Ingrid Eckel
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein altes Lied, das beginnt mit der Strophe:
„Der hat vergeben das ewige Leben, der nicht die Musik liebt und sich beständig übt in diesem Spiel."
Ich könnte es auch singen; aber auch ich möchte das Ihnen allen ersparen.
- Das können wir ja nachher noch machen. Da wir gerade wieder gehört haben, dass die soziale Bedeutung der Musik so hoch ist - da gebe ich Ihnen Recht, Frau Mundlos -, können wir nach dieser Sitzung noch gemeinsam diese Strophe singen. Ich bringe sie Ihnen gern bei.
- Ja? - Das fand ich gar nicht.
Die Bedeutung des Musizierens und Singens für die soziale und emotionale Entwicklung, die Herausbildung eines ästhetischen Empfindens und die positive Wirkung auf die Denkfähigkeit - das alles ist unumstritten. Deswegen hat die Musikerziehung in der Schule ja auch wieder an Bedeutung gewonnen - nach einer Talsohle, möchte ich einmal sagen, in den 80er-Jahren und zu Beginn der 90erJahre - und erneut einen hohen Stellenwert bekommen. Dies wird durch das große Engagement des Kultusministeriums bei der Landesaktion „Hauptsache Musik“ belegt. Das Aktionspro
gramm „Hauptsache Musik“ ist für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und anderen Institutionen der Musikkultur in Niedersachsen zuständig und gibt Schülerinnen und Schülern die Chance, sich die Teilhabe an der Musikkultur zu erschließen. Musikunterricht und Erfahrung mit der Vielfalt der Musikkultur müssen Kindern aus allen sozialen Schichten zugänglich sein. Hier hat die Schule eine besondere Aufgabe.
Das Aktionsprogramm „Hauptsache Musik“ gibt Beispiele und vielfältige Anregungen, um Kontakte zwischen schulischem Musikunterricht, Musikvereinen, Kirchenmusik und Musikschulen, Opernhäusern oder Theatern zu knüpfen und so auch Synergieeffekte zu nutzen.
Der musikalisch-künstlerische Bereich ist in der Stundentafel der Grundschule fest verankert. In Niedersachsen ist die Ausbildung für das Fach Musik im Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen in den letzten Jahren sehr intensiviert worden. So ist die Anmeldezahl an der Musikhochschule Hannover im Wintersemester 2002/2003 mit 76 Studentinnen und Studenten so hoch wie noch nie. 36 davon sind für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen eingeschrieben.
Auch die Zahl der Referendarinnen und Referendare an den niedersächsischen Studienseminaren ist für das Fach Musik mit 54 Neubewerbungen zum Vorbereitungsdienst ab 1. November 2002 und insgesamt 200 mit der Fakultas Musik für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen ebenfalls hoch.
Besonders die Musikhochschule Hannover ist für Schulmusiker und -musikerinnen aller Schulformen ein äußerst attraktiver Studienort.
Sie ist derzeit bundesweit die einzige Hochschule mit steigenden Zahlen bei den Lehramtsbewerberinnen und -bewerbern. Dies wird sich in absehbarer Zeit auf die Situation des Faches Musik an unseren Grundschulen auswirken.
In den vergangenen Jahren wurden Lehrkräfte mit einer Ausbildung im Fach Musik vorrangig eingestellt. Im Jahre 1995 waren es 4 076, im Jahre 2000 bereits 4 432 Lehrkräfte, und im Jahre 2001 gab es eine weitere Steigerung auf 4 459 Lehrkräfte.
Gleichrangig mit der Musik sind die Kunsterziehung und das darstellende Spiel zu sehen. Es geht
darum, Kindern, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr schöpferisches Potenzial zu entdecken und Raum zu schaffen. Die Bezeichnung „musisch-kultureller Unterricht“ umschließt diese Vielfalt künstlerischer Entwicklung. Dabei fällt Schule und Kindergarten wegen ihrer Breitenwirkung eine besondere Rolle zu. Beide können auch die Verbindung zu Musikschulen und Laienkultur knüpfen, eine Verbindung, die durch das erhöhte Angebot von Ganztagsschulen zukünftig mehr genutzt und somit enger geknüpft werden kann.
Die Einbindung der Musikschulen in das schulische Freizeitangebot ist eine Chance, neue Schülerschichten für aktives Musizieren zu begeistern.
Die Musikschulen werden vom Land Niedersachsen mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Wir haben diese Förderung bei den letzten Haushaltsberatungen im Lotteriegesetz als Festbetrag verankert und damit dem Landesverband und den Musikschulen Planungssicherheit gegeben. Außerdem wird die Landesgeschäftsstelle mit jährlich rund 135 000 Euro gefördert.
Wir sind sicher, dass es das über drei Jahre mit ESF-Mitteln in Höhe von 290 000 Euro finanzierte Projekt „Qualitätssicherung an Musikschulen“ auch dem Landesverband ermöglichen wird, die Musikschulen in ihrer Qualität voranzubringen. Mit dem beschriebenen Qualitätssicherungsprojekt stärken wir die innovative Entwicklung der Musikschulen. Wir erkennen ausdrücklich die wichtige und in vielen Bereichen hervorragende Arbeit der Musikschulen in Niedersachsen an. Wir wissen auch um die Bedeutung der Vermittlung von Musikunterricht in ca. 79 Musikschulen mit etwa 800 000 Schülerinnen und Schülern.
Die Laienkultur wird u. a. durch die Übungsleiterpauschale Musik unterstützt. Die Förderung der Verbände, Initiativen und Projekte aus den Bereichen der Laienmusik sind zugleich Anerkennung und Ansporn. Dies alles, Musikschulen, Laienkultur, wollen wir mit dem verknüpfen, was in den Schulen gemacht wird. Das ist es. Wir wollen ja nicht nur Musik auf Schule beschränken, sondern wir wollen, dass Musik in die Freizeitgestaltung junger Menschen hinausstrahlt.
Es ist schade, dass die CDU-Fraktion diesen Antrag zu diesem Zeitpunkt einbringt und eine Bera
tung nicht mehr möglich ist. Es ist schade, dass die CDU-Fraktion diesem Antrag damit zugleich auch den Stempel des Wahlkampfs aufdrückt. Da wird die Freude des Landesmusikrates über die wortwörtliche Übernahme seiner Forderung als Überschrift des CDU-Antrages nicht lange anhalten.
Die SPD-Fraktion legt mehr Wert auf realistische Umsetzungsmöglichkeiten als auf Überschriften.
Der Landesmusikrat wird vom Land mit insgesamt knapp 670 000 Euro gefördert. Wir wollen die Musikförderung weiter stärken. Deswegen hat die SPD-Landtagsfraktion die Haushaltsansätze in diesem Bereich um 400 000 Euro erhöht.
Wir werden der musikalischen Bildung in Niedersachsen auch künftig große Aufmerksamkeit zuwenden. Aber leere Versprechungen wollen wir nicht machen. Die Erfüllbarkeit unserer Wünsche wie auch Ihrer Wünsche ist durch die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt. Die Freude am Musizieren und Singen wollen wir jedem Kind ermöglichen, und zwar so früh wie möglich. Wir können jetzt schon mit Recht behaupten: Wir geben den Kindern Musik und werden es sicherlich in immer stärkerem Maße tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Frau Ministerin, wie viele Grundschulen sind bisher noch nicht in Verlässliche Grundschulen umgewandelt? Man hat den Eindruck, dass viele Grundschulen gerade durch den Druck der Eltern noch die Chance ergreifen und vor der flächendeckenden Einführung zur Verlässlichen Grundschule werden wollen. Also: Wie viele sind noch übrig, ausgenommen die Vollen Halbtagsschulen, und wie viele Haushaltsmittel sind ausgewiesen, damit diese Schulen umgewandelt werden können?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Schulwesens nennt in Artikel 1 neben Hauptschule und Realschule als allgemein bildendende Schule die Kooperative Haupt- und Realschule. Das ist unsere Antwort auf die beiden Entschließungsanträge der CDU-Fraktion. Niedersachsen soll nicht nur Realschulland bleiben, sondern es soll für noch mehr Heranwachsende Realschulland werden.
Heute schon erreicht ein Viertel der Hauptschülerinnen und Hauptschüler den Realschulabschluss. Kooperative Haupt- und Realschulen werden dazu beitragen, diese Zahl noch zu erhöhen und Bildungspotenziale zu heben.
So zu verfahren ist nicht nur deswegen richtig, weil in allen wirtschaftlichen Bereichen höhere Bildungsabschlüsse gebraucht werden, sondern es ist auch deshalb besonders wichtig, weil Kinder ein Anrecht darauf haben, dass ihr Leistungsvermögen geweckt und ihre Stärken entdeckt werden können.
Deswegen haben wir dem § 10 a im Schulgesetzentwurf einen neuen Absatz 3 hinzugefügt, der besagt, dass die Kooperative Haupt- und Realschule auch nach Schuljahrgängen gegliedert und der Unterricht in diesem Fall in schulzweigspezifischen und schulzweigübergreifenden Lerngruppen erteilt werden kann.
Im Mittelpunkt von Schulentwicklung hat nicht die Profilierung von Schulformen, sondern die Chancengleichheit der Kinder zu stehen.
Nicht die Aufrechterhaltung eines antiquierten Dreiersystems, sondern die Entfaltung der eigenen Möglichkeiten ist Ziel einer humanen Schule, in der einer den anderen achtet.
Nachdem PISA dem deutschen Schulsystem eine unzureichende Förderung von Schülerinnen und Schülern, eine ausgeprägte Selektivität nach sozialer Herkunft und eine Vernachlässigung von Migrantenkindern attestiert hat, bedarf es doch endlich des Mutes zur Veränderung und des Abwerfens eines ideologischen Kästchendenkens.
Leistungssteigerung, so sagen die Autoren von PISA, lässt sich in sozial und leistungsmäßig separierenden Systemen nur schwer bewerkstelligen. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass bei einer Verminderung sozialer Disparitäten gleichzeitig das Gesamtniveau steigt, ohne dass in der Leistungsspitze Einbußen zu verzeichnen wären. Durch Homogenisierung werden also die Schwächeren nicht gefördert, und - das müsste konservative Schulpolitikerinnen und Schulpolitiker doch beruhigen - die Stärkeren werden durch eine Heterogenisierung nicht geschwächt. Qualitätssichernd sind nicht homogene Lerngruppen, sondern das anregungsreichere Milieu von Verschiedenheit.
Die SPD-Fraktion hat schon mehrmals ausgeführt, dass Kooperative Haupt- und Realschulen aus einem freiwilligen Zusammenschluss heraus entstehen sollen. Ausdrücklich befürworten wir die Entwicklung von Schulen aus den regionalen Gegebenheiten heraus. Wir alle wissen, dass manches Schulangebot nur dann gehalten werden kann, wenn sich Haupt- und Realschulen zusammenschließen.
Wir alle wissen auch, wie unterschiedlich das Erscheinungsbild von Hauptschule sein kann und wie verschiedenartig die Akzeptanz des Hauptschulabschlusses bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist. Wir alle wissen ferner, dass sich das Imageproblem der Hauptschule verstärken wird, und zwar auch im ländlichen Raum. Die Haupt
schule ist nämlich die einzige allgemein bildende Schule im Bereich der Sekundarstufe I, die nicht verpflichtend die 10. Klasse einschließt. Hauptschule kann sich - jetzt sage ich es absichtlich provokativ - von schulschwächeren und verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern nicht durch Abschulung befreien. Hauptschulabsolventen erliegen auf dem Ausbildungsstellenmarkt in zunehmendem Maße einem Verdrängungswettbewerb. Das lässt sich durch keine Profilierung aufhalten.
Die Kooperative Haupt- und Realschule verhindert die Stigmatisierung von Hauptschülern und Hauptschülerinnen und ermöglicht die gegenseitige Übernahme positiver Entwicklungen wie z. B. die Kompetenz der Hauptschule im berufsbezogenen Lernfeld. Sie ermöglicht Starken, von Schwachen zu lernen, und sie verhindert die Stigmatisierung von Schwachen. Heute schon arbeiten 483 der 515 niedersächsischen Hauptschulen in einem Schulzentrum und/oder in einem Verbund mit anderen Schulformen zusammen. Fast die Hälfte der realschulspezifischen Angebote wird in solchen Verbünden vorgehalten. Das ist so, weil Verbundsysteme mehr Optionen bieten.
Die Kooperative Haupt- und Realschule ist eine Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Verbünde. Wie sich das Nebeneinander von selbständigen Hauptschulen, selbständigen Realschulen und Kooperativen Haupt- und Realschulen gestaltet, wird sich zeigen. Ideologische Verkrampfung und die Beschwörung alter Zeiten helfen niemandem weiter, schon gar nicht jungen Menschen, die ihre Gegenwart leben und ihre Zukunft meistern wollen.
Und, meine Damen und Herren von der CDU, Schulstrukturen sind kein Wert an sich. Die ihnen innewohnenden pädagogischen Handlungsspielräume machen ihren Wert aus und ihre Eignung, soziale Segregation aufzubrechen. Die SPDFraktion lehnt beide Anträge ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Eltern mit ihren Kindern umgehen, gilt einerseits vor allem als Privatsache; andererseits beklagt die Öffentlichkeit Defizite in den familialen Leistungen. Defizite äußern sich bei Kindern und Jugendlichen immer wieder durch Fehlverhalten, das häufig auf Störungen der Persönlichkeitsentwicklung und auf zu wenig Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen beruht. Die Forderung wird immer lauter: Die Institutionen, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind, müssen in die Bresche springen und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten und die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung zu ihrem Anliegen machen.
Neben physiologischen Grundbedürfnissen und dem Bedürfnis nach Sicherheit und Zuneigung haben Kinder auch ein Autonomiebedürfnis, das sich auf Anregung, Umwelterkundung und Selbstverwirklichung bezieht. Kinder brauchen Hilfestellung bei der Verarbeitung vielfältiger und möglicherweise divergierender Umwelterfahrungen außerhalb der Familie. Dieses Autonomiebedürfnis ist der Ansatzpunkt für schulische Erziehung. Pädagogische Konzepte, die Defizite in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen ausgleichen, die stark machen in den zahlreichen Gefährdungssituationen des Alltags, müssen stärker als bisher gefordert und gefördert werden.
Der SPD-Antrag „Förderung von Präventionsmaßnahmen in der Schule“ hat das Ziel, mehr als bisher Kinder und Jugendliche beim Aufbau eines eigenen Selbstkonzeptes, beim Aufbau von Identität, Eigenschaften, Fertigkeiten, Bewertungen und Gefühlen zu unterstützen. In unserem Antrag werden zwei Programme genannt, die uns geeignet erscheinen, die erwähnten Ziele erreichbar zu machen. Das eine Programm ist „Klasse 2000“, das andere „Erwachsen werden“. Beide sind erprobt. Wir möchten, dass die Landesregierung prüft, ob sie in die Lehreraus- und -fortbildung einbezogen werden können.
„Klasse 2000“ ist ein Projekt des Instituts für Präventive Pneumologie in Nürnberg. Unterstützt durch die Lions Clubs Deutschland hat dieses Projekt zur Suchtprävention und Gesundheitsförderung seit 1991 80 000 Kinder der Klassen 1 bis 4 erreicht. Die neuesten Zahlen für Niedersachsen Stand 12. November 2001 – lauten: 678 Klassen nehmen im Schuljahr 2001/2002 an diesem Projekt teil. Die große Zahl zeugt davon, dass Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und auch Eltern positiv auf dieses Programm reagieren. Das besondere Kennzeichen ist eben, dass auch Eltern mit einbezogen werden.
Das zweite im Antrag genannte Projekt firmiert unter dem Titel „Erwachsen werden“. Es ist ein aus den USA übernommenes Programm, das seit 1997 in einer deutschen Fassung und auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten vorliegt. Es fördert soziale und kommunikative Kompetenzen und die Erweiterung der Handlungskompetenz. Lehrerinnen und Lehrern zeigt es, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler beim Erwachsenwerden begleiten können, wie sie ihnen Orientierung geben und als Bezugspersonen und Vorbilder der Jugendlichen Akzeptanz und Gehör finden können.
Beide Programme haben sich so positiv entwickelt, dass die SPD-Fraktion es wünschenswert findet, sie allen Schulen zugänglich zu machen. Wir erhoffen uns die Zustimmung des gesamten Hauses zu diesem Antrag. Für Frau Litfin, die im Moment als Präsidentin fungiert, kann ich schon sagen, dass sie sich meinen Worten anschließt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Übereinstimmung zwischen den Fraktionen hat eine kurze Beratung und eine schnelle Beschlussfassung ermöglicht. Wir freuen uns sehr darüber, dass es nun möglich wird, dass beim nächsten Sozialen Tag niedersächsische Schülerinnen und Schüler - ich hoffe - in großer Zahl beteiligt sein werden. Der nächste Soziale Tag ist im
Jahr 2002. Es ist also zu schaffen, und das Kultusministerium steht ja auch schon bereit, alles zu regeln, was dazu nötig ist. Mit dem Erlös eines Sozialen Tages unterstützen junge Menschen konkrete Projekte für junge Menschen in BosnienHerzegowina und im Kosovo und helfen so mit, anderen jungen Menschen wieder Leben zu ermöglichen.
Vor nicht so langer Zeit - ich glaube, es war der Freizeitforscher Opaschewski - gab es eine Untersuchung über die Wertehaltung von jungen Menschen. Bei dem Begriff "Helfen" kam heraus, dass sehr viele junge Menschen sagen: Helfen macht keinen Spaß. Vielleicht ist der Soziale Tag eine Möglichkeit, diesen Wert wieder nach vorne zu bringen und zu dem zu machen, was er für unsere Gesellschaft bedeutet und damit diese Haltung, nämlich anderen helfen zu können, auch zu einem Grundfaktor für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu machen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Hierarchie der Bildungsgänge hat sich der Realschulabschluss zu dem Schulabschluss entwickelt, den Eltern und Jugendliche als beste Grundlage für den Einstieg in eine erfolgreiche berufliche Erstausbildung ansehen. Da sind wir uns einig.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, die Anforderungen der Betriebe und das Schulwahlverhalten der Eltern. 40 % eines Jahrgangs - Sie haben es schon gesagt - streben den mittleren Bildungsabschluss an. Diesen Trend möchte die SPD unterstützen und fördern. Denn wir brauchen in allen wirtschaftlichen Bereichen diese Ausbildungsgrundlage. Aber wir möchten auch, dass junge Menschen genau diese Bildungsgrundlage haben, um ihr Leben überhaupt bestehen zu können.
Uns geht es um den qualifizierenden Schulabschluss. Darum wollen wir die Schule auch weiterentwickeln, und zwar zeitgemäß weiterentwickeln.
Deswegen diskutieren wir über eine neue Schulstruktur, sprechen wir über Haupt- und Realschulen unter einem Dach und stellen uns vor, dass dies zu Verbünden von lockerer Kooperation, zu Schulform übergreifenden Lerngruppen in einzelnen Fächern
bis hin zur Verschmelzung in einem integrierten System führen kann. Alle diese Möglichkeiten kann es geben.
Wir befinden uns dabei natürlich im Einklang mit der Kultusministerkonferenz, die 1993 festgelegt hat: Die Schularten im Sekundarbereich I umfassen jeweils einen oder mehrere Bildungsgänge. Das heißt, eine Schulart kann alle Abschlüsse der Sekundarstufe I vergeben.
Niedersachsen soll auch nach unserer Meinung Realschulland bleiben, und zwar in dem Sinne, dass der Realschulbildungsgang in allen Teilen des Landes von vielen Jugendlichen erreicht werden kann.
Wenn die CDU-Fraktion fordert, Niedersachsen solle Realschulland bleiben, so verwendet sie einen Bildungsgang synonym zu einer Schulart. Ist das eigentlich eine Negierung der bereits bestehenden Haupt- und Realschulen unter einem Dach? Wenn ja, dann empfinde ich das als Missachtung der sehr engagiert arbeitenden Lehrkräfte
und auch als Missachtung der Leistung der dort lernenden Schülerinnen und Schüler mit einer Hauptschulempfehlung.
Wenn wir uns den CDU-Antrag zur Stärkung der Hauptschule in Erinnerung rufen, in dem Sie einen nur an der Hauptschule zu erwerbenden Abschluss gefordert haben, wird überdeutlich: Die CDU will weiterhin in der Dreigliedrigkeit des Schulsystems den Stein der Weisen sehen
und die Durchlässigkeit, die in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, anscheinend am liebsten rückgängig machen. „Isolieren statt kooperieren“ scheint die CDU-Devise zu sein. Ich frage mich: Warum sind Sie so ideologieverhaftet? Warum gehen Sie nicht viel pragmatischer an den Vorschlag Sekundarschulen heran? Sie wissen doch, dass in Niedersachsen fast die Hälfte aller Realschul-spezifischen Bildungsgänge bereits jetzt in Verbundsystemen angeboten werden. Nur dadurch können wir doch Realschulland sein.
Die Zusammensetzung der Schülerschaft hat sich nicht nur in den bestehenden Verbundsystemen von Haupt- und Realschulen verändert, sondern genau so an den selbständigen Realschulen. Die Realschule hat ihre traditionelle Schülerpopulation an das Gymnasium abgegeben. Das ist eine nicht aufzuhaltende Entwicklung. Trotz der nachströmenden Schülerinnen und Schüler aus der Hauptschule ist es den Kollegien gelungen, erfolgreich Realschul-spezifische Bildungsinhalte zu vermitteln.
Bitte!
Ja. Das habe ich auch erläutert.
Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe: Es gibt mehrere Möglichkeiten: von locker kooperierenden Schulen über Schulen, die in einigen Fächern stärker kooperieren, bis hin zur Verschmelzung. Alles das kann es geben.
- Wenn Sie mir weiter zuhören, wird Ihnen vielleicht noch einiges klar.
Die Anforderungen in den Ausbildungsberufen sind gestiegen.
- Das kommt jetzt, Herr Klare, wenn Sie zuhören, weshalb es unserer Meinung nach nicht so bleiben kann, wie es ist. - Die Anforderungen in den Ausbildungsberufen sind gestiegen. Hautschülerinnen und Hauptschüler haben immer weniger Chancen, einen Beruf ihrer Wahl zu ergreifen oder überhaupt eine Ausbildungsstelle zu erhalten.
Zu viele besuchen nach dem Hauptschulabschluss eine weitere Vollzeitschule, um ihre Chancen zu verbessern. In Wolfsburg - da habe ich eine Zahl parat - hat nur jeder zehnte Hauptschüler das Glück, direkt eine Lehrstelle zu erhalten.
Ein „schärferes Profil“ der Hauptschule, wie Sie es fordern, wird daran aber nichts ändern. Ihre Rück
wärtsgewandtheit hilft den Hauptschülerinnen und Hauptschülern überhaupt nicht.
Sie hilft ebenfalls nicht den Lehrerinnen und Lehrern, deren Arbeit vor allem an Hauptschulen im städtischen Umfeld immer frustrierender und auch schwieriger wird. Ihr Modell einer sich abschottenden Realschule ist nicht zukunftsfähig.
Auch wenn Ihre Absichten vom VDR unterstützt werden, meine ich doch, der VDR ist bei den Kollegien in den Realschulen noch nie als Speerspitze von Modernisierung empfunden worden.
Die Realschulen haben jetzt einen Brief erhalten mit der Aufforderung, Petitionen zum Erhalt der Realschule einzureichen, unterschrieben von Herrn Wulff. Das ist, meine ich, eher ein Appell an Standesdenken und verhindert die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Modell „Hauptschule und Realschule unter einem Dach“. Denn nichts anderes meint der Begriff „Sekundarschule“. Es geht doch nicht um die Abschaffung der Realschule, sondern um die Weiterentwicklung von Schule, die sich an den Zukunftschancen von Schülerinnen und Schülern und damit an den Vorgaben sich verändernder beruflicher Qualifikationen orientieren muss. Sekundarschulen ermöglichen ein differenzierteres Eingehen auf Stärken und Schwächen der Schülerschaft durch Schulform übergreifenden Unterricht. So wollen wir die Ausbildungsreife der Hauptschülerinnen und Hauptschüler heben, ohne das Niveau im Realschulzweig zu senken.
Sekundarschulen verhindern die von manchen Kindern traumatisch erfahrene Abschulung, weil sie den Schulformwechsel ohne Schulwechsel ermöglichen. Ich meine, es ist ein großes Problem, an dem wir oftmals achtlos vorübergehen, wie sehr Kinder leiden, wenn sie in der siebten Klasse der Realschule nach dem ersten Halbjahr oder am Ende des Jahres erfahren: Ihr geht zurück.
Fachlehrkräfte und Fachräume können in der Sekundarschule effektiver eingesetzt und positive Eigenarten von Hauptschule bzw. Realschule können übernommen werden.
Sekundarschulen verhindern auch die Entstehung von Zwergschulen und dienen der Stabilisierung und Weiterentwicklung eines wohnortnahen Bildungsangebots,
ohne Rieseneinheiten bilden zu müssen, die die pädagogische Arbeit und das soziale Miteinander behindern.
- Eine Menge! Das ist eine tolle Frage; denn ich meine, jeder Mensch hat das Recht, seinen Begabungen entsprechend gefördert und gefordert zu werden.
Ich bin davon überzeugt, dass dies in einer kooperierenden Haupt- und Realschule besser möglich ist.
Die Erfahrungen, die in diesen Einheiten gemacht werden, sind sehr gut.
Ich habe mehrmals von der Entwicklung der Schulstruktur gesprochen. Der SPD-Fraktion ist es mit dieser Entwicklung ernst. Deswegen werden wir eine Kooperation zwischen Realschule und Hauptschule nicht aufoktroyieren und schon gar nicht eine Verschmelzung aufoktroyieren. Eingebunden in regionale Gegebenheiten wollen wir es Schulträgern, Eltern und Lehrerschaft vor Ort überlassen, ob sie Verbundsysteme bilden wollen. Die Richtung wollen wir allerdings vorgeben, und dabei wollen wir nach vorne schauen und nicht rückwärts, wie Sie das tun und wie Ihr Antrag erkennen lässt.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion unterstützt den von Frau Pothmer eingebrachten Antrag, und sie unterstützt ihn gern.
Wer in den Medien die Berichte über den Sozialen Tag in Hamburg und Schleswig-Holstein verfolgt hat, wird beeindruckt gewesen sein von dem Engagement und der Tatkraft junger Menschen – Engagement und Tatkraft, mobilisiert für ein politisches Ziel, nämlich beizutragen zur Versöhnung der ethnischen Gruppen in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Wir möchten, dass niedersächsische Schülerinnen und Schüler am nächsten Sozialen Tag teilnehmen können - freiwillig und in der Regie des Vereins „Schüler Helfen Leben“. Die Durchführung des Sozialen Tags in SchleswigHolstein und Hamburg hat eine Menge Vorarbeit verlangt. Wenn niedersächsische Schulen die Möglichkeit haben sollen, beim nächsten geplanten Sozialen Tag im Jahr 2002 teilzunehmen, müssen wir uns sputen. Das heißt: Eine zügige Beratung ist notwendig. Außer den rechtlichen Voraussetzungen und dem rechtzeitigen Rühren der Werbetrommel in Lehrerkollegien und bei den Schülerinnen und Schülern ist eine gut vorbereitete logistische Meisterleistung notwendig, bis jeder Jugendliche einen Tagesjob gefunden hat. Dies ist eine gewaltige Herausforderung für den Verein „Schüler Helfen Leben“ und braucht Zeit.
In der Presse wurde über den letzten Sozialen Tag z. B. unter den Überschriften „Arbeiten statt Unterricht“ oder „Maloche statt Pauke“ berichtet. Richtiger scheint mir die Bezeichnung zu sein, die die Schulbehörde Hamburg gefunden hat, nämlich:
Tag des Unterrichts in Projektform. - Das ist deshalb richtiger, weil dadurch der Zusammenhang des Projekts „Schüler Helfen Leben“ mit den Bildungszielen von Schule deutlich gemacht wird. Daraus ergibt sich auch die Rechtfertigung für den notwendigen Unterrichtsausfall. Der Anspruch, dass Schule einen Zusammenhang zur Lebenswirklichkeit herstellen muss, um Lebenserfahrung zu ermöglichen, und dass Schüler und Schülerinnen mit Elementen des Lebensernstes konfrontiert werden sollen, wird bei der Durchführung eines Sozialen Tages erfüllt. Öffnung von Schule in die Gesellschaft hinein kann in sehr unterschiedlicher Form realisiert werden. In diesem Fall geschieht es auf eine Weise, die die Selbständigkeit von jungen Menschen fördert, sie den Nutzen von gemeinnützigem Engagement erleben lässt, ihnen einerseits den Einsatz ihrer Fähigkeiten und Kompetenz ermöglicht und sie andererseits Fähigkeiten und Kompetenz erwerben lässt. Die Hauptsache ist, dass Jugendliche feststellen können: Durch Handeln, durch Tätigsein lässt sich etwas erreichen, etwas verändern. – Diese Art des Lernens ist nur in der Praxis, nicht im Unterricht möglich, kann sich aber durchaus positiv auf den Unterricht auswirken.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf eine weitere Auswirkung des Sozialen Tages im engeren Umfeld hinweisen. – Diese Aktion kann nur gelingen, wenn den Schülerinnen und Schülern geeignete Tagesjobs zur Verfügung gestellt werden geeignet auch in dem Sinne, dass notwendige Arbeiten erledigt werden. Betriebe, Verwaltungen und Privathaushalte sind also aufgerufen, ihren Teil beizutragen. Ich könnte mir vorstellen, dass in einer Gemeinde oder in einer Stadt eine besondere Atmosphäre von Solidarität für Schülerinnen und Schüler und durch sie für Menschen in Krisengebieten entstehen kann. Ich würde mir wünschen, dass beim ersten Sozialen Tag in Niedersachsen auch jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt; ich jedenfalls wäre gern dabei.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag „Mobile Angebote für Multimedia und Internet im ländlichen Raum“ wurde teilweise schon gestern in die Diskussion über den Antrag zur Förderung der Medienwirtschaft einbezogen, weil die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Hilfe eines Änderungsantrages beide Anträge miteinander verknüpfen wollte. Das fand gestern keine Zustimmung bei der SPDFraktion, und ich möchte das heute bekräftigen; denn den jetzt in Rede stehenden Antrag wollen wir ebenfalls nicht durch den Änderungsantrag der Grünen ersetzen, und zwar deswegen, weil unser Antrag, wie es in der Überschrift heißt, auf mobile Angebote für Multimedia und Internet zielt, um eine gute Erreichbarkeit auch in der Fläche zu ermöglichen und weil er ganz parteilich Mädchenund Frauenförderung beabsichtigt. Ich meine, das ist eine klare Aussage.
Den in der Beratung erhobene Vorwurf, der Antrag sei weder Fisch noch Fleisch, möchte ich zurückweisen. Der Antrag mag vielleicht Fisch sein, vielleicht mag er Fleisch sein, wobei ich im Moment Fisch bevorzugen würde. Aber sicherlich ist er nicht weder Fisch noch Fleisch.
Die Fähigkeit zur Nutzung von Multimedia und Internet wird auch im Alltag eine immer größere Bedeutung erlangen. Der Umgang mit E-Mail, Online-Diensten, z. B. Online-Banking, und mit Daten aus dem Netz wird selbstverständlich, wird also eine Schlüsselqualifikationen werden, wenn er es nicht bereits ist.
Anliegen des Antrages ist es, Maßnahmen von der Landesregierung einzufordern, die der Entstehung gesellschaftlicher Ungleichheiten im Bereich Multimedia und Internet entgegenwirken. Mädchen und Frauen, besonders wenn sie in ländlichen Gebieten wohnen, bilden eine Bevölkerungsgruppe, die stärker als andere gefördert werden muss, wenn sie das Internet in gleicher Weise nutzen soll wie andere. Im ländlichen Raum gehören das
Internetcafé, die Frauencomputerschulen, der frauenspezifische PC-Kurs nicht zu den Einrichtungen, die flächendeckend vorhanden und schnell und problemlos erreichbar sind. Eine zusätzliche Hürde entsteht dadurch, dass sich technische Produkte und Dienste in Sprache, Produktankündigung und Beschreibungen immer aufs Neue an den Technikfreaks orientieren und nicht an den Normalverbraucherinnen. Dieser Umstand sorgt dafür, dass sich zu wenige Frauen den konkreten individuellen Nutzen des Internets erarbeiten. Das trifft auch auf Frauen zu, die im Beruf mit EDV und PC umgehen.
Es bedarf also besonderer und nach allen Erfahrungen geschlechtsspezifischer Angebote für Mädchen und Frauen, um ihnen den selbstbewussten und selbstverständlichen Umgang mit Computertechnik und die Nutzung des Internets zu ermöglichen.
Mobile Angebote mit spezifischen Konzepten sind eine Möglichkeit, Frauen und Mädchen wohnortnah das nötige Grundwissen zu vermitteln und Erfahrungen im Umgang mit dem Internet sammeln zu lassen. Einführungsseminare, kurze Schnupperkurse, der Erwerb des Internetführerscheins oder die Nutzung als Internetcafé - diese Vielfalt kann angeboten werden, wenn zur Hardware geschultes Personal hinzukommt, das in der Lage ist, spezifische Mädchen- und Frauenzugänge zu entwickeln. Auch Volkshochschulen, Frauenbeauftragte, Jugendzentren z. B. könnten damit ihre Programme ausweiten und neue Bevölkerungskreise hinzugewinnen.
Mit Hilfe solcher Angebote könnte all das erreicht werden, was auch in der Ausschussdiskussion angesprochen wurde, nämlich Hemmschwellen gegenüber Multimedia und Internet zu senken, Interesse für die individuelle Nutzung zu wecken, das Berufswahlspektrum zu erweitern, Chancen beim Finden eines Ausbildungsplatzes bzw. beim Wiedereinstieg in den Beruf zu erhöhen.
Uns geht es mit diesem Antrag um die Förderung von Mädchen und Frauen im ländlichen Raum. Ich meine, er ist konkret genug, um ihn umsetzen zu können und Teil der niedersächsischen Multimediainitiative werden zu lassen. - Ich danke für‘s Zuhören.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lernen, Lehren, Arbeiten und Kommunizieren verändern sich durch die Nutzung und den Nutzen der neuen Medien. Medienkompetenz gewinnt in der sich entwickelnden Informationsgesellschaft zusehends an Bedeutung als berufliche Qualifikation und als Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe.
Wegen der damit verbundenen grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen ist auch ein Landtag in der Pflicht, von Anfang an für gleichberechtigte Partizipation zu sorgen. Anliegen des SPD-Antrags ist es, Maßnahmen von der Landesregierung einzufordern, die Mädchen und Frauen im ländlichen Raum den Zugang zu Multimedia und Internet erleichtern und zum Umgang mit den neuen Medien ermuntern.
Beim Zugang zu Multimedia und Internet gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen sind
im Internet deutlich unterrepräsentiert. Noch immer ist der typische Online-Nutzer jung, gebildet, berufstätig und männlich. Eine Ursache für die schwache Beteiligung von Frauen findet sich darin, dass es nach wie vor ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu den Netzen für Frauen und Männer gibt. Beispielsweise besitzen Frauen deutlich weniger Computer als Männer. Das hat sicherlich damit zu tun, dass sie weniger Erfahrung mit den technischen Strukturen haben, um Computerprogramme entsprechend zu installieren, aber auch damit, dass Frauen häufiger als Männer die Zeit, die nötig ist, um sich surfend im Netz treiben zu lassen, als verschwendete Zeit betrachten.
Der Zugang zum Internet geht oft über den Beruf. Es sind jedoch nicht nur weniger Frauen erwerbstätig als Männer, sondern sie sind vor allem in höheren Positionen unterrepräsentiert, in denen ein Internet-Zugang inzwischen zum Statussymbol geworden ist. Auch bekommen Mädchen seltener als Jungen von ihren Eltern einen Computer geschenkt. Nach wie vor greift die stereotype Gleichsetzung von Technik mit Männlichkeit.
Allein in den letzten drei Jahren sind in der Informationswirtschaft ca. 100.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Schätzungen zufolge können allein im Multimediabereich bis zum Jahr 2002 bis zu 370.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber Frauen haben zurzeit an der Zahl der Auszubildenden in den vier wichtigsten neuen Informationstechnologieberufen einen Anteil von nur gut 13,5 %. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Studienfachwahl. Ich brauche das wohl nicht alles zu erläutern; das ist bekannt.
Durch den geringen Anteil von Frauen an der Entwicklung und Gestaltung technischer Produkte und Dienste orientieren sich Sprache, Produktankündigung und Beschreibung immer aufs Neue an den Technikfreaks und nicht an der Normalverbraucherin. So bleiben Hürden bestehen, anstatt abgebaut zu werden, und der konkrete Nutzen des Internets wird von zu wenigen Frauen erfahren. Für sie ist es daher häufig nicht einsichtig, warum sie zusätzlichen Lernaufwand, Energien und Kosten in die Anschaffung zusätzlicher Geräte, von Hard- und Software stecken sollen.
Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise an Technik und unterschiedlicher Interessen im Einsatz von Technik findet innerhalb der Familien kaum ein Wissenstransfer bei der Nutzung der elektronischen Medien statt. Väter, Ehemänner,
Lebenspartner oder Kinder, die sich selbst das Internet durch learning by doing erschlossen haben, sind in der Regel nicht die geeigneten Vermittler für einen Einstieg von Frauen, Partnerinnen oder Müttern in die elektronischen Netze. Es bedarf also besonderer und nach allen Erfahrungen monoedukativer Angebote für Mädchen und Frauen, um ihnen den selbstbewussten und selbstverständlichen Umgang mit Computertechnik und Internet zu ermöglichen
Die Bundesregierung hat aus diesem Grund gemeinsam mit der Deutschen Telekom, der Bundesanstalt für Arbeit und der Zeitschrift „Brigitte“ die Aktion „Frauen ans Netz“ initiiert, um den Zugang der Frauen zum Internet zu verbessern, sie mit der Nutzung vertraut zu machen und zu qualifizieren. Durch die Aktion soll erreicht werden, dass neben gut ausgebildeten, berufstätigen Frauen insbesondere Frauen mit geringen Zugangsmöglichkeiten zur Computertechnik, Frauen in der Familienphase und Frauen mit derzeit geringen Arbeitsmarktchancen den Nutzen des Mediums Internet erkennen und dies sinnvoll für ihre zukünftige Aus- und Weiterbildung nutzen lernen.
„Frauen ans Netz“ ist seit dem Start im Herbst 1998 ein riesiger Erfolg: 1,6 Millionen Zugriffe auf die Homepage, 235.000 telefonische Anfragen und 2.000 Kurse mit 33.000 Teilnehmerinnen an 101 Standorten. Die Internet-Einstiegskurse von Frauen für Frauen haben einen Internet-Boom bei Frauen ausgelöst. Im letzten Jahr wurde der stärkste Anstieg bei der Internet-Beteiligung von Frauen überhaupt registriert.
Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Zugang zu Multimedia und Internet ist auch räumlich gesehen deren tatsächliche Verfügbarkeit nicht überall gleich. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Stadt-Land-Gefälle besteht. Die Landesregierung fördert bereits einige kleine Frauenprojekte im ländlichen Raum. Das ist ein Anfang, aber nicht genug. In Städten gibt es mittlerweile EDV-Schulungen für Mädchen und Frauen, die beispielsweise von Frauencomputerschulen durchgeführt werden. Auch besteht die Möglichkeit, ein Internet-Café zu besuchen. Im ländlichen Raum fehlen überwiegend solche Einrichtungen, sodass dort Mädchen und Frauen in erreichbarer Nähe kaum öffentliche Zugangsmöglichkeiten zum Internet haben. Wie schwer es ist, im Nachhinein die Folgen von gesellschaftlichen Ungleichheiten zu beseitigen, wissen wir aus vielen Bereichen. Im Bereich Multimedia und Internet kann noch recht
zeitig Chancengleichheit hergestellt werden. Das ist auch Absicht dieses Antrags.
Nach einer am 23. August 2000 von der Initiative „D 21“ vorgestellten Studie „Digitale Spaltung in Deutschland“ droht einem Viertel der deutschen Bevölkerung auf absehbare Zeit ein Ausschluss von der Nutzung des Internets. Von Ausgrenzung betroffen seien vor allem benachteiligte Bevölkerungsgruppen, zu denen die Autoren neben Menschen mit gering qualifizierender Schulbildung auch Arbeitslose, Seniorinnen und Senioren, Frauen sowie die Bewohnerinnen und Bewohner ländlicher Gebiete zählen. Diesen Kreisen drohe im Prozess der digitalen Spaltung die Verliererrolle, da der Fähigkeit zur Nutzung von Computern und Internet im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben wachsende Bedeutung zukommen werde. Nur im Zusammenspiel - so heißt es in dieser Studie weiter - von Bundesregierung, Landesregierung, öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen kann dieser Trend zur digitalen Spaltung gebrochen werden.
Daher fordert die Fraktion der SPD die Landesregierung auf, auf die Vermittlung medialer Kompetenz unter besonderer Berücksichtigung des frauenspezifischen Zugangs zu neuen multimedialen Technologien sowie der dazugehörenden Nutzungsformen zu achten und das Ziel der gleichberechtigten Partizipation von Mädchen und Frauen zu gewährleisten. Ferner fordern wir sie auf, durch mobile Internet-Angebote wie Internet-Bus oder mobiles Internet-Café Mädchen und Frauen im ländlichen Raum den Zugang zu Multimedia und Internet zu erleichtern. Durch mobile Maßnahmen, die im ländlichen Raum speziell für Mädchen und Frauen ein Internet-Angebot unterbreiten, sollen insbesondere Neugierde und Interesse an den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geweckt und Selbstvertrauen im Umgang mit Computern und neuen Medien gestärkt werden. Darüber hinaus wäre ein InternetFührerschein wünschenswert, der die Teilnahme an den Kursen zertifiziert und Grundkenntnisse dokumentiert. So könnten das Berufswahlspektrum und das Berufswahlverhalten von Mädchen erweitert sowie die Zugangschancen von Frauen zu den zukunftsträchtigen multimedialen Bereichen der technischen Berufe verbessert werden.
Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es nicht nur der Bereitstellung von rollenden PCs und InternetAnschlüssen, sondern auch einer pädagogischen Begleitung und Motivation. Mädchen und Frauen
müssen ermuntert werden, mit den neuen Medien umzugehen. Nur wer mit ihnen umgehen kann, kann sie für seine beruflichen und privaten Interessen einsetzen und sich in der Informationsgesellschaft vor Ausgrenzung bewahren.
Ich meine, dass die anderen Fraktionen diesen SPD-Antrag guten Gewissens unterstützen können, und hoffe darauf. Außerdem beantrage ich, dass die Federführung bei diesem Antrag dem Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen übertragen wird und der Ausschuss für Medienfragen als mitberatender Ausschuss benannt wird.