Gabriele Sikora
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vorredner hat schon vieles von dem gesagt, was ich sagen wollte. Gestatten Sie mir aber noch ein paar kurze Ausführungen.
Ich kenne die Diskussion um den newPark seit seinen Anfängen. Der Anstoß ging von der IHK Nord Westfalen aus. Die vorige Landesregierung hatte eine Studie in Auftrag gegeben, wie mit einem flächenintensiven industriellen und gewerblichen Projekt nicht nur innovativ gearbeitet, sondern auch in den europäischen Wettbewerb getreten werden kann. Kollege Hovenjürgen hat eben schon darauf hingewiesen: Die Ansiedlung von BMW nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern in Leipzig war dabei einer der Ansatzpunkte.
Er sprach eben die 73.000 Sozialhilfeempfänger im Kreis Recklinghausen an. Ich will das noch erweitern: Es ist nicht zu verdenken, dass sich der Emscher-Lippe-Raum gerade unter diesen harten Fakten zukunftsfähig aufstellen und ein solches überregionales Projekt auflegen möchte, erst recht vor dem Hintergrund der immensen Arbeitsplatzverluste im Kreis Recklinghausen und der gesamten Emscher-Lippe-Region. Der Verlust beziffert sich auf weit über 100.000 Arbeitsplätze. Der Vollständigkeit halber sei nur angemerkt, dass in den kommenden Jahren weitere 10.000 Arbeitsplätze alleine durch den Bergbau im Emscher-Lippe-Raum verloren gehen werden.
Die Arbeitsmarktregion Recklinghausen hat aktuell die zweitwenigsten Arbeitsplätze in Deutschland im Vergleich zur erwerbsfähigen Bevölkerung. Sie ist die Region in Nordrhein-Westfalen mit der höchsten Pendlerquote. Nur jeder Dritte hat einen Arbeitsplatz im Kreisgebiet. Das macht den Druck deutlich, unter dem die Städte und die gesamte Region stehen.
Kollege Hovenjürgen hat auch auf die Berechnung des RVR hingewiesen, sodass ich mir Aussagen dazu ersparen kann. In der Tat ignoriert Ihr Antrag, Herr Priggen, völlig die Qualifizierung der Flächen in Form einer Nutzbarkeit.
Irritiert hat mich an Ihrem Antrag, dass Sie auf Grundstückspreise eingehen. In den Ausführungen wird ein Grundstückspreis genannt und von „inoffiziellen Äußerungen von regional involvierten Akteuren“ gesprochen. Die sollten Sie lieber nicht zitieren. Das klingt so, als wenn Sie einen kennen, der wie
derum einen kennt, der vielleicht von jemandem etwas gehört hat, der das auch gehört haben könnte. Das sind Gerüchte und keine Fakten.
Die SPD-Landtagsfraktion stützt die Region Emscher-Lippe in ihrem Wollen und lehnt den Antrag ab.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige Zuschauer sind noch auf den Rängen. – Die Diskussion um die EUStrukturpolitik nach 2013 ist vollends entbrannt, und zwar sowohl auf europäischer als auch auf nationaler wie auch auf regionaler Ebene, nicht zuletzt losgelöst durch den Entwurf eines zukünftigen EUFinanzrahmens. Den hatte im vorigen Jahr EUKommissionspräsident Barroso vorgelegt und damit das Signal ausgesandt, dass die EU-Agrarpolitik mit 42 % des EU-Haushalts festgeschrieben werden soll, aber die Regionalförderung in den bisherigen Ziel-2-Gebieten, zu denen seit 1989 auch Nordrhein-Westfalen gehört, zugunsten von anderen Aufgaben quasi zum Einsparpotenzial gehört.
An diesem Punkt sei der Vollständigkeit halber bemerkt, dass die Kohäsionspolitik der EU, zu der auch die Ziel-2-Förderung gehört, bisher ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht. Aufgrund der sehr heftigen Reaktionen erklärte Kommissionspräsident Barroso seinen Entwurf sehr schnell für nichtig und wies darauf hin, dass die neue Kommission nun bis Frühjahr den EU-Finanzrahmen überprüfen und dabei gleichzeitig einen Vorschlag ihrer zukünftigen politischen Schwerpunkte vorlegen wird. Darauf dürfen wir sehr gespannt sein.
Die Finanzplanung wird noch nicht unter spanischer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr dieses Jahres verabschiedet werden. Dies sieht das Arbeitsprogramm der spanischen Präsidentschaft nicht vor, wie die Mitglieder des Hauptausschusses am 21. Januar vom spanischen Botschafter erfahren konnten. Interessant war aber, von ihm zu hören, welche zusätzlichen Aufgaben die spanische Ratspräsidentschaft formuliert hat. Auf einem europäischen Gipfel im März soll es um das Thema „Energie 2010“ und auf einem Sondergipfel im Mai um den Mittelmeersolarplan gehen, nach dem zum Beispiel Solarstrom aus Algerien über Spanien fließen soll. Dafür werden EU-Fördermittel erwartet, genauso wie auch Fördermittel für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU mit Lateinamerika in der Größenordnung von 100 Millionen € erwartet
werden. Dieses Beispiel belegt eindringlich, wie sich EU-Länder im Hinblick auf die künftige EUStrukturpolitik positionieren.
Wie haben sich nun die Bundesländer und Deutschland bisher positioniert?
Die Wirtschaftsminister und Europaminister der Bundesländer reagierten auf den Barroso-Vorstoß mit einer gemeinsamen Stellungnahme, Frau Wirtschaftsministerin. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben ihre Position am 16. Dezember in einem gemeinsamen Eckpunktepapier festgelegt. Sie erwarten auch nach 2013 eine EU-Regionalförderung für die Regionen, die in einem intensiven wirtschaftlichen Anpassungsprozess stehen – so als grobe Formel ausgegeben.
In dieser Woche nun haben wir alle in unseren Postfächern die Information des Chefs der Staatskanzlei vorgefunden: einen Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam mit der Bundeskanzlerin zur Konsultation über die zukünftige EU-Strategie bis 2020. Eine der Aussagen in dem Beschluss lautet: Auch über 2013 hinaus muss der Einsatz der europäischen Strukturfonds in allen Regionen erfolgen. – So gut, so schön.
Wie sich der Bundesfinanzminister bezüglich eines neuen Finanzrahmens für die EU positioniert, ist bisher noch rätselhaft. Der neue Finanzrahmen wird, wenn überhaupt, während des zweiten Halbjahres unter belgischer Präsidentschaft entschieden werden. Unabhängig vom künftigen Finanzrahmen ist es aber wichtig, dass NRW gemeinsam mit den Regionen, die bisher eine Ziel-2-Förderung bekommen haben, ihre Interessen proaktiv frühzeitig in die Kommission hinein kommuniziert.
Wie erfolgreich ein solches Vorgehen ist, hat die vorige Landesregierung beeindruckend unter Beweis gestellt. So stehen für Nordrhein-Westfalen in der aktuellen Förderperiode 1,28 Milliarden € Ziel-2EFRE-Mittel zur Verfügung und 684 Millionen € ESF-Mittel.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen Blick auf die Umsetzung des EU-Ziel-2-Programms in Nordrhein-Westfalen. Ich zitiere aus dem Bericht von Wirtschaftsministerin Thoben, den sie dem Wirtschaftsausschuss am 21. Januar vorgelegt hat:
Bis zum 31. Dezember 2009 wurden für die bisher bewilligten Projekten nur 208 Millionen € ausgezahlt.
Zwar konnte ein Mittelverfall verhindert werden, jedoch weisen die Zahlen auf eine insgesamt zu langsame Umsetzung der bewilligten Projekte in den Regionen NRWs.
Mit anderen Worten: Die für 2008 eingeplanten, aber nicht bis 2010 verausgabten EU-Strukturfondsmittel würden verfallen, was verheerend für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, aber ganz besonders für die Wirtschaft in strukturschwachen Regionen Nordrhein-Westfalens wäre. Dafür trüge dann die Landesregierung die Verantwortung.
Übrigens sei darauf hingewiesen, dass 33 Millionen € alleine für die Organisation und Durchführung der Wettbewerbe und des Cluster-Managements im NRW-Programmschwerpunkt II vorgesehen sind.
Meine Damen und Herren, aus den Defiziten der aktuellen EU-NRW-Ziel-II-Programmförderung haben wir natürlich Konsequenzen für eine Neuausrichtung des Programms für die neue Förderperiode gezogen. Wir wollen eine aktive Strukturpolitik als Leitprogramm 1, die das Ausgleichsziel als Schwerpunkt hat und das Partnerschaftsprinzip wieder einführt. Dabei gilt es natürlich, die Zugangshürden zu den EU-Strukturfonds deutlich zu senken. Denn die Mittel müssen dort wieder ankommen, wo sie am nötigsten sind.
Unser zweites Leitprogramm soll die LissabonKriterien verfolgen und den bisherigen Wettbewerbscharakter natürlich unter deutlich verbesserten Rahmenbedingungen aufnehmen.
Der ausgeschiedene, für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Samecki hatte ein Orientierungspapier zur Regionalpolitik vorgelegt, das Rückschlüsse auf das Denken innerhalb der Kommission zulässt. An etlichen Punkten finden wir uns mit unseren Überlegungen wieder.
Ihm schwebt eine Konzentration auf einige Prioritäten mit einer engen Verzahnung der LissabonStrategie vor. Strukturell rückständige Gebiete sollten so gefördert werden, dass eine volle Ausschöpfung ihrer Binnenmarktpotenziale möglich werde. Neu ist der Vorschlag, den Globalisierungsfonds mit der Regionalpolitik zu verknüpfen, was nachvollziehbar ist, wie auch die Förderung der ländlichen Entwicklung von der Agrarpolitik zu trennen und mit der Regionalpolitik zusammenzuführen. Diese Überlegung finden Sie auch in unserem Antrag wieder.
Daneben ist aber auch eine Verzahnung mit dem europäischen Forschungsrahmen sinnvoll. Darin sind wir mit Europaminister Krautscheid – er ist nicht mehr im Raum – einer Meinung. Das Forschungsprogramm soll Exzellenz in Europa fördern. Es muss aber durch technologische Breitenförderung im Rahmen der EU-Strukturfonds ergänzt werden.
Bezüglich des regionalen Ansatzes, der auf die Bedürfnisse und Potenziale vor Ort zugeschnitten ist, mit lokalen Akteuren aus Wirtschaft, Forschung
und Kommunen sind wir auch einer Meinung mit Minister Krautscheid. Das legt bei uns die Vermutung nahe, dass die partielle Übereinstimmung vielleicht auch dazu führen kann, dass die Koalitionsfraktionen unserem Antrag zustimmen werden. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Einrichtung Einheitlicher Ansprechpartner in unserem Land. Zur Notwendigkeit der Umsetzung hat Frau Ministerin bereits etwas gesagt.
Für diesen Gesetzentwurf hat die Landesregierung sehr lange Zeit benötigt. Das könnte die Hoffnung nähren: Was lange währt, wird endlich gut. Doch davon sind wir noch weit entfernt.
Gestatten Sie mir eine kurze zusammenfassende Rückbetrachtung. Eine von uns geforderte und dann im Hauptausschuss durchgeführte Anhörung zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie unter Teilnahme von kommunalen Spitzenverbänden, der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, des Verbands Freier Berufe, des DGB und der Wissenschaft offenbarte:
Die Landesregierung hat Fallbeispiele für den Einheitlichen Ansprechpartner durchdeklinieren lassen, auf die sich vorher die kommunalen Spitzenverbände und die Kammern verständigt hatten. Das Ergebnis war, dass die Kommunen zu 100 % mit den Anfragen von Dienstleistern aus den EU-Ländern zu befassen waren, die Kammern mit einem weit geringeren – wenn ich es recht in Erinnerung habe – Prozentsatz von 60 %. – Das legt nun den Schluss nahe, dass die Kommunen die eigentlichen Einheitlichen Ansprechpartner sein müssten.
Doch weit gefehlt. Durch Nachfragen bei der Anhörung gaben die Kammern zu erkennen, dass ihnen von der Landesregierung quasi schon vorab signalisiert worden sei, sie würden es wohl werden. Das hat in der Tat alle Teilnehmer der Anhörung sehr verwundert und die Regierung peinlich berührt.
Seitdem wurde seitens der Landesregierung geeiert, und diese Eierei der Regierung spiegelt der Gesetz
entwurf wider. Zwar sollen den Kreisen und kreisfreien Städten unter Beteiligung der Kammern – also im Rahmen des sogenannten Kooperationsmodells – die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners zugewiesen werden. Da wir 54 Kreise und kreisfreie Städte haben, müssten es auch 54 Einheitliche Ansprechpartner sein,
aber hier begrenzt der Gesetzentwurf auf 18 und überlässt es den Kommunen, sich zusammenzufinden.
Dies haben die kommunalen Spitzenverbände in ihrer gemeinsamen Stellungnahme scharf kritisiert. Ich verweise auf die Stellungnahme der Verbände und auf die Publikation des Städte und Gemeindebundes Ausgabe 4/2009.
Der Gesetzentwurf sieht sogar, falls es nicht zu einer Verständigung zwischen den Kommunen kommen sollte, eine staatliche Lösung auf Ebene der Bezirksregierungen vor. Sollten die Bezirksregierungen dann die 18 Industrie- und Handelskammern beauftragen, könnte sich so die im Gesetzentwurf gegriffene Zahl 18 erklären.
Gleichzeitig sollen wir als Gesetzgeber das Wirtschaftsministerium zu einer Verordnung „ermächtigen“, mit der es unter anderem die Beteiligung der Kommunen und die Qualitätssicherung regelt, also einen Blankoscheck ohne Kenntnis des Inhalts der Verordnung ausstellen.
Dem wird meine Fraktion mit Sicherheit nicht folgen und kündigt schon jetzt unsere Forderung nach einer Anhörung bei der Gesetzesberatung in den Ausschüssen an, bei der wir auch nachdrücklich die Frage nach der bisherigen Einbeziehung des DGB in das Gesetzgebungsverfahren stellen werden.
Lassen Sie mich abschließend der Hoffnung Ausdruck geben, dass sich die Landesregierung in wirtschaftlichen schwierigen Zeiten nicht nur verbal zu sozialen Partnerschaften bekennt, sondern dies auch im Regierungshandeln erkennen lässt. – Vielen Dank.
Ich spreche einen Wettbewerbsnachteil an, von dem viele Kommunen betroffen sind. Die Frage an den Minister lautet:
Hat die Landesregierung endlich eine Lösung gefunden, wie strukturschwache Regionen, insbesondere die Städte und Gemeinden, die sich in der Haushaltssicherung befinden, die notwendigen Eigenanteile aufbringen können, sodass Kommunen, die kein Geld zur Kofinanzierung haben, nicht von vornherein benachteiligt werden?
Herr Minister Breuer, ich war mit der Beantwortung meiner Frage durch Sie nicht ganz einverstanden.
Das war eigentlich keine Antwort. Nach dem Runderlass aus dem Jahre 2003 kann – es ist noch der Beliebigkeit anheimgestellt – es einen etwas geringeren Eigenanteil für die Haushaltssicherungskommunen geben. Oftmals können die Kommunen jedoch noch nicht einmal den verringerten Eigenanteil aufbringen. Bei der gestrigen Veranstaltung mit der EU-Kommissarin Danuta Hübner hatte Ministerin Thoben zum Ausgleichsziel explizit ausgeführt, dass sie Vorschläge prü
fen werde, damit diese Regionen teilnehmen können. Das bedeutet ja auch, dass der Runderlass aus dem Jahre 2003 …
…nicht das allein selig machende Mittel ist. Die Frage lautet: Welche Vorschläge wollen Sie prüfen, Frau Ministerin?
Ich habe auf Ihre gestrige Aussage bei der Ziel-2-Veranstaltung Bezug genommen. Da haben Sie zum Ausgleichsziel gesagt, dass Sie Vorschläge prüfen werden, wie Regionen und Kommunen teilnehmen können, die sich in der Haushaltssicherung befinden. Minister Breuer hatte vorher auf den Runderlass aus dem Jahre 2003 verwiesen, wonach ein geringerer Eigenanteil möglich ist. Wenn Sie Vorschläge prüfen werden, dann müssen Sie ja auch welche erarbeitet und gesichtet haben. Die Frage an Sie lautet: Welche Vorschläge sind das?
Ich habe diesen kleinen Knopf schon das dritte Mal gedrückt.
Frau Ministerin, wie hoch ist denn der finanzielle Schaden, der den Kommunen …
Wie hoch ist denn der finanzielle Schaden, Frau Ministerin, der den Kommunen des Ruhrgebietes durch die Brochier-Insolvenz entstanden ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat hat auf seiner Regierungskonferenz 2000 bekanntlich beschlossen, die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen.
Neben den Binnenmarkt für Waren sollte der Binnenmarkt für Dienstleistungen treten. Die EUKommission erhielt den Auftrag, dazu einen Richtlinienentwurf vorzulegen. Das war 2004 der Fall.
Die vom damaligen Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein vorgelegte Richtlinie sorgte europaweit für große Unruhe, vor allem wegen des auf breiter Basis angewandten Herkunftslandprinzips. Dieses besagt, dass ein Dienstleistungserbringer einzig den Rechtsvorschriften des Landes unterliegt, in dem er niedergelassen ist. So sollte eine Dienstleistung, die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den dort geltenden Vorschriften erbracht wird, ohne weitere Formalitäten auch in allen übrigen Mitgliedstaaten erbracht werden.
Die Dienste von allgemeinem Interesse und von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse waren in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen, damit unsere kommunale Daseinsvorsorge. Weitere sensible Bereiche wie die Gesundheits- und Sozialdienste waren ebenfalls enthalten. Mir ist kein Richtlinienvorschlag bekannt, der auf solch breiter Basis höchst umstritten war.
Unsere Kritik war von Anfang an: Die absolute Dominanz des Herkunftslandprinzips würde zu einer Verdrängung von Vorschriften der Staaten mit höheren Standards führen, in denen die Dienstleistung erbracht wird. Zudem beschränkte es die Möglichkeit eines Mitgliedstaates, gegen einen in
einem anderen Staat niedergelassenen Dienstleiter vorzugehen, der auf seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen erbringt.
Der Bundesrat hatte deutlich gemacht, dass die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Regelungen über das Herkunftslandprinzip von der Regelungskompetenz der Gemeinschaft nicht gedeckt sind, weil sie über eine Koordinierung der nationalen Bestimmungen hinausgehen.
Die Bolkestein-Richtlinie konzentrierte sich allein auf die Herstellung eines wirtschaftlich funktionierenden Binnenmarktes für Dienstleistungen und ließ gleichwertige Ziele, zum Beispiel ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards, wie sie in Art. 2 des EG-Vertrages und auch in der neuen EU-Verfassung verankert sind, außer Acht. Denn der gleichzeitige Verzicht auf Harmonisierung, den die Kommission auf anderen Gebieten, zum Beispiel dem Finanz- und Kreditwesen, für erforderlich hält, führt zu einem Wettbewerb ungleicher Sicherungssysteme, der die bisher in vielen Mitgliedstaaten vorhandenen Normen und Standards für Qualität und Transparenz im Dienstleistungsbereich bedroht.
Werfen wir einen Blick auf die Dienstleistungsbranche in NRW! Zweifellos ist diese Branche für die Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung unserer Volkswirtschaft von großer Bedeutung. Mehr als 50 % des nordrhein-westfälischen Inlandsprodukts entfallen auf nicht vom Staat erbrachte Dienstleistungen. Rund zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in Unternehmen dieser Branchen, denen mehr als vier Fünftel der Unternehmerinnen und Unternehmer zuzurechnen sind. Andererseits hat die Dienstleistungswirtschaft heute einen Anteil von gerade einmal 14 % der Exporte.
Welche Folgen und welche Chancen hätte der „Binnenmarkt Dienstleistung“ für unser Land und für unsere Wirtschaft? Solche, wie die BolkesteinRichtlinie sie vorsah? Das trieb alle Fraktionen des Landtages um, mit Ausnahme der FDPFraktion.
Kritisiert wurde an dem Bolkestein-Vorstoß auch, dass, wie schon bei Reach, keine vorherige Folgenabschätzung vorgenommen worden war. Das schnell von der Kommission beauftragte dänische Institut „Copenhagen Economics“ hatte die Daten von 275.000 überwiegend mittelständischen Unternehmen in Europa zugrunde gelegt.
Die im Januar 2005 von der Kommission vorgelegte Studie pries zwar beträchtliche Wachstumsimpulse ohne signifikante Verlagerungen von Ar
beitsplätzen an und warb mit einem überproportionalen Erfolg gerade für Deutschland. Sie blendete aber ganze Bereiche aus der Untersuchung aus, zum Beispiel den Gesundheits- und den Baubereich – mithin eine nicht sehr aussagekräftige Studie.
Daher unterstützten wir die alte Landesregierung in ihrem Bemühen, ein ähnliches Planspiel wie bei Reach gerade für die kleinen und mittelständischen Chemieunternehmen in Nordrhein-Westfalen aufzulegen – mit dem sie, wie wir alle wissen, einen sehr erfolgreichen proaktiven Ansatz gefahren hat –, eine solche Folgenabschätzung der Dienstleistungsrichtlinie auf die kleinen und mittelständischen Dienstleistungsunternehmen in NRW in Auftrag zu geben.
Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer stellte im Februar 2005 ihre Ergebnisse in einem Expertenworkshop vor, wobei die Wissenschaftler und Experten viele Fragen aufgrund der Kürze der Untersuchungszeit, aber auch der Komplexität der Aufgabenstellung nicht eindeutig beantworten konnten und viele neue Fragen aufwarfen, sodass mögliche Folgen im Nebel blieben.
Evelyne Gebhardt, die zuständige Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments, legte Ende 2004 ihr erstes Arbeitsdokument vor, in dem sie das Herkunftslandprinzip infrage stellte und sich auch sonst kritisch mit dem Vorschlag der Kommission auseinander setzte.
Nun, nach vielen Monaten, hat der Binnenmarktausschuss als federführender Ausschuss vor drei Wochen den Bericht mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen abgestimmt. Wie sieht nun der abgestimmte Vorschlag aus? Hat er zur Entschärfung beigetragen und neue Fragen aufgeworfen?
Prinzipiell ist eines festzustellen: Der ursprüngliche Vorschlag ist zwar entschärft worden, aber nach wie vor ist das Herkunftslandprinzip das Grundprinzip der Richtlinie. Es gilt für die Zulassung zum Markt und für die Dienstleistungserbringung, auch wenn es aIs „Recht, Leistungen zu erbringen“, bezeichnet wird.
Ausgenommen vom Herkunftslandprinzip sind Postdienste, Finanzdienstleistungen, Verkehrsdienstleistungen und Dienstleistungen im audiovisuellen Bereich – soweit sie durch andere Gemeinschaftsrechtsakte gestützt sind – und das Steuerwesen. Auch Gesundheitsdienstleistungen von Kliniken, Ärzten und der Gesamtheit der Gesundheitsberufe sind von der Richtlinie ebenso wenig betroffen wie Dienstleistungen von Rechtsanwälten – immer mit dem Zusatz: sofern sie von
anderen Gemeinschaftsinstrumenten geregelt werden – und auch Berufe und Tätigkeiten, die an der Ausübung der Staatsgewalt mitwirken.
Nicht ausgenommen aus dem Anwendungsbereich ist der gesamte Bereich der Bildung.
In einer Kampfabstimmung wurde dem Ausschluss der Zeitarbeitsfirmen leider nicht stattgegeben, ebenso wenig der klaren Unterscheidung zwischen dem Zugang zu einer Dienstleistungsaktivität, der dem Prinzip des Niederlassungslandes unterliegt, und ihrer Erbringung, die dem Ziellandprinzip unterliegt.
Hinsichtlich der Zulassung setzten sich im Ausschuss besonders stark die EVP-Fraktion und die liberale Fraktion für das Herkunftslandprinzip ein und setzen es dann durch.
Bezüglich der Kontrolle ist jetzt das Zielland und nicht mehr das Herkunftsland zuständig. Es wurde klar gestellt, dass alle sektoralen Richtlinien Vorrang vor der Dienstleistungsrichtlinie haben – eine Forderung, die wir stets erhoben haben.
Die Dienstleistungen von „allgemeinen Interesse“ haben den Zusatz „gemäß den Definitionen der Mitgliedstaaten“ erhalten und sollen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sein. Hier haben wir es nach wie vor mit einer alten Rechtsunsicherheit zu tun. Denn es gibt keine einheitliche Definition für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse; sie unterliegen der Missbrauchsaufsicht durch die Kommission.
Der Vorschlag des Binnenmarktausschusses wird wahrscheinlich im Februar in erster Lesung im Europäischen Parlament diskutiert, und es wird noch Monate dauern, bis das EP abschließend Stellung nimmt. Aber es ist unzweifelhaft, dass die Dienstleistungsrichtlinie – in welcher Fassung auch immer – spätestens 2008 gilt.
Wir hoffen während der Plenarbehandlung des Europäischen Parlamentes natürlich auf weiter gehende Änderungen an der Richtlinie. Bis das EP abschließend Stellung nimmt, werden aber viele Monate vergehen. Die Landesregierung sollte unserer Auffassung nach diese Zeit schnellstens nutzen, um auf der Basis des Vorschlags des Binnenmarktausschusses die ökonomischen und die sozialen Folgen untersuchen zu lassen und damit zu belastbaren Aussagen für die einzelnen Branchen zu kommen.
Dabei kann an der vorliegenden ersten Studie der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer angeknüpft werden.
Viele Punkte in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kann ich unterstützen. Aber diese Punkte durch eine Studie belegt zu bekommen und damit nicht wegzuwischende Argumente in der Hand zu haben, ist schlagkräftiger bei der Abstimmung mit Bundesrat, mit Bundestag und Bundesregierung sowie in der Abstimmung mit Europaparlament und Kommission und letztlich auch im Ministerrat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat sich seit dem Maastricht-Vertrag von 1992 mächtig entwickelt. Sie ist nicht nur durch den Binnenmarkt, den Euro und die Erweiterung auf nunmehr 25 Mitgliedstaaten für jeden erlebbar. Die EU steht für ein friedliches Europa, für ein Europa der Solidarität und ein Miteinander in Vielfalt.
Zu einem Europa des Miteinander tragen unzweifelhaft die vielen Partnerschaften unserer Städte mit Städten aus anderen EU-Ländern, aber auch die Schul-, Sport- und Kulturpartnerschaften bei.
Einige unserer Kommunen - zugegebenermaßen meist die Großstädte - haben eigene Europabüros eingerichtet. Das Paradebeispiel schlechthin ist Köln. Der damalige Oberbürgermeister Norbert Burger war gleichzeitig auch Mitglied der „Ständigen Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas“ und hatte es sich als eines der ersten Stadtoberhäupter zur Aufgabe gemacht, die Verbindung zwischen Stadt und Europa zu pflegen. Mittlerweile hat Köln 23 Städtepartnerschaften, nicht nur in Europa.
Die Kommunen haben in den letzten Jahren spürbar erfahren, wie weit sich der Einfluss der EU auf die kommunale Ebene ausgeweitet hat. Ich erwähne exemplarisch die europaweiten Ausschreibungen für kommunale Aufträge oder - als aktuelles Beispiel - die kommunalen Luftreinhaltepläne. Immer stärker werden die in den Kommunen zu leistenden Verwaltungsaufgaben durch Europarecht bestimmt.
In unserem Antrag sind eine Reihe von Punkten genannt, die derzeit auf der europäischen Agenda stehen und von besonderer Bedeutung für uns und unsere Kommunen sind. Ich nenne hier nur das Grünbuch der EU-Kommission zur Daseinsvorsorge.
Meine Damen und Herren, so wie die Bundesländer eigene Ländervertretungen in Brüssel eingerichtet haben - bekanntlich war Nordrhein-Westfalen eines der ersten Ende der 80er-Jahre -, war die kommunale Selbstverwaltung seit 1991 mit dem Büro "Eurocommunale" vor Ort. Seit 2002 sind die drei kommunalen deutschen Spitzenverbände mit eigenen Büros in Brüssel vertreten.
Ein Erfolg des kommunalen Einwirkens auf die europäische Ebene ist, dass jüngst erstmals in einem europäischen Vertrag - nämlich dem Verfassungsvertrag, dem vor einigen Monaten von Bundestag und Bundesrat zugestimmt wurde - die
kommunale Selbstverwaltung verankert und gewürdigt worden ist.
Der alten Landesregierung war es immer ein großes Anliegen, die Kommunen über Europarecht und EU-Förderprogramme in zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen zu informieren - natürlich besonders über die vom Land verwalteten EU-Programme wie Ziel 2, ESF, Interreg III und Leader. Aber auch über die von der EU direkt verwalteten Programme gab es zahlreiche Informationen. Ich will hier aus Zeitgründen nur noch auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Kollegen der CDU-Fraktion Einmahl und Schittges aus dem Jahre 2003 hinweisen, in der Sie den Informationsumfang gerne nachlesen können.
In meiner zweijährigen Mitarbeit im Ausschuss der Regionen habe ich Einblicke gewinnen können, wie zum Beispiel Städte in Skandinavien oder auch in Südeuropa die direkt von der EU verwalteten Programme zum Teil bi- oder trilateral mit Städten anderer EU-Länder oder aber auch in Verbindung von Kommune und Public Private Partnership nutzen. Ich muss konstatieren: Alle Achtung, was da geleistet worden ist.
Ich glaube, hier liegt für unsere Kommunen noch ein Potenzial brach, das Land und Kommunen gemeinsam heben sollten, ja müssten. Deshalb wäre eine Fortsetzung des im vorigen Jahr durchgeführten Workshops „Kommunen und Europa“ angezeigt. Gemeinsam mit den drei kommunalen Spitzenverbänden sollte die Landesregierung so etwas wie einen Masterplan Europafähigkeit der Kommunen entwickeln. Das wäre nicht nur in unserem Interesse, sondern ganz besonders auch im Interesse der Kommunen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine konstruktive Diskussion in den Ausschüssen.