Rolf Vogelsang

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie in der Debatte zur zweiten Lesung des Privatschulgesetzes und weiterer schulrechtlicher Gesetze schon ausführlich dargestellt wurde, können die Privatschulen von den allgemeinen Einsparungen im bremischen Haushalt nicht ausgenommen werden. Die Reduzierung der Zuschüsse für die Privatschulen halten wir für maßvoll und angemessen.
Die Privatschulen sind von den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise deren Eltern bewusst gewählt worden. Wer eine Privatschule auswählt, aus welchen Gründen auch immer, ist bereit, dafür auch die privaten Schulgebühren zu bezahlen, das weiß man vorher. Eine Benachteiligung gegenüber den staatlichen Schulen vermag ich nicht zu erkennen. Den Eltern steht eine Auswahl von unterschiedlichen Schulen mit verschiedenen Profilen zur Verfügung. Dem Willen der Eltern werden verschiedene Prioritäten eingeräumt, zusätzliche Schulgebühren für Privatschulen gehören dazu.
Den Vorwurf, die Privatschulen durch eine ideologische Brille zu betrachten, kann ich nicht nachvollziehen, aber verstehen.
Als ideologisch und weltanschaulich völlig neutrale Partei, wie die CDU, sieht man das natürlich anders. Das allein demonstriert schon der Parteiname christlich-demokratisch,
es ist der Ausdruck einer ideologie- und weltanschauungsfreien neutralen Position. Ich persönlich kann das für mich nicht behaupten. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt das „Gesetz zur Änderung des Bremischen Schulgesetzes – Sexuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Vielfalt im Sexualunterricht“ zur Beschlussfassung in zweiter Lesung vor. Das Wesentliche zur Begründung der Notwendigkeit der Gesetzesänderung hat bereits mein Vorredner gesagt, sodass ich mich kurzfassen möchte.
Der Änderungsantrag bezieht sich auf den Paragrafen 11. Im zweiten Satz werden nach dem Wort „rechtzeitig“ die Worte „und umfassend“ eingefügt. Die Begründung liegt Ihnen schriftlich vor, sodass ich sie nicht zu wiederholen brauche. Gesetzesänderungen sind häufig notwendig, damit gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung getragen wird und Gesetze nicht mehr realitätsfremd wirken.
Die Akzeptanz sexueller Vielfalt findet zunehmend Zuspruch in allen europäischen Ländern, zuletzt auch sichtbar auf dem European Song Contest im Mai dieses Jahres in Kopenhagen, wie Sie sich vielleicht erinnern, ein Medienereignis von großem Interesse unter Beteiligung von Menschen aus 37 Ländern. Beachtlich fand ich, dass Conchita Wurst mit deutlicher Mehrheit von den Menschen in ganz Europa zur Gewinnerin gewählt wurde. Sie wissen, warum dies für viele eine Überraschung war. Die Siegerin ist eine Dragqueen, also ein Beispiel sexueller Vielfalt.
Dieses Beispiel zeigt, dass weit über die offiziellen politischen Leitlinien einiger Länder hinaus die Menschen die Vielfalt der sexuellen Selbstbestimmung bereits akzeptieren. Es ist Aufgabe der Politik, Gesetze und Richtlinien den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
Der Leitfaden zur Sexualerziehung der Bildungsbehörde stammt aus dem Jahre 1987 und war damals fortschrittlich und beispielgebend für viele Bundesländer. Er war jedoch in die Jahre gekommen und wurde durch neue Richtlinien ersetzt, die die gesellschaftliche Weiterentwicklung berücksichtigten. Eine entsprechende unspektakuläre Anpassung wird nun mit der beantragten Änderung des Bremischen Schulgesetzes vorgenommen. Damit verfügt Bremen wieder über ein Schulgesetz, das sich der gesellschaftlichen Entwicklung anpasst, wie es auch die Richtlinien tun.
Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung und unserem gemeinsamen Änderungsantrag! Den Änderungsantrag der CDU lehnen wir ab! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die ausführliche Antwort des Senats auf die von der Regierungskoalition gestellten Großen Anfrage zu Lese- und Schreibkompetenzen als Schlüssel für schulischen Erfolg. Gerade erst haben wir in der Bürgerschaft die schlechten Ergebnisse der Stadtstaaten beim Ländervergleich der Grundschulen in Deutsch und Mathematik debattiert, die das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, IQB, jüngst vorgelegt hat.
Bremen hat in den letzten Jahren beträchtliche zusätzliche Ressourcen in die Verbesserung der Leseund Schreibkompetenzen sowie der Mathematikkenntnisse der Schülerinnen und Schüler investiert. Heute wird bei allen Bremer und Bremerhavener Kindern ein Jahr vor der Einschulung ein Sprachtest und bei festgestellten Defiziten eine verbindliche Sprachförderung durchgeführt. Es wurden die Stundentafeln in Deutsch und Mathematik in der Grundschule erhöht, die „Offensive Bildungsstandards“ und schulübergreifende Fachkonferenzen in Deutsch und Mathematik implementiert. Es gibt Vorkurse für Kinder mit Migrationshintergrund, Leseclubs, Sommercamps und vieles mehr.
Seit dem Jahr 2010 gilt für alle Bremer Studierenden des Grundschullehramts: Sie müssen nach dem neuen Bremer Lehrerausbildungsgesetz die Fachwissenschaften und Didaktiken der Fächer Deutsch und Mathematik und ein drittes Schulwahlfach studiert haben.
Warum haben die getroffenen Maßnahmen bisher nicht die erhofften Wirkungen gezeigt? Zum einen sind auch die anderen Bundesländer natürlich nicht untätig geblieben. Zumeist von weitaus günstigeren Ausgangslagen und Rahmenbedingungen startend haben sie ihrerseits eine Vielzahl von Maßnahmen eingeführt, um die schulischen Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Zum anderen konnten viele der inzwischen implementierten Maßnahmen noch nicht greifen, beziehungsweise sie wurden, wie zum Beispiel die Sprachförderungsmaßnahmen, erst nach den Untersuchungen begonnen. Unverändert gilt allgemein und insbesondere für Bremen, dass das Bildungsniveau und Leseverhalten der Eltern sowie das Familienklima das kindliche Leseverhalten ganz massiv beeinflussen. Die Herkunft bestimmt den Bildungserfolg der Kinder.
Bei Kindern, die von Risikolagen betroffen sind, reicht dementsprechend die Konzentration auf den
reinen Bildungsaspekt nicht aus. Sie brauchen mehr und vor allem ganzheitliche Unterstützung. Deshalb haben wir in den letzten Jahren die Ganztagsschulen aufgebaut und Projekte mit einer sozialräumlichen Ausrichtung wie QUIMS und Quartierbildungszentren initiiert. Die bestehenden Ganztagsschulen liegen überwiegend in Stadtteilen mit hohen Sozialindikatoren. Hier liegt der Versorgungsgrad der Stadtgemeinde Bremen durch die Einrichtung der zehn offenen Ganztagsschulen/Grundschulen in diesem Jahr mittlerweile bei 41 Prozent. Wichtig ist, auch den vorschulischen Bereich stärker in den Fokus unserer Bemühungen zu rücken.
Nach Meinung der Wissenschaftler ist die Sprachentwicklung eines Kindes im Alter der Einschulung bereits zu einem großen Teil abgeschlossen. Dort hilft nur ein frühes Fördern, und das geht nur mit einer gemeinsamen Anstrengung der Ressorts Soziales und Bildung.
Unser Vorteil ist, dass die Leistungen in den Kompetenzen Lesen, Zuhören und Mathematik in unseren Grundschulen flächendeckend erhoben wurden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie und der vielen Vergleichstests geben den Schulen und den unterrichtenden Lehrkräften klare Hinweise darauf, wo jeweils ihre Stärken und Schwächen liegen. Leider gibt die Studie aber keine Hinweise, wie den festgestellten Defiziten erfolgreich begegnet werden kann. Wir müssen damit beginnen, die vielfältigen Fördermaßnahmen in den Kompetenzbereichen Deutsch und Mathematik auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und hier gegebenenfalls nachzusteuern.
Weiterhin lässt aus unserer Sicht die Studie eine Reihe von Fragen offen, die wir gern mit Frau Professorin Stanat, Direktorin des IQB, erörtern möchten. Eine Gelegenheit dazu gibt es am 5. Dezember 2012 um 19.30 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus anlässlich der Veranstaltung „Stadtgespräch Bildung“, zu der die Senatorin für Bildung und Wissenschaft eingeladen hat. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Warum hat der Senat den Leitfaden „Sexualerziehung“ von 1987 nicht wie zugesagt überarbeitet und vorgelegt?
Zweitens: Innerhalb welchen Zeitraums wird der Senat den überarbeiteten Leitfaden veröffentlichen oder einen adäquaten Ersatz vorlegen?
Drittens: Inwiefern soll das Thema Homosexualität hierin entsprechend der gegenüber 1987 veränderten Gesetzeslage und vielfältiger gesellschaftlicher Veränderungen berücksichtigt werden?
Frau Senatorin, Sie sagen, dass Sie mit dem Ergebnis des neuen Entwurfs zur Sexualerziehung nicht zufrieden waren. Hat es darüber eine Kommunikation mit den Verfassern dieses neuen Entwurfs gegeben?
Können Sie uns sagen, welche Art von Problemen bei der Besprechung dieses neuen Entwurfs aufgetaucht waren, in welche Richtungen?
Gibt es einen bundesweit gültigen Leitplan zur Sexualerziehung?
Nach Paragraf 11 des Schulgesetzes muss Sexualerziehung ja mit den Erziehungsberechtigten abgestimmt werden. Ich frage mich, ob es nicht etwas schwierig ist, dies den einzelnen Lehrern ohne einen verbindlichen Leitfaden selbst zu überlassen, da leicht angenommen werden kann – Sie haben eben die Schwierigkeiten schon beschrieben –, dass es ein persönliches Hobby des betreffenden Kollegen ist.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Alphabetisierung im Land Bremen ist eine wichtige Aufgabe, die in erster Linie von den Schulen unseres Landes wahrgenommen wird, aber, wie Untersuchungen der leo.-Studie aus dem Jahr 2010 zeigen, auch eine Aufgabe ist, der wir uns als Gesellschaft insgesamt stellen müssen.
In Bremen haben sich dieser Aufgabe die Volkshochschulen, das Paritätische Bildungswerk, die Wirtschafts- und Sozialakademie sowie die Vollzugsanstalten – um einige der wichtigsten zu nennen – mit gutem Erfolg angenommen, wie wir auch der Antwort des Senats entnehmen können.
Die Alphabetisierung bedeutet dabei nicht nur das Erlernen der Buchstaben des Alphabets, etwa dass man Buchstaben wie c, d, u, s, p und d oder Wörter wie Bündnis 90/Die Grünen
oder DIE LINKE erkennen und zuordnen kann.
Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag und auch zur Bremischen Bürgerschaft spielen diese Kompetenzen eine nicht unbedeutende Rolle bei den Bürgerinnen und Bürgern. Reicht das aber aus? Analphabetismus ist ein schreckliches Wort, das für viele, und da schließe ich mich nicht aus, schon bei der Aussprache holperig und sperrig erscheint. Die leo.Studie aus dem Jahr 2010 war ein erster wichtiger Schritt, um das Ausmaß des Problems zu erkennen. Ein zweiter Schritt muss sein, entsprechende Hilfen zu geben. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das gemeinsam im Bündnis mit Partnern angegangen werden muss.
Ich möchte mich bei der CDU für ihre Große Anfrage sowie beim Senat für die ausführlichen Antworten bedanken. Auch dadurch hat dieses Problem eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden, und es wurde vielen die Tragweite des Analphabetismus deutlich gemacht.
Das Ergebnis der leo.-Studie, das haben wir schon gehört, bedeutet für uns auf Bremen heruntergerechnet 60 000 bis 80 000 Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Um sich das Ausmaß vorstellen zu können: Große Stadtteile wie zum Beispiel Schwachhausen und die Östliche Vorstadt haben zusammen circa 68 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Diese Dimension ist erschreckend und kann nicht tatenlos hingenommen werden.
Ich frage mich und viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich sicherlich auch: Wie konnte es dazu kommen? Es gibt vielfältige Ursachen, wie die leo.-Studie deutlich macht. Dies sind unter anderem Negativerfahrungen im Elternhaus und in der Schule, hier zum Beispiel Lernen im Gleichschritt, also keine individuellen Angebote in der Schule,
geringes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und dadurch die Erzeugung eines negativen Selbstbildes. Daraus resultieren Diskriminierungserfahrungen im Erwachsenenalter aufgrund von Schriftsprachunkundigkeit.
Analphabetismus hat viele Facetten und ist in unserer Gesellschaft auch ein Tabuthema. Darüber spricht man nicht, und das hat nachvollziehbare Gründe: Die Betroffenen schämen sich und versuchen, ihre Inkompetenz unter allen Umständen zu verbergen. Sie haben Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Diskriminierung und haben über Jahre kreative Strategien entwickelt, um ihre Schwäche zu verbergen, leiden aber unter sozialer Isolation und haben durch negative Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen und so weiter ein negatives Selbstbild entwickelt.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier sind wir alle gefordert, das Thema Analphabetismus aus einer Grauzone oder Tabuzone herauszuholen,
um die Problematik deutlich zu machen, ohne es dabei dramatisch hochzuspielen.
Was ist also zu tun? Die Betroffenen benötigen zunächst einmal unsere Solidarität, damit sie sich nicht mehr zu verstecken und zu verstellen brauchen. Wir müssen sie ermutigen und unterstützen, ihr Problem offensiv anzugehen, indem sie zum Beispiel einen Alphabetisierungskurs belegen. Erfolgreiche Alphabetisierungsmaßnahmen sind auszubauen, und dafür ist auch adressatenspezifisch und -gerecht zu werben.
Die schulische Inklusion wird durch individualisierte Angebote betroffene Schülerinnen und Schüler besser unterstützen können.
Ein lebenslanges Lernen schließt die Alphabetisierung mit ein. Das betrifft auch arbeitsplatznahe Angebote. Betriebe und Kammern müssen als Bündnispartner gewonnen werden. Die Anstrengungen für
eine Alphabetisierung müssen verstärkt werden, das hat die leo.-Studie deutlich gemacht. Das hat die Politik im Bund und in den Ländern auch erkannt. Am Programm des Bundesbildungsministeriums wird sich Bremen beteiligen und erfolgreiche eigene Anstrengungen verstärken. Dies ist auch die Zielrichtung des gemeinsamen Antrags von Bündnis 90/Die Grünen, von der SPD und der CDU, für den ich Sie um die Zustimmung bitte.
Es ist klar, dass Alphabetisierung kein zeitlich begrenztes Projekt ist, sondern eine wichtige Daueraufgabe, der wir uns stellen müssen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!