und Mittelgebirgslandschaften – Landwirtschaft betrieben werden kann.
Ich gehöre wie Kollege Starzmann seit 20 Jahren dem Bayerischen Landtag an. In diesen 20 Jahren hat sich in der bayerischen Landwirtschaft sehr viel verändert. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Zahlen des Agrarberichts 1982 einmal zu vergleichen mit den Zahlen des Agrarberichts 2002. Ich will Ihnen nur ein paar wenige Zahlen vortragen.
1982 hatten wir in Bayern 234698 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche ab zwei Hektar. 2002 waren es 140000 Betriebe. Die Durchschnittsbetriebsgröße lag damals bei 14 Hektar, heute liegt sie bei knapp 24 Hektar. Wir hatten damals rund 50% Betriebe, die im Haupterwerb bewirtschaftet wurden, heute sind es nur mehr 40%. Die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe hat natürlich zugenommen. Zugenommen hat auch der Anteil der Pachtflächen. Das macht auch die Strukturveränderung in der Landwirtschaft deutlich. 1982 betrug der Anteil der Zupachtflächen 21%, 2002 waren es 42%. Noch zwei Zahlen: Die Zahl der Milchkuhhalter lag 1982 bei 164000, im Jahr 2002 lag sie bei 58000, und die Zahl der Schweinehalter ging von damals 146000 auf zwischenzeitlich 30000 zurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zahlen zeigen, welchem enormen Strukturwandel und welchen enormen Veränderungen die Landwirtschaft unterworfen ist. Die Landwirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen auf Bundes- und auf europäischer Ebene. Sie braucht auch eine annähernde Wettbewerbsgleichheit innerhalb der europäischen Union.
Wie sieht es denn mit den Rahmenbedingungen aus und wie ernst nimmt die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft? Das, was man aus den Koalitionsvereinbarungen herauslesen kann, lässt für die deutsche Landwirtschaft insgesamt nichts Gutes erwarten. Auch wenn die Koalitionsvereinbarungen erst noch in Gesetze und Verordnungen umgesetzt werden müssen, ist doch schon erkennbar, dass die geplanten Maßnahmen eindeutig gegen die Landwirtschaft, vor allem eindeutig gegen die bäuerliche Landwirtschaft gerichtet sind. Das Wort „bäuerliche Landwirtschaft“ kommt in den Koalitionsvereinbarungen überhaupt nicht mehr vor.
Was ist im Einzelnen vorgesehen? Die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen soll abgeschafft werden. Das bedeutet, dass etwa 85000 landwirtschaftliche Betriebe in Bayern nach den Vorstellungen der rot-grünen Bundesregierung Buch führen müssen. Für kleinere und
mittlere Betriebe, vor allem für die Nebenerwerbsbetriebe, entstehen dadurch Buchführungskosten in Höhe von mindestens 700 bis 1000 e pro Jahr. Viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe, vor allem Nebenerwerbsbetriebe, werden aufgeben. Dies wird die Folge dieser Maßnahme sein.
Auch die Umsatzsteuerpauschalierung soll gestrichen werden. Dies hätte zur Folge, dass 95% der bayerischen Betriebe aus der Umsatzsteuerpauschalierung herausfallen. Durch die Streichung würde ein erheblich höherer Verwaltungsaufwand entstehen. Die Finanzämter müssten allein in Bayern 130000 Umsatzsteuerakten zusätzlich anlegen. Die Streichung sowohl der Durchschnittssatz-Gewinnermittlung als auch der Umsatzsteuerpauschalierung empfinden unsere kleinen und mittleren bäuerlichen Familienbetriebe als Abstrafung.
Diese Maßnahmen bedeuten einen enormen zusätzlichen bürokratischen und finanziellen Aufwand für die Betriebe und konterkarieren jegliche Bemühungen um Verwaltungsvereinfachung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie stehen in offenem Gegensatz zur Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder, der einen Bürokratieabbau angekündigt hat. Pauschalierungen sollen letztendlich helfen, das Steuerrecht zu vereinfachen. Noch vor der Wahl hatten sich die SPD und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eindeutig für die Beibehaltung der Umsatzsteuerpauschalierung ausgesprochen. Auch die Abschaffung der Umsatzsteuerermäßigung für landwirtschaftliche Produkte wird eine zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft mit sich bringen.
Im „Ernährungsdienst“ vom 02.11.2002 ist Folgendes zu lesen: „Die Einzigen, die sich über diese Entscheidung der Bundesregierung freuen können, sind die niederländischen Bauern, weil sie mehr Agrargüter nach Deutschland liefern können. Sie erwarten sich Wettbewerbsvorteile und die Eroberung von Marktanteilen.“ Ich denke, das muss man nicht weiter kommentieren.
Die Regierungskoalition hat zudem angekündigt, in der neuen Legislaturperiode verschiedene Gesetze – zum Beispiel das Bundeswald- und das Bundesjagdgesetz – grundlegend novellieren zu wollen. Wir lehnen dies entschieden ab, weil wir davon eine Aushöhlung bäuerlicher Eigentums- und Nutzungsrechte befürchten.
Wenn all das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, umgesetzt wird, dann bedeutet das für die deutsche Landwirtschaft eine Zusatzbelastung von 2,4 Milliarden e. Die Folge wird ein beschleunigter Strukturwandel sein. Eine weitere Folge wird sein, dass die Investitionen mit allen negativen Auswirkungen für die der Landwirtschaft vorgelagerten Bereiche zurückgehen werden. Das Emsländische Landvolk hat ausgerechnet, dass das bei einem 50-Hektar-Betrieb mit 80 Muttersauen einschließlich der Mästung der erzeugten Ferkel eine Mehrbelastung von 4442 e bedeutet.
Man muss auch darauf hinweisen, dass die jetzige Bundesregierung in den zurückliegenden Jahren die Mittel für den Agrarsozialbereich erheblich gekürzt hat. Dies führte vor allem bei den kleineren und mittleren Betrieben zu Beitragssteigerungen von bis zu 100%. Die Ökosteuer belastet die Land- und Forstwirtschaft jährlich mit rund 60 Millionen e, und die Gasölbeihilfe in Höhe von 430 Millionen e wurde gestrichen. Mit dem eingeführten Agrardieselgesetz sind die deutschen Bauern im Vergleich zu ihren Berufskollegen in der Europäischen Union nach wie vor deutlich benachteiligt.
Frau Bundesministerin Künast dreht sich mit ihrer Agrarwende ständig im Kreis. Sie findet mit ihren Vorstellungen in Brüssel kein Gehör und gängelt unsere Bauern mit ständig neuen Auflagen. Wir halten es für nicht vertretbar – der Herr Minister hat bereits darauf hingewiesen –, dass Deutschland schon im Jahr 2003 mit einer eigenen Modulation beginnen will, zumal die Europäische Union bereits ab 2004 eine obligatorische Modulation angekündigt hat. Die deutschen und die bayerischen Bauern stehen nicht nur im europäischen Wettbewerb, sondern müssen sich auch auf internationalen Märkten behaupten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft zu stärken heißt, sie von Kosten zu entlasten. Die rot-grüne Bundesregierung fordert von der Landwirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, bürdet ihr aber gleichzeitig ständig neue und zusätzliche Lasten auf.
Nur eine rentable Landwirtschaft ist in der Lage, auf die Wünsche des Marktes einzugehen und gleichzeitig Umweltleistungen zu erbringen. Die Sicherung des Agrarstandorts Deutschland bedarf einer Politik, die die Landwirte unterstützt und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert. Die Rahmenbedingungen für die deutsche Landwirtschaft haben sich seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün 1998 kontinuierlich und dramatisch verschlechtert. Ziel muss eine Agrarpolitik sein, die unternehmerischen Aktivitäten durch Senkung der Steuer- und Abgabenlast, eine Rückführung der Regulierungsdichte und eine Förderung der Zukunftsinvestitionen Freiräume schafft.
Dem Ziel der Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung kann man nur zustimmen. Es müssen den Worten aber endlich auch Taten folgen. Deutschland hat insgesamt zu hohe bürokratische Hemmnisse. Ebenso wie für die Gesamtwirtschaft gilt das auch für die Landwirtschaft. Wir müssen von dem Zustand wegkommen, dass ein deutscher Bauer noch auf seine Genehmigung für den Stallbau wartet, während seine Berufskollegen in den anderen EU-Mitgliedsländern schon in neuen Ställen Schweine mästen.
Eine flächendeckende Landschaftsplanung sowie die pauschale Forderung nach mindestens 10% der Landesfläche für den Biotopverbund sind aus Sicht der Landwirtschaft nicht gerechtfertigt.
Die Kernfrage lautet für uns: Wie verträgt sich eine heimische Agrarpolitik, die noch mehr Tierschutz, Umweltschutz und vorsorgenden Verbraucherschutz einfordert,
mit den übergeordneten politischen Rahmenbedingungen, die eher in Richtung einer stärkeren Weltmarktorientierung weisen? In unserer arbeitsteiligen und durch immer mehr Handel und Wettbewerb geprägten Welt können wir nicht zu Produktionsmethoden und -verfahren unserer Väter und Großväter zurückkehren.
Zur Politik nachhaltiger Entwicklung in der Landwirtschaft gehört neben den Säulen Ökologie und Soziales auch die Ökonomie als dritte Säule. Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind Voraussetzung für die Existenz. Davon ist aber im Politikentwurf der Bundesregierung nichts zu hören. Im Zusammenhang mit der BSE-Diskussion hat Frau Künast immer wieder gesagt, wir müssten weg von der industriellen Agrarproduktion und hin zu einer bäuerlichen Landwirtschaft. „Klasse statt Masse“ war ihre Aussage und ihre Devise. Wenn man das ernst meint, muss man vor allem für die bäuerlichen Betriebe, wie wir sie in Bayern haben, mehr tun.
Nein. Ich bitte um Verständnis, dass wir nur eine begrenzte Zeit haben. Ich bin Herrn Kollegen Eckstein dankbar, dass er mir seine Redezeit abgetreten hat.
Die Vorschläge von Frau Künast zur Halbzeitbewertung der Agenda 2000 lassen in diese Richtung nichts erkennen. Im Gegenteil: Wie sieht denn die Wirklichkeit in der Europäischen Union aus? Herr Kollege Starzmann hat es schon gesagt. Nach einem Bericht der Kommission beziehen nur rund 5% der Betriebe in der EU die Hälfte der Direktzahlungen, während jeder zweite Landwirt weniger als 2000 e erhält. 70% der Empfänger erhalten weniger als 5000 e pro Jahr. Wie aus einer Dokumentation der EU-Kommission hervorgeht, gibt es 1890 landwirtschaftliche Betriebe, die pro Jahr mehr als 300000 e an Direktbeihilfen erhalten. Allein 1260 dieser Agrarriesen finden sich in Deutschland. Nach Angaben der Kommission ist ein Drittel der nach Deutschland fließenden EU-Beihilfen für 1% der Betriebe bestimmt. Ich will diesen Betrieben die Ausgleichszulage nicht streitig machen. Wenn das aber die Betriebe sind, um die sich Frau Künast besonders kümmern wird – so kann man das zumindest dem Text der Koalitionsvereinbarung entnehmen –, dann soll sie endlich aufhören, so zu tun, als würde sie etwas für die bäuerliche Landwirtschaft tun.
Man verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man ständig eine intensive Tier- und Pflanzenproduktion sowie den Einsatz von Mineraldünger und chemischem Pflanzenschutz kritisiert, obwohl man weiß, dass diese Produktionsmittel gerade in Großbetrieben verstärkt eingesetzt werden müssen.
Herr Kollege Starzmann, ich hatte es nicht vor, ich will aber trotzdem, nachdem Sie sie angesprochen haben,
etwas zur Ökolandwirtschaft sagen. Wir in Bayern reden nicht nur über die Ökolandwirtschaft, sondern wir tun auch etwas für sie. Das wurde uns auch bei einem Gespräch vor wenigen Wochen mit der Landesvereinigung des ökologischen Landbaus bestätigt. Frau Künast redet zwar viel über Ökolandwirtschaft, aber sie tut nichts für sie. Bei der Zahl der Ökobetriebe, hören Sie gut zu, liegt Bayern mit einem Anteil von 40% einsam an der Spitze.
Vergleichen Sie einmal die Zahlen mit denen von Nordrhein-Westfalen. Dort redet Landwirtschaftsministerin Höhn ständig über Landwirtschaft, sie tut aber nichts für die Ökobetriebe. Auch bei der Förderung pro Betrieb und auf die Fläche bezogen gibt es kein Land, das für den Ökolandbau so viele Mittel bereitstellt wie Bayern. Die Aufstockung beim Kulturlandschaftsprogramm von 12000 e auf 18000 e kommt in großem Umfang auch den Ökolandwirten zugute.
Wir haben zusätzliche Berater bei den Erzeugerringen und auch bei der staatlichen Beratung eingestellt, damit ausreichend Beratungskapazitäten zur Verfügung stehen, auch für die Betriebe, die auf ökologischen Landbau umstellen wollen. Bei der neu geschaffenen Landesanstalt für Landwirtschaft wird der ökologische Landbau vor allem in der angewandten Forschung ein Schwerpunkt sein. Leider – ich bedauere das sehr – konnte der Lehrstuhl für Ökolandbau wieder nicht besetzt werden, weil der Kandidat seine Bewerbung zurückgezogen hat.
Die Erweiterung und Fortentwicklung des Ökolandbaus muss mit der Markterschließung einhergehen, um die Betriebe, die ökologisch wirtschaften, nicht in existenzielle Gefahr zu bringen. Das ist auch eine Aufgabe der Verbände. Der Staat wird hier sicher mithelfen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Mit möglichst niedrigen Standards, wie Frau Künast das versucht, möglichst schnell einen hohen Prozentsatz im Ökolandbau zu erzielen, halten wir für den falschen Weg. Darin sind wir mit den drei Ökolandbauverbänden einig.
Ich will zur Reform der europäischen Agrarpolitik ein paar Sätze sagen. Aufgrund der EU-Osterweiterung sind nach dem Jahr 2006 einschneidende Änderungen zu erwarten. Frau Künast hat bereits zur Halbzeitbewertung eine vorgezogene Reform der gemeinsamen Agrarpolitik gefordert. Sie fordert zum Beispiel eine Abschaffung der Getreideintervention, die Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung, sie will eine Grünlandprämie anstelle von Tierprämien, sie will einen schrittweisen Ausstieg aus der Milchquotenregelung sowie eine Reform der Zuckermarktordnung. Damit werden die klassischen Instrumente der bisherigen gemeinsamen Agrarpolitik ausgehöhlt. Bei den wichtigsten Marktordnungsprodukten ist ein Systemwechsel vor 2006 nicht notwendig.
Folgende Ziele sind ab 2007 aus bayerischer Sicht vorrangig zu beachten: Erstens, Stärkung einer nachhaltigen, multifunktionalen Landwirtschaft im internationalen Vergleich, zweitens, eine flächendeckende und artgerechte Tierhaltung, drittens, ausreichende Entscheidungsspielräume für die Mitgliedstaaten und Regionen, viertens, eine nationale Kofinanzierung, verbunden mit einer stärkeren Regionalisierung der Agrarpolitik, fünftens, eine Weiterentwicklung der markt- und preispolitischen Maßnahmen.
Wir vertreten die Position, dass die Europäische Union auch künftig einen wirksamen Schutz gegen ruinöse Importe aus Drittländern oder ersatzweise die Einführung finanzieller Ausgleichsmaßnahmen für auflagenbedingte Mehrkosten in einer europäischen Nahrungsmittelproduktion braucht. Die in der Europäischen Union geltenden Verbraucher-, Umwelt-, Sozial-, Hygiene-, Pflanzen- und Tierschutzstandards müssen in wichtigen internationalen Abkommen festgehalten werden. Das Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft ist im Rahmen der WTO-Verhandlungen nachhaltig zu verankern.
Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch die Osterweiterung sind hinreichende Übergangsfristen erforderlich. Ich glaube, darin sind wir uns einig. Unsere Landwirte haben gute Voraussetzungen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten.
Die Landwirtschaft ist nach wie vor Rückgrat für die ländlichen Räume. Sie sichert Standorte über die eigentliche Nahrungsmittelproduktion hinaus. Wir haben in Bayern eine Landschaft mit einem hohen Freizeit- und Erholungswert. Wenn die Landwirtschaft nachhaltig geschwächt würde, dann gäbe es keinen vergleichbaren Partner, der die Aufgaben einer flächendeckenden Landschaftspflege wahrnehmen könnte. Wer, wenn nicht die Landwirtschaft, ist in der Lage, bei gleicher Qualität und mit gleichem Sachverstand zu dem günstigen Preis für uns die Landschaft als Natur- und Lebensraum zu erhalten?
Unser agrarpolitisches Leitbild ist eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft auf der Grundlage nachhaltiger umweltverträglicher Betriebssysteme und Produktionsbedingungen, die auch der Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen dienen, eine Landwirtschaft, die ihre Produktionsverfahren dokumentiert und offen legt, eine flächendeckende Landbewirtschaftung, auch in von der Natur benachteiligten Gebieten, eine multifunktionale Landwirtschaft, die einen qualitativ hochwertigen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung und zur Sicherstellung der Welternährung sowie zur Stärkung der ländlichen Räume leistet.
Wir wollen einen Bauernstand mit einem großen Entscheidungsspielraum, der im europäischen Wettbewerb bestehen kann.
Wir brauchen dazu eine langfristige Verlässlichkeit und Planbarkeit in der Agrarpolitik auf allen politischen Ebenen. Ich bin persönlich davon überzeugt – ich habe das schon einmal hier im Parlament gesagt –, dass die Land
wirtschaft im 21. Jahrhundert eine weitaus größere Bedeutung als bisher haben wird.
Die Weltbevölkerung wächst schneller als die Nahrungsmittelproduktion. Dies wird mittel- und langfristig dazu führen, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln weltweit höher sein wird, als das Angebot. Anfangs des 20. Jahrhunderts lebten 1,6 Milliarden Menschen auf der Erde. Die Vereinten Nationen haben am 12. Oktober 1999 symbolisch die Geburt des sechsmilliardsten Menschen gefeiert. Um das Jahr 2050 werden vermutlich 9 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben. Nach Prognosen der Welternährungsorganisation werden bis zum Jahr 2030 etwa 60% mehr Nahrungsmittel benötigt, um die dann über 8 Milliarden zählende Weltbevölkerung zu ernähren. Nachdem eine Ausdehnung der Anbauflächen kaum mehr möglich ist, müsste diese gewaltige Steigerung zu 80% aus einer intensiveren, zugleich aber nachhaltigeren und umweltschonenderen Landwirtschaft kommen.
Die Weltvorräte an Getreide sinken für das Wirtschaftsjahr 2002/03 um 18,5% auf nur noch 260 Millionen Tonnen, bei einem Weltverbrauch in diesem Jahr von 1,5 Milliarden Tonnen. Alleine diese Zahlen machen deutlich, welche Bedeutung die Landwirtschaft auch künftig haben wird.
Ich komme zum Schluss: Trotz begrenzter Zuständigkeit und Möglichkeiten machen wir in Bayern eine Agrarpolitik, die darauf ausgerichtet ist, eine große Zahl bäuerlicher Betriebe zu erhalten. Diese Betriebe ermöglichen die umweltverträgliche Produktion und sind in der Lage, auch weiterhin unverzichtbare Leistungen für die gesamte Gesellschaft zu erbringen.
Die bayerische Landwirtschaft beschäftigt 426000 Arbeitskräfte haupt- und nebenberuflich. Die Land- und Forstwirtschaft Bayerns erreicht einschließlich des vorund nachgelagerten Bereichs im Jahr 2000 einen Produktionswert von über 100 Milliarden Euro. Sie sichert damit jeden achten Arbeitsplatz in Bayern. Damit werden mehr Arbeitsplätze als zum Beispiel durch die bayerische Automobilindustrie erhalten. Die Landwirtschaft ist damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum.
Der Boden ist Lebens-, Einkommens- und Existenzgrundlage für die Bauernfamilien. Den Boden als Ressource zu erhalten, liegt deshalb im ureigenen Interesse der Land- und Forstwirtschaft. Im Unterschied zum Verbrauch von Ressourcen zu Produktionszwecken in anderen Bereichen darf er zwar bebaut, aber nicht abgebaut werden. Diese Verantwortung, vor allem auch gegenüber den nachfolgenden Generationen, werden Bäuerinnen und Bauern gerecht. Kernpunkt der Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 21 ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Erfordernissen. Unsere heutige Land- und Forstwirtschaft stand und steht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen sowie politischen Entscheidungen.
Unsere Politik war und ist darauf ausgerichtet, unserer Landwirtschaft bei den in Bayern gegebenen Strukturen Hilfen zu geben, die es ermöglichen, im europäischen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob ein Betrieb im Haupterwerb oder im Zu- und Nebenerwerb bewirtschaftet wird. Gerade unsere bayerische Agrarpolitik hat ein gedeihliches und gutes Miteinander der verschiedenen Betriebsformen ermöglicht.
Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister Miller für sein Engagement und seinen Einsatz für unsere bäuerlichen Familien. Mein Dank gilt in gleicher Weise den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die geleistete Arbeit. Ich schließe in diesen Dank auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ämter für Landwirtschaft ein, die aufgrund der Vorgaben der Europäischen Union viele Aufgaben zu bewältigen haben. Der Doppelhaushalt 2003/04 ist eine Basis, auf der unsere zielgerichtete bayerische Agrarpolitik fortgeführt werden kann.
Abschließend will ich sagen: Es gibt kein anderes Bundesland, das für seine Bauern so viele Mittel bereitstellt, wie wir das in Bayern seit Jahrzehnten tun. Das zeigt, dass wir unsere Landwirtschaft in einer agrarpolitisch und auch finanzpolitisch schwierigen Zeit nicht im Stich lassen.
Nachdem dies meine letzte Haushaltsrede im Landtag war – Herr Kollege Starzmann, bei mir passiert nichts Großes mehr, ich weiß das schon –, darf ich mich bei Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, für die Aufmerksamkeit und für die Teilnahme an dieser Diskussion herzlich bedanken.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion hat einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, weil wir damit auf die Lücken und die Versäumnisse, die es bei den Meldepflichten im Lebensmittelbereich gibt, aufmerksam machen möchten.
Darüber hinaus ist es notwendig, darauf hinzuweisen, wie verantwortungslos die zuständige Ministerin, Frau Künast, mit dem Problem Nitrofen umgegangen ist und immer noch umgeht.
Frau Künast hat mit ihrem Verhalten der Landwirtschaft in Deutschland, und zwar nicht nur der Öko-Landwirtschaft, sondern der Landwirtschaft insgesamt, schweren Schaden zugefügt. Ich fordere Frau Künast auf, für den wirtschaftlichen Schaden, der in die Millionenhöhe geht, die Verantwortung zu übernehmen und zu haften. Ich denke, mit pauschalen Schuldzuweisungen an alle anderen ist den betroffenen Landwirten und Landwirtsfamilien nicht geholfen. Ich meine, Aufklärung muss vor Schuldzuweisungen gehen. Ich fordere Frau Künast auf, endlich einmal zur Aufklärung beizutragen.
Es kann nicht sein, dass Einrichtungen, die dem Bundesministerium unterstehen, eindeutige Untersuchungsergebnisse nicht weitergeben. Ich darf hier aus der „Wirtschaftswoche“ vom 06. Juni zitieren. Unter der Überschrift „Giftige Reaktionen“ war zu lesen:
Für den jüngsten Giftweizenskandal trägt Künast selbst die Verantwortung. Dass Testergebnisse wochenlang in nachgeordneten Behörden oder privaten Labors liegen blieben, ist darauf zurückzuführen, dass Künast es versäumt hat, entsprechende Kontroll- und Kommunikationsstrukturen in ihrem Hause einzurichten.
Die Liste ließe sich fortführen: Ihr Bio-Siegel, mit Millionenaufwand werbetechnisch gepuscht, entspricht lediglich der EU-Norm, wäre also nicht notwendig gewesen.
Ich zitiere noch einen zweiten Absatz aus dieser Zeitung:
Mit Vehemenz rückt gleichzeitig gut drei Monate vor der Wahl die Frage auf die politische Agenda, was die Ministerin in den vergangenen eineinhalb Jahren eigentlich erreicht hat. Die Antwort: wenig. Weder kann von einer Agrarwende gesprochen werden noch war die Ministerin zu sehen, wenn tatsächlich Verbraucherthemen die politische Agenda bestimmten.
Soweit das Zitat aus der „Wirtschaftswoche“ vom 06. Juni.
Dem, was hier berichtet wird, braucht man eigentlich wenig hinzuzufügen. Wenn Frau Künast selbst sagt, die Strukturen in ihrem Haus und den nachgeordneten Behörden seien genauso geblieben wie vor der BSEKrise, kann man nur feststellen, dass die Erneuerung des Verbraucherschutzes, den ja alle wollen, mit der Ministerin Künast nicht zu machen ist und auch nicht gelungen ist. Nach den Erfahrungen mit BSE ist der Vor
gang um Nitrofen-verseuchtes Futter, vor allem der Umgang mit diesem Thema, ein Armutszeugnis der Verbraucherschutzpolitik der Bundesregierung. Frau Künast erklärt jeden Tag, der Skandal sei aufgeklärt. Aber jeden Tag gibt es neue Erkenntnisse und neue Meldungen.
Das Verhalten von Frau Künast muss man vor allem vor dem Hintergrund sehen, dass grüne Europaparlamentarier im Verein mit der WDR-Sendung „plusminus“ noch vor wenigen Wochen versuchten, einen Futtermittelskandal auszulösen. Was haben sie gemacht? Sie haben Tiermehl ins Futter gemischt. Man wollte damit in erster Linie die konventionelle Landwirtschaft an den Pranger stellen. Es gab daraufhin in verschiedenen Zeitungen viele Leserbriefe. Einen Leserbrief, der in meiner Heimatzeitung erschienen ist, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ein Landwirt schreibt dort unter der Überschrift: „Unglaublich, aber wahr“:
Bündnis 90/Die Grünen im abgekarteten Spiel mit dem öffentlich-rechtlichen Westdeutschen Rundfunk. Was sich diese geleistet haben, ist an Widerlichkeit und vorsätzlichem Betrug an der deutschen Landwirtschaft nicht zu überbieten. Diese Betrügergemeinschaft hat Futtermittelproben absichtlich mit Tiermehl versetzt, in der großen Hoffnung, einen erneuten Lebensmittelskandal bewusst zu produzieren, um Künast und den Grünen zu helfen in der Wählergunst, denn angesichts der miserablen Umfrageergebnisse im Hinblick auf die Bundestagswahlen kann ihnen nur noch ein handfester Ernährungsskandal die notwendigen Stimmen bringen.
Er schreibt weiter – er macht seiner Meinung hier gründlich Luft –, dass der Schuss gründlich nach hinten losgegangen sei und die Behörden angesichts der Laborergebnisse schneller als Baringdorf lieb gewesen sei, die betroffenen Betriebe, darunter den eigenen, sperren und räumen lassen wollten. Damit hatten Baringdorf und der WDR offensichtlich nicht gerechnet. – Ich kann Ihnen das Material gerne geben. Sie können es dann nachlesen. Das ist die Stimmung und die Meinung in der Landwirtschaft über das, was hier passiert ist.
Auch wenn es bei Nitrofen in erster Linie um Öko-Produkte geht, ist eine rasche und umfassende Aufklärung sowie Information der Verbraucher unabdingbar.
Passen Sie einmal gut auf, Frau Stahl. Es gibt hier nämlich Handlungsbedarf. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie Ihren Einfluss auf Frau Künast geltend machen könnten, dass sie endlich etwas tut. Sie hat nämlich aus dem von-Wedel-Bericht nichts gelernt und nichts unternommen.
In einer Pressemitteilung über die der Ministerin unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung heißt es:
Die der Ministerin unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach hatte bereits seit längerem Kenntnisse von Nitrofen in Futtermitteln. Nach einer Zeugenaussage aus Niedersachsen hat
die Bundesanstalt anlässlich einer Besprechung im Künast-Ministerium das Thema mit Nitrofen angesprochen. Ministerin Künast ging aber darüber hinweg.
Ich denke, das ist ein Skandal sondergleichen.
Es ist einfach skandalös – man kann es nicht anders bezeichnen –, wenn eine Bundesbehörde oder möglicherweise das Ministerium Informationen nicht weitergibt oder nicht die richtigen Konsequenzen daraus zieht. So kann wirksamer Verbraucherschutz nicht funktionieren. Es erweist sich auch immer mehr, dass sich die Politik von Frau Künast, konventionell und ökologisch wirtschaftende Betriebe gegeneinander auszuspielen und einseitig den Öko-Landbau zu fördern, als falsch herausgestellt hat. Effektiver Verbraucherschutz und wirksame Kontrollen sind in allen Wirtschaftsformen der Landwirtschaft erforderlich. Durch die Einführung eines BioKennzeichens auf niedrigem Niveau wird eine Entwicklung hin zur Masse statt zur Klasse gefördert.
Ich halte es für verhängnisvoll und bin darin mit den ÖkoLandwirten und mit den Öko-Anbauverbänden einig: Wenn in einem Betrieb ökologische und konventionelle Erzeugung zugelassen werden, führt das zu Misstrauen bei den Landwirten, vor allem bei den Öko-Landwirten, die nach strengen Regeln der Öko-Anbauverbände wirtschaften müssen, aber auch zu Verunsicherung bei den Verbrauchern. Der Versuch, möglichst schnell den von Frau Künast angekündigten Anteil der Öko-Landwirtschaft von 20 Prozent zu erreichen, schaden vor allem der Öko-Landwirtschaft selbst.
Ich möchte auch zu dem Dringlichkeitsantrag der Grünen ein paar Worte sagen: Die von den Grünen geforderte Vorziehung der EU-Meldepflicht für Lebensmittelund Futtermittelunternehmen wurde auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat bereits vor zwei Wochen beschlossen.
Die GRÜNEN sollten jetzt dafür sorgen, dass dies auch in der Bundesregierung umgesetzt wird. Wir brauchen eine europaweit harmonisierte Überarbeitung der Kennzeichnungs- und Produktinformationspflichten der Hersteller. Bayern kann die Hausaufgaben von Frau Künast nicht machen.
Es ist eigentlich ein untauglicher und dreister Versuch von Frau Künast, eine Verbindung zwischen dem Nitrofen-Skandal und dem Verbraucherinformationsgesetz herzustellen. Beides hat nichts miteinander zu tun. Um Informationspflichten, wie sie im Nitrofen-Skandal verletzt wurden, geht es im rot-grünen Gesetzentwurf überhaupt nicht. Für Fälle wie den vorliegenden gibt es bereits seit langem gesetzliche Eingriffs- und Warnmöglichkeiten nach dem Lebensmittel- und dem Bedarfsgegenständegesetz. Alle Gesetze der Welt helfen aber nicht, wenn Ministerium und Verantwortliche zu langsam reagieren oder versuchen, etwas zu vertuschen. Es ist einfach skandalös, wie Verbraucherschutzministerin Künast einerseits für ihre Politik Propaganda macht und andererseits dringend erforderliche Maßnahmen für den
Verbraucherschutz aus ideologischen Gründen unterlässt.
Ich will zum Schluss noch einmal betonen: Was wir möglichst rasch brauchen, ist in allen Bereichen der Nahrungsmittelerzeugung eine klar definierte Meldepflicht bei Grenzwertüberschreitungen. Im Interesse der Verbraucher muss dies auf Bundes- und auch auf europäischer Ebene erfolgen und umgesetzt werden. Ich meine, das muss auch für alle importierten Nahrungsmittel gelten.
Wir fordern nicht den Rücktritt von Frau Künast, weil wir ihr die Chance geben möchten, ihre Unfähigkeit in Sachen Landwirtschaft und Verbraucherschutz bis zum 22. September noch öfter unter Beweis zu stellen. Wir lehnen den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ab, weil sie damit nur versuchen, vom eigentlichen Problem, nämlich den Versäumnissen und dem Unvermögen von Frau Künast, abzulenken.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Dürr.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich eingangs sagen, dass wir die beiden Dringlichkeitsanträge ablehnen. Das, was in den Dringlichkeitsanträgen aufgeführt ist, war zum großen Teil bereits Gegenstand der Diskussion im Landwirtschaftsausschuss. Staatsminister Sinner hat dort auf alle Fragen ausführlich Antwort gegeben. Bei der Diskussion im Ausschuss ist auch deutlich geworden, dass alles, was im Interesse des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit notwendig war, getan wurde.
Herr Dr. Dürr, die Anschuldigungen gegen Staatsminister Sinner und gegen die Staatsregierung darf ich namens der CSU-Landtagsfraktion mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Ich stelle fest, dass Staatsminister Sinner bei einer nicht leichten Aufgabe hervorragende Arbeit geleistet hat. Er genießt deshalb unser volles Vertrauen.
Nachdem über das Labor Milan in Westheim so viel diskutiert worden ist, möchte ich ein anderes Thema ansprechen: nämlich den Verbraucherschutz und die Nahrungsmittelsicherheit. Das hat auch etwas mit Landwirtschaft zu tun. Das Thema der Aktuellen Stunde heißt „Bayern – BSE-Land Nummer 1“. Herr Dr. Dürr, ich habe in Ihrem Beitrag überhaupt nichts von der Landwirtschaft gehört, ebenso wenig von Frau Künast bei ihrer Eröffnungsrede zur Grünen Woche in Berlin. Was Frau Künast als Landwirtschaftsministerin bisher geleistet oder nicht geleistet hat, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN und der SPD, das ist in der „Abendzeitung“ vom 24. Januar 2002 nachzulesen. Ihr Vorgänger Funke wird unter der Überschrift „Funke rechnet mit Künast ab“ zitiert. Lesen Sie das einmal nach. Das ent
hält einige neue Erkenntnisse für Sie. Ich stimme Herrn Funke voll zu.
Fragen Sie auch einmal, was von der mit viel propagandistischem Aufwand betriebenen Agrarwende übrig geblieben ist. Es ist nichts als die nüchterne Erkenntnis übrig geblieben: Konzepte und Programme fehlen, eine Abstimmung auf europäischer Ebene mit den europäischen Partnern gibt es bisher nicht.
BSE ist kein bayerisches oder deutsches Problem, sondern es ist ein europäisches, ja ein weltweites Problem.
Je mehr man auf BSE testet, desto mehr BSE-Fälle findet man – leider. Man hat vor kurzem auch in Japan die ersten BSE-Fälle gefunden. Genaue Kenntnis darüber, warum etwa jeder zweite BSE-Fall in Bayern zu verzeichnen ist, haben wir bisher nicht. Wir wissen nur, dass in den Grünlandgebieten im Schwäbischen, in Oberbayern und in der Oberpfalz gehäuft Fälle auftreten.
Wir wissen, dass bei den Geburtsjahrgängen 1995/96 vermehrt Fälle zu verzeichnen sind. Es mag sein, dass Milchaustauscher, die damals verfüttert wurden, eine Erklärung dafür sind. Einen genauen Nachweis gibt es dafür bisher nicht.
Ich darf darauf hinweisen, dass Bayern die Kohortenkeulung eingeführt und vorangebracht hat. Es hat lange gedauert, bis man sich auch auf Bundesebene dieser Lösung angeschlossen hat. Die Bereitschaft der Landwirte zur Anzeige von Verdachtsfällen konnte damit deutlich erhöht werden. Die Mitarbeit bei der Früherkennung von BSE ist meiner Meinung nach ein wichtiger Beitrag zum Verbraucherschutz. Unser Ziel muss es sein, verdächtige Tiere bereits vor der Schlachtung von den anderen Tieren zu trennen. Ich meine, dass wir diesem Ziel ein ganzes Stück näher gekommen sind.
Ich möchte mich bei Staatsminister Sinner und bei der Veterinärverwaltung für die gute Arbeit bei der Aufklärung, die sie geleistet haben, herzlich bedanken.
Herr Kollege Maget, zur Bewältigung der BSE-Krise hat Bayern mehr als der Bund und als alle anderen Länder getan. Ich will hier einige Punkte nennen: Wir haben sofort ein Notstandsbeihilfeprogramm für die betroffenen Landwirte geschaffen. Wir haben ein Liquiditätshilfeprogramm für die sehr stark betroffenen Rindermäster aufgelegt; hier liegen über 4300 Anträge vor. Wir haben ein Sonderprogramm zur Entsorgung von Futtermitteln und für eine Entschädigung dafür aufgelegt. Wir geben Zuschüsse für die regionale Vermarktung und die Förderung des ökologischen Landbaus. Hier wird Bayern mit Sicherheit seinen Beitrag leisten, um den ökologischen Landbau voranzubringen. Der Herr Ministerpräsident hat
uns als Zielgröße einen Anteil von 10% vorgegeben. Wie schnell wir diese erreichen, kann niemand sagen. Wir haben unseren Beitrag zur Beseitigung von Risikomaterial geleistet.
Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. Die Einführung neuer Schlachttechniken trägt zur Erhöhung der Sicherheit bei und ist von Bayern vorangebracht worden.
Insgesamt kann man sagen, dass das, was von Bayern aus gemacht werden musste, auch gemacht worden ist. Ich darf noch einmal sagen, dass Herr Minister Sinner auch weiterhin unsere Solidarität und unsere Unterstützung genießt.
Herr Präsident! Hohes Haus! Ich will nur sagen, dass auch wir noch einen Dringlichkeitsantrag eingebracht haben. Ich werde ihn gleich vorlesen. Herr Kollege Starzmann, erlauben Sie mir zunächst noch eine Anmerkung.
Wenn das Thema der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Bayern – BSE-Bundesland Nummer 1“, dann muss es erlaubt sein darauf hinzuweisen, dass BSE nicht nur ein bayerisches, sondern ein europäisches, ja ein weltweites Problem ist.
Herr Kollege Starzmann, Sie haben Ihre kabarettistischen Fähigkeiten erneut unter Beweis gestellt. Sie haben es gut vermittelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir möchten auch über unseren Dringlichkeitsantrag namentlich abstimmen lassen. Ich lese ihn vor:
Der Landtag begrüßt, dass die Staatsregierung nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit BSE-Tests in einem ungenehmigten Labor in Westheim rasch, entschlossen und konsequent die erforderlichen Maßnahmen zugunsten des Verbraucherschutzes ergriffen hat.
Der Landtag unterstützt die Bemühungen der Staatsregierung, eine gemeinsame Haltung von Bund und Ländern dahingehend herbeizuführen, dass nur das Fleisch derjenigen Schlachttiere aus dem Verkehr gezogen wird, bei dem Zweifel an korrekten Testverfahren bestehen. Nur diese Haltung gewährleistet, dass Fehler einzelner BSE-Labors nicht zu Lasten der bayerischen Landwirte gehen.
Der Landtag begrüßt die von der Staatsregierung angekündigten und teilweise bereits eingeleiteten Maßnahmen, künftig die BSE-Tests unter noch engerer staatlicher Kontrolle sicher zu stellen.
Auch darüber möchten wir, wie gesagt, namentlich abstimmen lassen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bevor wir an die Aufgabe herangehen, die Agrarpolitik insgesamt und auch die bayerische Agrarpolitik weiterzuentwickeln, ist es sicher notwendig, Bilanz zu ziehen, um festzustellen, wie sich die Situation der bayerischen Landwirtschaft derzeit darstellt.
Die heutige Regierungserklärung, für die ich Herrn Staatsminister Miller auch im Namen der CSU-Fraktion herzlich danke, ist sicher der Beginn einer Diskussion über ein Thema, das uns noch lange Zeit beschäftigen wird. Ich bin davon überzeugt, Herr Kollege Starzmann, dass es nur mit einer Vielzahl kleiner Schritte möglich sein wird, die Gesamtsituation der Landwirtschaft zu verbessern und die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft insgesamt zu ändern.
Aufschluss über die Situation der Landwirtschaft in Bayern gibt der Agrarbericht 2000, den wir im Herbst vergangenen Jahres im Agrarausschuss des Bayerischen Landtags ausgiebig diskutiert haben. Der Produktionswert der bayerischen Landwirtschaft liegt derzeit bei etwa 14 Milliarden DM jährlich. Die wichtigsten Produktbereiche sind Milch und Rindfleisch mit einem Anteil von über 50%. Der Anteil der Landwirtschaft an der gesamten Bruttowertschöpfung liegt zwar nur noch bei 1%, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns einig, dass der Wert der Landwirtschaft für die gesamte Gesellschaft deutlich über diesen 1%-Anteil an der Bruttowertschöpfung hinausgeht.
Jeder achter Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt mit dem Agrar- und Ernährungsbereich zusammen. Das zeigt, welche Auswirkungen die BSE-Krise auf die Landwirtschaft hat, vor allem auf die vor- und nachgelagerten Bereiche. Dort gehen auch Arbeitsplätze verloren.
Die Produktivität der Landwirtschaft ist in der Nachkriegszeit sehr stark angestiegen. Wenn man die Zahlen vergleicht – und ich habe mir die Mühe gemacht, den ersten Agrarbericht von 1972 nachzulesen –, stellt man fest, dass ein Landwirt 1950 mit seiner Arbeitsleistung 15 Verbraucher ernährt hat, heute sind es deutlich über 100.
Meine Damen und Herren, Land- und Ernährungswirtschaft wirken auch als Inflationsbremse für die Verbraucherpreise. Vor wenigen Tagen habe ich der Globus-Infografik entnommen, dass der Anstieg der Lebenshaltungskosten von 1995 bis 2000 bei 6,9% lag, aber der Anstieg der Nahrungsmittelpreise in der gleichen Zeit nur bei 1,2%.
Die bayerische Landwirtschaft weist in einigen Produktbereichen einen hohen Selbstversorgungsgrad aus. Ich nenne nur drei Beispiele: bei Käse 265%, bei Rind- und Kalbfleisch 232%, bei Milch 178%. Meine Damen und Herren, bei diesen Gütern sind wir unbedingt auf den Export angewiesen, und diese Zahlen machen deutlich, wie schwer uns die derzeitige BSE-Krise im Bereich der Rinderhaltung trifft.
Es gibt aber auch Produktbereiche, wo wir unbedingt auf den Import angewiesen sind. Bei Schweinefleisch liegt der Selbstversorgungsgrad bei 75%, bei Eiern bei 50%, bei Geflügelfleisch bei 39%.
Herr Kollege Starzmann, Sie haben das Thema Schlachthöfe angesprochen. Ich war vor kurzem bei einem Gespräch mit einem großen Schlachtunternehmen in Bayern. Wir haben 50% zu viel Schlachtkapazitäten, das heißt, nach wie vor müssen Schlachtstätten geschlossen werden, wenn wir eine bessere Wirtschaftlichkeit erreichen wollen.
Meine Damen und Herren, wir in Bayern sind weit von einer industriellen Agrarproduktion entfernt. Erst vor wenigen Tagen konnten Sie der Presse im Zusammenhang mit den ersten Verdachtsfällen auf Maul- und Klauenseuche entnehmen, dass allein im Landkreis Vechta in Niedersachsen über 800000 Schweine stehen und über 100000 Rinder – in einem einzigen Landkreis.
Wir sind in Bayern auf den Agrarexport angewiesen. Er hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt und lag jeweils über 8 Milliarden DM pro Jahr. Das ist der erste Platz in Deutschland. Bayern ist auch das einzige Bundesland, das einen positiven Exportsaldo in der Größenordnung von über 600000 Millionen DM jährlich erzielt, wobei knapp 80% unserer Exporte in Mitgliedsländer der Europäischen Union gehen.
Meine Damen und Herren, jeder zweite Arbeitsplatz in der Landwirtschaft hängt in Bayern vom Agrarexport ab – auch das muss man einmal sagen – und viele Arbeitsplätze in den vor- und nachgelagerten Bereichen.
Dieser hoher Exportanteil ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wir uns durch die hohe Qualität neue Absatzmärkte vor allem in der Europäischen Union erschlossen haben. Ich bin für die Stärkung der regionalen Märkte, der regionalen Kreisläufe, aber man darf dabei nicht übersehen, dass wir auch künftig in einigen Produktbereichen unbedingt auf den Export angewiesen sind.
Wie sieht die Struktur der bayerischen Landwirtschaft aus? Auch hier ist es, glaube ich, notwendig, einen Blick zurück zu werfen. Nach dem Agrarbericht 2000 hatten wir 1999 149 000 landwirtschaftliche Betriebe, in Deutschland insgesamt gab es 430000 Betriebe. Gegenüber 1991 hat sich die Zahl der Betriebe in Deutschland um 107000 verringert. In den beiden Berichtsjahren 1998 und 1999 hatten wir in Bayern einen Rückgang von knapp 10000 Betrieben.
Die Wachstumsschwelle verschiebt sich auch in Bayern immer mehr nach oben. Sie liegt bei 40 Hektar, das heißt, Betriebe, die 40 Hektar und mehr bewirtschaften, nehmen von der Zahl her zu, alle darunter liegenden Betriebsgrößen nehmen deutlich ab. In den Betriebsgrößenklassen bis 20 Hektar haben wir die stärkste Abnahme.
Der wirtschaftliche Zwang, menschliche Arbeit durch Technik und Energie zu ersetzen, sowie das wirtschaftliche Unvermögen vieler Betriebe, die dafür notwendigen Investitionen in allen Betriebszweigen zu tätigen, führten zu einer Spezialisierung, also zur Aufgabe der vielseitigen Landwirtschaft. Diese Entwicklung wurde durch die Mehrheit der Verbraucher gewünscht, die in den vergangenen Jahrzehnten fast ausnahmslos nach billigen Lebensmitteln gefragt haben. Sie wurde begleitet durch eine Politik, die einerseits den Strukturwandel hin zu größeren Betrieben gefördert, andererseits durch Öffnung gegenüber den europäischen bzw. globalen Märkten den Preisdruck auf die Betriebe erhöht hat.
Landwirtschaft in Deutschland und in Bayern galt lange als rückständig und entwicklungsbedürftig. Die meisten Bauern, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben diese Entwicklung hin zu größeren Einheiten nicht freiwillig mitgemacht, sondern um unter diesen Bedingungen wirtschaftlich zu überleben und dem gesellschaftlichen Leitbild des modernen Unternehmers gerecht zu werden. Ich habe es vorhin schon gesagt: Beim ersten Agrarbericht hatten wir noch über 340000 Betriebe. Das heißt, innerhalb eines Vierteljahrhunderts hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern um mehr als die Hälfte verringert.
Wie sieht die Einkommenssituation in der Landwirtschaft aus? Nach dem Agrarbericht 2000 haben die meisten landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern die notwendige Eigenkapitalbildung nicht erreicht. Insgesamt hat Bayern
das muss man auch einmal sagen – in der Veredelungsproduktion Kapazitäten abgegeben. Der Verlust in den unteren Betriebsgrößen konnte durch die Aufstockung in den oberen Größenklassen nicht ausgeglichen werden. Ein wichtiger Grund dafür sind die Produktionskosten. Hier liegen wir im internationalen Vergleich relativ hoch.
Auch bei der Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Agrarpolitik brauchen wir zusätzliche Möglichkeiten für Betriebe, die sich weiterentwickeln wollen.
Die unternehmensbezogenen Beihilfen betrugen im Durchschnitt je Haupterwerbsbetrieb im vergangenen Jahr rund 28000 DM. Wenn ich die Beihilfen auf die verschiedenen Betriebsgrößen aufteile, dann bedeutet das: Bei kleineren Betrieben zwischen 15 und 30 Hektar machen die Beihilfen bereits 33% des Gewinns aus; bei den Betrieben zwischen 30 und 60 Hektar sind es 62%; bei den größeren Betrieben zwischen 60 und 150 Hektar sind bereits 96% des Gewinns staatliche Transferleistungen. Das sind Zahlen aus dem letzten Agrarbericht.
Fazit: Auch größere Betriebe können ohne staatliche Transferleistungen keinen Gewinn erzielen.
Die Belastungen für die bayerische Landwirtschaft durch Ökosteuer, Sparpaket, Steuerentlastungsgesetz und durch die Agenda-2000-Beschlüsse wirken sich natürlich ganz massiv auch auf die Einkommenssituation unserer Landwirte aus. Im Jahr 2000 lagen diese Belastungen bei 675 Millionen DM. Sie steigen bis zum Jahr 2006 auf 1050 Millionen DM. Für einen Einzelbetrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 40 Hektar errechnen sich durch die Beschlüsse der rot-grünen Bundesregierung somit Belastungen von 8200 DM. Bis zum Jahr 2006 steigen sie auf 12800 DM an. Ich meine, auch diese Zahlen machen deutlich, wie ernst es die rotgrüne Bundesregierung mit den Problemen der Landwirtschaft nimmt.
Diese Agrarpolitik bedeutet, dass die Landwirtschaft in Deutschland und in Bayern heute nur noch bedingt konkurrenzfähig ist. Global gesehen müssen wir uns auf Märkten behaupten, auf denen Anbieter mit viel größeren Flächen, besseren natürlichen Voraussetzungen, billigeren Arbeitskräften und geringeren Umweltauflagen auftreten. Es spricht allerdings nicht gerade für die Weitsicht in der europäischen Agrarpolitik, dass seit mehr als 40 Jahren der Versuch unternommen wird, unsere Strukturen durch Wachstum so zu entwickeln, als könnten sie irgendwann einmal auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig werden.
Eine Wende in der Agrarpolitik ist deshalb zweifelsfrei notwendig.
Bei der von Frau Ministerin Künast angekündigten Neuorientierung in der Agrarpolitik sehe ich die Gefahr, dass die Wettbewerbsfähigkeit jetzt völlig außer Acht gelassen wird. Wenn man technischen Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnis bei uns in der Landwirtschaft verhindert, wird der Wettbewerbsdruck aus den Nachbar
ländern noch größer werden und die Abhängigkeit von Einfuhren wird ansteigen. Eine weitere Folge wird ein beschleunigter Strukturwandel zu noch größeren Einheiten sein. Dies wird sich dann in den vor- und nachgelagerten Bereichen der Landwirtschaft fortsetzen.
Fest steht auch, dass der Wettbewerbsdruck für unsere Landwirte gerade seitens der Bundesregierung und der Europäischen Union immer wieder erhöht wurde.
Was ist für die Weiterentwicklung notwendig? Was können wir in Bayern dazu selbst tun? Meine Damen und Herren, der Agrarsektor muss ein neues Selbstverständnis mit glaubwürdigen Botschaften für die Gesellschaft entwickeln. Jede Stufe der Wertschöpfungskette braucht für jedermann transparente Sicherheit und Qualitätsstandards im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Die Beteiligten müssen für eine flächendeckende Einhaltung dieser Standards einstehen. Die Landwirtschaft und mit ihr die vor- und nachgelagerten Bereiche sind in der Lage, eine sichere Nahrungskette zu organisieren. Hierfür sind geschlossene Wertschöpfungsketten von Betriebsmitteln über die Urproduktion und Verarbeitung bis hin zum Einzelhandel notwendig. Gerade nach dem BSE-Schock erwarten die Verbraucher und auch die Agrarwirtschaft solche Signale.
Die Erzeugung tierischer Lebensmittel war bisher zu stark auf die Angebotsseite ausgerichtet. Auch der Lebensmitteleinzelhandel muss sich seiner Verantwortung bewusst werden. Er agiert noch sehr losgelöst von anderen Marktteilnehmern.
Wir müssen vom ausschließlichen Primat der Preise wegkommen. Der Handel muss mithelfen, die Wünsche der Verbraucher an die Landwirtschaft in Sachen Tierschutz, Haltung der Tiere und umweltgerechte Produktion zu erfüllen.
Lebensmittel müssen wieder einen fairen Preis bekommen, der die Wertschätzung des Verbrauchers für eine sichere und qualitätsvolle Ernährung widerspiegelt. Sichere Systeme müssen in kleinen und großen Betrieben konventioneller und ökologischer Produktion und Verarbeitung flächendeckend eingeführt werden. Der Trend zum Be- und Verarbeiten von Lebensmitteln ist ungebrochen. Landwirtschaft in nur kleinen Einheiten wird volkswirtschaftlich teuer und bringt allein keinen Zuwachs an Verbrauchersicherheit.
Ziel einer neuen Agrarpolitik muss auch eine europa-, ja, wenn nicht weltweite Harmonisierung der Kontroll- und Sicherheitsstandards sein. Es muss ein neues Vertrauen in moderne wirtschaftliche Produktionsmethoden aufgebaut werden. Ich meine, die vorhandenen Methoden verdienen es. Verbraucher setzen die Modernisierungen der Tierhaltung vielfach gleich mit Massentierhaltung und Tierquälerei. In der Realität aber führt jeder neue Stall zu einer besseren Umwelt für die Tiere.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Verbraucher müssen ihre Schlüsse aus der BSE-Krise ziehen. Seit Jahren hat sich bei ihnen die Einstellung verfestigt, dass Essen nur wenig kosten darf. Beim Griff nach den billigsten Nahrungsmitteln haben sie zu selten gefragt, ob diese Produkte zu diesen Preisen überhaupt noch unter natürlichen und sicheren Bedingungen erzeugt und verarbeitet werden können. Es ist ein Widerspruch, auf der einen Seite zunehmend nach Produktsicherheit und tiergerechter und umweltverträglicher Produktion zu rufen und auf der anderen Seite überwiegend nach Billigprodukten zu greifen.
Erlauben Sie mir ein paar Anmerkungen zur Agenda 2000. Europa steht am Beginn dieses Jahrhunderts sicher vor wichtigen Weichenstellungen. Ich meine, dass die Agenda 2000 die wichtigste Entscheidung auch für die Landwirtschaft bis zum Jahr 2006 war. Eine Überprüfung der Agenda-Beschlüsse soll bereits 2002, spätestens 2003 erfolgen.
Was sind die Ziele der Agenda-Beschlüsse, wie sie von der EU-Kommission formuliert wurden? Das Ziel ist, dass man damit verfolgt: eine stärkere Weltmarktorientierung und damit nach Meinung der Kommission eine verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft, die Schaffung zusätzlicher Absatzmöglichkeiten für die europäische Landwirtschaft, die Vorbereitungen für die anstehenden WTO-Verhandlungen, die Vorbereitung der Osterweiterung und letztendlich auch die Begrenzung der Ausgaben für den europäischen Agrarmarkt.
Meine Damen und Herren, die Beschlüsse beinhalten im Wesentlichen auch eine weitere Absenkung der Preise bei Getreide, Rindfleisch und Milch. Nach einer Berechnung der Bundesforschungsanstalt, die im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums durchgeführt wurde, liegen allein die agendabedingten Einkommenseinbußen zwischen 4,5 und 5,5%.
Die bayerischen Vorschläge zur Agenda 2000 wurden von Bundeskanzler Schröder nicht aufgegriffen. Unser Vorschlag war, mehr nationalen und regionalen agrarpolitischen Spielraum zu schaffen, um den unterschiedlichen Strukturen und Standorten gleiche Chancen einzuräumen.
Wo liegen für uns die Probleme? Die Erlöse für Getreide decken vielfach nicht mehr die Produktionskosten. Wenn die durch die Agenda beschlossene Absenkung des Getreidepreises um 15% vollzogen ist, liegen wir bei Weizen künftig bei einem Erzeugerpreis von 18 DM je Dezitonne. Meine Damen und Herren, nirgendwo auf der Welt kann man für 18 DM einen Doppelzentner Weizen erzeugen.
Was ist das Fazit? Weltmarktpreise bedingen natürlich auch Weltmarktproduktionsmethoden mit all ihren negativen Folgen für Natur und Umwelt.
Der Einsatz von Hormonen in der Milchproduktion und der Tiermast wird bei uns abgelehnt. In anderen Ländern ist er gang und gäbe. Allein dieses Beispiel zeigt, was auf die Landwirtschaft und vor allem auf die Verbraucher
zukommt, wenn eine totale Liberalisierung des Weltmarkts in der Agrarwirtschaft stattfindet.
Bei den anstehenden WTO-Verhandlungen ist es deshalb aus unserer Sicht notwendig und wichtig, dass man die Standards, die wir in der Lebensmittelhygiene, im Tierschutz , bei der Düngung und beim Pflanzenschutz wie im Umweltschutz sowie bei dem Anspruch auf eine intakte Kulturlandschaft haben, durch einen entsprechenden Außenschutz absichert und so auch eine annähernde Wettbewerbsgleichheit schafft.
Die Grundausrichtung der Agenda 2000 hat meines Erachtens im Kern einen gravierenden Mangel. Sie setzt zu einseitig auf eine Strategie der Produktion zu Niedrigstpreisen unter Weltmarktbedingungen. Frau Künast müsste nach allem, was sie angekündigt hat, eine sofortige Korrektur der Agenda-Beschlüsse verlangen und veranlassen, die beschlossenen Preissenkungen rückgängig zu machen.
Unseres Erachtens muss den Mitgliedsländern und Regionen wieder mehr agrarpolitischer Spielraum eingeräumt werden. Wie schon wiederholt gesagt, reicht die Europäische Union von den arktischen Gebieten Finnlands und Schwedens bis zu den griechischen Inseln der Ägäis, und da gibt es große Unterschiede in der Struktur in der Landwirtschaft. Es ist schlicht nicht möglich, von Brüssel aus eine Agrarpolitik zu betreiben, die auch in den einzelnen Regionen den Bedürfnissen der Landwirtschaft einigermaßen gerecht wird.
Wir wollen keine Renationalisierung der Agrarpolitik, weil viele Aufgaben nur im großen europäischen Verbund gelöst werden können. Aber wir brauchen eine Neuordnung der Kompetenzen auf den drei Ebenen: Europäische Union, Bund, Länder. Auch eine stärkere regionale Orientierung in der Agrarpolitik ist dringend erforderlich. Beginnen müsste dies bei einer Kofinanzierung bestimmter Maßnahmen bis hin zu einer degressiven Gestaltung der Ausgleichszahlung und der Einführung von Obergrenzen einer flächengebundenen Tierhaltung. „Regionale Orientierung“ heißt: die knappen öffentlichen Mittel effizienter, sparsamer und an den tatsächlichen Bedürfnissen ausgerichtet einzusetzen, den unterschiedlichen Strukturen und Standorten gleiche Chancen einzuräumen, die politischen Entscheidungen transparenter zu gestalten und damit die Akzeptanz der Agrarpolitik zu erhöhen. Die Markt- und Preispolitik wird auch künftig eine Aufgabe der Europäischen Union sein. Die Verlagerung der Kompetenzen für die ergänzende Einkommenspolitik als Ergänzung zur Markt- und Preispolitik auf die Mitgliedstaaten und Regionen ist eine absolute Notwendigkeit, wenn man eine Agrarproduktion sichern will, die auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.
Das Thema WTO wird uns im Jahr 2001 noch sehr beschäftigen. Die WTO besteht derzeit aus 135 Mitgliedstaaten. Das Ziel der WTO-Abkommen ist es, für den Handel mit Waren und Dienstleistungen einen festen, weltumspannenden Rahmen zu schaffen. Wie ist die Stellung der Landwirtschaft? Durch das 1994 in Marra
kesch unterzeichnete Abkommen wurde der Agrarsektor erstmals voll in das WTO-Regelwerk eingegliedert. Man einigte sich auf eine stärkere Liberalisierung des Agrarhandels. Alle Maßnahmen über den Zugang zu den Märkten wurden strengen Regeln unterworfen. Voraussetzung war, dass im Bereich der Landwirtschaft alle Stütz- und Schutzmaßnahmen erfasst und verbindliche Abbauschritte festgelegt wurden. Es wurden drei verschiedene Maßnahmenkomplexe definiert: erstens Marktzugang, zweitens interne Stützmaßnahmen und drittens Ausfuhrbeihilfen. In diesen drei Bereichen ist die Europäische Union im Agrarabkommen konkrete Abbauverpflichtungen eingegangen. Dies engt natürlich die Gestaltungsfreiheit der Europäischen Union im Bereich der Agrarpolitik deutlich ein.
Bayern hat zu den WTO-Verhandlungen ein eigenes Positionspapier erarbeitet. Unsere Position ist es vor allem, die Nachhaltigkeit der Landbewirtschaftung zur Grundlage des weltweiten Agrarhandels zu machen. Umwelt-, Sozial- und Hygienestandards müssen in internationale Abkommen einbezogen werden, weil wir auf diesem Gebiet keine Wettbewerbsgleichheit haben. Die erhöhten Kosten für strengere europäische Produktionsstandards, die nicht von der WTO übernommen werden, müssen im vollem Umfang ausgeglichen werden.
Erklärtes Ziel der EU bei den WTO-Verhandlungen muss es daher sein, das europäische Landwirtschaftsmodell, das die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen mit Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzzielen in Einklang bringt, international abzusichern. Nur so kann die Landwirtschaft in Europa aufrechterhalten und weiterentwickelt werden. Eine totale Abhängigkeit von den Weltmärkten darf es bei Agrargütern nicht geben. Eine grundlegende Wende in der Agrarpolitik wird nur gelingen, wenn die Landwirtschaft von einem gnadenlosen Preis- und Kostendruck befreit wird und im internationalen Agrarhandel gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft stärken, heißt, sie von Kosten zu entlasten. Rot-Grün fordert von der Landwirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern – Aussage von Bundeskanzler Schröder beim Deutschen Bauerntag in Cottbus – bürdet aber der Landwirtschaft ständig zusätzliche Lasten auf. Nur eine rentable Landwirtschaft ist in der Lage, auf Wünsche des Marktes einzugehen und gleichzeitig Umweltleistungen zu erbringen. Die Sicherung des Agrarstandorts Deutschland bedarf einer Politik, die die Landwirte unterstützt und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert. Die Rahmenbedingungen für die deutsche Landwirtschaft haben sich mit der Regierungsübernahme von Rot-Grün kontinuierlich verschlechtert. Dies gilt für das Ergebnis der Agenda in gleicher Weise wie für die nationale Agrarpolitik.
Ziel muss eine Agrarpolitik sein, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, aber auch durch eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast, durch eine Rückführung der Regulierungsdichte und durch eine entsprechende Förderung von Zukunftsinvestitionen in den Betrieben und
im ländlichen Raum Freiräume für unternehmerische Aktivitäten schafft.
Ich befürchte, dass sich Verbraucher, die sich 50 Jahre lang preisbewusst verhalten haben, dies auch künftig tun werden. Wir können uns weder vom Binnenmarkt abkoppeln noch den technischen Fortschritt nicht nutzen und ihn nicht abschaffen. Dies führte zu einer Form der Landwirtschaft, die nach meiner Überzeugung nicht bezahlbar ist.
Die deutsche Gesellschaft wird sich aber auch auf längere Sicht den von ihr gewünschten Typ Landwirtschaft einkaufen müssen. Zu dem politisch beabsichtigen Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte wird es meines Erachtens so schnell nicht kommen. Bayern wird auch künftig alles unternehmen, um der Landwirtschaft in einer außerordentlich schwierigen Zeit Hilfen zu geben. Der Schwerpunkt wird bei den strukturverbessernden Maßnahmen wie im Agrarinvestitionsbereich liegen. Im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm sind Verbesserungen vorgesehen. Dies hat der Minister bei der Ausgleichszulage dargestellt, die es in der Weise nur noch in Bayern gibt. Bei der ländlichen Entwicklung, bei Flurbereinigung und Dorferneuerung werden wir die Förderung fortführen.
Wir werden alles unternehmen, damit die Verbraucher gesunde und sichere Nahrungsmittel bekommen. Die Verbraucherinitiative „Bayern 2001/2002“ mit einem Haushaltsansatz von 600 Millionen DM für sichere Lebensmittel und gesunde Landwirtschaft wird hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Die BSE-Krise kann damit die Chance bieten, sich auf einfache Wahrheiten zu besinnen und eine Agrarpolitik auf den Weg zu bringen, die die umweltgerechte, soziale und auf Lebensmittelqualität ausgerichtete Landwirtschaft begünstigt.
Die neue Ministerin, Frau Künast, ist bisher die Antwort auf die Herausforderungen zur Neuausrichtung der Agrarpolitik schuldig geblieben. Insgesamt fährt Frau Künast einen gefährlichen Kurs. Sie spielt die Bauern gegen die Verbraucher aus, die Futtermittelhersteller gegen die Tierhalter und die traditionelle Landwirtschaft gegen die Öko-Bauern.
So kann man eine Zeit lang die Schlagzeilen bestimmen, aber eine echte Agrarwende wird es so nicht geben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Kollege Dr. Dürr.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte zunächst etwas zu dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN sagen, bevor ich am Schluss unseren Dringlichkeitsantrag begründen werde.
Herr Kollege Dr. Dürr, ein großer Teil dessen, was Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag in insgesamt zwölf Punkten aufgeführt haben, war Gegenstand von Diskussionen in den letzten zwei Sitzungen des Agrarausschusses. Seitens der Staatsregierung wurden schon viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Vieles wurde eingeleitet, um Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel wiederherzustellen. Es ist nicht möglich, im Rahmen einer Plenardebatte einen Dringlichkeitsantrag mit insgesamt zwölf Punkten so ausführlich und umfassend zu diskutieren, wie es notwendig wäre, um daraufhin vernünftige und sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Man kann das Instrument der Dringlichkeitsanträge in dieser Weise natürlich auch strapazieren.
Herr Kollege Dr. Dürr, bereits in unserer nächsten Ausschusssitzung am 7. März – das habe ich in Übereinstimmung mit dem Kollegen Starzmann festgelegt – werden wir das Thema behandeln: Was kann getan werden, um den ökologischen Landbau in Bayern weiter voranzubringen? Wir werden zu diesem Tagesordnungspunkt auch Fachleute einladen. Wir werden Vertreter der Ökolandbauverbände und Wissenschaftler einladen. Wir haben ja einen Lehrstuhl für Ökolandwirtschaft in Weihenstephan. Wir werden die CMA-Marketing-Leute einladen; denn ich meine, dass die Dinge vom Markt her wachsen müssen. Weiter werden das Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung und der Einzelhandelsverband eingeladen.
Wir sind natürlich auch für eine Ausdehnung des Ökolandbaus. Der Wert von 10% ist sicher eine richtige Zielsetzung. Aber, ich meine, man kann den Anteil nicht erzwingen. Er muss von sich aus wachsen, auch unter dem Einfluss der Nachfrage, also des Marktes. Sonst würden diejenigen Betriebe, die zurzeit entsprechend wirtschaften – ich könnte Ihnen dazu Beispiele nennen –, in allergrößte Schwierigkeiten kommen.
Ich will Ihnen auch sagen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Die Weichen sind so zu stellen, dass in allen Betriebsformen, also sowohl in herkömmlich wirtschaftenden Betrieben als auch im ökologischen Landbau, Lebensmittel umweltfreundlich produziert werden, die gesund und qualitativ hochwertig sind.
Wir werden am 22. März eine gemeinsame Sitzung mit dem Sozial- und gesundheitspolitischen Ausschuss haben, wo es auch um Fragen des Verbraucherschutzes
und vor allem der Lebensmittelsicherheit gehen wird. Darüber hinaus sind Entscheidungen der Staatsregierung getroffen worden, die Ihren Dringlichkeitsantrag zum großen Teil überholt haben.
Sie müssten eigentlich, Herr Kollege Dürr, einen Dringlichkeitsantrag an die Bundesregierung richten, das heißt an Frau Künast, und sie auffordern, zur Bewältigung der BSE-Krise seitens der Bundesregierung die dafür notwendigen Mittel zusätzlich bereitzustellen.
Ich entnehme der Presse, dass bisher immer nur von Umschichtungen die Rede war. Selbst das Versprechen des Bundesfinanzministers Eichel, die Erhöhung der Agrardieselbesteuerung um 10 Pfennig zurückzunehmen, soll jetzt nicht eingehalten werden. Die Landwirte sehen darin einen klaren Wortbruch gegenüber ihren Forderungen. Wir fordern den Bundeslandwirtschaftsminister auf, zu seinen Zusagen zu stehen. Es geht immerhin um über 200 Millionen DM für die deutsche Landwirtschaft.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Wettbewerbsdruck in der Landwirtschaft wird dadurch noch verstärkt. Wir stehen ja auch in einem europäischen Wettbewerb. Schauen Sie sich einmal die Zahlen in den anderen Mitgliedsländern an, um zu sehen, was dort an Agrardieselsteuer gezahlt wird. Wir liegen jedenfalls in der gesamten Europäischen Union in dieser Hinsicht einsam an der Spitze.
Jetzt höre ich und entnehme es auch dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt, dass die Gemeinschaftsaufgabe zusätzlich gekürzt werden soll. Das trifft vor allem diejenigen Betriebe, die umstrukturieren müssen oder wollen, aus welchen Gründen auch immer, und beschneidet ein Stück die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft. Wir stellen uns die Förderung und Unterstützung der Landwirtschaft etwas anders vor als die Bundesregierung und als die GRÜNEN hier im Bayerischen Landtag.
Wir werden für all die Maßnahmen, die notwendig sind, um die Agrarpolitik neu auszurichten und um Sicherheit und damit Vertrauen zu schaffen, die notwendigen Mittel zusätzlich bereitstellen. Der Ministerpräsident hat das ja gestern verkündet. In den nächsten beiden Jahren macht das immerhin einen Betrag von 600 Millionen DM aus. Das sind jährlich 300 Millionen DM. Ich meine, auch damit sind wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern einsam an der Spitze, wenn es also darum geht, Probleme in der Landwirtschaft und in der gesamten Verbraucherschaft zu bewältigen.
Wir sehen drei Schwerpunkte. Der eine betrifft die Sicherheit der Lebensmittel. Der zweite ist eine gesunde Landwirtschaft. Drittens geht es uns um Hilfen zur Bewältigung der BSE-Problematik.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe ebenso wie meine Kollegen im Ausschuss gesagt: Auch wir sind dafür, dass für die Produktion gewisse Standards und Kriterien festgelegt werden, die einzuhalten sind. Wenn
ich an den Tierbereich denke, dann beginnt das bei der Haltung, der Fütterung und geht über den Medikamenteneinsatz bis zum Transport und zur Schlachtung. Ich meine, die vor- und nachgelagerten Bereiche müssen in gleicher Weise in ein geschlossenes Konzept, in ein geschlossenes Überwachungssystem einbezogen werden. Dafür haben wir die finanziellen Voraussetzungen geschaffen.
Ein großer Teil der Forderungen, die Sie in Ihrem 12-Punkte-Programm zusammengefasst haben, betrifft letztendlich die Bundesregierung. Vieles davon liegt also eindeutig im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung, aber auch in dem der Europäischen Union.
Ich will nur einige Beispiele nennen: die EU-Ökotierverordnung, das Steuer-, Bau- und Immissionsrecht. Das sind eindeutig Zuständigkeiten, die nicht in Bayern liegen, sondern auf Bundes- bzw. europäischer Ebene. Ich will Ihnen auch sagen, Herr Kollege Dürr, dass allein die Umsetzung der Ökotierverordnung mit Sicherheit große Probleme bringt bezüglich der geforderten Auslaufflächen, die festgeschrieben sind. Wenn Sie das auf alle Rinder haltenden Betriebe in Bayern und in Deutschland übertragen wollen, dann müssten zwei Drittel der Betriebe aussiedeln, weil sie die notwendigen Flächen für solche Rinderausläufe nicht bereitstellen können. In den meisten fränkischen Dörfern würde es dann keinen Rinder oder Vieh haltenden Betrieb mehr geben, darüber muss man sich im Klaren sein.
Auf alle diese Fragen möchte ich eine klare Antwort der neuen Bundeslandwirtschafts- und -verbraucherschutzministerin, und darauf bin ich gespannt. Ich habe ihr bereits am 6. Februar einen Brief geschrieben und werde das wieder tun. Sie wird viele Fragen von uns bekommen, zu denen sie klar Stellung nehmen muss.
Einige Fragen will ich kurz anführen. Erstens: Ist vorgesehen, für umstellungswillige Bauern ein Investitionsprogramm für Stallneu- bzw. -umbauten nach den Kriterien der Ökotierverordnung zu schaffen?
Zweitens: Ist seitens der Bundesregierung vorgesehen, für Zahlungen des Bundes und der Europäischen Union Flächen- und Tierprämienobergrenzen festzusetzen oder diese Zahlungen degressiv zu gestalten? – Auch über dieses Thema diskutieren wir immer wieder, Herr Kollege Starzmann. Ich bin gespannt, was uns die Ministerin darauf antworten wird.
Drittens: Ist vorgesehen, die im Rahmen der Kulturpflanzenregelung gewährte Silomaisprämie abzuschaffen und dafür eine Futterbau- bzw. Grünlandprämie einzuführen?
Viertens: Ab welchem Zeitpunkt soll in Deutschland und in der Europäischen Union die Verwendung von Antibiotika und sonstigen Leistungsförderern im Futtermittelbereich verboten werden? Halten Sie es für angebracht, bereits die Herstellung von Leistungsförderern in der Rinder- und Schweinehaltung sowie der Geflügelmast zu verbieten, um eine missbräuchliche Verwendung auszuschließen? – Wir sind der Meinung, wenn solche Mittel nicht mehr eingesetzt werden dürfen, was wir für not
wendig und richtig halten, dann sollten sie auch nicht mehr produziert werden dürfen. Denn wenn sie produziert werden, gelangen sie doch irgendwie in den Handel und letztendlich in die Futtermittel- und Nahrungskette.
Fünftens: Halten Sie es für notwendig und möglich, den Einsatz von Futtermitteln mit gentechnisch veränderten Anteilen in Deutschland und der Europäischen Union zu verbieten? – Ihre Forderungen richten sich eigentlich immer an die Bayerische Staatsregierung. Sie müssen sie schon an die Bundesregierung und die Europäische Union richten. Mir fällt auf, dass es hier eigentlich keine Zusammenarbeit mit der Bundesregierung gibt. In Deutschland ist für die Zulassung das Robert-Koch-Institut in Berlin zuständig und innerhalb der Europäischen Union die Kommission. Wir sind gespannt, welche Antworten uns die Bundeslandwirtschaftsministerin geben wird.
Herr Kollege Dürr, in Ziffer 4 fordern Sie die Ausrichtung der Zuchtziele unter anderem an der Grundfutterverwertung. Das hört sich sehr schön an, aber wie sieht es in der Praxis aus? Lassen Sie mich das auch anhand eines Beispiels sagen – ich will nur das Problem deutlich machen, dass manches eben nicht ganz so einfach zu lösen ist, wie es sich zunächst darstellt oder vielleicht auch anhört.
Unsere Landwirte haben eine Milchquote, die sie auch beliefern wollen. Zum Teil haben sie diese Milchquote mit hohen Kosten erworben. Weniger Leistung heißt mehr Tiere, um letztlich die Quote beliefern zu können. Mehr Tiere heißt mehr Kälber, und mehr Kälber heißt letzten Endes mehr Rindfleisch. Auf diese Problematik will ich nur aufmerksam machen. Darüber müssen wir im Fachausschuss noch diskutieren.
Wenn man gleichzeitig eine Flächenbindung von maximal 2 Vieheinheiten pro Hektar fordert, dann bringt das in den Grünlandgebieten mit intensiver Rinderhaltung schon gewisse Probleme. Wenn jetzt vorgeschlagen wird, diese Grenze sogar auf 1,8 Vieheinheiten pro Hektar zu senken, dann muss man sich im Klaren sein, was das für einen – –
Fischler. Ich habe gesagt, es besteht die Absicht, die Grenze von 2 auf 1,8 Vieheinheiten abzusenken.
Vielen Dank.
Die intensive Schweinemastbetriebe, die man vielleicht erwischen will, erreicht man damit nicht, weil diese meist die größere Flächenausstattung haben. Aber wir bekommen Probleme in den absoluten Grünlandgebieten, wo man nicht die notwendige Flächenausstattung, aber einen hohen Viehbestand hat, der notwendig ist, um einen kleinen oder mittleren bäuerlichen Betrieb weiterhin über die Runden zu bringen.
Ich meine, die GRÜNEN wissen selber nicht, was sie wollen. Herr Fischler schlägt vor, die Rindermastprämie auf 90 Tiere zu begrenzen.
Nein, hören Sie erst einmal zu, dann dürfen Sie dazwischenrufen. Lassen Sie mich ausreden.
Der Vorsitzende des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, ein GRÜNER, Herr Graefe zu Baringdorf, begrüßt diesen Vorschlag. Er hält das für absolut notwendig. Frau Künast lehnt es ab, habe ich einer Pressemitteilung entnommen. Da muss ich Sie fragen: Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie eine bäuerliche Landwirtschaft, bei der das Grundfutter überwiegend die Basis ist? Oder fordern Sie, wie es in Ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht wird, Mastbetriebe, die letztlich auf der Basis von Zukauffutter ihre Rinder mästen. Darüber müssen Sie sich in den eigenen Reihen erst einmal abstimmen.
Bevor Sie Forderungen an die Staatsregierung richten, werden Sie sich erst einmal in den eigenen Reihen einig, was Sie überhaupt wollen.
Meine Damen und Herren, die entscheidende Weichenstellung für eine Umorientierung in der Agrarpolitik muss unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation in erster Linie auf europäischer Ebene und auf Bundesebene erfolgen. Ich sage aber auch: Das, was wir in Bayern von uns aus machen können, das werden wir auf den Weg bringen.
Ich meine, dass der Vorschlag unseres Ministerpräsidenten dazu ein guter Anfang ist. Um die Situation der Landwirtschaft zu verbessern, müsste man zunächst auch den Kostendruck verringern. Wenn die Bundesregierung aber zum Beispiel über eine höhere Gasölsteuer, über eine höhere Ökosteuer und über massive Einschnitte im Agrarsozialnetz auf deutscher Ebene den Wettbewerbsdruck noch künstlich verstärkt und durch ihre aktive Mitwirkung bei der Agenda 2000 mit dem wesentlichen Ziel des Preisdrucks gegen die Grundsätze der Nachhaltigkeit und der Sicherung der bäuerlichen Familienbetriebe verstößt, dann ist in erster Linie dort der Hebel anzusetzen.
Das meiste, was Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag fordern, ist, soweit es in unsere Zuständigkeit fällt, bereits auf dem Weg gebracht.
Über die Details können wir gerne noch diskutieren. Wir lehnen Ihren Dringlichkeitsantrag ab, weil mit solchen
Pauschalforderungen die Probleme nicht gelöst werden können.