Leif Blum
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zunächst einmal zu begrüßen, dass jetzt auch der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes vorliegt, weil uns das in die Lage versetzt, endlich in das weitere parlamentarische Verfahren zu dieser Materie einzusteigen. Denn als der Gesetzentwurf der GRÜNEN eingebracht wurde, haben wir uns darauf verständigt, mit Rücksicht auf die geschäftsführende Landesregierung zu warten, bis auch dieser Gesetzentwurf vorliegt. Von daher bin ich froh, dass das jetzt auch der Fall ist.
Die Intention, die in Ihrem Hauptanliegen in eine ähnliche Richtung geht,ist nach wie vor begrüßenswert – keine Frage.Aber damals wie heute gilt es festzuhalten:Das,was hier gesetzlich geregelt werden soll, greift in ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut, nämlich das Eigentumsrecht des betroffenen Nachbarn, ein. Gott sei Dank ist das in unserem Land noch so: An Gesetze, die verfassungsmäßige Rechte Einzelner beschränken, sind hohe Anforderungen zu stellen. Die gilt es abzuarbeiten. An dieser Stelle, Frau Kollegin Hoffmann, sage ich für unsere Fraktion ganz deutlich: Das ist der Hauptprüfungsmaßstab. Die Praxistauglichkeit des Gesetzes steht da sicherlich erst an zweiter Stelle.Zunächst einmal orientieren wir uns daran, dass hier eine mit der Verfassung in Einklang zu bringende gesetzliche Regelung vorgelegt und beschlossen wird, und danach bewerten wir die Frage, ob sich das in der Praxis als tauglich erweisen wird.
Ich sage ganz deutlich: An dieser Stelle ist es so, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung wesentlich deutlicher und wesentlich differenzierter auf die Frage eingeht, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Eingriff, so er denn von der Zielsetzung her gewünscht und gewollt ist, erfolgen kann. Die Hessische Landesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf ein breiteres Spektrum, einen Tatbestandskatalog aufgezeigt, an dem man sich abarbeiten kann und sollte. Auch dieser birgt natürlich Probleme. Denn am Ende des Tages kommen wir wohl nicht umhin, mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „wesentlichen“, „unwesentlichen“ oder „geringfügigen Beeinträchtigungen“ zu arbeiten,sodass an dieser Stelle weiterhin – das ist aber wohl dem Nachbarrecht zumindest hier in Deutschland immanent – mit Streitigkeiten unter Nachbarn zu rechnen ist.
Es ist aber ein weiter gehender und ausgefeilterer Entwurf als das, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt hat. Das mag man vielleicht auch von der Landesregierung mit ihrem Verwaltungsapparat erwarten. Das will ich an dieser Stelle gern zugestehen.Aber es fehlt – das hatte ich auch bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeführt – dort an der Bestimmtheit im Gesetz etwas, was die Eingriffsvoraussetzungen angeht.
Da hilft es auch nichts, wenn man sich an anderen Landesgesetzen, wie z. B. dem von Baden-Württemberg, orientiert, Frau Kollegin, weil nämlich das Problem in Baden-Württemberg ist – das ist mittlerweile gut im Internet recherchierbar –, dass sich dort jetzt massenhaft Gerichte damit beschäftigen, ob Wärmedämmung unter die gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts in Baden-Württemberg fällt oder nicht. Von daher sind wir hier mit beiden Gesetzentwürfen – das will ich positiv anmerken – einen wesentlichen Schritt weiter, weil wir das nämlich konkret normieren. Wir sagen: Jawohl, es geht hier um Wärmedämmung und nicht um den Begriff „untergeordnete Bauteile“.Das ist das Problem in vielen anderen Ländern.
Ich glaube, dass es vieles gibt, was man hier noch erörtern muss. Und es gibt vieles, was man sich in der Anhörung von den verschiedenen Interessenvertretern aufzeigen lassen muss, die von diesem Gesetz tangiert sind. Das soll aber nicht die grundsätzlich richtige Richtung beider Gesetzentwürfe schmälern.Ich glaube,so sollten wir auch die weitere Debatte und das weitere Verfahren betreiben.Wir wollen am Ende des Tages ein Gesetz, das beiden Zielen gerecht wird, das nämlich auf der einen Seite den gesellschaftlichen Konsens, den Klimaschutz in all seinen Facetten, auch im Bereich der Energieeinsparung, fördert, aber auf der anderen Seite eben auch klar mit den Vorgaben der Verfassung in Einklang steht und deutlich die Grenzen zieht, die uns die Verfassung vorgibt. Ich denke, das lässt sich zusammenführen. Wir werden unseren Beitrag dazu im weiteren Verfahren leisten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir nicht ganz leicht, das zu sagen, aber vieles von dem, was der Kollege Kahl gesagt hat, ist richtig. Natürlich handelt es sich hierbei um eine Übergangslösung, die eigentlich auf Endlichkeit angelegt war. Das Gutachten des Landesrechnungshofs liegt vor, und man hätte Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Das ist nicht erfolgt, zumindest nicht so, wie sich das viele in diesem Hause gewünscht haben.
Diese Feststellung hilft uns aber an der Stelle nicht. Wir brauchen jetzt eine Regelung für die Sonderstatusstädte. Wir brauchen Planungssicherheit für die Städte und die betroffenen Kreise. Von daher gesehen, werden auch wir diesem Gesetzentwurf positiv gegenüberstehen und ihm zustimmen. Wir verbinden diese Zustimmung allerdings in der Tat mit der Bedingung, dass dann, wenn in diesem Hause wieder stabile Verhältnisse herrschen, der Kommunale Finanzausgleich grundlegend reformiert wird, die Finanzbeziehungen der Kommunen untereinander grundlegend neu geordnet und geregelt werden. Das wird eine große Aufgabe sein, die es hier zu bewältigen gilt. Ich denke, dieser Landtag in der derzeitigen Zusammensetzung wird das nicht schaffen. Es wird ihm nicht gelingen. Von daher gesehen,ist es vernünftig,dass wir dieser Übergangslösung im Interesse der kommunalen Familie noch
einmal zustimmen. Genau das werden wir tun. Die Aufgabe für die Zukunft bleibt aber bestehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es zwingt mich doch, die Zeit auszunutzen, um auf zwei Punkte einzugehen.
Herr van Ooyen, zum einen machen Ihre Ausführungen relativ deutlich, insbesondere die Ausführungen zur Steuer- und Abgabenpolitik, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, wie Wirtschaft funktioniert. Wir brauchen in diesem Land für die Unternehmerinnen und Unternehmer eine moderate Steuer- und Abgabenpolitik; denn nur so haben die Unternehmen in diesem Land Luft zum Atmen, um in einem globalisierten Wettbewerb hier Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. Wenn Ihre Steuerpolitik in Hessen oder anderswo in diesem Lande Wirklichkeit wird, dann brauchen wir bald mehr als nur 25.000 öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse, weil wir dann all das kompensieren müssten,was im freien und ersten Arbeitsmarkt verloren geht.
Zweitens, und das passt zu den Ausführungen von Herrn Kaufmann. Sie haben relativ breit die internationale Finanzmarktkrise beweint. Der Kollege Kaufmann hat gefragt, wie wir die 2 Millionen c finanzieren wollen, die im Zusammenhang mit der Erhöhung der Reisekostenpauschale stehen. Dazu sage ich Ihnen: Das müssen wir uns von Ihnen nicht anhören. Wir müssen uns einmal überlegen, welches Gesetzgebungsvorhaben Sie als Allererstes in diesem Landtag betrieben haben.
Sie haben die Studiengebühren abgeschafft. Das bedeutet 20 Millionen c Belastung des Haushaltes in diesem Jahr und gut 100 Millionen c für das nächste Jahr. Der Gegenfinanzierungsvorschlag war, dass Sie diese Beträge in der Krise der internationalen Finanzmärkte erzocken wollten. Von so jemandem lassen wir uns nicht sagen, wie wir unseren Haushaltkonsolidierungsbeitrag zu leisten haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung der Hessischen Landeshaushaltsordnung enthält in der Tat viele interessante und diskussionswürdige Inhaltspunkte. Da geht es um Rechnungslegungsstandards,da geht es um Gliederungs- und Darstellungsschemata, alles Dinge, die in der Tat geeignet sein können und vielleicht auch geeignet sein werden, größere Transparenz in das Verhältnis zwischen Parlament und Landesregierung bei der Aufstellung des Haushalts zu bringen.
Worum es jedoch im Kern geht – darauf will ich mich bei meinen Ausführungen beschränken – bei dem, was Sie hier als Gesetzentwurf vorlegen, ist, dass Sie in ein seit Jahren bestehendes und funktionierendes System der Aufgabenteilung zwischen Exekutive, also Landesregierung, auf der einen Seite und Parlament, also Legislative, auf der anderen Seite steuernd und verändernd eingreifen wollen.
Das sind Dinge, die man durchaus diskutieren kann. Das sind durchaus spannende juristische, an der Verfassung abzuarbeitende Fragen von Budgetrecht und Budgethoheit und einem vielleicht daraus abzuleitenden oder zu trennenden Budgetinitiativrecht. All diese Fragestellungen kann man in der Tat diskutieren und sich einmal genau anschauen.
Es beschleicht uns bedauerlicherweise das Gefühl, dass Sie das nicht um der Sache selbst willen tun, sondern einzig und allein deshalb, um Ihre jetzige Situation und Position in dieser Frage zu verbessern, und dass es Ihnen dabei gar nicht um das Parlament als solches geht.
Die Debatte dieser Art ist für dieses Haus so nicht ganz neu. Es ist schon in der Vergangenheit über solche Fragen gesprochen worden.Zum Ende der Regierungszeit Eichel war das in ähnlicher Form schon einmal Thema gewesen. Wenn man sich diese Debatten anschaut, merkt man, dass der Umgang mit dieser Frage weniger eine Frage der Parteizugehörigkeit ist als vielmehr eine Frage, ob ich in der Regierung sitze oder im Parlament und in der Opposition.
Zum Ende der Legislaturperiode von 1995 bis 1999 ist die FDP in die Situation gekommen, einen ihrer Gesetzentwürfe mit einer Änderung des bestehenden Haushaltsgesetzes zu untermauern. Damals waren es gerade der sozialdemokratische Finanzminister Starzacher und sein parlamentarischer Sekundant, der Abg. Kaufmann, die auf das Vehementeste und mit Nachdruck bestritten haben, dass man einem Parlament und den Fraktionen eines Parlaments solche – –
Herr Kaufmann, lesen Sie doch die Protokolle. Sie lesen doch sonst auch immer alles. Stehlen Sie mir nicht meine Redezeit mit Ihren unqualifizierten Kommentaren, kommen Sie nach vorne, Sie können noch einmal einen lila Zettel abgeben.
Es waren SPD und GRÜNE gewesen, die damals mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht haben, dass ein solches Recht für das Parlament nicht besteht.
Es ist auch in Ordnung. Meine Damen und Herren, an der Hessischen Verfassung hat sich seitdem nichts geändert. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass Sie nicht mehr auf den Bänken hinter mir sitzen, sondern jetzt auf den Bänken da vorne.
Ihnen fällt im Moment offensichtlich kein anderer Weg ein, wie Sie von hier nach da kommen. Das Einzige, was Ihnen dann einfällt, ist, dass Sie versuchen – da bin ich mit dem Kollegen Milde einig –, an der Grenze dessen, was verfassungskonform zu diskutieren ist, die Gesetzeslage an Ihre missliche parlamentarische Lage anzupassen. Das ist das, was wir Ihnen an dieser Stelle zum Vorwurf machen.
Es kann doch nicht sein, dass Sie unter Ausreizung der Grenzen der Verfassung Ihre politische Unfähigkeit nun dadurch kaschieren wollen, dass Sie die bestehende Rechtslage durch den Eingriff in ein bewährtes und funktionierendes System zwischen Regierung und Parlament zu beschönigen versuchen, indem Sie ein solches Gesetz vorlegen. Das kann doch nun wirklich nicht das Ziel sein. Dann wäre es ehrlicher, Sie würden endlich die Organisationsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit finden, eine Mehrheit für die Bildung einer neuen Regierung auf die Beine zu stellen.Dann würden Sie hier sitzen und so einen Gesetzentwurf niemals einbringen.
Dann hätten Sie in der Tat die Möglichkeiten, die die Regierung – meiner Meinung nach zu Recht – aus der Verfassung für sich ableitet. Dann würden wir dieses Gesetz mit Sicherheit nicht beraten müssen.
Das ist der Kern dessen, was Sie hier vorlegen. So einfach werden wir es Ihnen nicht machen. Wir werden im weiteren Gesetzesberatungsverfahren die verfassungsrechtlichen Fragenstellungen, die hier aufgeworfen wurden, klären und erörtern müssen.Ganz so leicht,wie Sie es sich hier machen wollen, geht es nicht. Wir werden genau ein Auge darauf haben, insbesondere aus der Erfahrung, die wir hatten, als wir selbst einmal versucht hatten, das Parlament an der Haushaltsgesetzgebung stärker partizipieren zu lassen.
Wir erinnern uns noch an die Antworten, die wir damals wortwörtlich von Ihrem ehemaligen Minister Starzacher und Ihnen, Herr Kaufmann – kommen Sie an meinen Platz, ich gebe Ihnen das Protokoll –, bekommen haben.
Das werden wir nicht so einfach mit uns machen lassen. Wir wollen, dass intensiv darüber gesprochen wird. Wir werden nach wie vor den Finger genau in diese Wunde legen, dass es Ihnen hier nicht um die Sache geht. Mit diesem Gesetzentwurf geht es Ihnen nicht um die Rechte des Parlaments und der Fraktionen in diesem Haus.
Ihnen geht es um die Rechte dieses besonderen Parlaments und insbesondere nur Ihrer Fraktion und Ihrer Mehrheit, die Sie nach wie vor nicht dafür nutzen konnten, die Plätze von hier nach da zu wechseln. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass die Tätigkeiten von Kali + Salz in Nordhessen mit erheblichen Belastungen für die Region verbunden sind.
Ja, Herr Kollege, da wollen wir nicht so kleinlich sein.
Deswegen ist es auch richtig, dass mit der Einrichtung des runden Tisches dort Möglichkeiten geschaffen wurden, jenseits der Erörterung rein rechtlicher Fragen und auch jenseits der Erörterung im rein politischen Bereich ein Forum,ein Handlungsinstrument zu schaffen,mit dem die Betroffenen in der Region gemeinsam an einer Lösung arbeiten können, in der einerseits die ökologischen Belange der Region, andererseits aber auch die wirtschaftlichen Belange nicht nur von Kali + Salz, sondern eben auch der Region in einen vernünftigen Einklang gebracht werden können.
Es ist hier schon mehrfach erwähnt worden, und deswegen muss ich das nicht mehr groß ausführen: Es gehört eben auch zur Wahrheit dazu, dass Kali + Salz einer der
größten, wenn nicht sogar der größte Arbeitgeber in der betroffenen Region ist. Es gehört für uns Liberale auch mit dazu, dass es selbstverständlich ist: Wenn wir bei Kali + Salz Bewegungen erreichen wollen, Kompromiss- und Handlungsbereitschaft, dann müssen wir dem Unternehmen auch Investitions- und Planungssicherheit an die Hand geben. Das aber erreichen wir nur, wenn wir diesem Grundstücksverkauf zustimmen.
Die FDP wird das tun, wie wir das im Ausschuss angekündigt haben. Deswegen sind wir auch froh, dass diese Verkaufsvorlage heute und hier ihre Mehrheit finden wird. – Herzlichen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke sehr, Herr Blum. – Herr Staatsminister Weimar, Sie haben jetzt das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern haben wir an dieser Stelle über den großen Flughafen, über den in Frankfurt, gesprochen; und Herr Kaufmann hat für seine Partei dokumentiert, dass er bereit ist, in einer zumindest für uns fahrlässigen Art und Weise die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Rhein-Main-Region aufs Spiel zu setzen.
Heute reden wir über den kleinen Flughafen, über den in Kassel-Calden;
und Herr Kaufmann hat für sich und seine Fraktion in genauso fahrlässiger Art und Weise dokumentiert, dass er auch bereit ist, die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Region Nordhessen aufs Spiel zu setzen.
Wir als Liberale werden einen solchen Umgang mit der Zukunft weder der einen noch der anderen Region, noch des gesamten Landes Hessen mittragen. Wir werden dieser Vorlage selbstverständlich zustimmen. Herr Kaufmann, was ich heute wieder von Ihnen zu diesem Thema gehört habe, macht mich nach wie vor glücklich – und ich hoffe, dass es noch lange so bleiben wird –, dass, wenn ich hier stehe, Sie vor mir sitzen und nicht hinter mir. – Herzlichen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke, Herr Blum. – Als Nächster hat Herr Dr. Lübcke das Wort für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal – diesmal unter dem Deckmäntelchen der Steuergerechtigkeit – offenbart die LINKE auf erschreckende Art und Weise in diesem Hause die Eindimensionalität und die geradezu tunnelblickartige Verengung ihres Menschen- und Gesellschaftsbildes.
Herr Kollege Schaus, die Frage stellt sich schon: Lesen Sie oder überprüfen Sie überhaupt die Anträge,die Sie in diesem Haus erstellen,bevor Sie sie in den Geschäftsgang geben?
Es ist schlechterdings unfassbar – Herr Kollege Milde hat darauf hingewiesen –, dass Sie sich hier das Recht herausnehmen,in der Begründung Ihres Antrages parlamentsöffentlich ganze Bevölkerungsgruppen pauschal der Steuerhinterziehung und damit eines gesellschaftsschädigenden kriminellen Verhaltens zu bezichtigen.
Das kann und darf nicht so sein. Das können wir so auch nicht stehen lassen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land, die jeden Tag für sich und für andere, nämlich für die, für die sie Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, hier Verantwortung übernehmen, auf diese Art und Weise von Ihnen diffamiert zu werden.
Ich erwarte von Ihnen,dass Sie noch einmal an dieses Pult kommen
und das an dieser Stelle richtigstellen. Es ist genauso erschreckend und bezeichnend,dass die Linkspartei die Debatte um Steuergerechtigkeit dadurch führt, dass sie den Überwachungsstaat ausbauen und aufstocken will. Dazu fällt Ihnen nichts Besseres ein, als weiterhin den Verwal
tungsapparat für die Überwachung der Menschen in diesem Land auszubauen.
Wenn Sie sich für Steuergerechtigkeit einsetzen wollen, dann setzen Sie sich für ein niedriges und für ein einfaches Steuersystem ein – ein Steuersystem, das von den Menschen akzeptiert und verstanden wird,
das denjenigen,die arbeiten gehen,mehr netto übrig lässt. Dann haben Sie einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit geleistet, aber nicht mit Ihrem Antrag zu mehr Steuerfahndern und Betriebsprüfern.
Ihr Antrag, das muss man auch einmal sagen, zeugt natürlich – nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich es sagen muss – von wenig Fachkenntnis über die Verwaltungsabläufe und Arbeitsstrukturen innerhalb der hessischen Finanzverwaltung, von wenig Fachkenntnis über die Frage der Rekrutierungs- und Ausbildungspolitik innerhalb der hessischen Finanzverwaltung und einem, sagen wir einmal, etwas eingeschränkten Verständnis der föderalen Finanzbeziehungen innerhalb dieser Republik.
Sie fordern mit Ihrem Antrag sofort 100 neue Steuerprüfer,ohne dass Sie in irgendeiner Form darlegen oder nachvollziehbar erklären können, wo die denn herkommen sollen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, Steuerfahnder brauchen, und das ganz zu Recht,eine mehrjährige hoch qualifizierte Ausbildung und langjährige Berufserfahrung,
weil nachhaltige und profunde Kenntnisse sowohl im materiellen Steuerrecht als auch im Strafprozessrecht gebraucht werden. Deswegen können Sie Steuerfahnder nicht dadurch schaffen, dass Sie sechswöchige Umschulungskurse beim Arbeitsamt anbieten, sondern Sie müssen langsam, gezielt und systematisch auf die Ausbildung dieser Menschen hinarbeiten.Da ist es eben nichts mit der Soforteinstellung von 100 Steuerfahndern, weil wir im Moment dazu die Menschen gar nicht haben.
Wir müssen darauf erst einmal hinarbeiten. Es bleibt auch festzuhalten und ist schon mehrfach angeklungen, so einfach, wie Sie das rechnen, soundso viele Steuerfahnder und soundso viel Steuermehreinnahmen,ist es nun einmal nicht, weil das, was Steuerfahnder und Betriebsprüfer an Ergebnissen im Außendienst erarbeiten, nicht mit Steuermehreinnahmen gleichzusetzen ist.
Es muss natürlich das,was dort festgestellt wird,im Innendienst in einen Steuerbescheid, in einen Leistungs- und Zahlungsbefehl umgesetzt werden, woraus dann die Steuermehreinnahmen resultieren mögen. Aber dazu brauchen Sie neben den Steuerfahndern auch das Personal im Innendienst, das diese Umsetzungsarbeit leistet. Das sind Kosten, die daraufkommen, die daraufgerechnet und gegengerechnet werden müssen, wenn wir Steuerfahndungs- und Betriebsprüfungsmaßnahmen ausweiten.
Mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich, das ist das Einzige, was Ihnen dazu wieder einfällt, wenn es um Arbeitsmarktpolitik geht. – Sie dürfen sicher sein, Sie erhöhen auch die Kosten im Bereich der Justiz. Sie glauben doch nicht, dass die Menschen in diesem Land jede Entscheidung der Steuerverwaltung einfach so hinnehmen werden.
Sie werden sich dort,wo Fehler gemacht worden sind – die Fehlerquote im Bereich der Steuerverwaltung ist nicht ganz niedrig, das wissen wir nun einmal –, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln dagegen wehren. Das löst wieder Kosten im Rahmen der Finanzgerichtsbarkeit aus.Auch diese Kosten müssen Sie gegenkalkulieren gegen die angeblichen Mehreinnahmen, die durch Ihre Fahnder erzielt werden.
Schlussendlich ist es eben so: Ich habe dem Kollegen Kahl gesagt, er möge einmal einen Antrag im Hinblick auf die Föderalismusreform und die Neuregelung der Beziehungen im Länderfinanzausgleich stellen. Wir können uns durchaus einig werden. Aber gegenwärtig ist es so, dass von den Steuermehreinnahmen, die Sie angeblich erwirtschaften wollen, 70 % in den Länderfinanzausgleich fließen und überhaupt nicht im Lande Hessen bleiben,
mit der Folge, dass wir mit unseren Geldern, mit unseren Haushaltsmitteln, die in der Tat begrenzt sind, die Finanzausstattung anderer Länder, nämlich der der Nehmerländer, nachhaltig verbessern. In Hessen bleibt doch nur der kleinste Teil dieser Einnahmen übrig.
Deswegen bleibt es dabei.Aus unserer Sicht ist Ihr Antrag nicht nur unverschämt, populistisch und diffamierend gegenüber den Unternehmerinnen und Unternehmern in unserem Land,sondern er ist auch bei den Gegebenheiten viel zu kurz gegriffen, die wir im Moment innerhalb der Verwaltung und innerhalb der Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern haben.
Deswegen ist er nicht zustimmungsfähig.Das,was Sie wollen, wird keinen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit leisten. Steuergerechtigkeit erreichen wir, indem wir das System verändern,
indem wir Steuerrecht vereinfachen und dadurch die Akzeptanz des Steuerrechts bei den Bürgerinnen und Bürgern erhöhen.
Dann kommen Sie davon weg, dass es einen Wettlauf in der Frage gibt, wie man die Steuern am besten sparen kann.Deswegen werden wir Ihrem Antrag auf keinen Fall zustimmen können.
Ich bitte und fordere Sie noch einmal nachdrücklich dazu auf: Kommen Sie hierher, und stellen Sie richtig, dass Sie nicht einfach pauschal mit Ihrem Antrag, wie das in der Begründung geschehen ist, ganze Gruppen der hessischen Bevölkerung als Steuerhinterzieher und kriminelle Schädlinge für den Staat und die Gesellschaft diffamieren wollen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat richtig: Die Intention, die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verfolgt wird, ist eine gute. Sie findet deswegen auch die Unterstützung der FDP-Faktion. Denn energetische Gebäudesanierung ist in all ihren Facetten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll für den betroffenen Hauseigentümer, sondern das sind aus Gründen der vielfältigen Beiträge zum Klimaschutz sinnvolle und des
wegen unterstützenswerte Maßnahmen, für die die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Wenn das über das hessische Nachbarrecht geschehen muss,dann sollten wir alle gemeinsam diesbezüglich zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Es ist auch schon angeklungen, es gebe in diesem Zuge auch die eine oder andere Vorschrift im hessischen Nachbarrecht, mit der man sich befassen könnte. Vielleicht wird das Ministerium noch geeignete Vorschläge machen, was man noch gleich mit erledigen könnte, wenn man sich schon dieser Materie annimmt. Aber es ist – darauf werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren sehr genau achten – notwendigerweise mit einem Eingriff in die Eigentumsrechte des jeweiligen Nachbarn verbunden. Da muss man genau hinschauen, weil das Eigentum verfassungsrechtlich garantiert ist. Deswegen können wir nicht nach Belieben und nach Gusto und auch nicht nur, weil es gerade in die gesellschaftliche Debatte passt,in dieses verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht eingreifen, sondern wir müssen es mit Bedacht und juristisch sauber und bestimmt tun.
Ich glaube nicht, dass es problematisch sein wird, solche Wege und Möglichkeiten zu finden. Sie sind verfassungsrechtlich sauber und an der Bestimmtheit des Eingriffs dokumentiert abzuarbeiten. Ich glaube aber, dass man sicherlich das eine oder andere an dem vorgelegten Gesetzentwurf nachbessern kann und muss.
Aber es klang schon bei allen Vorrednern an: Der feste Wille aller scheint zu bestehen, eine solche Lösung zu finden,bei der Novellierung des hessischen Nachbarrechts in diesem Bereich die gesellschaftspolitisch und klimapolitisch relevanten und wichtigen Ziele mit dem verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz in Einklang zu bringen. Daran werden wir uns konstruktiv und positiv im weiteren Verfahrensgang der Gesetzesberatung beteiligen.
Ich bringe deswegen zum Abschluss unserseits die Hoffnung zum Ausdruck, dass wir am Ende dieser Beratungen mit möglichst breitem, bestenfalls einstimmigem Konsens zu einer Gesetzesverabschiedung kommen,die dem in der Tat richtigen und guten Ziel der antragstellenden Fraktion Rechung trägt. – Herzlichen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Ist ihr der Inhalt der im Auftrag der Gemeinde Mühltal erstellten geotechnischen Stellungnahme im Zusammenhang mit der Radwegeplanung entlang der B 426 bekannt?
Nachdem die grundsätzliche Information jetzt sozusagen geklärt ist, darf ich nachfragen, ob und inwieweit der Inhalt dieser Stellungnahme Auswirkungen auf die umstrittene Frage der Radwegeführung in diesem Bereich haben wird.
Darf ich Ihren Ausführungen aber entnehmen, dass man seitens der Landesregierung weiterhin mit der Gemeinde Mühltal in Kontakt und im inhaltlichen Diskurs über diese Frage bleiben wird? Denn die von Ihnen angesprochene Alternative ist dort vor Ort sehr umstritten und scheint auf wenig Akzeptanz zu stoßen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will für die FDP-Fraktion zunächst einmal positiv feststellen, dass es offensichtlich in diesem Landtag und über alle Parteigrenzen hinweg wieder gelingt, sich der Fragestellung der Bekämpfung, aber vor allem der Verhinderung und Vermeidung von Jugendkriminalität sachbezogen und zielorientiert in einer der Bedeutung des Themas angemessenen Art und Weise zu nähern und sich damit auseinanderzusetzen;
denn es ist in der Tat so – Kollege Dr. Jürgens und Kollegin Faeser haben darauf hingewiesen –, dass das in den vergangenen Monaten nicht immer der Fall war. Wir haben das als FDP-Fraktion durchaus sehr bedauert, weil es wichtig ist. Die Problematik Jugendkriminalität bekämpft man nicht mit dumpfen Sprüchen und platten Parolen, sondern mit modernen Konzepten, die sich nicht nur an den Symptomen, sondern vor allen Dingen an der Ursache und den Wirkungen orientieren.
Deswegen ist es gut, dass offensichtlich jetzt wieder, von Nuancen abgesehen, alle Parteien in diesem Haus auf den Konsens zurückkommen, den man in der letzten Legislaturperiode schon einmal gefunden hatte, als man sich einstimmig diesen modernen Projekten genähert hat.
Ich glaube, wir gehen alle einig, dass wir uns im Bereich von Jugendkriminalität immer in einem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Repression auf der einen Seite und Prävention auf der anderen Seite bewegen. Es ist auch für uns als Liberale selbstverständlich,dass immer dann, wenn Straftäter – auch jugendliche Straftäter – die Grenzen eines geordneten Zusammenlebens und die Spielregeln unserer Gesellschaft nachhaltig verletzen, ihnen das im Wege eines geordneten Strafverfahrens und durch repressive Maßnahmen deutlich vor Augen geführt werden muss.
Allerdings – da bin ich voll bei Ihnen, Frau Kollegin Faeser – muss das zu einem Zeitpunkt geschehen, zu dem der Jugendliche überhaupt noch in der Lage ist, die Strafe, die ihm auferlegt wird, mit dem begangenen Unrecht so in Verbindung zu bringen, dass daraus auch eine Konse
quenz und vielleicht noch eine Weiterentwicklung für die Zukunft stattfindet.
Aber wesentlicher erscheint mir doch – darauf habe ich selbst im Wahlkampf immer deutlich hingewiesen –, dass wir uns damit auseinandersetzen, wie es überhaupt zu Jugendkriminalität kommt. Jugendliche werden doch nicht deshalb straffällig, weil sie von überschäumender krimineller Energie getrieben sind, sondern es ist offensichtlich gerade eine Frustration, die entsteht, weil fehlende Perspektiven in der Schule, fehlende Perspektiven für eine Berufsausbildung, fehlende Perspektiven auf einen Einstieg in das Berufsleben und damit fehlende Perspektiven, sich als vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft zu fühlen, den Ausschlag geben und dann Frustrationen hervorrufen, die in der Tat zu Kriminalität und zu solchen Auswirkungen führen können.
Da müssen wir ansetzen. Da sollte eigentlich das Hauptaugenmerk unserer Handlungen liegen. Deswegen ist es gut und richtig,dass wir hier gemeinsam versuchen,uns einem neuen und modernen Konzept zu widmen, nämlich einer institutionellen und räumlichen Zusammenführung aller Akteure, die im Bereich Jugendstrafrecht und Jugendkriminalitätsbekämpfung unterwegs sind – seien es Jugendgerichtsbarkeit, Jugendbewährungshilfe, Staatsanwaltschaften, aber auch die freien Träger präventiver Maßnahmen und die Jugendsozialhilfe – diese unter einem Dach zu bündeln, in einem Haus der kurzen Wege Beratung und Interventionsmöglichkeit der Gesellschaft aus einer Hand zu bieten.
Das ist der richtige Weg, sich diesem Problem zu nähern. Die FDP ist gern bereit – sie hat das sehr deutlich gemacht, indem sie sich als antragstellende Fraktion mit in die Debatte einbringt –, einen solchen Weg zu gehen. Ich glaube, die größte Aufgabe, die jetzt noch vor uns liegt, wird sein – da sollte es keine Rolle spielen, welchen Namen wir dieser Institution geben –, diese beiden Anträge in den Ausschussberatungen inhaltlich zusammenzuführen. Ich glaube nicht, dass wir an dieser Stelle sehr weit auseinanderliegen.
Es wäre ein gutes Zeichen, wenn wir die beiden Anträge in der Ausschussberatung inhaltlich so verbinden, dass daraus am Ende ein gemeinsamer Antrag dieses ganzen Hauses wird, mit dem wir nach außen deutliche Signale senden: Wir haben erkannt, worauf es bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität ankommt, und wir werden nicht mehr in die alten Reflexe verfallen, die hoffentlich nach dem 27. Januar alle gemeinsam überwunden haben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle in diesem Raum einig, dass die Amtsanwaltschaften in Hessen einen wichtigen und wesentlichen Beitrag zur Strafrechtspflege in unserem Land leisten und dass es deswegen natürlich richtig, sinnvoll und auch notwendig ist, dass wir eine qualitätvolle Ausbildung der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte in unserem Land gewährleisten.
Aber – Herr Staatsminister Banzer hat schon darauf hingewiesen – die Ausbildung von Amtsanwälten ist keine Massenveranstaltung, sondern es geht dabei um einen sehr begrenzten Personenkreis von Beamtinnen und Beamten, die sich für diese Laufbahn entscheiden und die diese Laufbahn einschlagen. Deswegen ist es richtig, dass wir hier nach Wegen suchen, wie wir diese Ausbildung effizient und in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, die die gleichen Probleme haben, gestalten.
Da ist der vorliegende Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrag inhaltlich genau der richtige Weg. Es ist sinnvoll, den Weg, den man in der Vergangenheit ohnehin schon beschritten hat, durch einen Staatsvertrag und die Einrichtung eines gemeinsamen Prüfungsamts zu verstetigen.Die FDP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf sehr wohlwollend und zustimmend gegenüberstehen.
Ich hoffe sehr, dass wir bei den Beratungen im Ausschuss vielleicht sogar etwas zügiger zum Abschluss kommen, als wir das jetzt hier tun.Wenn der Kollege Jürgens dann darauf verzichtet, sämtliche Bundesländer, die sich diesem Ausbildungsverbund angeschlossen haben, mehrfach zu zitieren, haben wir dazu eine echte Chance.
In diesem Sinne, Herr Staatsminister: Die FDP unterstützt diese Initiative und wird sie sehr positiv begleiten. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist der Überzeugung – der Ihnen vorliegende Antrag soll dafür die Grundlage bieten –,dass es dringend geboten ist, dass sich der Hessische Landtag noch einmal mit der anstehenden Reform des Erbschaftund Schenkungsteuergesetzes befasst.
Wir sind dieser Auffassung nicht nur deshalb, weil Bundesrat und Bundestag in der Endphase ihrer Beratungen über mögliche Reformvorschläge stehen und weil das Land Hessen unter Ministerpräsident Koch federführend an diesen Beratungen mitgewirkt hat, sondern auch deshalb, weil dieses Gesetzesvorhaben ganz konkrete Auswirkungen auf die hessischen Unternehmerinnen und Unternehmer und auch auf alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben wird. Deshalb haben die Menschen in unserem Lande einen Anspruch darauf, genau zu wissen und zu erfahren, wie sich die Fraktionen in diesem Hause zu dem Thema positionieren.
Ich will zu Beginn noch einmal kurz darauf zurückkommen, warum wir diese Reformdebatte überhaupt führen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in seiner geltenden Ausprägung mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist. Das ist eine Grundaussage, die zunächst einmal keinen deutschen Finanzpolitiker in irgendeiner Form erschüttern kann, denn das Schicksal der Verfassungswidrigkeit teilen sämtliche Steuergesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre, sodass wir insoweit nicht über einen Einzelfall reden müssen.
Wir reden aber insoweit über etwas Besonderes, als dieses Mal ein ganzes Gesetz auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand gekommen ist, ein ganzes Gesetz als verfassungswidrig deklariert wurde. Das erinnert an die Diskussion, die über das Verfassungsgerichtsurteil zur Vermögensteuer geführt worden ist, mit dem das Gericht auch dieses Gesetz in seiner damaligen Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt hat. Allerdings haben die politisch Verantwortlichen damals den Mut und die Entscheidungskraft aufgebracht, an diesem Gesetz nicht festzuhalten, sondern in der Tat zu sagen: Nein, wir wollen das Vermögensteuergesetz nicht weiter im Vollzug lassen,wir verzichten zukünftig auf die Erhebung der Vermögensteuer.
Das war in der Tat eine richtige und vor allem von politischer Tatkraft geprägte Entscheidung. Heute erleben wir, dass es an dieser Entscheidungs- und Tatkraft in Fragen der Erbschaft- und Schenkungsteuer fehlt.
Die Große Koalition in Berlin will oder kann das aus politischen Gründen offenkundig nicht. Die einen wollen nicht, und die anderen haben, aus welchen Gründen auch immer, offensichtlich leider nicht die Kraft, eine solche Entscheidung auch bezüglich des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes durchzusetzen.
Worauf hat man sich verständigt? Zunächst einmal gehen alle darin einig, dass ein bestimmter Vermögensgrundstock – vielfach als „Omas kleines Häuschen“ bezeichnet, die CDU geht in ihrem Antrag auf dieses Wortspiel ein –, der von der politischen Mehrheit offensichtlich als angemessen erachtet wird, denn er wird im Gesetz politisch festgeschrieben, von der Schenkungs- und Erbschaftsbesteuerung ausgenommen sein soll. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Zeche ganz offensichtlich von anderen Personengruppen bezahlt werden soll, da das Steueraufkommen nach der Reform des Gesetzes unverändert bleiben soll.
Hier trifft es ganz konkret den hessischen und den deutschen Mittelstand. Sie machen hier eine Reform zulasten derjenigen, die wie keine zweite Gruppe in Deutschland für Ausbildungs- und Arbeitsplätze und die immer wieder angemahnte regionale Verantwortung der heimischen Wirtschaft stehen. Diese Gruppe wird mit dem in der jetzigen Fassung vorliegenden Gesetzentwurf auf das Heftigste bestraft.
Ich sage in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Union ganz deutlich: Es ist eben nicht ausreichend, sich in Sonntagsreden lobend über den heimischen Mittelstand zu äußern, wenn man bei der erstbesten Möglichkeit den Schwanz einzieht und sich vom Koalitionspartner zurückpfeifen lässt, obwohl man mit einem entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben wirklich Politik für den Mittelstand hätte machen können.
Sie treffen mit Ihren Regelungen den Mittelstand an einer ganz sensiblen Stelle, denn wir alle wissen doch, dass in den nächsten Jahren unzählige mittelständische Unternehmen auf die kommende Unternehmergeneration überführt werden müssen. Genau an diesem Punkt wirkt sich Ihr Gesetzentwurf aus, der keine Entlastung für den Mittelstand bringen wird.
Es nutzt auch nichts, wenn Sie immer darauf verweisen, dem sei nicht so. Schauen wir uns doch einmal an, an welche Vorraussetzungen die mögliche Steuerbefreiung unternehmerischen Vermögens geknüpft ist. Zunächst einmal ist festzuhalten: 15 % des Vermögens sind überhaupt nicht von der Erbschaftsteuer befreit, sondern werden, obwohl es sich um Betriebsvermögen, um unternehmerisch notwendiges Vermögen handelt, pauschal der Erbschaftsbesteuerung unterworfen.
Hinsichtlich des restlichen Vermögens haben wir Befreiungstatbestände – Sie können das „Abschmelzmodell“ oder wie auch immer nennen –, die so weit an der unter
nehmerischen Wirklichkeit vorbeigehen, dass man sie in keiner Weise für gut und mittelstandsfreundlich befinden kann. Das muss man hier einmal deutlich sagen.
Ich will das an zwei Beispielen festmachen.Wir haben mit der sogenannten Lohnsummenregelung als Befreiungstatbestand die Verpflichtung, über einen Zeitraum von 10 oder 15 Jahren – darüber ist man sich im Moment noch nicht ganz einig; wenn wir Glück haben, werden es nur 10 Jahre sein – dauerhaft mindestens 70 % der Lohnsumme zu erreichen und aufrechtzuerhalten, die in den fünf Jahren vor der Verwirklichung des Steuertatbestandes in dem Unternehmen im Durchschnitt vorhanden war.
Meine Damen und Herren, ganz abgesehen davon, dass in einer globalisierten Welt ein Planungszeitraum von 10 bis 15 Jahren hinsichtlich der Lohnsumme so weit jenseits der unternehmerischen Lebenswirklichkeit ist, dass es überhaupt nicht einsichtig und erkennbar ist, wie die Unternehmen jemals damit umgehen sollen, um in den Genuss dieser Steuerbefreiung zu kommen, treffen Sie die Unternehmen mit dieser Regelung genau dann, wenn es ihnen sowieso am schlechtesten geht.
Wann entlassen denn mittelständische Unternehmen Mitarbeiter? Machen wir uns doch nichts vor: Der klassische Mittelständler entlässt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch nicht aus Gründen der Gewinnmaximierung, sondern dann, wenn es in seinem Unternehmen für die Marktanpassung notwendige Umstrukturierungsprozesse gibt.Genau in dem Moment,in dem es dem Unternehmen sowieso schlecht geht, kommt der Fiskus, fordert die Zahlung der Erbschaftsteuer nach und versetzt dem Unternehmen damit endgültig den Todesstoß. Das ist absurd.
Herr Kollege, wenn Sie den Antrag gelesen hätten, wüssten Sie, was wir wollen. Aber ich werde es Ihnen noch einmal erklären.
Deswegen würden wir es sehr begrüßen – die Möglichkeit besteht;denn die Beratungen in Berlin sind noch nicht abgeschlossen –, wenn man sich auf der Grundlage der Reformnotwendigkeit, wie sie das Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt hat, zu einer echten Reform des Erbschaftsteuerrechts durchringen würde.
Dazu gehört in einem ersten Schritt – das ist das Mindeste, was wir als FDP von Ihnen fordern –, dass wir die Gesetzgebungszuständigkeiten für das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht auf die Bundesländer übertragen. Das ist auch insofern nur konsequent, als die Aufkommenshoheit, was die Erbschaft- und Schenkungsteuer betrifft, ohnehin bei den Bundesländern liegt. Das Beispiel anderer Länder, z. B. der Schweiz, zeigt uns, dass es sehr wohl möglich ist, Gebietskörperschaften jenseits einer Bundesvereinigung diese Möglichkeiten einzuräumen.
Dann könnten wir in der Tat zu einem echten Wettbewerbsföderalismus bei der Frage nach der besten Steuerund Finanzpolitik kommen. Dann hätte in der Tat jeder Landtag für sich die Möglichkeit, zu entscheiden, ob und inwieweit die Erbschaftsteuer ein Standortfaktor für die Ansiedlung oder Beibehaltung von unternehmerischen Tätigkeiten ist.
Insofern wäre es nur konsequent, wenn jedes Bundesland für sich entscheiden könnte, ob – oder eben auch nicht; das ist die Konsequenz,die wir für Hessen fordern würden – und in welcher Höhe und Ausgestaltung eine Erbschaftsteuer erhoben werden soll. Das wäre aber das Mindeste. Das wäre der erste Schritt in Richtung einer echten Reform des Erbschaftsteuerrechts. Die Chance besteht nach wie vor.
Ich kann nur dringend an Sie appellieren – das ist auch der Inhalt unseres Antrags –, dass wir jetzt noch die Chance ergreifen, zumindest die Umsetzung der ersten Stufe zu bewirken, nämlich die Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeiten hinsichtlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Bundesländer.
Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aber auch von der SPD und an die geschäftsführende Landesregierung, sich in Berlin noch einmal mit Nachdruck für ein solches Modell zu verwenden.
Als FDP werden wir dem auf jeden Fall aufgeschlossen gegenüberstehen, weil das eben eine echte Reform wäre, die dem föderalen Gedanken unserer Republik und dem Wettbewerb zwischen den Bundesländern, der für eine Entwicklung in der gesamten Republik gut und notwendig ist, endlich Rechnung trägt.
Ringen Sie sich also dazu durch, noch einmal darüber nachzudenken und einen vernünftigen Weg zu gehen.Wir haben Ihnen einen Vorschlag dazu unterbreitet.Sie haben jetzt in Berlin die Möglichkeit, an die Umsetzung zu gehen. – Herzlichen Dank.
Herr Kollege Schmitt, würden Sie mir zustimmen, dass es Ihre Partei gewesen ist, die im letzten Bundestagswahlkampf quer durch die Republik plakatiert hat: „Mit uns keine Mehrwertsteuererhöhung“?
Herr Staatssekretär, ich versuche, es kurz zu machen. Sie stimmen mir doch sicherlich zu, das betrifft auch Ihr Beispiel, dass bei Personengesellschaften, die bisher in einem Verfahren nach dem Steuerbilanzwert bewertet wurden und eben nicht nach dem Stuttgarter Verfahren – das betrifft nur Kapitalgesellschaften –, der jetzige Zustand, den kann man für gut oder schlecht befinden, zu einer wesentlich höheren Entlastung führt, weil der Steuerbilanzwert immer wesentlich niedriger liegt als das, was Sie eben nach dem Stuttgarter Verfahren vorgerechnet haben. In
jedem Fall ist es niedriger als das, was im Ertragswertverfahren kommen wird.
Vielen Dank für den Hinweis. – Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Es ist nun einiges in Replik auf unsere Antragsbegründung gesagt worden, was nicht unkommentiert stehen bleiben kann.
Herr Kollege Kaufmann, zunächst einmal muss ich mich ein bisschen wundern ob Ihres Föderalismusverständnis
ses, wenn Sie hier sagen, das sei kein Thema für den Hessischen Landtag. Das ist es selbstverständlich; denn die Länder sind über die Bundesratsbeteiligung an dieser Gesetzgebungsinitiative ganz massiv beteiligt. Insbesondere Hessen – jetzt ist der Ministerpräsident nicht da – hat einen großen Beitrag zu diesem Reformvorhaben geleistet. Dann zu sagen, das sei kein Thema, das im Landtag diskutiert werden kann – da muss ich mich schon ein bisschen wundern.
Herr Kollege Kaufmann, aber auch Herr Staatssekretär Dr.Arnold,ein Hinweis sei erlaubt,da gesagt wurde,es sei unrealistisch, die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder zu übertragen. Da kann ich darauf verweisen, dass die Schweiz das seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert. Die Gesetzgebungshoheit für die Erbschaft- und Schenkungsteuer liegt dort bei den Kantonalverwaltungen und den Kantonalparlamenten.
Wir könnten genau so, wie es dort in einem Kantonalvertrag geregelt ist, die Rahmenbedingungen über einen Staatsvertrag regeln.
Ich glaube nicht, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland den Schweizerinnen und Schweizern an Einfallsreichtum und Ideenreichtum in irgendeiner Form nachstehen.
Ich will noch kurz auf etwas eingehen, weil Kollege Schmitt es betont hat, aber auch der Staatssekretär. Es geht um die Frage, welche Wohltaten an Steuerbefreiung auf mittelständische Unternehmen sozusagen einprasseln mit diesem Gesetzentwurf.Es ist selbstverständlich richtig – das ist überhaupt keine Frage –, dass man unter Annahme sämtlicher Begünstigungskautelen, insbesondere enger Verwandtschaftsverhältnisse unter Ausschöpfung aller Freibeträge – aber nicht jeder Vermögensübernehmer ist Sohn oder Tochter eines Vermögensübergebers –, zu einem Wert von 2,8 Millionen c Unternehmensvermögen kommen kann, der freigestellt ist.
Man muss dabei aber berücksichtigen, und das haben Sie zu Recht ausgeführt, dass man von anderen Bewertungskriterien ausgehen muss, als wir das die ganze Zeit getan haben. Wir reden hier über eine Ertragsbewertung, und bei einem Ertragswertverfahren kommen wir schneller als bei 1 Million c Gewinn auf den Verkehrswert eines Unternehmens von 2,8 Millionen c. Es gibt eine Menge mittelständischer Unternehmen, nicht nur in Hessen, sondern in der ganzen Republik, die einen solchen Unternehmenswert vorweisen können, wenn wir über die Ertragswertmethode in die Bewertung gehen.
Ich will auf das eingehen, was hier aus steuersystematischen Gründen gesagt worden ist. Ich kann verstehen, wenn die linke Seite des Hauses aus symbolpolitischen Gründen an der Erbschaft- und Schenkungsteuer festhält. Ich kann es nicht so ganz verstehen bei den Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die hier die Backen zusammenkneifen, wenn der Kollege Milde versucht, ansatzweise das zu verteidigen,was gerade in Berlin verzapft wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Erbschaftund Schenkungsteuer ist eine zutiefst ungerechte Steuer, weil sie eine reine Substanzsteuer ist.
Mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird Vermögen besteuert, das im Laufe seiner Entstehung schon dutzendund hundertfach der Besteuerung unterworfen worden ist, sei es der Umsatzsteuer, der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Mineralölsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, was auch immer Sie wollen. Wenn Sie eine Substanzsteuer als gerecht empfinden, dann mag das Ihre Auffassung sein.Unsere ist es nicht,und ich glaube zu wissen,dass es auch in weiten Teilen der CDU so ist,dass man sich mit einer reinen Substanzbesteuerung nur schwerlich wird anfreunden können.
Ja, es ist richtig, natürlich würde eine Abschaffung der Erbschaftsteuer auf der Ebene des Landes Hessen zu einem Steuerausfall führen. Aber an allererster Stelle sage ich: Wir reden hier über eine Bagatellsteuer. Die Erbschaftsteuer rangiert irgendwo zwischen den sonstigen Steuern und der Branntweinsteuer, je nach Jahr und Aufkommen. Mit der Erbschaftsteuer werden Sie die sozialen Fragen in diesem Land nicht lösen. Das Einzige, was Sie damit machen, ist Symbolpolitik. Das sei Ihnen zugestanden, aber dann seien Sie wenigstens so ehrlich und sagen, dass es so ist.
Natürlich führt es zu Erbschaftsteuerausfällen in der genannten Größenordnung.Aber in der ersten Phase ist das zu kompensieren, wenn wir uns endlich einmal dazu durchringen können, uns von bestimmten Teilen unseres Landesvermögens zu trennen. Reden wir nur über die Naussauische Heimstätte oder andere Vermögenswerte. Damit können wir die ersten zwei oder drei Jahre wunderbar überbrücken.
Danach wird sich das auch wieder rechnen, weil die Abschaffung der Erbschaftsteuer in der Tat eine echte Wirtschaftsförderung und damit auch eine echte Sozialpolitik zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist.
Es rechnet sich für das Land Hessen, weil Unternehmerinnen und Unternehmer das Land Hessen als Standort wählen werden, wenn wir hier den richtigen Weg gehen.
Daher kann ich die hier vorgetragene Kritik in keinster Weise mittragen und muss sie auf das Entschiedenste zurückweisen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will es vorweg sagen: Die FDP-Fraktion wird sich diesem Gesetzentwurf in dem weiteren Gesetzgebungsverfahren mit der gebotenen und, wie ich meine, auch selbstverständlichen Offenheit nähern. Wir sind be
reit, über jeden einzelnen Punkt eine sachorientierte Debatte zu führen und gemeinsam mit der den Gesetzentwurf einbringenden Fraktion sowie mit den anderen Fraktionen bei jedem Problem, das in einem Einzelpunkt aufgeworfen wird,zielorientiert an einer für Hessen richtigen Lösung zu arbeiten.
Angesichts der Debatten, die in der letzten Plenarsitzung in diesem Haus geführt wurden – aber sicherlich auch noch in den nächsten beiden Tagen geführt werden –, in denen es um die Hochschulpolitik und die Hochschulfinanzierung, um die Neuausrichtung des hessischen Schulsystems, aber auch darum ging, wie wir in diesem Land künftig mit der Gewinnung regenerativer Energie umgehen, waren wir schon ein bisschen verwundert darüber – das will ich nicht verschweigen –, dass ausgerechnet die Frage der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften zum Thema des ersten Gesetzentwurfs der grünen Landtagsfraktion in dieser Legislaturperiode geworden ist. Wir fragen uns, ob es in unserem Hause keine für unser Land dringenderen Probleme zu lösen und zu bearbeiten gibt
und ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, diesen Gesetzentwurf zu einem späteren Zeitpunkt einzubringen – zu einem Zeitpunkt, zu dem etwas mehr Alltag und vielleicht auch etwas mehr Ruhe und Sachlichkeit in dieses Haus Einzug gefunden haben werden. Dann hätte besser und zielorientierter darüber diskutiert werden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nichtsdestoweniger halten wir es für richtig, dass wir uns angesichts der ständigen Änderungen unterworfenen Wertevorstellungen in unserer Gesellschaft auch in diesem Haus immer wieder fragen, wobei wir gleichzeitig unseren eigenen Wertekanon infrage stellen – diese Veränderungen haben mit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht haltgemacht, sondern es hat auch noch Entwicklungen gegeben, nachdem das Rechtsinstitut eingeführt worden war –, ob die landesgesetzlichen Regelungen, die diese Themenstellung betreffen,noch richtig sind und dem geltenden Recht entsprechen.
Aber lassen Sie mich an dieser Stelle für die FDP-Fraktion auch ganz deutlich sagen: Diese Debatte soll und muss ein gemeinsames Fundament haben. Unserer Auffassung nach muss dieses gemeinsame Fundament, ungeachtet der politischen Farbenlehre, das gesellschaftliche Werte- und Leitbild des Grundgesetzes sein und bleiben.
An dieser Stelle wollen wir es uns nicht so einfach machen, mit dem Finger auf Europa zu zeigen und uns vom Europäischen Gerichtshof eine möglicherweise gegebene Notwendigkeit und Unausweichlichkeit von Anpassungen des hessischen Landesrechts diktieren zu lassen. Wir glauben, dass hier noch einige Rechtsfragen offengeblieben sind. Wir glauben, dass wir in dem weiteren Prozess, im weiteren Verfahrensgang und natürlich auch in der Anhörung diese Fragen behandeln müssen.
Dies betrifft insbesondere auch die Frage – dazu liefert das Maruko-Urteil des Europäischen Gerichtshofs überhaupt keinen Anhaltspunkt – des besonderen Verhältnisses zwischen dem Staat und seinen Beamten, wie wir es in Deutschland nun einmal haben: Müssen wir das hier in
der Tat 1 : 1 anwenden und umsetzen, insbesondere was die Hinterbliebenenversorgung betrifft?
Wir wollen, dass über diese Fragen unaufgeregt diskutiert wird. Wir wollen, dass diese Fragen unaufgeregt einer sachlichen Klärung zugeführt werden.
Abschließend will ich sagen, damit es noch deutlicher wird: Wir reichen im weiteren Verfahrensgang gern die Hand zu einer sachlichen Debatte. Hierzu ist die FDPFraktion bei allen Punkten, die der Gesetzentwurf anspricht, bereit, auch was das Beamtenrecht betrifft.
Aber lassen Sie uns bei diesem Thema in keiner Weise überstürzt handeln. Lassen Sie uns die rechtlichen Fragestellungen, die gesellschaftlichen Fragestellungen, die wertepolitischen Fragestellungen und die landesrechtlichen Fragestellungen gemeinsam sauber abarbeiten, sodass wir an dieser Stelle insbesondere im Interesse der betroffenen Personen zu einer vernünftigen und sachgerechten Lösung kommen.
Denn darauf will ich noch eingehen und hinweisen – das sei mein letzter Satz –: Es geht hier um einen vielleicht überschaubaren, aber betroffenen Personenkreis. Dieser Personenkreis sollte ungeachtet der sicherlich ungewöhnlichen Verhältnisse, mit denen sich dieses Haus im Moment auseinandersetzen muss, nicht Gegenstand politischer Strategiespiele werden, sondern wir sollten uns mit Problematiken, die hier aufgeworfen sind, gemeinsam sachlich auseinandersetzen und solche Themenstellungen nicht zu Testläufen für die wie auch immer geartete Beweglichkeit einzelner oder mehrerer Fraktionen machen. Uns geht es in dieser Fragestellung um die Sache. Dazu sind wir in der weiteren Debatte bereit.
Herr Kollege Jürgens, auch ich freue mich auf einen anregenden und hoffentlich konstruktiven Austausch im weiteren Verfahren und bin mir sicher,dass wir gemeinsam zu einer entsprechend sinnhaften Lösung für das Land Hessen kommen werden. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt viel gehört über die hehren hochschulpolitischen und bildungspolitischen Zielsetzungen, die mit den Gesetzentwürfen zur Abschaffung der Studiengebühren verbunden sind. Trotzdem müssen wir uns an dieser Stelle einmal ernsthaft darüber unterhalten – das gehört zur Wahrheit auch dazu –, wie das finanziert werden soll. Da rede ich gar nicht darüber – denn das wissen Sie selbst noch nicht –, wie die 104 Millionen c in den kommenden Haushaltsjahren finanziert werden sollen, sondern da können wir uns einfach einmal nur darüber unterhalten, und das sollten wir auch tun, wie Sie die 28,5 Millionen c für das laufende Haushaltsjahr finanzieren wollen.
Herr Kollege Kaufmann, das können Sie sich schönreden, wenn Sie das möchten. Es mag auch sein, dass das Finanzministerium Ihnen bestätigt hat, dass das eine realistische Option ist. Aber es ist und bleibt eben nur dann realistisch, wenn bestimmte Annahmen eintreten. Ich sage Ihnen, Ihr Gegenfinanzierungskonzept fußt auf einer Spekulation.
Es ist eine Wette auf die Frage, ob es auch im Euroraum zu Leitzinssenkungen kommen wird oder nicht.
Herr Kollege Kaufmann, die Statistiken sprechen eindeutig dagegen. Sie mögen es glauben oder nicht – es ist an dieser Stelle einfach ein Faktum.
Deswegen sage ich Ihnen: Es ist und bleibt eine finanzpolitische Geisterfahrt, auf die Sie uns mitnehmen wollen. Den Weg müssen Sie allein gehen, das werden Sie am Ende allein zu verantworten haben.Es ist eigentlich schon ein bisschen ironisch, wenn ausgerechnet die hessische
Sozialdemokratie nun mit ihren Gegenfinanzierungskonzepten auf die internationale Finanzmarktkrise und damit auf das Leid von Hunderten und Abertausenden Immobilienbesitzern in den USA spekuliert, um ihre Wunschvorstellungen in diesem Hause durchzusetzen.
Ich komme sofort zum Schluss. – Am Ende des Tages werden sich Ihre Spekulationen als nicht nachhaltig erweisen. Wir werden gar nicht umhinkommen, unter Umständen eine höhere Verschuldung des Landes in Kauf zu nehmen. Sie bauen sich hier ein politisches Luftschloss, und Sie finanzieren und beleihen es mit einer Hypothek zulasten der künftigen Generation. Diesen Weg wird die FDP in diesem Hause heute, morgen und auch die ganze Legislaturperiode nicht mitgehen.