René Schneider

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Eigentlich sollte Valentino Rossi heute vor Ihnen stehen. Der italienische Motorradrennfahrer könnte Ihnen nämlich noch sehr viel besser als ich erklären, wie man am besten die Strecke vor sich in den Blick nimmt. Wer Erfolg haben will – und das hat der neunmalige Weltmeister zweifelsohne –, fokussiert nicht die Spitze seiner Füße so wie Sie, um den nächsten Schritt zu machen, oder, um im Bild zu bleiben: Er schaut nicht auf die paar Meter Asphalt vor sich.
Im Gegenteil: Er nimmt den Kopf nach oben und schaut auf den Ausgang der Kurve. Unserem peripheren Sehvermögen ist es nämlich zu verdanken, dass wir das Drumherum trotzdem wahrnehmen. Fokussiert sind wir aber besser auf den Punkt, zu dem wir wollen.
Ich erzähle Ihnen das so ausführlich, weil schon der Titel der Großen Anfrage, die wir gerade behandeln, erahnen lässt, wohin die FDP will. Ich zitiere: „Nordrhein-Westfalen in der digitalen Welt – ‚MegaStark‘ oder eher schwach?“. Das fragen Sie. Ich behaupte mal, dass es keiner der nun vorliegenden 54 Antworten bedurft hätte, damit Sie Ihr Urteil fällen oder einen Entschließungsantrag formulieren, so wie Sie das getan haben.
Die Reden der Opposition waren im Geiste schon geschrieben, bevor sich die Landesregierung um diese detaillierte Auflistung bemüht hat, die uns jetzt vorliegt und für die ich mich im Namen der SPD-Fraktion herzlich bedanken möchte.
Aus diesem Grunde möchte ich auch nicht bei einem Plenartheater mitmachen, bei dem die Rollen schon festgelegt sind: hier die Regierungskoalition, die alles über den Klee gelobt, und dort die Opposition, die alles so furchtbar den Bach runtergehen sieht – wir haben es gerade gehört. Insgeheim wissen wir ja, dass die Wahrheit meist irgendwo dazwischen liegt.
Ich möchte die mir nun verbleibenden rund vier Minuten – das habe ich im Manuskript stehen, drei sind es tatsächlich – nutzen, um die digitale Zukunft in den Blick zu nehmen.
Ich möchte, im Gegensatz zu Ihnen, den Kopf heben, um nach vorne zu schauen, dabei die direkte Umgebung dennoch im Blick behaltend.
Zwei Dinge möchte ich nennen, zunächst zum Stichwort „Breitband-Internet“.
Als Land tun wir unser Bestes, um den Ausbau durch Beratung und Förderung zu beschleunigen. Eine halbe Milliarde Euro stehen dafür bis 2018 zur Verfügung. Nur hilft das alles nichts, wenn nicht auch die Bürgerinnen und Bürger die Bedeutung breitbandiger Internetanschlüsse erkennen.
Jetzt erzähle ich Ihnen mal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis. Ich weiß, dass sie Wahlkreise nicht so gut kennen wie wir von der SPD.
In meinem Wahlkreis liegt die Stadt Xanten. In Xanten liegt die Quote
hören Sie zu, dann lernen Sie was! – für den Internetanschluss
Sie können ja nichts hören, wenn Sie dazwischenreden! – bei gerade mal 2,4 %, wenn wir über die Internetanschlüsse mit 50 Mbit/s und mehr reden. 2,4 % – auch das sieht man in der Anlage der Großen Anfrage, die uns vorliegt.
Kein Wunder also, dass es einen Anbieter gibt, der das erkannt hat und seit Monaten trommelt, um die netzschwachen Gebiete Xantens für Internet in Lichtgeschwindigkeit zu bewerben. Eigentlich müssten die Bürgerinnen und Bürger dieser Firma ja die Türen einrennen. Das machen sie jedoch nicht; denn aktuell liegt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger bei 7 %.
Die Förderangebote, die Sie immer fordern – noch und nöcher, Milliarden um Milliarden –, und auch Ihre Sonntagsreden zur Bedeutung von schnellem Internet werden nicht reichen, wenn nicht auch der Endnutzer erkennt, dass seine Immobilie künftig ohne Breitband nicht mehr vermietbar, geschweige denn verkäuflich ist.
Dieses Verständnis müssen wir bei vielen, so glaube ich, erst noch wecken. Wenn dies nicht gelingt, können Sie noch so viele Milliarden für die Förderung bereitstellen – den Ausbau werden wir dennoch nicht schaffen.
Das wiederum führt mich zum zweiten Punkt. Die Digitalisierung unserer Welt muss bereits in der Kita und in der Schule so thematisiert werden, wie es ihrer Bedeutung in unserem täglichen Leben entspricht. Da ist zum einen die Ausstattung von Bildungseinrichtungen mit der notwendigen Hardware. Das Thema „Gute Schule 2020“ hatten wir gerade – 2 Milliarden € stehen für die Digitalisierung der Schulen bereit, und das ist gut so.
Für diese Summe werden wir keine Laptops für alle anschaffen können; die brauchen wir jedoch auch gar nicht. Das „Learning Lab“ der Universität Duisburg-Essen beweist vielmehr gerade, dass es vor allem Breitband und WLAN an Schulen braucht, um mit den privaten Smartphones und Tablets der Schülerinnen und Schüler digital zu arbeiten. Das Stichwort hierfür lautet „Bring Your Own Device“. Ein dauerhaftes Wettrüsten der aktuellsten Hardware kann nämlich kein Schulträger auf Dauer gewinnen.
Inhaltlich sind aber wiederum die Lehrerinnen und Lehrer gefordert, denn mit der neuen Hardware alleine verändert sich nicht der Unterricht. Hierfür gibt es bereits tolle Beispiele – etwa LOGINEO NRW als Plattform. Dort werden Unterrichtsinhalte eingestellt, abgerufen, mit Zensuren versehen und auch kommentiert. Es wird kollaborativ gearbeitet und recherchiert, und das alles ist Alltag in Nordrhein-Westfalen, wie Sie auch aus der Antwort der Großen Anfrage 20 erkennen können.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Lassen Sie uns weiter mutig Vollgas geben und dabei nur von Zeit zu Zeit in den Rückspiegel schauen. Wir müssen die Hindernisse und Realitäten sehen, um nicht mit Tempo 200 vor die Wand zu fahren.
Die vorliegende Große Anfrage zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ihr eiligst zusammengeschusterter Entschließungsantrag ist nicht sehr viel mehr – es tut mir leid – als eine Seifenkiste, die Sie ins Rennen schicken wollen. Wir lehnen ihn deshalb ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, eine erholsame Herbstpause und selbstverständlich ein herzliches Glückauf!
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der vorgerückten Stunde und der nahenden Sommerpause möchte ich es heute kurz machen, obwohl das Thema „Game Development“ natürlich sehr wichtig ist und jederzeit unsere vollste Aufmerksamkeit genießt.
Deswegen lobe ich auch ausdrücklich die Absicht, die hinter dem Antrag der Piraten steht. Ihnen geht es – das unterstelle ich Ihnen einmal wohlwollend – um die positive Würdigung und Unterstützung einer Wirtschaftsbranche, die in Deutschland immerhin jährlich rund 3 Milliarden € umsetzt. – So weit, so gut.
Leider können wir jedoch Ihr Ansinnen, das in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt, nicht unterstützen. Dass wir als SPD-Fraktion nicht zustimmen werden, hat mindestens drei Gründe, die ich Ihnen kurz nennen möchte.
Erstens. Die Kritik, Deutschland und auch NRW verpassten einen Trend – das kommt in dem Antrag zum Ausdruck –, geht völlig fehl.
Eine repräsentative Umfrage des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware und der Gesellschaft für Konsumforschung stellte schon 2013 die Bedeutung NRWs in diesem Sektor fest. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wertschöpfung wird in NRW durch hier ansässige Player wie Ubisoft Blue Byte oder Elektronic Arts generiert.
Der Standort NRW, der momentan mit der Gamescom Cologne auch noch eine der wichtigsten internationalen Spielemessen beherbergt, tut einiges dafür, um diese Stellung im Wettbewerb zu halten und weiter auszubauen. Herr Minister Lersch-Mense wird dazu nachher sicherlich weitere Zahlen und Fakten liefern.
Schon den Grundtenor Ihrer Beschreibung der Ausgangslage, liebe Piraten, können wir also nicht teilen.
Zweitens. Sie fordern in Ihrem Antrag, wir sollten eine Studie erstellen, die die Leistungsfähigkeit der Branche in Nordrhein-Westfalen untersucht.
Diese Forderung halten wir schlicht für einen digitalen Anachronismus. Bei einer Branche, die in weltweiten Zusammenhängen funktioniert, bei der Programmierer auf der Suche nach immer neuen spannenden Gamesprojekten von Kontinent zu Kontinent wandern und es für viele digitale Nomaden überhaupt nicht darauf ankommt, wo sie ihre Laptops zur Arbeit aufklappen, wollen Sie eine Studie über die Game Development Branche zwischen Köln und Kleve, Bonn und Bielefeld.
Ich sage Ihnen: Das ist zu kurz gesprungen. Wir brauchen mindestens eine nationale Studie – schon um die Bundesländer untereinander vergleichen zu können. Doch Achtung: Die Sau wird nicht vom Wiegen fett. Nur, weil wir etwas messen, wird es nicht größer oder besser. Deshalb müssen wir weiter an der Förderung der Branche dranbleiben. Das tut die Landesregierung. Deshalb braucht es diesen Antrag nicht.
Drittens. Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil ich lieber über einen Text sprechen würde, der frei von Partikularinteressen formuliert wurde. Ich bin zwar ein großer Freund von Creative-Commons-Lizenzen und der Idee, Inhalte frei verwenden, mixen und wieder veröffentlichen zu dürfen.
Bei Anträgen im Landtag bin ich da aber etwas vorsichtiger, zumal dann, wenn der Urheber am Ende nicht genannt wird. Um es deutlicher zu formulieren: Mich hat schon überrascht, wie freimütig sich ein Sachverständiger in der Anhörung darüber gefreut hat, dass seine Gedanken ganz explizit von der Piratenfraktion übernommen worden sind.
Das kann man machen, liebe Piraten. Aber dann nennt man auch klar Ross und Reiter und den Urheber. So etwas nennt man Transparenz. Es ist komisch, dass ich ausgerechnet Ihnen das erklären muss.
Mein Fazit: Die Absicht hinter dem Antrag ist ehrenwert. Wir haben dennoch gute Gründe, ihn in dieser Form abzulehnen. Die rot-grüne Landesregierung wird die Game Development Branche weiterhin unterstützen und fördern.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Schöne Ferien und natürlich ein herzliches Glück auf! – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion! 0211 770070 – das ist die Telefonnummer der Landesanstalt für Medien. Wenn Ihnen das zu analog ist, tippen Sie mal „www.lfm-nrw.de“ in Ihren Browser, und Sie werden finden, was Sie mit Ihrem Antrag zu finden erhoffen, nämlich die Antwort auf die Frage, wie die Landesanstalt für Medien zum Thema Netzneutralität steht.
LfM-Direktor und DLM-Vorsitzender Dr. Jürgen Brautmeier macht dort unter anderem mit einem Video deutlich, dass er entschlossen ist, den diskriminierungsfreien Datenverkehr sicherzustellen. Sie könnten aber auch den von ihrer 20-köpfigen, ich
meine, 19- respektive 18-köpfigen Fraktion entsandten Vertreter in der Landesmedienkommission fragen und ihn bitten, sich für Netzneutralität einzusetzen. Ich denke aber, dass das für Herrn Schwerd selbstverständlich sein wird. Er wird sich als fraktionsloser Abgeordneter ja gleich auch noch zu Wort melden.
Alles in allem brauchen wir also keine offenen Türen einzurennen, zumal Ihre Idee, die Landesanstalt für Medien von hier aus zu etwas zu verpflichten, Herr Lamla, rechtlich gar nicht funktioniert. Ein Blick ins Landesmediengesetz macht deutlich und genügt eigentlich, zu erkennen, dass die LfM eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Die Rechtsaufsicht liegt bei der Landesregierung. Eine Weisungsbefugnis gibt es dagegen nicht. Und es braucht sie, wie ich eben ausgeführt habe, im aktuellen Fall auch gar nicht.
Die LfM ist zudem nicht – wie Sie es in Ihrem Antrag fordern – gegenüber dem Landtag für das rechenschaftspflichtig, was sie tut. Plötzlich eine pauschale Auskunftspflicht zu basteln, soll aus unserer Sicht auch nicht über den Umweg der Rechtsaufsicht erlangt werden.
Meine Damen und Herren, es ist ja schön, dass wir uns auch in dieser Plenarwoche wieder über das zugegebenermaßen sehr wichtige Thema der Netzneutralität austauschen. Allein, bei Ihnen, liebe Piratinnen und Piraten, scheint mir derzeit die Schallplatte kaputt zu sein. Immer wieder sind es dieselben Lieder. Sie wiederholen im Monatstakt Ihre Lieblingstitel und ändern gerade einmal die Tonlage, vielleicht auch, wie ich gerade gedacht habe, die Lautstärke.
So wichtig das Thema Netzneutralität auch ist – einen richtigen Hit landen Sie hier in Düsseldorf nicht. Die großen Bühnen stehen nämlich in Berlin und Brüssel, wo Sie zugegebenermaßen keinen Zutritt haben.
Das ist vielleicht auch besser so. – Ich habe derzeit den Eindruck, dass Sie langsam, aber sicher die letzte Rille der B-Seite hier im Landtag erreicht haben. Daran ändern Sie auch nichts, wenn Sie Ihre Texte nunmehr in die Hot Rotation geben und die übrigen Fraktionen dann dazu singen sollen. Ganz ehrlich, da machen wir nicht mit.
Ich wiederhole mich zwar ungerne; wenn ich es aber – wie in diesem Falle – muss, dann auch exakt so, wie ich es schon im August in meiner Rede zur Netzneutralität von hier aus gesagt habe: Wir in Nordrhein-Westfalen haben uns schon früh deutlich für Netzneutralität ausgesprochen. Sie kennen sicherlich noch den rot-grünen Antrag „Für echtes Netz:-Netzneutralität dauerhaft gewährleisten und gesetzlich festschreiben“ vom Mai 2013.
Ja, gerne. Dafür bin ich ja hier.
Ich habe mich auf das bezogen, was, glaube ich, wichtig ist. Natürlich sitzt eine Piratin in diesem Parlament. Die Frage ist aber auch aktuell – Sie haben es ja selbst erwähnt –, zu wem sie sich scheinbar näher als zu den Piraten selbst hingezogen fühlt. Sie hat auch festgestellt, in welcher Fraktion sie tatsächlich Politik machen kann. Über das Thema „Absatztendenzen“ müssen wir uns, glaube ich, heute nicht unterhalten. Ich habe es ja gerade schon erwähnt. Mal schauen, mit wie vielen der 18-, 19- oder 20-köpfigen … Wie auch immer!
Ich fahre mit meiner Rede fort und möchte weiter aus meiner Rede von vor einigen Monaten zitieren. Damals haben wir eindeutig klargemacht, dass im Internet nur die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel der Garant für ein freies Netz ist.
Gemeinsam mit Ihnen, liebe Piraten, haben wir danach – im Mai 2014 – unsere gemeinsame Position im Antrag Drucksache 16/5777 zum Ausdruck gebracht. Lukas Lamla hat eigentlich gerade schon aufgezählt, was wir da alles gemacht haben, wo wir Seit an Seit gestanden haben. Das war vor etwas mehr als einem Jahr. Seitdem steht unser gemeinsames Wort – verflixt noch mal –, das wir deshalb heute auch nicht zu erneuern brauchen. – Zitat Ende.
Die Äußerungen von Telekom-Chef Timotheus Höttges – sie wurden gerade schon erwähnt – und die so mancher anderen Telekommunikationsanbieter, die sich danach bemüßigt fühlten, auch noch aufzutreten, werten auch wir – ja! – als Affront und leider auch als Bestätigung all unserer schlimmsten Befürchtungen. Finanziell klammen Start-ups die Überholspur im Internet als besondere Chance zu verkaufen, zeugt schon von Sarkasmus der Telekom. Jetzt sind die Regulierer am Zug. Und diese –
da bin ich mir in Nordrhein-Westfalen sicher – werden entsprechend ihrer Möglichkeiten dafür sorgen, dass die sogenannten Spezialdienste so eng definiert werden, wie wir alle es uns wünschen.
Den vorliegenden Antrag der Piraten lehnen wir – ich habe es gerade erklärt, warum – aus formalen wie inhaltlichen Gründen; inhaltlich wegen der immer wieder erfolgten Doppelungen – ab. Den Kampf für Netzneutralität kämpfen wir jedoch, glaube ich, gemeinsam weiter. – Vielen Dank fürs Zuhören und ein herzliches Glück auf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Das hat zwei Gründe, und die möchte ich Ihnen im Folgenden auch erklären.
Der erste Grund ist: Wir in Nordrhein-Westfalen haben uns schon früh deutlich für die Netzneutralität ausgesprochen. Sie kennen sicherlich noch den rotgrünen Antrag – da bin ich mir sicher – mit dem Titel „Für echtes Netz: Netzneutralität dauerhaft gewährleisten und gesetzlich festschreiben!“. Das war im Mai 2013. Damals haben wir sehr deutlich klargemacht, dass im Internet nur die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete – unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel – der Garant für ein freies Netz ist. Das hat Sie so sehr überzeugt, dass wir anschließend gemeinsam mit Ihnen den Änderungsantrag Drucksache
16/5777 eingebracht haben. Das war vor etwas mehr als einem Jahr.
Das können wir alles regeln. Gerne.
Natürlich hat sich die Sachlage in der EU geändert, aber wir stehen weiterhin – ich denke, das gilt für Sie genauso wie für uns – zu unserem Wort „pro Netzneutralität“. Wir haben uns – und das ist der erste Grund, warum wir Ihren Antrag ablehnen – intensiv damit auseinandergesetzt, sowohl in den Fraktionen als auch hier im Plenum, und zumindest wir drei Fraktionen haben uns deutlich dazu positioniert.
Der zweite Grund, warum wir Ihrem Antrag heute nicht zustimmen können, ist einer, der auch mich betrübt: Er kommt schlicht zu spät. In Brüssel sind die Würfel längst gefallen, und auch wenn es Sie und mich persönlich nicht glücklich macht, ist eine Mehrheit der EU-Parlamentarier dazu bereit, die Netzneutralität zugunsten einer Roaming-Regelung zu opfern, die letztlich sogar hinter den Summer Specials der meisten Mobilfunkbetreiber zurückbleibt. Das ist bedauerlich.
Viel interessanter finde ich aber, heute einmal die Frage zu stellen – Sie haben es ansatzweise gerade gemacht, Herr Kern –, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Für mich ist die Antwort ganz einfach: Netzpolitische Themen finden meist unter
Ausschluss der breiten Öffentlichkeit statt, zum Beispiel um kurz vor 19 Uhr in bundesdeutschen Parlamenten.
Während in den USA scheinbar jedes Kind begriffen hat, was ein freies Internet mit weitestreichender Netzneutralität bedeutet, erntet man hierzulande mitleidige Blicke, wenn man von den Vorzügen des freien Internets berichtet. Amerika hat die Netzneutralität weitestgehend gerettet. Europa hingegen wird sie für ein bisschen Applaus im Zusammenhang mit den Roaminggebühren komplett versenken. Da gebe ich Ihnen recht.
Mangelndes Verständnis für das Thema ist der Grund, warum immer wieder Pseudoargumente – und einige davon haben Sie gerade auch genannt – bei den Entscheidern haften bleiben, die nichts mit der digitalen Realität zu tun haben. Ich denke nur einmal an das Märchen – gerade ist es schon angeklungen – von Günther Oettinger, wonach Netzneutralität autonomes Fahren unmöglich mache. Datenaustausch von und zwischen den Autos müsse eben immer prioritär im Netz befördert werden, so Oettinger.
Das ist Quatsch, und das wissen wir alle. In Funklöchern und Tunneln wäre autonomes Fahren nach dieser Lesart völlig unmöglich. Dennoch höre ich dieses Argument immer wieder, und dem müssen wir entgegentreten. Denn mit der Netzneutralität verhält es sich wie mit einem Soufflé: Sticht man an einer Stelle hinein, fällt das ganze schöne Soufflé in sich zusammen. Und Nadelstiche hat es in den vergangenen Trilogverhandlungen eine Menge gegeben.
Nehmen Sie nur das sogenannte Zero Rating von Spezialdiensten. Für mich persönlich gehört ein Verbot dieses Zero Ratings zu einer starken Netzneutralitätsregelung einfach dazu. Warum das so ist, zeigt aktuell der Fall des Musik-StreamingAnbieters Spotify, der beispielsweise im TelekomMobilfunknetz bevorzugt behandelt wird. Nutzern des Dienstes wird das mobile Streamen von Musik derzeit nicht auf das monatliche Freivolumen angerechnet.
Das ist eine Ungleichbehandlung, die es Nutzerinnen und Nutzern momentan schwermacht, den neuen Nutzungsbedingungen von Spotify zu widersprechen. Denn auf welches Angebot soll man denn ausweichen, wenn man Standort und Bewegungsdaten, Bilder und Kontakte eben nicht mit Spotify und seinen Werbepartnern teilen möchte?
Es gibt zwar Alternativen, doch können sie eben nicht mit Zero Rating punkten und sind damit für viele Mobilfunknutzer unattraktiv. Wenn sich nun also Spotify-Kunden mit zweifelhaften Geschäfts- und Datenschutzbestimmungen einverstanden erklären,
hat das auch mit dem Fehlen von Netzneutralität an genau dieser Stelle zu tun.
Doch leider fürchte ich, dass die Befassung mit dem Zero Rating nicht zum aktuellen Mandat des Europäischen Parlaments gehörte. Das ist ein Umstand, den sich die Befürworter des Zero Ratings selbstverständlich zunutze gemacht haben. Nach Auffassung zahlreicher Beobachter war ein Verbot vor diesem Hintergrund nicht durchzusetzen. Auch das ist sehr bedauerlich.
Meine Damen und Herren – damit schaue ich insbesondere zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten –, eine verlorene Schlacht bedeutet für mich persönlich aber keinen verlorenen Krieg. Lassen Sie uns insofern bitte weiter gemeinsam für die Sache kämpfen. Lassen Sie uns hier klar Position beziehen und uns weiterhin für eine Lobby für netzpolitische Themen einsetzen – durch Aufklärung und durch Beharrlichkeit.
Wir in Nordrhein-Westfalen stehen weiter gemeinsam für Netzneutralität, auch wenn wir heute unterschiedlich abstimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit und ein herzliches Glückauf!
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die menschliche Kreativität, sie ist wie Wasser: Sie sucht sich ihren Weg. Das ist der Grund, warum es in immer mehr deutschen Städten den Freifunk gibt. Statt sich von der bundesdeutschen Störerhaftung aufhalten zu lassen, erfanden engagierte Menschen ein Bürgernetz, das legales Kostenlos-WLAN ermöglicht und dabei noch einen interessanten Nebennutzen bringt: Bürgerinnen und Bürger können sich miteinander austauschen. Sie können ihr eigenes soziales Netzwerk gründen, Inhalte teilen und sich auf diese Weise von den großen Datenkraken der schönen neuen Netzwelt emanzipieren.
Vielleicht eröffnet Freifunk damit auch einen Blick in die Zukunft, in die Zukunft digitalisierter urbaner Räume. Ich persönlich bin mir sicher, dass sich unser Leben im öffentlichen Raum verändern wird. Begeben Sie sich deshalb mit mir auf eine kleine Reise in die Zukunft.
In fünf oder zehn Jahren wird die Innenstadt noch immer viele Menschen anlocken. Es gibt zwar nicht mehr so viele Läden in den Seitenstraßen, dafür reiht sich auf der Haupteinkaufsstraße Schaufenster an Schaufenster. Hinter jedem zweiten davon verbirgt sich ein sogenannter Showroom. Hier probieren die Kunden an, hier fühlen sie, hier riechen sie, hier schauen sie, um daraufhin eine Wahl zu treffen. Mit ihrem Smartphone wird dann bestellt. Noch am selben Tag wird geliefert, nicht aus dem Geschäft heraus, sondern aus Zentrallagern außerhalb der Stadt.
Dazwischen finden sich auch immer wieder Servicestationen für die unterschiedlichsten Produkte, die reklamiert, repariert und am Ende umgetauscht werden können.
Always online. Die Menschen, die heute hier durch die Straßen schlendern, sind mit ihrem Phablet unterwegs, einer Mischung aus Smartphone und Tablet, das sich mittlerweile als Standard etabliert hat. Aufs Datenvolumen, das ihr alter Mobilfunkvertrag vielleicht noch vorsieht, brauchen sie dabei nicht zu schauen. Denn Innenstädte, meine Damen und Herren, sind nur noch dort stark frequentiert, wo es ein lückenloses WLAN-Netzwerk gibt – kostenlos und ohne umständliche Anmeldung.
So sitzen sie denn in den Cafés, in Restaurants und Parks. Die Aufenthaltsqualität hat sich in den vergangenen Jahren überall stark verbessert. Denn die Innenstadt ist mittlerweile der Ort, wo sich die Menschen physisch miteinander treffen, um sich zu sehen, sich in die Arme zu nehmen.
Weil dabei die Allermeisten ihr Phablet oder ihr Smartphone dann doch nicht aus der Hand legen
mögen, sondern selbst im Gespräch noch darauf herumtippen und ständig etwas auf dem Display zeigen, gibt es mittlerweile sogenannte Offlinecafés. „Handys müssen draußen bleiben“ steht auf dem Schild neben der Tür. Ein Störsender hilft dabei, das Verbot auch durchzusetzen. Wie immer sind in diesen Offlinecafés alle Tische besetzt. Denn, meine Damen und Herren, Offline ist das neue Bio.
Die Stadt ist jedoch auch kleiner geworden. Es leben weniger Menschen hier. Dafür immer mehr betagtere Frauen und Männer. Sie genießen ihren Ruhestand und die digitalen Annehmlichkeiten. Durch den im Netzwerk organisierten Hausnotruf fühlen sie sich zu Hause sicherer. Zwar können sie ihr Abo im Theater nicht mehr persönlich einlösen, doch schauen sie dann zumindest den Livestream aus dem städtischen Theater auf dem heimischen Flachbildschirm. Nach der Vorstellung tauscht man sich aus. Statt auf Facebook, das in den vergangenen Jahren wegen seiner laxen Datenschutzeinstellungen immer unbeliebter wurde,
wird der Austausch jetzt über lokale Plattformen organisiert.
So behalten die Nutzer vor Ort die Kontrolle über ihre Daten.
Auch der Lokaljournalismus hat auf den Trend reagiert. Mikro- und Datenjournalismus sind die Trends der Zeit. Statt der großen Politik, die längst über andere Internetseiten und Blogs abgebildet wird, lesen Bürgerinnen und Bürger bei der Onlinelokalzeitung ständig aktualisierte Neuigkeiten aus ihrer Stadt.
Beispielsweise geht gerade die Benachrichtigung an alle Smartphones im Netzwerk, dass die Ausfahrt von Parkplatz eins aufgrund eines Auffahrunfalls verstopft ist. Dieser Service gehört zum Verkehrsmanagement. Das hat dazu geführt, dass es praktisch keine Staus mehr gibt und die Suche nach einem Parkplatz der Vergangenheit angehört.
Wer selbst mit dem Auto unterwegs ist, merkt ohnehin nichts von Verkehrsstörungen. Das autonome Fahren ist längst zur Regel geworden. Damit reicht es völlig aus, mündlich den eigenen Zielwunsch zu formulieren. Den Rest übernimmt das vollvernetzte Auto.
Die Shareconomy hat auch positive Seiten. Die wenigsten Menschen besitzen dann überhaupt noch ein Auto. Viel effektiver ist das Carsharing, das sich vor allem in Großstädten durchgesetzt hat. Mit der richtigen App und in Verbindung mit dem ÖPNV lassen sich Verbindungen auf die Sekunde genau berechnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden es bemerkt haben: Die Verbindung ins Internet spielt bei meinem Blick in die Zukunft eine entscheidende, wenn nicht gar die entscheidende Rolle.
Die Realität heute sieht jedoch leider noch düster aus. Nur 39 % der Internetnutzer gehen laut einer Umfrage von Bitcom Research außerhalb ihrer Wohnung über WLAN ins Internet. Schuld daran – so die Autoren – seien die restriktiven gesetzlichen Regelungen zur Störerhaftung. Die geringe WLANNutzung bremse damit die digitale Entwicklung aus.
Ich werde gleich offline gesetzt. Deswegen komme ich zum Ende. Sie haben absolut recht.
Dass die digitale Entwicklung gestört wird, ist für uns nicht hinnehmbar. Deshalb möchten wir mit unserem gemeinsamen Antrag den Freifunk stärken, der eine Brücke in die Zukunft baut. Daran wird auch die Vorratsdatenspeicherung hoffentlich nichts ändern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein herzliches Glück auf!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Thema „Freifunk“. Die Piraten haben es mit Ihrem Antrag auf die Tagesordnung gebracht. Dafür möchte ich vorab erst mal Danke sagen. Im Gespräch miteinander waren wir schon der Auffassung, etwas Gemeinsames machen zu wollen. Sie sind da wieder etwas ungeduldiger gewesen. Das macht nichts, völlig in Ordnung. Denn ich kann es verstehen, die Zeit rast, und so eine Wahlperiode geht für den einen oder anderen relativ schnell zu Ende.
Dennoch glaube ich, dass wir am Ende zu einem gemeinsamen Papier kommen werden, getragen von mehr als nur einer Fraktion. Denn Freifunk ist wichtig und findet schon in mindestens 44 Orten in Nordrhein-Westfalen statt. Damit wird auf der einen Seite die Internetszene und auf der anderen Seite das gesamtgesellschaftliche Leben bereichert.
Denn beim Freifunk geht es nicht allein darum, die kostenlose WLAN-Verbindung für alle zu realisieren – an der bundesdeutschen Störerhaftung vorbei. Nein, das wäre zu kurz gesprungen.
Da führt auch der Titel – zugegebenerweise nur der Titel – Ihres Antrags etwas in die Irre. Denn Freifunk bleibt am Ende kein adäquater Ersatz für die Abschaffung der Störerhaftung. Wir waren uns im Plenum alle einig: Die Störerhaftung gehört abgeschafft. – Daran kommen wir auch mit dem Freifunk nicht vorbei. Freifunk ist momentan eine Hilfskrücke, um die schiefe Gesetzeslage, die es leider noch gibt, zu umgehen.
Vereinfacht gesagt – ich finde es wichtig, das hier noch mal darzustellen –, funktioniert Freifunk technisch so: Die kompletten Internetverbindungsdaten werden über einen Computer beispielsweise in Schweden umgeleitet, sodass der Eindruck entsteht, man sei als schwedischer Internetnutzer in Deutschland unterwegs. Laut Gesetzeslage in Schweden muss die Identität des Anschlussinhabers nur offengelegt werden, wenn eine Straftat, die mit einer Strafe von mehr als zwei Jahren Gefängnis bedroht ist, über diesen Internetanschluss begangen wurde.
Zivilrechtliche Ansprüche können auf diesem Weg – über diese Hilfskrücke – nicht geltend gemacht werden. Vor allem ist der Internetanschlussinhaber nicht automatisch für die Taten der anderen Nutzer mitverantwortlich.
Doch freies WLAN ohne Passwortzugang ist nur ein Add-on, eine nützliche Begleiterscheinung. Zugegeben, für viele Teilnehmer des Projektes ist es das Argument für eine Beteiligung. Wie heißt es aber so schön: „Der Wurm muss am Ende dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“? Denn am Ende zählt nur, möglichst viele Menschen für die Idee zu begeistern; Sie haben es gerade richtig gesagt. Basis dafür ist aber, die Internetnutzer darüber aufzuklären, wie Freifunk technisch funktioniert.
Beim Blick auf Internetseiten von zahlreichen Freifunkinitiativen sieht man, dass sie sich sehr viel Mühe geben, Laien in Wort, Bild und Ton zu erklären, wie man den eigenen Internetrouter in die Lage versetzt, am sogenannten Mesh-Netzwerk teilzunehmen. Das ist nicht einfach, aber machbar.
Beispielsweise bietet der Chaos Computer Club in Köln derzeit einen Kurs für Menschen – man höre und staune – unter 23 Jahren an, um sie tief in die Materie einzuführen. Dieses Technikwissen ist nicht unbedingt für jeden Teilnehmer dieses Netzwerks erforderlich, aber zumindest an den Dreh- und Angelpunkten ist Expertise wichtig. Hier können wir als Land tatsächlich zusätzlich ermuntern und fördern. Denn Freifunk bietet neben dem kostenlosen WLAN-Zugang noch weitere Möglichkeiten.
Die Idee ist, ein lokales Ortsnetz zu schaffen, in dem aktuelle Informationen offen und frei für jeder
mann zugänglich werden können, sozusagen ein soziales Netzwerk für die lokale Freifunkcommunity.
Eben erst hat die SPD eine Kampagne gestartet, in der sie danach fragt, wie wir alle in Zukunft digital leben wollen, denn das Digitale durchdringt alle Bereiche des täglichen Lebens:
So liegt der Marktplatz der Zukunft demnächst vielleicht nicht mehr vor dem Rathaus, sondern im lokalen Freifunknetz. Die Zutaten – beispielsweise für einen Thüringer Bratapfel – werden dann nicht im Stadtpark, sondern im passenden Forum ausgetauscht. Das alles kann man bedauern, aber es passiert. Wir wollen es gestalten und nicht nur staunend zuschauen.
Denn es eröffnen sich noch mehr Perspektiven, zum Beispiel, dass neue Formen des Mikrojournalismus in deutschen Netzen möglich werden oder die Chance, den Bürgern einer Stadt über ihr eigenes Netz wichtige lokale Informationen zukommen zu lassen, beispielsweise über Verspätungen im Nahverkehr, Störungen im Stromnetz oder Hintergründe zu politischen Beschlüssen im Rat.
Hinweisen möchte ich auch darauf, dass dieses Netzwerk vor der Überwachung durch die deutsche Justiz zunächst geschützt ist. In Zeiten der Enthüllungen von Edward Snowden ist das sicherlich einerseits ein schöner Nebeneffekt; andererseits darf dadurch natürlich kein rechtsfreier Raum entstehen, in dem illegale Angebote und Themen offeriert werden.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Kollektiv ist eben nur so ehrenhaft, wie es jedes einzelne Mitglied sein wird. Auch das ist ein Aspekt für unsere breit angelegte Diskussion zum Thema „Hashtag – digital leben“, an der gerne auch die Abgeordneten der Piratenfraktion teilnehmen dürfen. Denn das, so glaube ich, hat Zukunft und Perspektive auch über 2017 hinaus.
Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In einen Thüringer Bratapfel gehört eine ordentliche Portion Blutwurst und in den Antrag der Piratenfraktion auch ein ordentlicher Schuss Perspektive. Letztere steuern wir im Fachausschuss gerne bei und stimmen deshalb der Überweisung gerne zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein herzliches Glückauf!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute reden wir über einen Antrag, den die Piraten zum Thema „Digitale Agenda“ eingebracht haben und der noch ausführlich im Ausschuss diskutiert werden wird. Dabei nimmt die Antragstellerin eine pessimistische Position ein, die – Sie werden es geahnt haben – nicht nur die SPD nicht teilen kann.
Auch andere Akteure urteilten wesentlich positiver, als es die Piraten tun, zum Beispiel der Arbeitskreis Software-Qualität und -Fortbildung – Zitat – :
„Die Bundesregierung hat die Bedeutung des digitalen Wandels für ‚Wachstum und Beschäftigung‘ erkannt und würdigt ihn mit dem Ziel nach ‚Zugang und Teilhabe‘….“
Zitat Ende. – Das Urteil des Bundesverbandes der Musikindustrie lautet – Zitat –:
„Mit der Digitalen Agenda schlägt die Bundesregierung ein neues Kapitel ihrer Netzpolitik auf, die einen klaren Gestaltungswillen erkennen lässt und sich nicht mehr nur einseitig an digitalen Chancen orientiert, sondern die digitale Transformation als Querschnittsthema für alle Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche begreift.“
Zitat Ende.
Ein letztes Zitat stammt vom Verband der deutschen Internetwirtschaft. Dieser sagt:
„Die zentrale Herausforderung bei der Digitalisierung der Gesellschaft ist das Finden eines gemeinsamen Grundkonsens bei der Ausgestaltung der Internet- und Netzpolitik. Die Digitale Agenda ist ein erster wichtiger Schritt dazu.“
Zitat Ende.
Ich könnte nun eine Weile so weitermachen, aber das wäre leidlich langweilig; das gebe ich zu. Denn allein mit Copy & Paste ließe sich zwar eine Rede zusammenstellen, die die Digitale Agenda insgesamt positiv bewertet; soweit – das möchte ich ausdrücklich sagen – will ich aber nicht gehen. Denn an der einen oder anderen Stelle habe ich ebenfalls Konkretisierungsbedarf. Hierzu hat der Kollege Alexander Vogt alles gesagt, was gesagt werden musste.
Die Diskussion ist jedoch noch in vollem Gange. Deshalb möchte ich heute den Fokus auf einen wichtigen Teilbereich dieser Diskussion lenken. Denn, liebe Medienpolitikerinnen und Medienpolitiker, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in meinem Wahlkreis können die allermeisten Bürgerinnen und Bürger auf den ersten Blick rein gar nichts mit den Themen anfangen, die wir hier und heute besprechen wollen.
Hand aufs Herz: Netzneutralität, Störerhaftung und 50-Mbit-Ausbau – erst wenn man den Internetnutzerinnen und Internetnutzern erklärt, was für sie praktisch dahintersteckt, kommt die Diskussion so richtig in Gang. Das liegt nicht etwa daran, dass die Menschen in meinem niederrheinischen Wahlkreis nichts von Internet verstünden. Ganz im Gegenteil: Wie anderswo in Deutschland sind auch hier rund 75 % der Erwachsenen online und bewegen sich wie selbstverständlich im Netz.
Das so viele so wenig damit anfangen können, liegt unter anderem daran, dass die Diskussion zunehmend – und das bedauere ich sehr – in den Salons einer digitalen Boheme stattfindet und wie beim klassischen Vorbild der Salons in einer Sprache geführt wird, die die Massen nicht verstehen sollen.
Allein in der heutigen Diskussion könnten wir viel für das Verständnis tun, wenn wir statt „Störerhaftung“ einmal sagen würden, dass es darum geht, nicht den Eigentümer des offenen WLAN-Netzes zu belangen, sondern den Nutzer, der damit etwas Unrechtes tut.
Hinter Netzneutralität verbirgt sich der feste Glaube daran, dass niemand an der Auffahrt zur Datenautobahn stehen darf, um einzelne Automarken auszusortieren oder ihnen den Motor zu drosseln, wenn sie nicht bezahlen.
50 Mbit/s für alle bedeutet schließlich, dass man einen Film in HD streamen, also anschauen, und gleichzeitig einen anderen Film aufnehmen kann. Mit den derzeit durchschnittlich 7,6 Mbit/s geht das nämlich nicht.
Meine Damen und Herren, diese Beispiele zeigen, warum die Digitale Agenda so wichtig ist. Sie bezeichnet die Aufstellung der Gesprächspunkte bei politischen Verhandlungen. Nichts anderes bedeutet die Übersetzung des Wortes „Agenda“ laut Duden Fremdwörterbuch.
Bereits hier, liebe Piratinnen und Piraten, setzt das Missverständnis ein, dem Sie aufgesessen sind. Der Minister hat es gerade schon ausgeführt: Die Digitale Agenda ist nicht der in Stein gemeißelte Maßnahmenkatalog, und sie will es auch gar nicht sein.
Ich sage: Die Digitale Agenda kann gar kein abschließendes Werk sein. Denn wir alle wissen, wie viel sich im Bereich der digitalen Medien täglich – nicht wöchentlich oder monatlich, sondern täglich – verändert. Darüber müssen wir sprechen, um dann die passenden Regeln aufzustellen, und zwar bei der Störerhaftung, bei der Netzneutralität, beim Ausbau des breitbandigen Internet und bei einer Modernisierung des Urheberrechts, um nur einige der vielen Beispiele zu nennen.
Erst in dieser Woche hat der Ausschuss für Kultur und Medien des Landtags eine Reise nach Berlin unternommen, um mit den Akteuren der Bundespolitik auch über diese Themen zu sprechen. Ich schaue Sie einmal an, Herr Lamla. Denn Sie waren dabei. Zumindest mir ist dabei ganz deutlich geworden …
Eben, das ist das Schöne daran. Dann können wir uns jetzt gegenseitig anschauen und miteinander sprechen, vielleicht gleich auch noch mehr.
Ja. – Ich glaube, uns beiden ist deutlich geworden, dass die Gesetzesvorhaben jetzt nach und nach kommen werden. Beim Urheberrecht zum Beispiel wird vorher noch einmal genau hingeschaut. Denn
das Urheberrecht ist nicht mal eben so, schnips, einfach zu verändern und weist viele Facetten auf.
Ich merke aber schon, dass es bei Ihnen scheinbar nicht so richtig angekommen ist. Nicht jede Bildungsfahrt ist am Ende bei allen erfolgreich.
Warum also dieser Antrag der Piraten, der in bester Echauffierensmanier mit „Etikettenschwindel“ überschrieben ist und auch ansonsten mit Kritik an der – Zitat – „sogenannten Digitalen Agenda“ nicht spart?
Liebe Piraten, mir scheint, Sie sind in der Ritualisierungsmaschine des Politikbetriebes angekommen.
Doch ist weiß nicht, ob ich Ihnen dazu gratulieren soll.
Was Sie einst verabscheut haben, tun Sie nun selbst: Auskeilen nach dem Prinzip, dass nicht gut sein kann, was nicht von mir selbst stammt. Und aus Ihrer Sicht: Leider sitzen Sie nun einmal nicht in Berlin. Es heißt aber, man gewöhne sich daran. Zumindest haben dies Ihre Kollegen in Berlin kürzlich noch plakatiert.
Nur das hat Sascha Lobo bei seiner Rede auf der Republica im Jahr 2014 überhaupt zu einem Kommentar über die Piraten verleitet. Was muss das für eine Ohrfeige sein, bei einem solchen Event gar nicht erwähnt zu werden? Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass Lobo ansonsten, wie er sagte, eigentlich über Sie schweigen wollte, wegen – ich zitiere wörtlich – „Öööaaahhh“! – Zitat Ende.
Wenn ich mir die Rede heute anschaue, kann ich Lobo verstehen.
Das Thema, zu dem Sie heute den Antrag gestellt haben, ist ein Geburtsthema der Piraten, und ihr Fraktionsvorsitzender glänzt durch Abwesenheit. Seine Vertretung liest den Text dieser Rede mehr als holprig vor. Das kann man ihm nicht zum Vorwurf machen, um Gottes willen.
Die Fraktion daddelt – vielleicht nicht gerade jetzt, weil ich Sie direkt anspreche, aber ansonsten – an ihren Handys, hört gar nicht zu. Zwischenfragen werden gestellt und die Antwort gar nicht abgewartet.
Meine Damen und Herren, welcher Ihrer Restwähler könnte da nicht enttäuscht sein?
So kann ich auch Ihren Abwehrreflex gegen die Digitale Agenda, der in diesem Antrag zum Ausdruck kommt, absolut verstehen, benennt die Bundesregierung doch hierin Themen, für die Sie gerne Exklusivrechte geltend machen.
Doch war es nie so, dass die Piraten im Bereich der Medien- und Netzpolitik alleine aktiv waren. Im Neuland, wie es der eine oder andere nennt – ich wiederhole es auch noch mal –, sind wir alle schon längst unterwegs. Vielleicht sind Sie nur etwas ungeduldiger als andere.
Was Sie jedoch verkennen, ist die Zeit, die sich eine gesellschaftliche Diskussion wie diese nimmt – nicht wir nehmen uns die Zeit für die Diskussion, sondern die gesellschaftliche Diskussion nimmt sich diese Zeit. Und das liegt nicht an irgendwelchen Verhinderern, sondern schlicht und einfach daran, dass viele gesellschaftlich relevante Themen erst dann so richtig diskutiert werden, wenn sie spürbar bei den Menschen angekommen sind.
Ich komme zum Schluss, die Redezeit ist abgelaufen. Wir werden die Digitale Agenda im zuständigen Ausschuss diskutieren, auch ohne eine Regelungskompetenz zu besitzen, weil es wichtig ist und weil wir alle als Internetlobby unseren Einfluss geltend machen sollten. – Darauf freue ich mich und bedanke mich gleichzeitig für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe: Der Saal leert sich langsam, sodass wir fast unter uns sind. Insofern sei es mir erlaubt, ein wenig Fachchinesisch an dieser Stelle zu sprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, der vor uns liegende und von Ihnen zusammengestückelte Antrag ist so etwas wie ein Softwareprogramm in der Alphaphase. Die Fachwelt hat ihn sich von vorn bis hinten angeschaut und festgestellt: Das Ding muss noch einmal zurück in die Weiterentwicklung.
Statt auf diesen Rat zu hören, wollen Sie heute partout in den Release gehen und ein völlig unfertiges Werk in die Welt setzen. Der heute Morgen eiligst vorgelegte Änderungsantrag macht es auch nicht besser, im Gegenteil: Dass Sie damit in letzter Minute kommen – und das vier Monate nach der Anhörung im Landtag –, zeugt aus meiner Sicht von Missachtung gegenüber Parlament und Sachverständigen.
Denn die Kritiken vom 5. Dezember vergangenen Jahres waren schon sehr eindeutig und zielgerichtet – ich zitiere einige Beispiele mit Genehmigung der Präsidentin aus den Stellungnahmen –:
„Der Entwurf kann als Grundlage für eine Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechts in Nordrhein-Westfalen dienen. Es sind jedoch auch aus handwerklicher Sicht Überarbeitungen nötig.“
Das meint beispielsweise das Netzwerk Recherche. Noch deutlicher formulieren der Bund der Steuerzahler, Transparency International Deutschland und die Initiative Mehr Demokratie – ich zitiere wieder –:
„So komplex die Materie auch ist: gerade bei einem Gesetz, das potenziell auch von juristischen Laien zu Rate gezogen werden wird, sollte ein besonderes Augenmerk auf die gute Lesbarkeit gelegt werden. Leider ist der Entwurf aber durchsetzt von Querverweisen, was die Lesbarkeit des Gesetzes stark einschränkt. Insbesondere bedauerlich ist, dass mehrere Querverweise auf falsche Paragraphen verweisen. Zu
dem gibt es eine Reihe definitorischer Unsauberkeiten.“
Ich frage Sie, liebe Piraten: Was würde ein Entwickler nach einem derart vernichtenden Urteil tun? Würde er nicht sein Werk zurückziehen, es zumindest aber eiligst überarbeiten, die Scharten auswetzen, um ein einigermaßen gängiges Gesetz vorzulegen? – Ja, das würde jemand tun, dem es ernst mit dem ist, was er tut.
Sie dagegen haben Wochen und Monate verstreichen lassen, immer wieder Änderungen angekündigt und am Ende doch nicht pünktlich geliefert. Das ist für mich absolut unverständlich.
Eigentlich hätten wir heute im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt über einen weiteren Piratenantrag sprechen sollen. Darin fordern Sie von den Abgeordneten aller Ebenen modernste dialogische Kommunikationsformen. Sie wollen den Landtag feststellen lassen, dass moderne digitale Beteiligungsformen den Parlamentarismus in Deutschland bereichern und dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Bürger und Volksvertretern zu intensivieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, das sind wohlfeile Worte; das ist keine Frage. Aber in der Realität scheitern Sie grandios an Ihrem eigenen Anspruch – jetzt gerade wieder. Sie hören einfach nicht zu – auch heute wieder nicht.
Doch nicht nur handwerklich hapert es, auch inhaltlich müssen wir Ihnen an einigen Stellen deutlich widersprechen. Das will ich in den letzten zwei Minuten hier noch tun. Nehmen Sie doch bitte unter anderem zur Kenntnis, dass Transparenzgesetze in Stadtstaaten wie beispielsweise das in Hamburg – das ist ohne Frage ein gutes – nicht so einfach auf Flächenländer übertragbar sind.
Wir reden über eine Unmenge von Daten, die nicht nur vom Land, sondern von den zahlreichen Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen erhoben und bereitgestellt werden müssten. Schreiben wir das als Land vor, so wird dies unter Umständen eine Konnexität auslösen, die uns zusätzliches Geld kostet.
Hierbei gilt es, Kosten und Nutzen abzuwägen, meine Damen und Herren. Denn was nützen Terabytes an Daten, die bleischwer auf den Servern der Kommunen liegen, ohne dass jemand etwas mit ihnen anfangen könnte. Auch das sind Anmerkungen aus den Anhörungen.
Zweitens stelle ich fest, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW noch immer eines der fortschrittlichsten Gesetze in diesem Bereich ist, obwohl es bereits 2001 in Kraft getreten ist. Länder wie BadenWürttemberg orientieren sich heute an genau diesem Gesetz, wenn sie eine eigene rechtliche Rege
lung formulieren. Insofern stehen wir in Sachen Transparenz und Informationsfreiheit nicht hintan, wie Sie das immer suggerieren, sondern wir sind im Gegenteil ganz vorne mit dabei.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat eine eigene Open-Government-Strategie. Lassen Sie uns doch erst einmal die Erfahrungen auswerten, bevor wir blind weiter drauflosschlagen. Ich weiß, dass Sie dabei immer recht ungeduldig sind. Das mag daran liegen, dass diese Wahlperiode irgendwann vorbei ist und einige der Fraktionen den Landtag verlassen müssen. Aber verlassen Sie sich einfach darauf: Rot-Grün hält, was es verspricht. Ich erspare ihnen einfach das Zitat aus dem Koalitionsvertrag; Sie kennen es. Wir werden das machen. Wir werden es in dieser Wahlperiode machen.
Insofern können wir den vorliegenden Antrag aus allen Gründen, die ich gerade genannt habe, mit all den Mängeln nur ablehnen. Denn er ist leider nur ein zusammengestückeltes Werk, das in sich keine Konsistenz aufweist, sondern – das muss ich hier so sagen – ein klassisches Copy-and-PasteProdukt ist. Oder, um im Bild vom Beginn meiner Rede zu bleiben: Lassen Sie uns doch lieber ein Open-Source-Projekt starten …
… und gemeinsam einen zukunfts- und sattelfesten Gesetzestext formulieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihnen allen ein herzliches Glückauf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Lamla, Sie haben das mit so viel Energie gerade hier vorgetragen, dass ich beinahe meinen Einsatz verpasst hätte.
Sie haben das gerade mit so viel Energie vorgetragen, dass ich beinahe meinen Einsatz verpasst hätte.
Danke für diesen Antrag, in dessen Mittelpunkt der Wunsch steht, das kulturelle Erbe unseres Bundeslandes für die Zukunft zu bewahren.
Dieser Wunsch, meine Damen und Herren, ist natürlich nicht neu. Und so gibt es bereits zahlreiche Instrumente, mit denen der Gesetzgeber dafür gesorgt hat, dass Schriftstücke und Bücher, Zeitungsausschnitte und Notenblätter, Urkunden und andere wichtige stumme Zeitzeugen erhalten bleiben.
Für das analoge Kulturgut gibt es in NordrheinWestfalen einen langjährig angelegten Bestandserhaltungsplan, der vor allem ein Massenentsäuerungsprogramm für kommunales Archivgut umfasst, aber auch zahlreiche andere Maßnahmen für Werke der bildenden Kunst, Filme, alte Buchbestände. Dieses Programm ist langjährig finanziert.
Die Digitalisierung analoger Kulturgüter hat dabei gleich mehrere Vorteile. Wir stoppen, zumindest
beim digitalen Klonen, den Verfall. Wir sparen Platz bei dessen Lagerung und schaffen es zudem, unser kulturelles Erbe – wir haben es gerade gehört – einem breiteren Publikum zu erschließen. Denn das, was ich auf den Servern habe, kann ich im Netz veröffentlichen. Das ist eine der größten Chancen dieser Digitalisierung.
Der Berliner Appell, auf dessen Grundlage die Piraten heute ihren Antrag stellen, den wir noch im zuständigen Ausschuss grundlegend beraten, thematisiert vor allen Dingen die Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung. Denn so einfach es klingt, Dinge zu fotografieren oder zu scannen, um sie auf die Festplatten zu bannen, so kompliziert ist die dauerhafte Sicherung.
„Obsoleszenz“ nennen die Fachleute beispielsweise das Phänomen, wenn Hard- und Software mit den Jahren nicht mehr nutzbar sind und damit auch die Daten nicht mehr auszulesen sind. Hinzu kommt das Problem, dass die Lebenszeit von Speichermedien immer kürzer wird. Bücher tragen ihre Informationen mehrere hundert Jahre, eine DVD nur rund 30 Jahre, eine Festplatte bei Benutzung vielleicht gerade einmal fünf Jahre.
Mit solchen und ähnlichen Fragestellungen hat sich das Pilotprojekt „Digitales Archiv NRW“ in den vergangenen Jahren befasst – dies übrigens im internationalen Austausch, sodass mittlerweile auch europäische Lösungen vorliegen. Das ist in diesem Bereich ziemlich wichtig.
Der Berliner Appell stammt im Wesentlichen von Facheinrichtungen und deren Interessenvertretern. Diese profunden Kenner haben zwölf Punkte benannt, die wir bei näherem Hinsehen in NRW bereits alle fest in den Blick genommen haben und angegangen sind.
Wir sind uns über die Gefahr eines Verlustes bewusst, weil digitale Inhalte äußerst fragil sind, keine Frage. Deshalb kann man nicht einfach so nebenbei digitales wie analoges Kulturgut bewahren. Man muss es als Daueraufgabe begreifen. Das tun wir, und das tun auf nationaler Ebene beispielsweise auch die Nationalbibliotheken in Leipzig und Frankfurt am Main. Wir selbst haben mit dem Pflichtexemplargesetz erst kürzlich und mit dem Archivgesetz auch die digitale Speicherung geregelt. Zunehmend geht es um die Archivierung von Kulturgütern, die bereits in digitaler Form schon vorliegen. „Born digital“ nennt man diese, und das Internet ist voll davon.
Darum scheint mir auch vor dem Hintergrund von Punkt 6 des Appells, dem öffentlichen Diskurs, die Frage wichtig zu sein, welche Auswahlkriterien wir für die digitale Langzeitarchivierung anlegen. Denn das Datenvolumen alleine im Internet verdoppelt sich alle zwei Jahre. Das alles zu archivieren, noch dazu in redundanten Systemen, die aufgrund der physikalischen Beschaffenheit von Datenträgern –
ich sagte es gerade schon – regelmäßig erneuert werden müssen, scheint mir eine Sisyphusarbeit.
Auch wenn die Speichermöglichkeiten parallel zum wachsenden Internetaufkommen Schritt zu halten versuchen, brauchen wir eine klare Festlegung, was wir bewahren wollen und was wir letztlich bewahren können.
Ansonsten geht es uns wie dem König aus der Legende. Dem wurde ein Schachspiel geschenkt. Aus Dank sagte er dem weisen Mann, der ihm das geschenkt hatte: Du hast einen Wunsch frei. Und – Überraschung! – der weise Mann wünschte sich nicht Gold oder Edelsteine, sondern nur Weizenkörner. Genauer gesagt, verlangte er ein Weizenkorn auf dem ersten Schachfeld, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten, acht auf dem vierten usw. – immer das Doppelte auf jedem weiteren Schachfeld. Der König, relativ großzügig, sagte: Alles klar, das machen wir. Er ließ die geforderte Weizenmenge ausrechnen, und es kamen über 18 Trillionen Weizenkörner zusammen, mehr als auf dieser Welt an Ernte zu schaffen ist.
Zum Vergleich: Die Menge an Daten, die im Internet erstellt, vervielfältigt und konsumiert wird, wird 2020 bei etwa 40 Zettabytes liegen, also 10 hoch 21 Bytes.
Wenn die Datenmengen im Netz derart rasant wachsen, sollten wir nicht einem technischen Hochmut erliegen und wahllos alles sammeln. Es muss Archivierungsmodelle geben, die den Datenstrom kanalisieren. Das ist nicht ohne Brisanz. Denn – wie formulierte ein Nutzer meiner Facebook-Seite? –: „Durch Selektion der zukünftigen Geschichtsquellen lässt sich Deutungshoheit über die Gegenwart gewinnen.“
Dennoch darf aber die Nachfrage erlaubt sein, ob alles Publizierte auch wirklich bewahrenswert ist. Ich möchte nicht die Mona Lisa aus dem virtuellen Gedächtnis löschen oder die fotografischen Werke eines Jim Rakete. Doch wird die Frage erlaubt sein, ob alles Zellvlies dieser Welt oder jedes noch so verwechselbare Katzenbild im Netz gespeichert gehört,
um damit der Nachwelt einen kulturellen Trend zu dokumentieren. Vielleicht reichen auch schon einige Dutzend, mir persönlich würden auch noch weniger reichen.
Denn, und damit möchte ich meine Rede schließen, wie hat es der italienische Diplomat Enrico Cialdini im 19. Jahrhundert formuliert: „Erinnerungen versüßen das Leben, aber nur die Vergesslichkeit macht dies möglich.“ – In
diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein herzliches Glück auf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piratenfraktion beschäftigt sich – wir haben es gerade gehört – mit dem Aufruf von über 1.000 Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die mit ihrem Appell eindrücklich darauf hinweisen, dass unsere Demokratie bedroht sei, weil Staaten und Konzerne die Menschen in einem ungeheuren Ausmaße überwachten.
Aus meiner Sicht ist diese Denkschrift auch in ihren drastischen Worten nachvollziehbar und richtig. Wir alle müssen uns mit ihr beschäftigen; denn wir alle sind angesprochen. Auch wenn der Piratenantrag darauf abzielt, die Landesregierung zu etwas aufzufordern, sind es zunächst einmal wir alle, die sich mit dem Problem befassen müssen. Wir, die Bürgerinnen und Bürger müssen das Problem und seine Ausmaße verstehen – davon war gerade schon die Rede –, bevor wir es lösen können.
Der Aufruf an Herrn Obama, das mit dem Abhören doch bitte schön sein zu lassen, reicht nicht. Einzelne Boykottaufrufe gegen Datenkraken wie Google oder Amazon verfehlen am Ende leider ihre Wirkung; denn am Anfang war das Internet und mit ihm wuchs die Menge an Daten, die über den gesamten
Erdball hin und her geschoben wird. Das war zunächst noch eine unschuldige Sache.
Viele erinnern sich noch an die Webcam Bilder der Kaffeemaschine, deren Füllstand das Interesse der ersten Internetgemeinde – so will ich sie mal nennen – weckte. Doch mit jeder neuen praktischen Anwendung und Geschäftsidee wuchs auch der Teil, den ich von mir selbst preisgab. Heute sind diese Daten längst zur inoffiziellen Währung des Internets geworden.
Jeff Jarvis hat bereits 2009 in seinem Buch „Was würde Google tun?“ darauf hingewiesen, dass er selbst – das ist eine persönliche Entscheidung – ganz offen mit seinen Daten umgeht, nicht aus Exhibitionismus etwa, sondern weil ein Verstecken ohnehin sinnlos sei und sich die Nutzen der digitalen Welt nur durch diese Freizügigkeit eröffneten. Kein Mehrwert im Netz, ohne dass man selbst von sich etwas preisgibt. Ohne Cookies keine User
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Viele Angebote, die wir nutzen, sind nur vordergründig kostenlos. Die Suchmaschine Google und das soziale Netzwerk Facebook lassen sich auf andere Weise honorieren. Wer sie nutzt, bezahlt tagtäglich mit seinen Daten. Das ist leider Fakt. Das zu erkennen und es den Menschen zu erklären ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.
Die informationelle Selbstbestimmung, wie sie die Autoren zu Recht fordern, kann nur Erfolg haben, wenn ein Wissen über die Gefahren und Möglichkeiten der digitalen Welt besteht. Hier sehe ich unter anderem die Bibliotheken willens und in der Lage, Schulen und Familien bei der Vermittlung der nötigen Medienkompetenz zu unterstützen. Denn so, wie ich heute meinem Sohn auf dem Weg zur Schule erkläre, wie er die Straße überqueren muss, werde ich meinen Kindern auch sagen müssen, wo die Gefahren der virtuellen Welt lauern. Diese virtuelle Welt ist ein Spiegelbild der realen. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen.
Manche Menschen sagen mir, dass das alles doch arg übertrieben sei, wer nichts zu verbergen habe, müsse doch auch nichts befürchten. Wenn das so ist, antworte ich dann, könnten wir zuhause doch auch genauso gut auf die Gardinen oder etwa auf die Rollos verzichten. Die Haustüre könnten wir gleich offenstehen lassen; denn wir haben doch nichts zu verbergen. Falsch! Wir alle möchten selbst bestimmen, was von uns in die Öffentlichkeit gerät.
Deshalb ist es richtig, Staaten und Konzernen genau auf die Finger zu schauen und ihnen auch auf die selbigen zu hauen, wenn sie erhobene Daten missbräuchlich nutzen. Ich unterscheide dabei bewusst zwischen der Erhebung von Daten und ihrer Auswertung; denn es wird auch in Zukunft Bereiche geben müssen, in denen staatliche Stellen Daten
erheben, ohne uns um Erlaubnis zu fragen. Das geschieht zum Beispiel, wenn ich beim Zu-schnellFahren geblitzt werde oder mein Auto im Halteverbot fotografiert wird. Es wäre doch zu schön, aber am Ende doch ziemlich absurd, wenn ich die Politesse anweisen könnte, meine Daten schnell wieder zu löschen, weil ich mit der Speicherung nicht einverstanden bin.
Wichtig in der ganzen Debatte scheint mir Ende doch zweierlei zu sein:
Erstens. Bekomme ich auf Nachfrage alle Daten ausgehändigt, die Staaten und Konzerne von mir gespeichert haben? Darf ich sie mir anschauen und werden sie dann – auf Verlangen und wenn dem keine übergeordneten Interessen entgegenstehen – auch wieder gelöscht?