Ursula Doppmeier
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion ist noch heute für viele Menschen ein richtig sperriges Wort. Was ist eigentlich mit „Inklusion“ gemeint, werde ich oft gefragt. Inklusion aus dem Lateinischen inclusio, Einschließung, beinhaltet die Überwindung der sozialen Ungleichheit, der Aussonderung, in dem alle Menschen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit, mit ihren Voraussetzungen und Möglichkeiten und auch mit ihren ganz individuellen Dispositionen wahrgenommen, wertgeschätzt und anerkannt werden
Ich denke, Sie merken bereits an dieser Definition, dass eine Antwort auf eine immer wichtiger werdende Frage für unsere Gesellschaft viele Facetten umfasst und nicht so einfach zu geben ist. Inklusion ist nämlich nicht nur in eine Definition zu fassen, es bedarf mehr als einer Definition, es bedarf eines neuen Denkens in den Köpfen der Menschen in unserer Gesellschaft.
Einen wichtigen Schritt hierhin stellt die UNBehindertenrechtskonvention dar, wie Minister
Schneider auch schon sagte. Sie fordert nämlich, mit Behinderung nicht mehr Eigenschaften eines Menschen zu beschreiben. Nein, es sollen vielmehr die einschränkenden und ausgrenzenden Erfahrungen mit diesem Wort beschrieben werden, die ein Mensch nur erlebt, weil seine Umwelt so aufgebaut ist, dass er in seinen Teilhabemöglichkeiten behindert ist.
Deshalb geht es einmal um Barrierefreiheit im weitesten Sinn, aber es geht natürlich auch darum, diese zwei nebeneinander bestehenden Lebenswelten zu einer gemeinsamen Lebenswelt zusammenzuführen. Es gibt bisher noch sehr viele kleine Welten, die geschaffen worden sind, um diesen besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden. Wir haben Sonderkindergärten, wir haben Förderschulen, Werkstätten, Wohnheime, Behindertensportvereine, Freizeitangebote für Behinderte. Ich denke, diese Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.
Das Ergebnis aber kennen wir alle. Wir wissen nichts mehr voneinander. Menschen mit und ohne Behinderungen leben häufig so isoliert, dass sie keinen Umgang mehr miteinander haben. In ihren getrennten Lebenswelten treffen sie einfach nicht aufeinander.
Behinderungen wurden leider lange Zeit als Problem des Einzelnen betrachtet. Erst die UNBehindertenrechtskonvention etablierte hier einen veränderten Blick auf die Behinderung. Nicht die Menschen mit Beeinträchtigungen sind behindert, sondern sie werden durch die Barrieren in der Umwelt behindert.
Lassen Sie mich das kurz beispielhaft darstellen. Ein blinder Mensch braucht eine Blindenampel;
dann kann er über die Straße gehen. Oder er braucht einen Wahlzettel in Blindenschrift; dann kann er natürlich auch allein wählen. Wenn eine Rampe fehlt, behindert dieses den Menschen, der im Rollstuhl ist. Der Staat und wir, die Gesellschaft, müssen jetzt diese Hindernisse und Barrieren abbauen, damit Menschen mit Einschränkungen trotzdem überall teilnehmen können.
Das heißt, wir brauchen sowohl einen weitreichenden Bewusstseinswandel als auch eine gesellschaftliche Diskussion hierüber. Es gilt, in Zukunft in unserer Gesellschaft die vorhandenen Formen von Vielfalt zu erkennen, wertzuschätzen und auch zu nutzen.
Nun der Aktionsplan der Landesregierung. Er muss sich doch jetzt daran messen lassen, ob er diese Vorgaben konsequent verfolgt. 2009 ist die UNBehindertenrechtskonvention in Kraft getreten, seit 2010 regiert Rot-Grün, jetzt haben wir Mitte 2014. Was hat sich in dieser Zeit konkret für die betroffenen Menschen zum Positiven verändert? Was hat der Aktionsplan den betroffenen Menschen bisher gebracht? Wie geht es zum Beispiel den gehörlosen Eltern hörender Kinder, die einen Gebärdendolmetscher für das Elterngespräch in der Schule ihrer hörenden Kinder brauchen? Gibt es da bisher eine Verbesserung?
Wie geht es den Kindern mit Behinderung, die gerne mit ihren Freunden ohne Behinderung gemeinsam im Verein Fußball oder Basketball spielen möchten?
Leider fallen die Antworten auf diese Fragen recht enttäuschend aus. Da hilft auch nicht Ihr Zwischenbericht. Er ist leider genauso wie der Aktionsplan vielfach schöne Prosa.
Ich verstehe einen Aktionsplan als Ablaufplan konkreter Schritte, die zeitlich definiert sein sollten, die fiskalisch unterlegt werden müssen und dessen Ziele – bis wann, wo und wie – überprüfbar festgeschrieben werden.
Dies lässt der Aktionsplan allerdings außer Acht. Darum ist das für mich kein Aktionsplan. Aktion kommt von „action“, also Tatkraft. Die Tatkraft fehlt aber in dem Plan. Ihr Aktionsplan enthält überwiegend Absichtsbekundungen und Wünsche, aber nur wenige konkrete Schritte.
Beim Lesen ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass das Wort „mittelfristig“ offensichtlich das Lieblingswort der Landesregierung im Aktionsplan ist.
Ganze 19 Mal wird dieses Wort im Zusammenhang mit möglichen Umsetzungen im Plan erwähnt. Unkonkreter geht es doch wohl nicht.
Das Schlimmste: Vorbereitende Analysen und Gespräche, die eigentlich längst vollzogen sein müssten, kann ich nicht als konkrete Maßnahmen anerkennen. Vor allen Dingen: Die Tatsache, dass die meisten Zeitangaben überschritten sind, ist auch nicht akzeptabel.
Die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die dringendst auf Reformen warten, werden doch immer drängender – bei Ihnen sicherlich auch. Die steigende Zahl von Briefen und Petitionen von Menschen mit Behinderung, die uns erreichen, wird zum deutlichen Zeichen der bisherigen Untätigkeit. Das heißt: Ihr Aktionsplan ist reine Schaufensterpolitik.
Lassen Sie mich noch einige Beispiele nennen.
Die Landesbauordnung ist mit ihrer Unterstützung für barrierefreies Wohnen die Grundlage für fast alle inklusiven Maßnahmen. Hier hat die Landesregierung bisher komplett versagt. Auf Seite 65 Ihres Aktionsplans steht, dass Sie dem Landtag umfassende Änderungen vorschlagen werden. Ich bin enttäuscht darüber, dass nun im Zwischenbericht, den wir am Freitag erhalten haben, zu lesen ist, dass Sie voraussichtlich noch im Jahr 2014 mit den Verbänden über dieses Thema sprechen werden. Darüber, wann wir dann einen Gesetzentwurf erwarten dürfen, sagen Sie überhaupt nichts.
Das Heilberufsgesetz ist für Menschen mit Behinderung ebenfalls ein wichtiges Thema. Auf Seite 67 des Aktionsplans versprechen Sie umfassende Änderungen. Bei der Angabe des Zeitplans heißt es: „Beginn voraussichtlich 2013“. Jetzt lese ich im Zwischenbericht, die geplanten Maßnahmen sollten voraussichtlich im Rahmen der nächsten umfassenden Novellierung des Gesetzes umgesetzt werden; mit deren Beginn sei nicht vor 2017 zu rechnen. Mein Gott! Was ist das für eine Aktion, solche Zeiträume vergehen zu lassen?
Ich könnte hier noch eine Weile fortführen.
Viele Dinge Ihres Plans wurden außerdem bereits zu Zeiten unserer Landesregierung zwischen 2005 und 2010 gestartet, zum Beispiel das Förderprogramm „Übergang plus“ und das Arbeitsmarktprogramm „aktion5“. Selbst die investive Förderung von Werkstattarbeitsplätzen erscheint jetzt im Aktionsplan als Maßnahme zur Umsetzung der Inklusion. Das ist wirklich nichts Neues und nichts Innovatives.
Wir, die CDU-Landtagsfraktion, haben bereits 2011 ein Positionspapier herausgegeben, in dem wir notwendige Veränderungen und ganz konkrete Schritte benannt haben.
Ein zentrales Kriterium zur Beurteilung Ihres Aktionsplans ist zudem auch die Frage, wie die Landesregierung die Betroffenen selbst am Inklusionsplan beteiligt. Bei der Erstellung eines solchen Plans muss doch gerade die Expertise der Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt stehen. Ihre Erfahrungen müssen für uns die Leitlinien für notwendige Veränderungen sein.
Die Landesregierung dagegen meint – und das enttäuscht mich –, den Betroffenen etwas beibringen zu müssen. Schon bei der Erstellung des Aktionsplans kam die Landesregierung nur ihrer Verpflichtung zur Konsultation nach, indem sie sogenannte Dialogkonferenzen einberief – allerdings nicht, um die Expertise der Teilnehmer zu nutzen, sondern um durch Experten, beispielsweise Vertreter des LVR, die fachliche Kompetenz der Teilnehmenden zu stärken.
Das Gleiche gilt für den Inklusionsbeirat NRW und seine Untergremien. Leider bilden Menschen mit Behinderung bei der Zusammensetzung neben all den Vertretern von kommunalen Spitzenverbänden, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Arbeitgebern und Kirchen nur eine Minderheit der Mitglieder, obwohl es in der Umsetzung des Plans doch um die Verwirklichung ihrer Rechte geht. Das heißt: Diese Dialogveranstaltungen dienen leider lediglich als Feigenblatt.
Lassen Sie mich aber noch einmal einen Blick auf einzelne Bereiche werfen. Ich möchte hier den Bereich Familie, Kinder und Jugend herausnehmen; denn hier haben wir die drängenden Probleme der Familien. Bei Freizeitangeboten für Kinder lässt der Aktionsplan meines Erachtens eine ungeheure Realitätsferne erkennen. Alle Angebote der Kinder- und Jugendarbeit werden im Aktionsplan als „bereits jetzt grundsätzlich offen“ beschrieben, und es heißt, „das Verständnis von Inklusion“ sei „bei den Trägern weit verankert“.
Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? -Eltern, die versuchen, ihre behinderten Kinder zu Freizeitangeboten bei Vereinen oder zu Ferienreisen anzumelden, berichten mir von großen Schwierigkeiten. Es fehlen offene Menschen mit der Bereitschaft, das Kind teilnehmen zu lassen. Notwendige Unterstützung müssen diese Eltern selbst organisieren. Akzeptiert werden meist nur Kinder, die Anpassungsleistungen vollbringen können. Da es außerdem die Regelungen zur Eingliederungshilfe notwendig machen, bei Freizeitaktivitäten das eigene Einkommen für die Begleitung einzusetzen, können sich nur wenige Eltern solche inklusiven Freizeitangebote für ihre Kinder leisten. Bei den Ferienfreizeiten kommen dann noch Reise- und Unterbringungskosten für die Betreuungspersonen hinzu. Häuser sind oft nicht barrierefrei. Das Programm lässt häufig keinen Platz für die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung.
Die Beschreibung der Situation von Familien im Aktionsplan entspricht meiner Ansicht nach eher der
Außensicht als dem, was Familien mit behinderten Kindern selbst belastend erleben.
Sprechen Sie einmal mit den Familien. Nicht das Leben mit dem Kind wird als belastend empfunden, sondern die Barrieren, die sich für Familien auftun, wenn sie eigentlich Selbstverständliches für ihr behindertes Kind fordern. Diese Barrieren müssen wir abbauen.
Hier geht es zum Beispiel um Beratungsstellen. Sie sagten es eben. Es geht um den Kampf mit den Institutionen und die Wege durch den Dschungel der Beratungsstellen. Elternverbände fordern doch seit Jahren eine Beratungsstelle, die für alle Belange ihres behinderten Kindes zuständig ist. Warum verweigern Sie das? Warum schicken Sie nur schöne Hochglanzbroschüren an die Kommunen, statt diese Zeit in Gesetzentwürfe zu investieren und hier ein Stück weiter in der Inklusion zu kommen?
Zum Thema „Inklusion und Sport“: Welche Unterstützung erhalten denn die betroffenen Menschen vom Land Nordrhein-Westfalen, um sich in den Sportvereinen zu engagieren und damit am gemeinsamen Leben teilzunehmen?
Ziel des Aktionsplans ist laut Landesregierung die Schaffung gemeinsamer Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderung. Im Bereich Sport erscheint das allerdings nicht so drängend. Ganz erstaunt war ich, als ich las, der Maßnahmenkatalog der Landesregierung beginnt mit einem Preis für den besten Behindertensportverein, nicht für eine inklusive Sportgruppe. Sie scheinen das Wort „Inklusion“ noch nicht richtig verstanden zu haben.
Das wäre genauso als wenn ich den besten Preis für schulische Inklusion der ersten Förderschule geben würde. Wir müssen umdenken lernen. Das ist leider in vielen Dingen noch nicht im Aktionsplan verankert.
Jugendliche wollen keine Reha-Sportangebote. Sie wollen Angebote, durch die sie gemeinsam mit ihren Freunden im Fußball- und Basketballverein spielen können. Darum geht es. In Sportverbänden muss eine Anpassung von Regeln ausgearbeitet werden, um auch Kindern mit sogenannter geistiger Behinderung den Zugang zu öffnen.
In ländlichen Gebieten gibt es oft keinerlei Sportangebote beispielsweise für junge Rollstuhlfahrer oder für Menschen mit geistiger Behinderung. Auch hierzu gibt es noch keine Hilfe durch den Aktionsplan.
Lassen Sie mich abschließend noch kurz zum Thema „Ohne Moos nichts los“ kommen. Es geht um Finanzen. Ein allgemeiner Grundsatz zieht sich durch den Aktionsplan. Sobald es eigenes Geld kosten könnte, will die Landesregierung keine Barri
eren wegräumen, sondern sie macht behinderte Menschen zu Hürdenläufern.
Sie fordern Maßnahmen, die Geld kosten, immer nur von anderen, am liebsten vom Bund. Alles, was in den Kommunen umgesetzt werden muss, wird nicht durch gesetzliche Bestimmungen festgelegt. Sonst würde das Konnexitätsprinzip greifen. Das Land selbst will aber nicht zahlen. Das wird noch häufig auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen: Sie haben keine gesetzliche Grundlage, auf die sie sich zurückziehen können, sondern müssen in jeder Kommune Zielvereinbarungen zur Barrierefreiheit abschließen, statt sich auf ihr legales Recht berufen zu können.
Mein Fazit: Der Aktionsplan und Ihr Zwischenbericht enthalten nicht die Maßnahmen, die die Menschen wirklich brauchen und erwarten. Sie haben viele Dinge genannt, die leicht umgesetzt werden können. Sie haben die Fortführung von Maßnahmen dargestellt und offenkundig gesagt, wie toll diese sind. Was aber fehlt, sind Zeitangaben. Die meisten sind unverbindlich oder – wenn sie einmal konkret genannt waren – schon längst überschritten. Sie haben die genannten Ziele noch gar nicht erreicht.
Lassen Sie mich darum zusammenfassen: Es fehlt ein konkreter zeitlicher Umsetzungsplan. Es fehlen belastbare Aussagen zur Kostenerstattung; denn NRW darf kein Sparmodell werden. Es fehlt die Unterstützung der Fachleute vor Ort, um die Menschen mit Behinderung in diesen Prozess einzubeziehen.
Mir stellt sich die Frage, warum heute die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgte. Die Antwort ist ganz einfach. Sie haben gemerkt, die Menschen werden ungeduldig und wollen endlich Taten sehen. Von Ihnen bekommen sie jetzt leider nur schöne Prosa. Mit dieser Veranstaltung wollen Sie den Menschen heute Sand in die Augen streuen und Untätigkeit überspielen. Das geht so aber nicht.
Wir wünschen uns alle eine Gesellschaft, in der Inklusion eine Selbstverständlichkeit ist und keiner Definition und Erklärung mehr bedarf, weil jeder weiß, was damit gemeint ist und wie Inklusion gelebt wird. Menschen mit Behinderung haben zu Recht die Erwartung, dass fünf Jahre nach der UNKonvention konkrete Maßnahmen in NordrheinWestfalen erfolgt sein sollten, die den Bedürfnissen der Behinderten Rechnung tragen. Ihr Aktionsplan hilft da leider wenig. Statt Aktion demonstriert er Abwarten und Aussitzen. – Ich danke Ihnen.
Herr Minister Schneider, lassen Sie mich einen Konsens herausstellen – ich glaube, da spreche ich im Namen aller Abgeordneten hier –: Ich denke, unser aller Ziel ist es, Nordrhein-Westfalen zu einer inklusiven Gesellschaft zu entwickeln.
Da müssen wir sicherlich alle in der gleichen Richtung gehen. Nur die Frage ist: Gehen wir Trippelschritte oder nehmen wir die Meilenstiefel? Und genau das ist unsere Anregung. Wir sagen: Steigen Sie um vom Bummelzug in den ICE! Lassen Sie es mal ein bisschen fixer vorangehen!
Das ist eine Tatsache. Aber man kommt schnell voran.
Lassen Sie mich ganz kurz – ich habe nicht mehr viel Redezeit – zu dem Thema „barrierefreies Wohnen“ sprechen. Wir hatten hier gestern ein Werkstattgespräch, in dem Menschen mit Behinderungen – an die 80 Menschen waren hier – uns gefragt haben: Warum passiert da nichts? Warum wird die Landesbauordnung nicht endlich so geändert, dass wir die Möglichkeit haben, schneller barrierefreie Wohnungen zu bekommen? Warum gibt es nicht bei den Kommunen ein Verzeichnis über Wohnungen, die barrierefrei sind?
Das könnte ja vom Land festgelegt werden. Da wurde uns das Beispiel genannt, dass dann, wenn ein Behinderter, der die Wohnung für seine Bedürfnisse hat umbauen lassen, auszieht, ein Rückbau dieser Wohnung stattfinden muss. Auch das dürfte heutzutage nicht mehr sein.
Ein letztes Beispiel: Den energetischen Umbau von Wohnungen unterstützen wir überall landesweit und bundesweit. Warum können wir da nicht sagen, ein energetischer Umbau von Wohnungen muss immer mit einem barrierefreien Umbau von Wohnungen kombiniert sein? Dann wären wir schon ein großes Stück weiter.
Sie sehen: Es gibt ganz viele kleine konkrete Schritte. Wenn wir die wirklich gehen, dann, glaube ich, werden wir auch die Betroffenen viel mehr mitnehmen können und nach und nach eine größere Zufriedenheit erreichen, als wir sie bisher haben. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen kurz folgendes Szenario schildern: Die kleine Luisa, sechs Jahre alt, war so verschüchtert, dass sie kein Wort herausbrachte. „Woher stammen denn die blauen Flecken am Rücken und die Striemen an Armen und Beinen?“, fragte der Kinderarzt. Mit großen Augen blickte das Mädchen zum Vater, der das Reden übernahm. Ja, das frage er sich auch, müsse wohl beim Toben mit dem großen Bruder passiert sein.
„Beim Toben?“, fragte der Kinderarzt und wollte wissen, zu welchem Arzt sie denn bisher gegangen seien. Der wohne in einer anderen Stadt, entgegnete der Vater, den Namen habe er vergessen. – Als der Arzt nach dem gelben Vorsorgeheft fragte, kam die Antwort: Das ist beim Umzug verloren gegangen.
Zu gerne hätte der Arzt sich mit seinem Kollegen ausgetauscht, eine Rundfrage gestartet, wem die Familie bekannt ist, oder den bisherigen Kinderarzt kontaktiert. Aber genau damit hätte er sich strafbar gemacht.
Dieses Szenario, das ich Ihnen geschildert habe, ist nicht erfunden, sondern gehört leider für viele Kinderärzte zum traurigen Alltag.
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir diese Ohnmacht der Ärzte zum Schutz unserer Kinder ändern müssen.
Mit diesem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU, FDP und den Piraten zum Ausbau des Kinderschutzes in Nordrhein-Westfalen haben wir jetzt die Ge
legenheit, diesen Zustand zu ändern. Der Gesetzentwurf ist ein richtiger, wichtiger erster Schritt zum umfassenden Kinderschutz in unserem Land, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens. Wir schaffen endlich die nötige gesetzliche Klarstellung. Dies ermöglicht es den Ärzten, sich bei hinreichendem Verdacht auf Kindesmisshandlung interkollegial auszutauschen, ohne eine strafrechtliche Relevanz ihres Handelns befürchten zu müssen. Der wichtige Informationsaustausch der Ärzte untereinander ist damit sichergestellt. Denn es kann nicht sein, dass Ärzte sich strafbar machen, wenn es ihnen um das Wohl des Kindes geht.
Zweitens. Damit erschweren wir es den Erziehungsberechtigten, die ihr Kind misshandeln, den Arzt zu wechseln, um dieses zu vertuschen. Dieses sogenannte Doktorhopping kann durch den frühzeitigen Austausch der Ärzte untereinander verhindert werden. Denn bei kaum einem Gewaltdelikt sind derzeit die Vertuschungsmöglichkeiten so groß wie bei der Kindesmisshandlung. Der Täter ist leider meist der Betreuer und entscheidet selbst, welchen Arzt er besucht.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es uns keinesfalls darum geht, dass Ärztinnen und Ärzte ein Wächteramt übernehmen wollen oder sollen. Dadurch würde die Rolle des Arztes komplett verändert. Das ist nicht unser Ziel. Vielmehr geht es darum, den kollegialen Austausch zu ermöglichen. Es gibt Situationen, in denen es sinnvoll ist, den unmittelbaren Wünschen der Erziehungsberechtigten nicht zu entsprechen, weil das Wohlergehen des Kindes unsere oberste ärztliche Handlungsmaxime sein muss.
Die CDU hat bereits im vergangenen Jahr mit einem Antrag eine gesetzliche Grundlage finden wollen, die Ärzten bei Verdacht auf Kindesmisshandlung den Austausch ermöglicht, anstatt sie weiter zu kriminalisieren. Der breite Konsens und die Zustimmung von zahlreichen Experten in unserer Anhörung haben gezeigt, dass die CDU mit diesem Antrag auf dem richtigen Weg war.
Umso bedauerlicher oder fast schon beschämend finde ich es, dass SPD und Grüne im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend gegen unseren Antrag gestimmt haben. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, dass der Kinderschutz immer über einzelnen politischen Scharmützeln und Interessen stehen sollte.
Wir debattieren heute über den Schutz unserer Kinder, den wir schon längst hätten verbessern sollen.
Aber wir lassen uns nicht entmutigen und legen dem Landtag deshalb zusammen mit den Kollegin
nen und Kollegen der FDP und der Piraten diesen konkreten Vorschlag zur Änderung des Heilberufsgesetzes vor. Der Gesetzentwurf stellt endlich den Schutzauftrag der Ärzte auf rechtlich sichere Füße und gibt damit auch die Meinung zahlreicher Experten wieder, dass es sich beim interkollegialen Austausch von Ärztinnen und Ärzten zum Schutz vor oder zum Erkennen von Kindesmisshandlung um eine erforderliche Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsguts handelt. Dazu sind Ärztinnen und Ärzte auch ohne Einbindung der Schweigepflicht befugt. Diesen Umstand soll der vorliegende Entwurf gesetzlich fundamentieren.
Ja, ich komme zum Ende. – Sie kennen alle das Projekt RISKID, das von Ihrem ehemaligen Kollegen Sören Link eingeführt wurde. Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit ihm, was dort zum Schutz der Kinder und der Ärzte bereits getan worden ist. Ich hoffe, dass Sie auch für das Thema „Effektiver und besserer Schutz unserer Kinder“ stimmen, und würde mich freuen, wenn Sie demnächst im Ausschuss unserem Antrag zustimmen würden. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke erst einmal der FDP, dass wir jetzt endlich mal wieder über Inhalte reden können und damit die verbreiteten Unwahrheiten von Rot-Grün hier klarstellen können.
Tatsache ist doch: Ab 1. August hat jedes Kind ab dem ersten vollendeten Lebensjahr in NordrheinWestfalen ein Recht auf einen Betreuungsplatz. Bis jetzt steht aber noch völlig in den Sternen, ob der Bedarf tatsächlich befriedigt wird. Die Landesregierung hat bereits des Öfteren Zuversicht gezeigt und angekündigt, sie habe das Etappenziel geschafft; 144.000 Plätze seien in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege vorhanden.
Jetzt frage ich mich: Warum lese ich heute Morgen in den „Aachener Nachrichten“: Generalsekretärin Nahles nennt das „Wunschdenken“? – Das scheint ja bei Ihnen hier auch vorzuherrschen; denn die Plätze ab dem 1. August sind ja nur gemeldete Plätze. Sie sind ja nicht wirklich da. Sie können den Eltern heute nicht garantieren, dass sie diesen Platz für ihr Kind haben.
Diese Plätze werden erst während des Kindergartenjahres geschaffen. Das heißt, je nach Situation erfahren die Eltern: Tut uns leid, der Platz für Ihr Kind ist erst zum 1. März 2014 fertig. – Ich frage
Sie: Wie sollen Eltern darauf reagieren? Denn sie brauchen diese Betreuungssicherheit.
Aber noch ein anderes Problem, was mich jetzt zunehmend erreicht, sind Beschwerden von Eltern, die auf einmal keinen Platz für ihr über dreijähriges Kind erhalten.
Sie haben nämlich im Zuge des U3-Ausbaus viele Plätze für die Ü3-Kinder mit Fördergeldern für U3Ausbau in Plätze für unter Dreijährige verwandelt. Was haben Sie damit angerichtet? – Jetzt fehlen auf einmal Kita-Plätze an allen Ecken und Enden. Und hierzu fehlt Ihnen der ganze komplette Überblick.
Außerdem durften wir mit tiefer Besorgnis die Erkenntnisse der kürzlich veröffentlichten Studie „Nordrhein-Westfalen 2020“ von der Unternehmensberatung McKinsey zur Kenntnis nehmen. Die Studie offenbart in brutaler Weise das Versagen der Landesregierung in Sachen Familienfreundlichkeit und Unterstützung von Frauen. Ich zitiere aus der Studie:
Mit einer Frauenerwerbsquote von 63 % in 2011 liegt Nordrhein-Westfalen bundesweit auf dem vorletzten Platz. Deutschlandweit gehen im Vergleich dazu 67 % der Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Erst durch die Bereitstellung von Betreuungs- und Familiendienstleistungen kann verhindert werden, dass Frauen komplett aus den Unternehmen und aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden.
Meine Damen und Herren, das ist doch eine eindeutige Sprache. Sie belegt klar und schwarz auf weiß, dass hier die Familienpolitik gescheitert ist. Wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und dazu zählen nicht nur Betreuungsplätze, dazu zählt auch eine Flexibilität in der Kinderbetreuung.
Die Studie bringt das auf den Punkt: Immer mehr Frauen und Männer wünschen flexible, erweiterte Öffnungszeiten. Sie wollen ihre Kinder einmal später oder auch mal früher in die Kita bringen können. Denn nur so können sie den Spagat zwischen Familie und Beruf schaffen.
Gerade diese Erfahrung, dass das möglich ist, habe ich als Oma von drei Enkelkindern gemacht. Es gibt wunderbare Best-Practice-Beispiele, bei denen Kitas darauf eingehen, erweiterte Betreuungszeiten anzubieten. Sie müssten jetzt wirklich landesweit festlegen und gesetzlich verankern, dass Kitas diese Möglichkeit haben.
Lassen Sie mich noch eins sagen: Quantität löst nicht das Problem der Qualität.
Und genau darum geht es in dieser Debatte. Wir brauchen Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung. Wir brauchen kleinere Betreuungsgruppen, wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher. Eine Landesregierung, die sich nicht der Qualität widmet, hat hier ihren Auftrag verfehlt.
Darum kann ich Ihnen nur sagen: Sie müssen umdenken. Es darf nicht mehr sein, dass U3 unter RotGrün für drei Dinge steht: U3 gleich Unfähigkeit, Untätigkeit und Umsetzungsschwäche. Das müssen wir ändern. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SPD und Grüne geben uns heute mit diesem Antrag die Möglichkeit, einige Unwahrheiten, die sich im Zuge des U3Ausbaus hier in Nordrhein-Westfalen verbreitet haben, heute einmal aufzuklären und diese Sachen einem klaren Faktencheck zu unterziehen.
Erstens. SPD und Grüne behaupten, Schwarz-Gelb im Bund weigere sich, zusätzliche Mittel für den U3Ausbau bereitzustellen.
Falsch ist das! Wahr ist, meine Damen und Herren: Bereits 2012 hat die Bundesregierung noch einmal weitere 580 Millionen € für Krippenplätze zur Verfügung gestellt.
Mit dieser Summe ermöglicht der Bund 30.000 neue Kita-Plätze. Wenn das kein Rückenwind ist, Frau Asch, dann frage ich Sie: Was erwarten Sie denn? Insgesamt hat somit Schwarz-Gelb im Bund 5,4 Milliarden € in den Kita-Ausbau investiert.
Ohne diesen erheblichen Beitrag wäre der ganze Ausbau nicht zu leisten gewesen. Außerdem ist heute in der Pressekonferenz auf Bundesebene gerade noch einmal klar gemacht worden:
Der Bund stellt sein finanzielles Engagement nicht ein, sondern sichert es langfristig. Es können weiterhin Kita-Plätze mit Bundesgeld gebaut werden. Der Bund sagte ausdrücklich, er unterstütze die Länder und die Kommunen bis 2014 mit Zuschüssen in Höhe von 3 Milliarden € und ab 2015 jährlich mit 845 Millionen €, um die Qualität in der Kinderbetreuung voranzubringen und zusätzliches Personal
für Sprach- und Integrationsförderung zu ermöglichen.
Nein, ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen.
Zweitens. Sie sagen, der Bund müsse sich am langfristigen U3-Ausbau beteiligen, denn nur das Land unterstütze die Kommunen mit bereits 1,4 Milliarden €. Auch das ist falsch. Wahr ist: Der größte Teil der Landesmittel, und zwar 1,2 Milliarden € von 1,4 Milliarden €, wird durch die Neuverteilung der Umsatzsteuer getragen. Hier schmücken Sie sich auch wieder mit fremden Federn.
Drittens. Lassen Sie mich noch etwas sagen: SPD und Grüne behaupten immer, ihren erfolgreichen U3-Ausbau fortzusetzen. Frau Asch, Sie sprechen von einer miserablen Bilanz vorher. Die miserable Bilanz haben wir 2005 vorgefunden.
Da gab es gerade einmal 10.000 Plätze. Von 2005 bis 2010, in fünf Jahren, haben wir die Zahl der Plätze von 10.000 auf 90.000 erhöht. Nur dadurch hatten Sie jetzt im Jahre 2010 eine Chance bekommen, diesen von uns begonnenen erfolgreichen Ausbau fortzusetzen.
Wenn man Ihren Antrag so liest, fragt man sich zudem, ob die Selbstauflösung des Familienministeriums auf Landesebene stattfindet. Sie sagen immer nur: Der Bund ist an allem schuld, der Landesregierung seien die Hände gebunden.
In diesem Zusammenhang muss ich den Kollegen Düngel und Marsching recht geben, wenn sie fragen: Hat das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport überhaupt Zuständigkeitsbereiche?
Hören Sie endlich auf, die Schuld für das Versagen dem Bund in die Schuhe zu schieben, und kümmern Sie sich um die Inhalte der Kinderbetreuung!
Am 1. August wird sich zeigen, dass nicht nur benötigte Betreuungsplätze fehlen, sondern vor allen Dingen auch Fachkräfte für die Sicherung der Qualitätsstandards. Mit dieser Überzeugung bin ich nicht alleine. Vielleicht haben Sie auch den Report der Bertelsmann Stiftung gelesen, die aktuelle Studie
„Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme
2013“, am 4. Juli von Jörg Dräger, dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht. Da sagt er: Der notwendige Ausbau der Kita-Plätze darf nicht zu Lasten der Qualität gehen. Mehr als die Hälfte der Unterdreijährigen findet in Nordrhein-Westfalen heute keine optimalen Bedingungen.
Frau Ministerin Schäfer, ich denke, es ist an der Zeit, hier Verantwortung zu übernehmen,
denn unsere Kinder haben ein Anrecht auf optimale Bedingungen. Es darf nicht sein, dass wir weitermachen mit sinkenden Qualitätsstandards, fehlenden Erzieherinnen, übervollen Gruppen und fehlender Unterstützung der Tagesmütter. Wegducken gilt hier nicht. Ich denke, hier muss NRW handeln.
Ich freue mich auf die Diskussion Ihres Antrags im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.
Die Tatsache ist wichtig, dass die Mittel zur Verfügung und dass diese Mittel auch über 2014 hinaus bereitstehen. Sie haben in vielen Dingen dazugelernt. Ich denke, das kann man keinem vorwerfen. Im Endeffekt müssen Sie froh sein, dass Sie den von Ihnen geforderten Rückenwind aus Berlin jetzt bekommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als Grundlage für Ihr Regierungshandeln dient Ihnen Ihr Koalitionsvertrag. Und genau in diesem steht – ich zitiere –: „NordrheinWestfalen muss seine finanzielle Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.“ – Das klingt schön, das klingt verantwortungsvoll, aber das entspricht leider nicht der Realität Ihres politischen Handelns.
Sieben Bundesländer schreiben inzwischen schwarze Zahlen und gewinnen so ihre finanzielle Handlungsfä
higkeit zurück. Nur Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen will nicht sparen. 60 % des Minus aller Bundesländer entfällt auf Nordrhein-Westfalen. 3,5 Milliarden € neue Schulden im Jahre 2013 trotz höchster Steuereinnahmen. Eigene Sparvorschläge haben SPD und Grüne bisher nicht oder nur sehr unzureichend gemacht. So sieht Ihre traurige Realität aus.
Schauen wir uns nun in diesem Zusammenhang den Bereich Kinder, Familie und Jugend an!
Da fällt mir beispielsweise das Stichwort „Beitragsfreiheit“ ein. Unsere Fraktion hat sich erneut auf eine Streichung des beitragsfreien Kita-Jahres verständigt, denn der beitragsfreie Kindergarten ist sozialpolitisch der falsche Weg. Dadurch werden weder Bildungschancen verbessert noch besuchen mehr Kinder die Kindergärten.
Wer nicht genug verdient, wird heute aufgrund der Staffelung der Elternbeiträge ohnehin nicht belastet. Somit profitieren von diesen rot-grünen Beitragsgeschenken vor allem doch Besserverdienende, die sonst die höchsten Beiträge zahlen müssten und somit unsere öffentlichen Kassen entlasten würden. Es ist somit unsozial, an diesem Wahlversprechen von Ihnen festzuhalten und damit nur höhere Einkommensschichten zu begünstigen. Denn dies kostet den Landeshaushalt 148 Millionen €. Und die muss jeder Steuerzahler mittragen.
Ja.
Herr Maelzer, Minister Schneider sagte es schon: Keiner kann uns daran hindern, schlauer zu werden.
So ist es bei uns. Wir haben uns eindeutig dafür ausgesprochen, das beitragsfreie Kindergartenjahr wieder zurückzuführen.
Lassen Sie mich beim Haushalt fortfahren. Ein weiteres Stichwort: der sexuelle Missbrauch. Wir haben mit unserem Änderungsantrag einen Vorschlag – und damit auch unsere Hausaufgaben – gemacht.
Sie aber, verehrte Frau Ministerin Schäfer – und diesen Vorwurf müssen Sie sich jetzt gefallen lassen – stehen bei den Opfern in der Schuld. Die Ministerpräsidentin nutzt jede Gelegenheit – so auch am Sonntagabend in einem bekannten Politik-Talk –, den Menschen zu verkaufen, dass sie kein Kind zurücklassen will.
Aber genau das tun Sie. Wie ernst der Bund die Opferunterstützung nimmt, erkennt man daran, dass er bereit ist, seinen Anteil von 50 Millionen € zu leisten. Weitere 50 Millionen € für einen Hilfsfonds in Höhe von 100 Millionen € steuern die Länder bei.
Jetzt möchte ich erst meine Ausführungen beenden. – Da sind Sie, da sind wir in Nordrhein-Westfalen gefordert. Mit insgesamt 10 Millionen € wollen wir im Haushalt 2013 die Ergebnisse des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ im familiären Bereich umsetzen. Mit diesem Beitrag wollen wir dafür sorgen, dass Kindern durch Therapien geholfen und wirklich kein Kind zurückgelassen wird.
Ich sage Ihnen: Hören Sie doch auf, an Sonnabenden das eine zu erzählen und des Montags das Gegenteil zu veranlassen!
Ja.
Frau Abgeordnete, wir sind zu jenem Zeitpunkt ganz aktuell auf die Meldung eingegangen, dass der Bund sich zur Zahlung von 50 Millionen € bereit erklärt hat. Da ist es nur recht und billig, dass auch die Länder ihren Anteil leisten. Sie schimpfen ja immer auf den Bund und fordern ihn zum Handeln auf. Wenn dann der Bund etwas gibt, dann wollen Sie auf einmal Ihren Teil nicht mehr erfüllen.
Lassen Sie mich ein weiteres Stichwort zur Übernahme finanzieller Verantwortung im Bereich der Familien- und Jugendpolitik nennen: die U3Betreuung. – Auch hier hat der Bund seine Hausaufgaben gemacht. Mit 580 Millionen € fördert die Bundesregierung den Ausbau der U3-Betreuungsplätze in den Jahren 2013 und 2014. NordrheinWestfalen erhält für diesen Zeitraum 126 Millionen €. Daran erkennen Sie, mit welcher Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit die Bundesregierung wirklich kein Kind zurücklassen will.
Sie hingegen, Frau Schäfer, wissen – wie wir dem Haushaltsplan entnehmen können – noch nicht einmal, wie es nach Sommer 2013 mit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz weitergehen wird; denn uns allen ist bekannt: Der Bedarf wird noch weiter steigen. Sie haben weder einen Plan bis zum Sommer 2013, noch darüber hinaus.
Aber genau das brauchen wir doch, wenn wir wirklich eine Politik der finanziellen Verantwortung im Sinne unserer Kinder machen und somit kein Kind zurücklassen wollen.
Darum appelliere ich an Sie, Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung: Hören Sie endlich auf, den Menschen im Land mit warmen Worten und entsprechenden Schriften Sand in die Augen zu streuen. Lassen Sie uns gemeinsam eine ehrliche Finanzpolitik im Bereich Familie, Kinder und Jugend betreiben und somit die finanzielle Handlungsfähigkeit für unser Land Nordrhein-Westfalen zurückgewinnen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der FDP sehr dankbar, dass wir heute ein so wichtiges und sensibles Thema erörtern. Wir schenken so den Belangen aller Betroffenen, den Eltern und ihren Kindern, öffentliche Aufmerksamkeit. Das ist gut so. Hier wird eine Vielzahl von Erwartungen an uns herangetragen. Wir sollten uns alle unserer Verantwortung bewusst sein und den Erwartungen der Betroffenen partei- und fraktionsübergreifend gerecht werden.
Das Schicksal einer unheilbaren Erkrankung trifft jeden hart; aber am härtesten ist es sicher, wenn Kinder betroffen sind. Da ist es gut zu wissen, dass wir in Deutschland und vor allem auch in NordrheinWestfalen verschiedene Betreuungsangebote haben, die die betroffenen Menschen bei all ihren Sorgen und Nöten unterstützen und auffangen. Denn allein ist niemand einer solchen Belastung gewachsen.
Für die jungen Patienten ist bei einer schicksalhaften Diagnose besonders wichtig, dass sie als das behandelt werden, was sie sind: Kinder. Das ist bei den ambulanten Kinderhospizdiensten und in den stationären Kinderhospizen möglich. Wichtig ist aber die Arbeit eines Kinderhospizes nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Familien, die sich oftmals in einer Extremsituation befinden. Es gibt kaum eine größere und emotionalere Belastung für Eltern und Geschwister, als ein sterbenskrankes Kind zu begleiten.
Dieser Herausforderung müssen wir – Politik, Verbände und Krankenkassen – uns gemeinsam stellen und in erster Linie im Sinne aller Betroffenen handeln. Wir müssen versuchen, die psychische, seelische und nervliche Last für Eltern und Geschwister zu mindern. Genau hier setzt der Antrag der FDP an. Wir müssen die Lebensqualität von schwerkranken Kindern und deren Familien verbessern.
Das schaffen wir nicht, indem sich Politik und vor allen Dingen die Krankenkassen aus der finanziellen Verantwortung verabschieden und den Eltern
schwerstkranker Kinder weitere finanzielle Sorgen und Nöte in den bereits vollen Rucksack packen. Wir müssen durch eine verantwortungsvolle und sensible Finanzpolitik dafür sorgen, dass sich Eltern für die Pflege und Betreuung ihrer Kinder nicht finanziell übernehmen. Es darf nicht sein, dass Eltern Hypotheken auf ihr Eigenheim aufnehmen müssen, um eine Pflegekraft, eine notwendige Operation oder andere lebensnotwendige Maßnahmen zu bezahlen, weil sich einige Kassen dezent zurückhalten oder sogar weigern. Wir dürfen in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse bekommen.
Ich appelliere an die Krankenkassen, Geld in die Verbesserung der Lebensqualität schwerkranker Kinder und ihrer Eltern zu investieren. Bitte machen
sie nicht die Eltern zum Spielball zwischen SGB V und SGB XI! Wir alle müssen die Familien und vor allem die Geschwisterkinder im Blick haben. Während Eltern vielfach Tag und Nacht damit verbringen, ihr krankes Kind zu umsorgen und zu pflegen – oft bis an die Grenze der eigenen Belastungsfähigkeit und bis zur totalen Erschöpfung –, erhalten Geschwisterkinder in dieser Zeit oft nicht die notwendige Zuwendung und Aufmerksamkeit, die sie eigentlich bräuchten.
Gerade durch ambulante Kinderhospizdienste finden neben den Eltern auch die Geschwister der schwerkranken Kinder Verständnis, Fürsorge, Trost und Unterstützung. Wir dürfen keine Betreuungsform mangels Finanzierbarkeit zurücklassen; denn jede Form der Betreuung, ob ambulant oder stationär, ist für uns ein Signal der Mitmenschlichkeit und bedeutet einen Gewinn an Lebensfreude und Kraft für die Betroffenen. Lebensfreude und Kraft – das können die Geschwister von ihren Eltern aufgrund deren emotionaler Überlastung manchmal nicht mehr bekommen.
Darum muss unsere gemeinsame Botschaft lauten: nicht Be-, sondern Entlastung der Betroffenen und ein Handeln im Sinne dieser Betroffenen. Betroffene Familien, verbunden durch das Schicksal einer schwerwiegenden medizinischen Diagnose für eines oder manchmal auch mehrere ihrer Kinder, gilt es in dieser ungewöhnlich schwierigen Lebenssituation mit aller Kraft zu unterstützen.
Deshalb unterstützen wir den Antrag der FDP. Ich hoffe, dass wir hier zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Hohen Hauses kommen werden, um wirklich im Sinne der Betroffenen zu handeln. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir beschäftigen uns heute mit einer besonders wichtigen Problematik, die von betroffenen gehörlosen Eltern an uns Politiker herangetragen wurde. Mit unserem Antrag setzen wir ein eindeutiges Signal für alle Betroffenen und zeigen, dass wir ihre Problematik verstanden haben. Wir sind gemeinsam mit ihnen verärgert, dass die Umsetzung eines solchen Punktes so lange dauert. Dabei herrscht doch auch im Peti
tionsausschuss Einigkeit darüber, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Für die CDU steht die Familie im Zentrum der Politik. Den Bedürfnissen von Eltern mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen gehört unsere besondere Aufmerksamkeit. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Landesregierung, kann man von Ihnen nicht behaupten, ansonsten hätten Sie doch schneller gehandelt.
Sie alle wissen: Die UN-Konvention bekräftigt in Art. 23 den Anspruch auf Unterstützung der Eltern bei der Versorgung und Erziehung. Dazu gehören nicht nur offizielle Termine mit Wahlen von Elternvertretungen, sondern selbstverständlich auch Elternabende in der Schule, Schulfeste und vor allem Elternsprechtage.
Nein, ich möchte gerne erst zusammenhängend vortragen. – Hier ist die Hilfe eines Gebärdendolmetschers für gehörlose Eltern unabdingbar. Andere Länder machen es uns doch vor. Wissen Sie, dass das Land BadenWürttemberg seit dem Jahr 2008 beispielsweise die Übernahme von Gebärdendolmetscherkosten anlässlich von Elternabenden oder sonstigen notwendigen Gesprächen mit Lehrern und Lehrerinnen für gehörlose Eltern fördert? Hier hat man eine ganz einfache unbürokratische Lösung gefunden. Das Land Baden-Württemberg weist dem Landesverband der Gehörlosen die entsprechende Summe zu. Dieser übernimmt dann die Kostenabwicklung. Im Jahr 2008 waren das 40.000 €, im Jahr 2009 60.000 €. Also alles ganz unbürokratisch und direkt für die Betroffenen.
Aber was machen Sie, die nordrhein-westfälische Landesregierung? – Zunächst kündigen Sie immer revolutionäre Entscheidungen an. Anschließend planen Sie erst einmal und dann warten Sie ab. Meine Damen und Herren, aber effektives Regierungshandeln zum Wohle der Betroffenen sieht anders aus.
Beweisen können Sie dies jetzt im Falle der Elternassistenz für gehörlose Eltern. Regeln Sie dieses jetzt hier auch einmal schnell und unbürokratisch. Sie zögern und vertrösten die betroffenen Eltern. Sie haben Ausreden, um nichts anzupacken. In diesem konkreten Fall wollen Sie jetzt erst auf ein Gutachten warten, welches im Mai zu dieser Problematik erscheinen soll.
Aber zu diesem Zeitpunkt ist doch das Schuljahr abgelaufen. Wir brauchen kein Gutachten mehr, das wahrscheinlich nur wieder ein Bürokratiemonster aufbaut, sondern schnelle aktive Hilfe für diese gehörlosen Eltern tut jetzt not.
Die betroffenen Familien und vor allen Dingen Kinder in Nordrhein-Westfalen brauchen jetzt Ihre Hilfe. Hörende Kinder gehörloser Eltern haben oft mit massiven schulischen Problemen zu kämpfen. Eltern können oft nicht in das normale Schulleben integriert werden, worunter die Kinder leiden und dann psychisch auffällig werden.
Deshalb fordern wir Sie auf: Nehmen Sie jetzt Geld in die Hand zum Wohle der Kinder und ihrer Eltern! Hören Sie auf mit fadenscheinigen Ausreden! Schaffen Sie die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen! Leiten Sie die in Ihrem Aktionsplan angekündigten Maßnahmen umgehend ein! Weiten Sie die Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher schnell und unbürokratisch aus! Verschaffen Sie so den Gehörlosen Gehör! Holen Sie mit einer verantwortungsvollen Inklusionspolitik die Kinder aus der Stille! Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen im Ausschuss. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein wohlwollend klingender Antrag „Klug in die Zukunft investieren: Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld!“ Die Überschrift, die Sie gewählt haben, hört sich erst mal sehr verantwortungsvoll, innovativ und zukunftsweisend an. Aber im Endeffekt wollen Sie den Menschen in NordrheinWestfalen nur wieder Sand in die Augen streuen.
Von wegen innovativ. Die SPD-Bundestagsfraktion hat schon am 9. Mai genau den gleichen Antrag „Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld“ in den Bundestag eingebracht. Das zeigt, wie ideenlos Ihr Antrag ist.
Kommen wir zum Inhalt Ihres Antrags! Sie sprechen von Schulden auf Kosten anderer. – Aber was tun Sie denn? Beim Kitaausbau werfen Sie anderen vor, ihrer Verantwortung nicht nachzukommen, und versagen selber auf ganzer Linie.
Nordrhein-Westfalen ist immer noch Schlusslicht bei der U3-Betreuung. Dafür sind Sie verantwortlich.
Zeigen Sie also bitte nicht mit dem Finger auf die anderen, sondern schauen Sie aufs eigene Land! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!
Und schauen Sie mal in den Bund! Der Bund erbringt nämlich seinen Anteil. Er ist jetzt bereit, für die fehlenden 30.000 Kitaplätze, die wir wohl mehr brauchen, als 2007 angedacht, seinen Anteil zu leisten. 580 Millionen € werden zusätzlich vom Bund für Investitionen gezahlt. Auch für die Betriebskosten gibt es zusätzliche Bundesmittel, nämlich ab 2014 jährlich 845 Millionen plus 400 Millionen für Sprach- und Integrationsförderung.
Was tun Sie denn? Umgarnen Sie nur mit warmen Worthülsen, um von Ihrem Versagen abzulenken? Auch Sie müssen wissen: Das Thema „Kindererziehung und frühkindliche Bildung“ ist von zentraler Bedeutung. Mir ist schon bewusst, dass es unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema gibt. Ich
nehme es auch sehr ernst. Ich denke, es gilt, das Pro und Kontra abzuwägen, wenn wir im Sinne der Eltern und ihrer Kinder eine zielführende Entscheidung treffen wollen.
Aber vor allen Dingen gilt: Eltern haben das Recht, über die Art ihrer Kinderbetreuung frei zu entscheiden.
Das kann nicht gelingen, wenn Sie von Beginn an verschiedene Lebensmodelle gegeneinander ausspielen. Das ist unfair.
Nein, ich wollte im Zusammenhang vortragen. – Die Vielfalt der Lebensmodelle müssen wir doch als einen Gewinn betrachten. Unsere Aufgabe ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um eine tatsächliche Wahlfreiheit zu ermöglichen.
Für uns, meine Damen und Herren, ist die Familie ein privater Lebens- und Entfaltungsraum, aus dem sich der Staat weitestgehend herauszuhalten hat. Für uns ist die Familie Inbegriff der Privatsphäre, die jeder nach eigenen Vorstellungen gestalten kann. Für uns unterliegt die Familie dem Schutz des Staates und nicht der Vormundschaft des Staates. Das ist ein großer Unterschied.
Eine Betreuung in der Familie ist doch nicht schlechter und weniger wert als die Betreuung in einer Einrichtung, insbesondere bei den kleinsten Kindern im Alter von null bis zwei Jahren.
Ich glaube, hier nehmen die allermeisten Eltern ihre Aufgabe sehr verantwortlich wahr. Wer diese Kompetenz allen Eltern pauschal abspricht, der beleidigt doch Mütter und Väter, die bewusst ihre Kinder erziehen
und ihr Recht auf Erziehung nachhaltig wahrnehmen. Genau das tun Sie! Bitte sprechen Sie nicht so respektlos von diesen Eltern, indem Sie das Betreuungsgeld als Prämie bezeichnen!
Natürlich ist es mir auch wichtig, dass die Kinder aus sozial schwachen Familien die Möglichkeit einer frühkindlichen Bildung haben. Ebenso möchte ich
aber auch die Anerkennung der Eltern, die bereit sind, sich die ersten Jahre ihrem Kind zu widmen.
Sicherlich bin ich persönlich auch im Zweifel, ob Betreuungsgeld, das heißt: Barauszahlung, der richtige Weg ist. Ich würde mich mehr für eine Anerkennung zum Beispiel durch Rentenanrechnungszeiten aussprechen. Auch darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Ich persönlich finde: Zuerst einmal geht es darum, dass wir hier im Land den Ausbau der U3-Plätze voranbringen.
Dann haben Eltern echte Wahlfreiheit. Frau Ministerin Schäfer, das ist jetzt Ihre Aufgabe. Sie haben dafür zu sorgen, dass bis zum Sommer 2013, wenn der Rechtsanspruch greift, endlich genügend U3Plätze auch in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind. Dann verfügen die Eltern über Wahlfreiheit.
Fangen Sie damit an! Schaffen Sie diese 27.000 fehlenden Plätze! Damit schaffen Sie für alle Eltern in unserem Land Betreuungssicherheit. – Danke sehr.