Gerda Krause
Sitzungen
Letzte Beiträge
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diesem Haus über den Risikostrukturausgleich sprechen. Mit dem Risikostrukturausgleich existiert seit dem Jahr 1994 ein gesetzliches Instrumentarium zur Nivellierung der unterschiedlichen Kosten- und Versichertenstrukturen bei den gesetzlichen Krankenkassen.
Im Jahr 1999 wurde die Trennung in einen westlichen und einen östlichen Ausgleich per Gesetz beseitigt. In den Jahren 2001 bis 2007 - darauf hat Professor Böhmer hingewiesen - soll der Ausgleich schrittweise auf das bundeseinheitliche Niveau angehoben werden.
Vollständig zufrieden - das muss man ehrlicherweise sagen - war mit dem Risikostrukturausgleich bisher niemand. Über diesen wurden jährlich 13 Milliarden € zwischen den Krankenkassen umverteilt. Allerdings war dies mit vielen Problemen behaftet.
Es muss aber auch gesagt werden, es mangelt bisher an Alternativen, um die offenkundigen Wettbewerbsnachteile für Kassen mit ungewöhnlich vielen schlechten Risiken, mit Alten, Kranken oder Geringverdienenden, auszugleichen.
Die ostdeutschen Krankenkassen, aber auch einige im Westen haben ungünstige Risiken zu verkraften. Geringen Beitragseinnahmen aufgrund von Arbeitslosigkeit, von niedrigen Löhnen und Gehältern, aufgrund der Ausdehnung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse gerade im Osten, stagnierender oder zurückgehender Reallöhne, von Verlusten von Mitgliedern durch einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb um Junge und Gesunde stehen Ausgaben gegenüber, die sich in den vergangenen Jahren dem Westniveau angenähert haben oder die aufgrund der speziellen Erkrankungshäufigkeit höher sind.
Der gleiche Zugang zu einer modernen medizinischen Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Einkommen ist jedoch - das möchte ich als eine grundsätzliche Position der PDS hier erneut betonen - eine unverzichtbare Voraussetzung für die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland.
Niemand darf eine schlechtere medizinische und gesundheitliche Versorgung in Kauf nehmen müssen, nur weil er beispielsweise in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern wohnt. Deshalb ist der Risikostrukturausgleich bei allen Mängeln ein auf dem Solidarprinzip innerhalb der GKV beruhender Transfer, ohne den vor allem die Krankenkassen im Osten vor dem Aus stehen würden.
Ich möchte namens unserer Fraktion deutlich sagen: Der Risikostrukturausgleich ist als bundesweiter Ausgleich unterschiedlich belasteter Kassen notwendig.
Eine Regionalisierung würde zu extremen Verwerfungen im Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung der Länder führen.
Die Notwendigkeit des Risikostrukturausgleichs schließt jedoch nicht aus - auch das möchte ich sagen -, dass auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen der Länder über ein internes Solidarsystem, wie es die Ersatzkassen bereits praktizieren, zu diskutieren haben.
Mit der unter der Federführung der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Normenkontrollklage gegen den Risikostrukturausgleich soll insbesondere der OstWest-Finanzausgleich bei den gesetzlichen Krankenkassen ausgehebelt werden. Es ist schon eine Provokation - das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen -, wenn der Kanzlerkandidat der CDU/CSU dieses Ansinnen, das bei einem Erfolg der Klage die bereits genannten Verluste mit sich bringen würde, als Frage der Gerechtigkeit bezeichnet.
Wenn dies das „Neue für den Osten“ sein soll, meine Herren und Damen von der CDU, dann möchte ich das doch sehr infrage stellen.
Mit dem Ansinnen dieser Klage ist nicht nur die Existenz der Ostkassen gefährdet, sondern auch eine erhebliche Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Ostdeutschland vorprogrammiert. Sehr deutlich möchte ich aber auch sagen, dass darüber hinaus die Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung infrage gestellt und deren entscheidende Grundlage, das Solidarprinzip, angegriffen wird. Einer Entsolidarisierung der Versichertengemeinschaft in Ost und West wird damit wiederum Vorschub geleistet.
Nun mag dies vielleicht sehr gut in die Vorstellungen Ihrer Partei und anderer Parteien über eine Gesundheitsreform passen - das weiß ich -, die vorrangig auf eine weitere Privatisierung von Krankheitsrisiken durch eine höhere finanzielle Belastung der Versicherten orientiert. Die PDS - das möchte ich deutlich sagen lehnt eine solche Entwicklung ab und unterstützt deshalb den Antrag der SPD-Fraktion.
Herr Präsident, gestatten Sie mir noch ein paar persönliche Worte?
Ich möchte am Ende meiner letzten Rede, wie schon einige Abgeordnete gestern, einige persönliche Worte
zur Verabschiedung aus der parlamentarischen Politikgestaltung an Sie richten, da ich die Entscheidung getroffen habe, nicht mehr zu kandidieren.
Die vergangenen acht Jahre waren ein für mich interessanter und lehrreicher Lebensabschnitt mit vielen Erfahrungsgewinnen. Einer der wesentlichsten Erfahrungsgewinne war und ist es für mich, auch wenn sich das gestern und heute etwas anders darstellte, dass Abgeordnete auch unterschiedlicher Parteien prinzipiell, aber sehr sachgerecht, sehr kollegial, den anderen und die andere in seinen und ihren Ansichten achtend, über politische Lösungen streiten und daran auch arbeiten konnten. Dafür möchte ich meinen persönlichen Dank insbesondere an alle aktiv wirkenden Abgeordneten des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales richten.
Als stellvertretende Ausschussvorsitzende möchte ich aber auch unserer Ausschusssekretärin Frau Lahne und den Damen vom Stenografischen Dienst einen besonderen Dank sagen.
Darüber hinaus ist es mir persönlich wichtig, ein Dankeschön auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung zu übermitteln, deren Wirken ein aus meiner Sicht unverzichtbarer Beitrag zu unserer Abgeordnetentätigkeit war und ist.
Einzelne Abgeordnete haben gestern in ihrer persönlichen Verabschiedung Wahlwünsche geäußert. Dies ebenfalls tuend, wünsche ich mir ein sehr klares, eindeutiges Wählervotum, das klarstellt, dass der künftige Landtag von Sachsen-Anhalt und darüber hinaus das Land Sachsen-Anhalt eine rechts orientierte, fremdenfeindliche, völkische Partei weder braucht noch will.
Mir bleibt für die letzten Wochen, den Wiederkandidierenden vor allen Dingen für die kommenden fünf Wochen ein gutes Durchstehvermögen zu wünschen, natürlich mit den Vorstellungen, die Sie als Kandidaten haben. Allen Anwesenden im Saal und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung möchte ich für die Zukunft persönliches Wohlergehen und Gesundheit wünschen.
Frau Stange, ich hätte drei Nachfragen, aber diese sind kurz zu beantworten. Stimmen Sie mir darin zu, dass es natürlich zuerst einmal, da Menschen mit Behinderungen vor Ort in den Kommunen leben, in der Verantwortung der Kommunen liegt, für diese Menschen da zu sein und für sie ein entsprechendes Umfeld und entsprechende Lebensverhältnisse zu schaffen? - Das war die erste Frage.
Zweite Frage. Ich nehme an, Sie haben wahrgenommen, dass ich in der Berichterstattung über die Ausschusssitzung genau dieses Spannungsfeld, über das wir diskutiert haben und über das wir in der Grundfrage eigentlich auch einheitlicher Meinung sind, genannt habe.
Dritte Frage. Stimmen Sie mir darin zu, dass, um die Anforderungen in dem Bereich des BSHG auf kommunaler Ebene in hoher Qualität zu sichern, die kommunale Finanzausstattung sehr wohl verändert werden muss, dass es aber sicherlich nicht ausreicht, auf der Landesebene die Frage der Trennung zwischen örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger zu lösen, sondern dass hierbei auch die Frage einer allgemeinen Gemeindefinanzierungsreform durch den Bund ansteht, um die Kommunen mit besseren Finanzen auszustatten?
Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass einige Regelungen und gesetzliche Festlegungen im Gleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalts weiter gehen bzw. dort aufgenommen sind, die in dem auf Bundesebene vorgelegten Entwurf aber fehlen? Wie wird sich SachsenAnhalt verhalten, wenn es diese Regelungen im Bundesgesetz nicht geben wird?
In den vergangenen zehn Jahren wurde in SachsenAnhalt die Zahl der kindermedizinischen Betten erheblich gekürzt. Von 39 selbständigen Kinderkliniken bzw. Kinderabteilungen sind zwölf geschlossen worden, die Bettenzahl sank von 3 226 im Jahre 1989 auf 1 122 im Jahre 1999.
Die kindgerechte Versorgung in einer ihrem Alter, ihrem Zustand, ihren Bedürfnissen entsprechenden Umgebung durch entsprechend speziell qualifiziertes Personal - ein in der Charta für Kinder in Krankenhäusern sowie in der Deklaration des Weltärztebundes in Ottawa formuliertes Recht - beträgt in Sachsen-Anhalt insgesamt 69 %.
Auch in der Fortschreibung der Krankenhausplanung 2002 sowie der Krankenhausperspektivplanung 2006 sind weitere erhebliche Kürzungen von Kinderklinikbetten vorgesehen. Dies auch im Wissen darum, dass sich damit die qualifizierte und flächendeckende statio
näre kindgerechte Versorgung verringern wird, zumal auch die Zahl der niedergelassenen Kinderärzte sowie ambulante Pflegestrukturen für eine qualitative Nachsorge nicht ausreichen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Position bezieht die Landesregierung zur Notwendigkeit einer eigenständigen, qualifizierten stationären pädiatrischen Versorgung?
2. Welche Gründe veranlassen die Landesregierung, nicht den Erhalt der jetzt in Sachsen-Anhalt vorgehaltenen Betten in Kinderkliniken und -stationen zu gewährleisten, sondern in den Plänen dem weiteren Abbau pädiatrischer Betten zuzustimmen?
Frau Ministerin, ich bekenne, dass ich, obwohl ich kein Jurist bin, bei dieser Problematik auch sehr zwiespältige Gefühle habe und mich bei meiner Entscheidungsfindung überhaupt noch nicht festgelegt habe.
Sie haben gesagt, die im SPD-Entwurf genannten sechs Monate seien die Mindestfrist für die Prognose. Mich würde Folgendes interessieren: Soll in diesen angedachten sechs Monaten der Verlängerung nur die Prognose erstellt werden, oder ist angedacht, mit dem Verurteilten auch zu arbeiten? Wie sehen Sie die Chance und die Möglichkeit, nach sechs Monaten, wenn in diesen sechs Monaten nichts anderes passiert als nur Prognose und Gutachten, überhaupt zu einer realistischen Einschätzung hinsichtlich des Gefährdungspotenzials zu kommen? Ergibt sich daraus nicht eventuell automatisch die Gefahr der ständigen Verlängerung?
Seit Beendigung der Sommerferien gehen die Kinder der Geistig-Behinderten-Schule sowie die Kinder der Wander-Grundschule nach dem Um- und Ausbau der Wander-Grundschule im Rahmen eines Pilotprojektes der integrativen Schule von geistig behinderten Schülern und Grundschülern in ihre neue Schule. In der Bauphase sowie bei der Übergabe mit sehr viel Aufmerksamkeit, Anerkennung und Würdigung des Mutes für ein solches zwei Schulformen übergreifendes integratives Projekt seitens verschiedener Landesregierungsmitglieder versehen, gibt es nun allerdings finanzielle Probleme für die Stadt Gardelegen. Diese sind dem Vernehmen nach durch die bisherige Nichtzahlung des Darlehens seitens des Landesförderinstitutes verursacht. Folgen sind ein Eingreifen in die Rücklagen der Stadt und somit Zinsverluste.
Ich frage die Landesregierung:
1. Worin liegen die Ursachen für die erst sehr späte Zahlungsbestätigung des Landes an die Stadt zu Anfang November, verbunden mit dem Zahlungstermin 1. Dezember, wenn die Stadt vier Wochen vorher das Geld abgerufen hat?
2. Kann die Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 2,5 Millionen DM vom Gesamtbetrag in Höhe von 3,65 Millionen DM, der bereits abgerechnet und von der Stadt vorfinanziert wurde, kurzfristig - im laufenden Monat - erfolgen bzw. welche Gründe sprechen dagegen?
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Kinder und das Leben mit Kindern sind in der Bundesrepublik vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt. Das zeigt sich unter anderem beim Pro-Kopf-Einkommen, das bei Familien mit einem Kind bei 64 % und bei Familien mit zwei Kindern bei 54 % des Pro-Kopf-Einkommens vergleichbarer Paare ohne Kinder liegt.
Besonders benachteiligende Auswirkungen hat die finanzielle Situation von Familien mit Kindern, sind doch die Aufwendungen für Bildung und Betreuung, für sportliche und kulturelle Betätigungen sowie für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mit erheblichen Kosten für die Kinder verbunden.
Diese ungleichen Ausgangsbedingungen waren es auch, die das Bundesverfassungsgericht zu seinen Auflagen veranlasste, die finanzielle Belastung der Familien mit Kindern zu verringern. Die entsprechenden Schritte müssen von der Bundesregierung eingeleitet und realisiert werden.
Die Bundesregierung schickt sich nun erneut an, den Familien mit Kindern in Minischritten die angekündigten Verbesserungen ihrer finanziellen Situation zu verabreichen.
Das monatliche Kindergeld soll erneut um die „atemberaubende“ Summe von 30 DM pro Kind erhöht werden, allerdings nur, wenn es sich um das erst- und zweitgeborene Kind handelt. Da stellt sich die Frage: Brauchen die Familien mit drei und mehr Kindern nicht ebenfalls mehr Geld für ihre weiteren Kinder?
Auch die Nichtanrechnung dieser Kindergelderhöhung auf die Sozialhilfe hat auf den politischen Entscheidungsebenen des Bundes erneut keine Rolle gespielt. Dies finde ich persönlich nicht nur bedauerlich, sondern ich halte es für äußerst beschämend; denn es macht deutlich, dass diese Ungerechtigkeit bei der Behandlung von Kindern nach wie vor nicht als Problem angesehen wird.
Die Gefahr, von Sozialhilfe abhängig zu werden, ist bei Familien, besonders bei Alleinstehenden mit Kindern, sehr groß. 6,1 % der Familien mit Kindern und 4 % aller Haushalte in der Bundesrepublik beziehen Hilfe zum Lebensunterhalt.
15,2 % der Alleinerziehenden mit einem Kind, 22,6 % der Alleinerziehenden mit zwei Kindern und bereits 30,4 % der Alleinerziehenden mit drei oder mehr Kindern sind heute von Sozialhilfe abhängig. Somit weisen Alleinerziehende die mit Abstand höchste Sozialhilfequote aller Bevölkerungsgruppen aus.
Auch Ehepaare mit drei oder mehr Kindern unterliegen einer überdurchschnittlichen Sozialhilfequote. Damit bestätigt sich der Trend, dass über alle Familienformen hinweg das Armutsrisiko mit der Anzahl der Kinder ansteigt. Deshalb sind heutzutage besonders diese Familien mit Kindern auch von Armut betroffen.
Fast 7 % aller Kinder sind in der Bundesrepublik derzeit von Sozialhilfe abhängig. Das sind nach wie vor 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Im Jahre 1994 waren es noch 871 000. So stieg bei einer insgesamt anhaltend hohen Armutsquote die Zahl der sozialhilfeabhängigen Kinder im Zeitraum von 1991 bis 1998 um 4 %.
Die Sozialhilfequote bei den unter 18-Jährigen betrug nach dem Armutsbericht der Bundesrepublik im Jahr 1999 6,6 %. Sie war damit fast doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik.
„Armes“ reiches Land, das Armut für Kinder nicht nur erlebbar macht, sondern zunehmend auch zementiert und verfestigt. Für die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Kinder und Jugendlichen muss mehr getan werden. Sie bedürfen vor allem erst einmal auch finanzieller Verbesserungen.
Genau wie vor zwei Jahren, als wir einen ähnlichen Antrag in den Landtag einbrachten, soll die Erhöhung des Kindergeldes nur den Familien in voller Höhe zugute kommen, die nicht von der Sozialhilfe leben; denn die Zahlung aus der Kindergeldkasse geht einher mit der Kürzung der Zahlung aus dem Sozialhilfetopf, obwohl gerade die Familien, die von Sozialhilfe leben, in besonderem Maße auf Unterstützung angewiesen sind.
Die jährlichen Regelsatzerhöhungen bei der Sozialhilfe sind so gering, dass jede D-Mark mehr oder weniger für diese Alleinerziehenden und für diese Familien besonders zählt.
Doch wie vor zwei Jahren werden die Erhöhungen des Kindergelds wieder vor allem nur denen zugute kommen, die zu den Durchschnitts- und Besserverdienenden gehören. Das bedeutet, dass Kinder mit Sozialhilfebezug weiterhin auf die kleinen Freuden des Alltags verzichten müssen; denn Geld für Sportvereine oder Musikinstrumente - wir hatten das Problem, welche Rolle gerade die Musik und die Musikerziehung spielen - ist bei einem Sozialhilfebezug nicht vorhanden. Ferienreisen oder die Teilnahme an Klassenfahrten, Nachhilfeunterricht oder eine Kindergeburtstagsfeier sind oft für viele der Betroffenen ein Luxus, den eine Familie mit Sozialhilfebezug ihren Kinder nicht gewähren kann.
Mit dem Verzicht auf Ereignisse oder Leistungen, die für manche auf den ersten Blick vielleicht noch verschmerzbar erscheinen, sind jedoch weit schwierigere Probleme verbunden. Im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - vor kurzem vorgelegt - wird darauf verwiesen, welche Folgen für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen diese Einschränkungen haben. So beeinträchtigen die geringen finanziellen Möglichkeiten die soziale Integration dieser Kinder insbesondere bei Aktivitäten, bei Erfahrungen und in der Kommunikation mit Gleichaltrigen. Sie erleben eine Ausgrenzung aus Bildungs- und Freizeitangeboten.
Ich möchte mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus diesem ersten Armuts- und Reichtumsbericht zitieren:
„Armut bedeutet dann für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen Einschränkung und Ausgrenzung aus fundamen
talen Erfahrungen des Aufwachsens. Die möglichen Konsequenzen für die Kinder sind geringes Selbstwertgefühl, Depressivität, Einsamkeit, Misstrauen, Nervosität, Konzentrationsschwäche und Resignation in Bezug auf berufliche Chancen.“
Die gesamte Entwicklung dieser Kinder und Jugendlichen ist also in vielerlei Hinsicht gefährdet. Und das, möchte ich betonen, ist nicht ihr privates Problem, sondern ein zutiefst gesellschaftliches, das wir lösen müssen.
Ein kleiner Schritt in diese Richtung wäre jetzt, die Erhöhung des Kindergelds verwaltungs- und gesetzestechnisch so auszugestalten, dass sie vor allem den tatsächlich bedürftigen Kindern und Jugendlichen zugute kommt und nicht als Einsparmaßnahme für die Sozialhaushalte wirksam wird.
Ich möchte deshalb noch einmal hervorheben: Die Sozialhilfe dient der Existenzsicherung, das Kindergeld der Entlastung der Familie und der Förderung der Entwicklung der Kinder. Beides darf nicht länger in einen Topf geworfen werden.
Wir fordern deshalb die Landesregierung erneut auf, in diese Richtung initiativ zu werden, wohl wissend, dass unser Antrag nur ein kleiner Schritt in diese Richtung ist. Notwendig wäre - das ist ja auch in der Diskussion - eine grundlegende Reformierung des Systems der Familienförderung.
Deshalb bleibt auch die Forderung der PDS nach der Einführung einer sozialen Grundsicherung, die für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nach dem Alter gestaffelte Leistungen gewähren sollte, erhalten.
Ich bitte darum, dem heute vorliegenden Antrag aufgrund des notwendigen umgehenden Handlungsbedarfes direkt zuzustimmen. Die Diskussion über das Gesetz zur Kindergelderhöhung läuft auf Bundesebene. Ich möchte vor allem an die Kollegen der SPD-Fraktion appellieren: Eine Überweisung in den Sozialausschuss, der frühestens Mitte September tagt, wäre bei diesem Thema nicht hilfreich.
Da ich heute in der „Volksstimme“ gelesen habe, dass die SPD das langfristige Ziel formuliert hat - ich kenne viele sehr gut, sodass ich daran glaube, dass sie an diesem Ziel festhält -, ein gleiches Kindergeld für alle herbeizuführen, denke ich, dass mit der Unterstützung unseres Antrages, bezogen auf die Kinder und Jugendlichen, die von der Sozialhilfe leben, dieser Schritt heute mit einer Direktzustimmung eingeleitet werden sollte.
Ich möchte nur kurz etwas zum Abschluss sagen. Das Problem ist erörtert worden.
Frau Ministerin, wir verkennen mitnichten die Bemühungen der Bundesregierung, gerade im Bereich der Familienentwicklung und Familienförderung zu Verbesserungen zu kommen und schrittweise eine Kindergelderhöhung zu realisieren. Man kann sicherlich unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie schnell das gehen sollte. Aber es entspricht nicht der Realität, dass wir das nicht anerkennen. Das war auch nicht Gegenstand unseres Antrages. Ich denke, diesbezüglich sind richtige Schritte eingeleitet worden.
Frau Wiedemann, ich glaube, Ihre Ministerin ist im Denken ein Stück weiter als Sie. Jawohl, das eigentliche System dieser Dinge, wie es derzeit gestrickt ist, ist in Frage zu stellen. Da haben Sie meine volle Unterstützung, Frau Ministerin. Darüber muss diskutiert werden. Ich bin auch der Meinung, dass wir darüber im Ausschuss diskutieren sollten; denn letztendlich geht es darum, diesen systemischen Fehler endgültig zu beseitigen.
Allerdings bezieht sich unser Antrag nur auf einen Teilschritt; darauf habe ich bereits hingewiesen. Wir wissen, dass wir mit diesem Antrag mitnichten eine Änderung dieses fehlerhaften Systems erreichen.
Darüber hinaus haben wir die Landesregierung mitnichten aufgefordert, in diesem Zusammenhang etwas zu verweigern. Vielleicht kann man noch einmal in den Antrag hineinschauen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für eine Landesregierung, auf Bundesebene doch noch einmal den Versuch zu starten, eventuell diesen Teilschritt durchzusetzen.
Die Argumentation, Frau Wiedemann, die Sie hier gebracht haben, halte ich für äußerst fragwürdig. Natürlich wissen wir alle, dass es auch Familien und Alleinerziehende gibt, die die Probleme haben, die Sie hier geschildert haben, und dass es auch Probleme hinsichtlich des Lohnabstandsgebots gibt. Aber ich muss an dieser Stelle einmal in aller Deutlichkeit sagen: Es geht um 30 DM Kindergelderhöhung, und zwar für das erste und das zweite und nicht für das dritte, vierte oder fünfte Kind. Zu meinen, bei der Anrechnung der Erhöhung um 30 DM stehe die Frage der Lebens- und Existenzsicherung im Vordergrund, halte ich schon für ein bisschen fragwürdig.
Aber ich könnte Ihnen ebenso Familien nennen, die über ganz andere Einkommen verfügen, von denen ich als Lehrerin sehr wohl weiß, dass die Kinder auch ohne Frühstück in die Schule kommen,
dass die Kinder trotz großen Einkommens im Sinne dessen, was ich vorgetragen habe, verwahrlosen; Verwahrlosung ist ja mehr als nur kein Schulfrühstück zu haben.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Diese Frage ist so differenziert zu betrachten, dass ich mich auf dieses Niveau nicht hinabbegeben möchte. Ich habe in ganz anderer Hinsicht ein schlechtes Gewissen, wenn ich manche Einkommen sehe. Ich nehme einmal unser Einkommen als Beispiel. Bei mir wird das Kindergeld erst einmal nicht, sondern am Ende nur bei den Steuern berücksichtigt. Dass das hingegen bei Leuten, die ein sehr viel geringeres Einkommen haben, gegengerechnet wird, empfinde ich den Kindern und Jugendlichen gegenüber als sehr ungerecht.
Zu der Aussage von Herrn Weich will ich mich an dieser Stelle nicht äußern. Wir werden unseren Antrag natürlich mitnichten in diese Richtung ändern. Kinder sind für uns Kinder. Da besteht für uns Gleichrangigkeit. Jedes Kind und jeder Jugendliche braucht seine Chancengleichheit und nicht nur deutsche Kinder.
Kommen wir zu einer Thematik zurück, die SachsenAnhalt und die Menschen in Sachsen-Anhalt wirklich betrifft.
Herr Präsident! Meine werten Damen und Herren! Das seit Juni 1998 gültige Berufsvormündervergütungsgesetz regelt für Berufsbetreuer, unter welchen Voraussetzungen welche Vergütung erhoben werden kann. Für Betreuer mit einem Hochschulabschluss oder einer vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung ist in den neuen Bundesländern ein Stundensatz von 54 DM festgelegt. Verfügt ein bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes als Berufsbetreuer tätiger Vormund mit den entsprechenden Kenntnissen noch nicht über den erforderlichen Berufsabschluss als Berufsbetreuer, so kann er vorübergehend bis zum Ablegen einer entsprechenden Prüfung den Höchstsatz erhalten. Die im Gesetz genannte Frist bis zum 30. Juni 2001 kann durch Landesverordnung bis zum 31. Dezember 2002 verlängert werden.
Im Ausführungsgesetz zum Berufsvormündervergütungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 25. Januar 2000 ist das Verfahren zur Durchführung dieser Prüfung und die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zu diesem Gesetz festgeschrieben. Diese Rechtsverordnung wurde in Sachsen-Anhalt allerdings erst am 31. Dezember 2000 erlassen.
Ein Zeitverzug von elf Monaten gegenüber dem Erlass des Gesetzes führte nun dazu, dass innerhalb des Übergangszeitraums, der am 30. Juni 2001 endet, nur ein Prüfungstermin im Mai dieses Jahres - vom 2. bis 4. Mai - zur Verfügung stand.
In der Berufsvormünderprüfungsordnung vom 13. Dezember 2000 werden in § 6 Schwerpunkte benannt, zu denen die Prüflinge in mehreren schriftlichen Klausuren und in einer mündlichen Prüfung Kenntnisse nachweisen müssen. Ohne sie jetzt im Einzelnen zu benennen - das würde den Rahmen überschreiten, das kann auch jeder Abgeordnete nachlesen -, kann man feststellen, dass das eine nicht zu unterschätzende Anforderung an die nachzuweisenden Prüfungsinhalte ist.
Nach meiner Kenntnis haben an dieser Prüfung bisher 15 als Betreuer Tätige teilnehmen können - bei einem von Staatssekretär Herrn Professor Dr. Schimanke bereits am 2. Dezember 1999 im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales genannten Nachqualifizierungsbedarf von ca. 160 Personen.
Bei Nichtinanspruchnahme der Möglichkeit der Verlängerung der im Gesetz genannten Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2002 durch das Land entstehen den bisher nicht geprüften Betreuerinnen und Betreuern wie auch vielen Betreuungsvereinen finanzielle Einbußen, da eine Eingruppierung in niedrigere Vergütungsstufen als bisher üblich erfolgt.
Um dies im Interesse der Betreuerinnen und Betreuer sowie der Betreuungsvereine, aber insbesondere im Interesse der Aufrechterhaltung entstandener Betreuungsstrukturen in einer guten Qualität zu sichern, stellt die PDS-Fraktion den Ihnen vorliegenden Antrag und beantragt aufgrund der äußerst engen Terminsetzung und der Ihnen vorgetragenen Begründung eine Direktabstimmung.
Frau Ministerin, ich habe nur eine Frage, die sich aus Informationen von unterschiedlichen Betreuungsvereinen ergibt. Können Sie mir zustimmen, dass es bei den Frauen und Männern, die bereit sind und die Prüfung ablegen möchten, sehr unterschiedliche Gründe dafür gibt, dass sie sie nicht entsprechend dem Bedarf in diesem Jahr in der anberaumten Prüfungszeit ablegen können?
Ich habe derartige Aussagen aus einem Betreuungsverein, nämlich dass sehr wohl das Interesse an der Ablegung der Prüfung besteht, es aber Gründe dafür gibt, dass es in diesem Jahr nicht passieren kann. Dann müssten diese Betreuerinnen - es sind Frauen - die finanziellen Einbußen erst einmal hinnehmen. Genau das wollen wir eigentlich vermeiden.
Ich habe zwei Fragen. Erst einmal möchte ich vorwegschicken, dass ich es für wichtig halte, dieses Problem sachlich zu bearbeiten, und dass wir in der PDS-Fraktion sehr wohl die gemachten Vorschläge oder Ansätze der CDU-Fraktion mit entsprechend fachkompetenten Menschen weiter diskutieren und das Machbare überdenken werden.
Meine erste Frage. Frau Stange, Sie kennen sicher die Zusammensetzung des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung. Ihnen ist auch bekannt, dass Herr Dr. Nehler und ich Mitglieder des Ausschusses und von Besuchskommissionen sind.
- Ja, richtig. - Ist Ihnen auch bekannt, dass die Mitglieder dieser Besuchskommission regelmäßig in den Institutionen des Maßregelvollzugs sind und dort sehr sachkompetente und sachgerechte Gespräche führen und somit auch aus diesen Besuchen ihr Wissen schöpfen, das sicher in manchen Fragen anders ist als Ihres?
Die zweite Frage. Ich kann nicht verhehlen zu sagen, dass Sie das Abstimmungsverhalten der PDS-Fraktion zum Maßregelvollzug nicht ganz eindeutig mitbekommen haben, wenn Sie von einem Eiertanz reden.
Es gab ein eindeutiges Abstimmungsverhalten; denn die Mehrheit der PDS-Fraktion hat die so genannte Privatisierung abgelehnt. Es waren nur einzelne Abgeordnete, die sicher aus sachgerechten Gründen diesem Abstimmungsverhalten nicht folgen konnten.
Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Es hat mich schon mit etwas Genugtuung erfüllt, dass man über ein Thema, das wirklich sehr heiß und strittig diskutiert wurde, eine derart sachliche, inhaltlich kompetente und
die Probleme darlegende Berichterstattung machen kann. Ich möchte dennoch einige Gedanken dazu äußern.
Die PDS-Fraktion hat den Gesetzentwurf eingebracht, weil sich mit dem Anliegen seit 1992 sowohl im Petitionsausschuss als auch im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales als auch in unterschiedlichen Plenarberatungen ein soziales und gesundheitspolitisches Problem auftat, das im Ausschuss stets zu einer fraktionsübergreifenden Mehrheit dafür führte, sich mit diesem Anliegen zu befassen.
Trotz der Bitte an das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales, sich der Angelegenheit anzunehmen mit dem Ziel, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandene Freiräume zur Flexibilisierung der Genehmigungspraxis zu nutzen, trotz mehrfacher, von verschiedenen Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen geführter Gespräche mit dem damaligen KV-Vorsitzenden änderte sich an der sehr einschränkenden Zulassungspraxis für Zweigsprechstunden nichts. Diese Passivität war schließlich der Auslöser für unsere Gesetzesinitiative.
Die sachliche Notwendigkeit ergab sich darüber hinaus aus zwei weiteren Gründen: erstens aus der im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern restriktiven und für kommunale Institutionen und für die Bevölkerung schwer nachvollziehbaren Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Zulassung und zweitens aus der Notwendigkeit, eine kontinuierliche ärztliche Versorgung insbesondere derjenigen Personen zu gewährleisten, die aus Gründen des Alters, der Morbidität, aus sozialen Gründen sowie aufgrund der teilweise rückläufigen Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Seitens des Ministeriums für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales sowie des Justizministeriums wurden Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geäußert, obwohl ein durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages erstelltes Gutachten zu dem Schluss kam, dass die Schaffung gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich sehr wohl möglich sei. Auf diese Bedenken möchte ich jetzt nicht eingehen; sie sind im Protokoll über die Plenardebatte am 6. April 2000 nachzulesen.
Die PDS-Fraktion kann sich den vorgebrachten Bedenken nicht anschließen. Sie ist nach wie vor der Meinung, dass der Landesgesetzgeber sowohl hinsichtlich der Formulierung des ärztlichen Berufsrechtes als auch bezüglich der Gestaltung des Betätigungsfeldes des Kassenarztes im Rahmen seiner Rechtsaufsichtspflicht Entscheidungsspielräume hat, die er stärker zur Umsetzung seiner gesundheitspolitischen Vorstellungen nutzen sollte. Deshalb werden wir Abschnitt I der Beschlussempfehlung ablehnen.
Nach den Veränderungen in der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund der Neuwahl ihrer Vertretungsorgane wurden in den letzten Wochen Gespräche zwischen dem neuen Vorsitzenden und dem Sozialministerium geführt, um dem vom Sozialausschuss unter Abschnitt II formulierten Auftrag nachzukommen.
Auch Vertreter der PDS-Fraktion führten vor kurzem mit dem neuen Vorsitzenden Dr. John sowie dem Geschäftsführer der KV ein Gespräch, das in einer sachlichen, aufgeschlossenen Atmosphäre stattfand. Es wurde spürbar, dass seitens des neuen KV-Vorstandes
die Bereitschaft besteht, sich des im Gesetzentwurf aufgegriffenen Problems bereitwilliger anzunehmen und die bisherigen engen Zulassungskriterien zu erweitern. Dabei sind aus der Sicht der PDS-Fraktion regionale Bedingungen wie Altersstruktur, soziale Situation, Morbidität ebenso zu berücksichtigen wie die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Besetzung ärztlicher, vor allen Dingen hausärztlicher Praxen, insbesondere im ländlichen Raum.
Erste Schritte bei der Erstellung eines Kriterienkataloges sind gemacht; das haben Sie eben gehört. Die PDSFraktion erwartet von der Landesregierung, dass die künftigen Kriterien überprüfbar und in ihren Begründungen nachvollziehbar sind und für alle in gleichem Maße gelten. Sie müssen auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten orientiert sein. Auf diesen Zusammenhang möchte ich mit Bezug auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen verweisen.
Abschnitt II der Beschlussempfehlung stimmt die PDSFraktion in der Erwartung zu, dass die geführten und noch zu führenden Gespräche zwischen der Landesregierung und der KV zu einer untergesetzlichen Regelung führen werden, die dem im Gesetzentwurf geforderten Anliegen Rechnung tragen wird. Wir möchten ankündigen, dass wir am Ball bleiben und die Abstimmungsergebnisse erfragen werden. Darüber hinaus erwarten wir, dass der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach Abschluss der Gespräche seitens der Landesregierung über den Inhalt der Regelungen mit der KV informiert wird.
Natürlich ist es erwähnenswert, dass das Land über Jahre hinweg eine Finanzierung mitgetragen hat. Das erkennen wir hoch an; das wollen wir auch nicht kleinreden.
Frau Lindemann, stimmen Sie mir darin zu, dass sich vor dem Hintergrund, dass der Finanzausgleich für die Kommunen in jedem Jahr gekürzt wurde - wenn auch nicht so drastisch wie jeweils angedacht -, die Frage erhebt, ob die im Rahmen des Finanzausgleiches bereitgestellten Mittel dann auch für die Erfüllung dieser Pflichtaufgabe ausreichen?
Frau Lindemann, geben Sie mir in dem Punkt bezüglich des vorliegenden Antrages unserer Fraktion Recht, dass
es uns schwerpunktmäßig auch darum geht, die Haltung dieser Landesregierung zu bereits vorgelegten inhaltlichen Schwerpunkten zu erfahren und möglicherweise schon einmal zu erfahren, wie sie im Interesse von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt zu agieren gedenkt? Stimmen Sie mir darin zu, dass das ein bisschen mehr ist als nur eine formale Berichterstattung über den jetzigen Stand des vorliegenden Gesetzentwurfs?
Dem Bundestag wurde im Dezember 2000 ein Antrag zu dem Thema „Größere Verteilungsgerechtigkeit bei kassenärztlichen Honoraren“ in Bundestagsdrucksache 14/4891 vorgelegt. Unter anderem geht es dabei auch um die Forderung, vom „Sitzprinzip“ - der Kasse - zum „Wohnortprinzip“ - des Versicherten - bei der Vereinbarung über die Gesamtvergütung in der ambulanten Versorgung für alle Kassenarten überzugehen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Position nimmt die Landesregierung zur Aufhebung der Praxis, Vereinbarungen über die Gesamtvergütung nach dem Kassensitzprinzip zu schließen, und zu dem Vorhaben, zum Wohnortprinzip überzugehen, ein?
2. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung des Landesverbandes Ost der BKK, die Verhandlungskompetenz dem regional zuständigen Verband der jeweiligen Kassenart für alle Versicherten unabhängig davon, ob diese in einer Mitgliedskasse oder einer einstrahlenden Kasse versichert sind, zu überlassen, also zu einem Regionalprinzip überzugehen?
Frau Dr. Kuppe, wie werten Sie die Einschätzung von Sozialverbänden und von Gutachtern, die die Vorbereitung dieser Rentenreform begleitet haben, dass die Reform, so wie sie angedacht ist, vor allen Dingen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Frauen die Gefahr der Altersarmut mit sich bringen werde?
Ich führe in diesem Zusammenhang einige in den Begründungen genannte Ursachen aus:
Erstens. Frauen werden bei der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor in erheblichem Maße benachteiligt.
Zweitens. Frauen haben aufgrund von Arbeitslosigkeit, aufgrund der Kindererziehungszeiten und aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder häufiger eine gebrochene Erwerbsbiografie.
Drittens. Frauen müssen, wenn sie sich privat versichern - das ist eine Säule, die Sie hervorgehoben haben -, höhere Beiträge zahlen, mit der Begründung, sie hätten eine höhere Lebenserwartung als Männer. Nach Einschätzung von Experten werden viele Frauen gar nicht in der Lage sein, derart hohe Beiträge zu zahlen. Demzufolge könnten sie sich überhaupt nicht privat ver- sichern.
Viertens. Frauen wären bei der betrieblichen Rente benachteiligt, da betriebliche Renten meist erst nach längerer Betriebszugehörigkeit greifen, die Frauen oftmals nicht nachweisen können.
Fünftens - diese Ursache möchte ich ergänzen -: Mit der Rentenreform ist auch eine Veränderung der Witwenrente, das heißt eine Absenkung der Hinterbliebenenrente angedacht. Das könnte sich für einen beträcht-lichen Teil der Frauen negativ auswirken.
Wie werten Sie die Einschätzung von Experten und Gutachtern?
Ich habe nur die Frage, ob der von Frau Fischer noch nicht formulierte Antrag ein Änderungsantrag sein soll; denn das, was Sie gesagt haben, geht in eine völlig andere Richtung als der Antrag der PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Die wesentlichsten inhaltlichen Schwerpunkte des Antrages und die zu erwartenden Folgen der weiteren Sanierung der öffentlichen Kassen durch die ständigen Eingriffe in die Sozialsysteme sind genannt worden. Ich möchte nicht mehr im Detail darauf eingehen. Ich denke, das hat der Einbringer recht ausführlich getan.
Ich meine, es geht hierbei nicht nur um das Einmalzahlungsgesetz. Es geht darum, dass eine Regierung, die einen Politikwechsel angekündigt hat, die öffentlichen Haushalte zunehmend durch Griffe in die Sozialkassen saniert und eine Politik betreibt, - daran, Frau Fischer,
sollte man sich erinnern - die sie, als sie in der Opposition in Bonn war, auf das Schärfste als unsozial und unverantwortlich kritisiert hat.
Ich denke, die Tatsache, dass die Vorgängerregierung viele Jahre recht friedlich mit riesigen Verschiebebahnhöfen zulasten der GKV koexistieren konnte - daran muss man sicher ab und zu erinnern -, kann aber keine Rechtfertigung dafür sein, dass die jetzige Regierung diese Politik nun fortsetzt. Es ist eben zutreffend, dass etwas nicht besser oder richtiger wird, nur weil zwei das Gleiche tun.
Eine Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Sozialkassen lehnen wir ab. Diese fortgesetzten Eingriffe der Bundesregierung in die Sozialsysteme zulasten der Beitragszahler sind genauso unsozial und verantwortungslos, wie sie es unter der Vorgängerregierung waren. Das ist zu benennen.
Hinzu kommt, dass die Sparpolitik im Gesundheitswesen durch die Gesundheitsministerin immer wieder mit dem Gebot der Beitragssatzstabilität begründet wurde und auch heute noch wird. Jetzt kürzt die rot-grüne Regierung willkürlich die Einnahmen der GKV und provoziert damit selbst nachfolgend Beitragserhöhungen. Die ersten Kassen haben sie zum 1. Januar 2001 angekündigt.
Wie die Bundesregierung diese gesamtpolitischen Willkürakte angesichts zukünftiger Mehrbelastungen der GKV gegenüber den Beitragszahlern, den Patienten und den Leistungserbringern verantworten will, bleibt mir ein Geheimnis. Die Gesundheitsreform 2000 wird es allerdings in der Gesamtheit nicht richten.
Ich möchte aber noch zu einem zweiten Punkt etwas sagen. Die PDS-Fraktion wird diesen Antrag unterstützen. Dennoch stimmt es mich schon etwas nachdenklich, dass in der Rede, mit der der Antrag eingebracht wurde - im Antrag konnte es nicht stehen, weil der Diskussionsprozess noch im Gange war -, nicht darauf hingewiesen wurde, dass ein weiterer zu erwartender Schritt, nämlich die Reformierung der Rentenkassen, Eingriffe und Einschnitte in die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung nach sich ziehen wird.
Zur Stärkung der privaten Altersvorsorge ist als Unterstützung seitens des Staates Steuerbefreiung vorgesehen. Steuerfreiheit zieht immer auch Beitragsfreiheit in den Sozialversicherungssystemen nach sich. Die dadurch bedingten Einnahmeausfälle werden sich im Laufe der Zeit zu Milliardenbeträgen summieren. Das gilt für alle Sozialversicherungssysteme, vorrangig aber für die GKV.
Es wäre schon interessant gewesen, Herr Professor Böhmer, wenn Sie auf diese noch zu erwartenden Eingriffe in die gesetzliche Krankenversicherung zumindest hingewiesen hätten. Denn darauf haben wir uns einzustellen, wenn es uns nicht gelingt, die Rentenreform, wie sie angedacht ist, in eine andere Richtung zu lenken.
Ich möchte meinen Beitrag beenden. Wir werden diesen Antrag unterstützen. Frau Ministerin, wenn Sie deutlich gemacht haben, dass Sie hinsichtlich einzelner Schritte Bedenken haben, dann kann dieser Antrag Ihre Bedenken auf Bundesebene nur noch unterstützen.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren! „Wettbewerb um Leistung und Wirtschaftlichkeit“ war in den letzten
Jahren eine viel und oft zitierte Losung, eine viel beschworene Methode, um das Gesundheitssystem und insbesondere die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung gesunden zu lassen.
Von dem im Jahr 1996 eingeführten Recht der freien Kassenwahl versprachen sich die Entscheidungsträger die Forcierung des Wettbewerbs um Leistungen - in der Annahme, dass Kranke und Gesunde, Alte und Junge, gut und weniger gut Verdienende gleichermaßen vom Wahlrecht Gebrauch machen würden und es so zu einer gesunden Verteilung von Risiken kommen würde.
Nun geraten jedoch viele Ortskrankenkassen und Ersatzkassen zunehmend in Schwierigkeiten. Dies resultiert vor allen Dingen daraus, dass Betriebskrankenkassen, insbesondere neu gegründete, infolge der Öffnungsklausel für alle Versicherten durch äußerst niedrige Beiträge zwischen 11,9 und 12,5 % vor allem junge, gesunde, mobile und gut verdienende Mitglieder abwerben. Ältere, Geringverdienende, chronisch Kranke verbleiben in den Primär- und Ersatzkassen.
Dazu stellte Dr. Martin Pfaff, SPD-Bundestagsabgeordneter, in der Plenarsitzung am 12. September Folgendes fest:
„Es ist ganz offensichtlich, dass hier ein erhebliches Problem auf uns zukommt. Schon im Jahre 1999 haben rund eine Million Menschen die Krankenkassen gewechselt; wahrscheinlich werden es in diesem Jahr noch mehr sein. Das Problem besteht darin, dass es überwiegend 25- bis 40-Jährige sind. Das heißt, die Wechsler sind jung, allein stehend, gut verdienend und vor allen Dingen gesund. Den großen Kassen, AOK und Ersatzkassen, werden somit Ressourcen entzogen, die dem System fehlen. Diejenigen, die breitere Schultern haben, entziehen sich der Solidarpflicht.“
Der Grund dafür - dies zur Erläuterung - ist die Überweisung der mitgliederbezogenen Kopfpauschalen an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung am Sitz der versichernden Krankenkasse, der sich zumeist - das betrifft vor allem die virtuellen Betriebskrankenkassen - in den alten Bundesländern befindet.
Über den Fremdkassenausgleich fließen zwar auch Mittel an die Kassenärztlichen Vereinigungen am Wohnsitz der Versicherten, aber nur dann, wenn dort auch medizinische Leistungen in Anspruch genommen werden. Da es sich aber bei den Wechslern überwiegend um gesunde Versicherte handelt, fließt nur ein geringer Teil der Kopfpauschalen zurück. Das ist, so meinen wir, ein weiterer Schlag gegen das Solidarprinzip.
Die Betriebskrankenkassen, die in der Regel keine Servicenetze unterhalten und in den neuen Bundesländern nicht direkt präsent sind, können aufgrund dessen ihre Beitragssätze natürlich relativ niedrig halten.
Das Ergebnis eines solchen Wettbewerbs um Versicherte und Beitragssätze, aber nicht um Leistung und Qualität ist die Risikoselektion, ist der Entzug von finanziellen Ressourcen und tendenziell die Entwicklung zweier Kassenarten: einer Kasse mit geringen Beitragssätzen für Jüngere, Gesunde und Gutverdienende, einer anderen Kasse für Ältere, Menschen mit besonderen gesundheitlichen Risiken, Geringverdienende und Familien mit mehreren Kindern.
Auf Sachsen-Anhalt bezogen betrug der Mitgliederverlust im ersten Halbjahr 2000 bei den Ersatzkassen be
reits 16 000 Mitglieder und bei der AOK über 17 000 Mitglieder.
Durch den Wechsel der Krankenkasse, der zum 30. September noch einmal zugenommen haben könnte, werden nach Hochrechnungen der Kassen finanzielle Mittel in Höhe von 40 bis 50 Millionen DM aus Sachsen-Anhalt abfließen.
Damit stehen weitere Auswirkungen auf die Finanzierung der Versorgungsstruktur durch Einkommensverluste der Ärzte ins Haus, die auch für die qualitative medizinische Versorgung nicht folgenlos sein werden. Auch arbeitsmarktpolitische Folgen durch den Abbau der Anzahl der Beschäftigten in den Praxen - dabei handelt es sich vor allen Dingen wieder um Frauen -, Folgen für die Entwicklung der Kaufkraft, aber auch Folgen in solchen konsumtiven Bereichen wie Kultur und Bildung und bei der medizinischen Infrastruktur sind nicht auszuschließen.
Für die PDS-Fraktion möchte ich betonen, dass es uns letztlich nicht um die Existenz einer Einzelkasse geht, nicht um das Wahlrecht an sich. Es geht uns um den Erhalt und die Leistungsfähigkeit des Systems der solidarischen Krankenversicherung. Die Betonung - das möchte ich deutlich machen - liegt hierbei auf dem Wort „solidarisch“.
Die solidarische Krankenversicherung jedoch wird, wenn dieser Risikoselektion im Kassenwettbewerb nicht umgehend politische Entscheidungen zu Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb um Leistungsinhalte und Qualität der medizinischen Versorgung entgegengesetzt werden, ein nicht mehr aufzuhaltendes Ausmaß an Entsolidarisierung erreichen.
Deshalb fordern wir Sie, Frau Ministerin, auf, in Absprache insbesondere mit den anderen Gesundheitsministern der neuen Länder die Bundesgesundheitsministerin aufzufordern, die Diskussion mit allen Beteiligten und Akteuren jetzt umgehend zu führen und Regelungen für Rahmenbedingungen oder Übergangslösungen zeitnah vorzulegen. Jetzt und nicht erst - wie nach der Vorstellung der Bundesgesundheitsministerin - nach Vorlage des zum Frühjahr 2001 zu erwartenden Gutachtens
zur Wirkungsweise des Risikostrukturausgleichs müssen konkrete Schritte zur Organisationsstruktur, zur Veränderung des Organisationsrechtes der Krankenkassen und des Risikostrukturausgleichs erfolgen.
Ich bitte Sie, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Thema unverzüglich auf die Tagesordnung der Gesundheitsministerinnenkonferenz gesetzt wird.
Herr Professor Böhmer, ich stimme Ihrer Gesamtanalyse zur finanziellen Situation der Krankenkassen zu. Mir und uns war auch klar, dass das nur ein Teilproblem ist. Würden Sie mir dennoch darin zustimmen, dass gerade
aufgrund dieser komplizierten finanziellen Gesamtsituation der Kassen in Sachsen-Anhalt, vor allem der Primärkassen und der Ersatzkassen, versucht werden sollte, dieses Teilproblem mit einer Übergangslösung zumindest jetzt abzumildern, damit nicht die Dinge gänzlich wegbrechen, die wir im zweiten Halbjahr 2001 oder später, wenn der Diskussionsprozess dazu erst in Gang gekommen sein wird, nicht mehr wieder zurückholen können, zum Beispiel das Solidarprinzip, zum Beispiel annähernd gleiche finanzielle Situationen usw.? Das wäre meine Frage: Würden Sie dem zustimmen, dass eine möglichst zeitnahe Übergangslösung oder Übergangsentscheidung jetzt notwendig wäre?
Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Am 1. Juli treten die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen zur häuslichen Krankenpflege in Kraft. Erstmals wird mit den Richtlinien bundesweit einheitlich geregelt, was ein Pflegedienst in der häuslichen Pflege tun darf. Des weiteren werden mit den Richtlinien auch Leistungen, die die Pflegeversicherung bezahlt, besser von solchen abgegrenzt, für die die Krankenkassen die Kosten zu tragen haben. Diese Klarstellungen, so meinen wir, sind wichtig und richtig. Auch an dem Prinzip, daß der Hausarzt die häuslichen Pflegemaßnahmen verordnet, wird sich nichts ändern.
Dennoch werden sich die Voraussetzungen für die häusliche Krankenpflege teilweise verändern. Auch wird sich für viele, die zu Hause von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden, der Umfang der von den Krankenkassen zu bezahlenden Leistungen verändern. Die Gefahr von Einschnitten und Einschränkungen bei Vorsorgebehandlungen besteht möglicherweise, da einige Leistungen - so die Kritik von Pflegediensten und Sozialverbänden - nun nicht mehr vom Arzt verordnet und damit von den ambulanten Pflegediensten nicht mehr erbracht werden können.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen. So können vorbeugende Maßnahmen gegen Druckgeschwüre nicht mehr wie bisher als einzelne Leistungen verordnet werden. Auch einige Vorsorgemaßnahmen wie Bewegungsübungen zur Vermeidung von Gelenkversteifungen dürfen Pflegedienste nicht mehr erbringen.
Doch nicht nur die zu pflegenden Patienten könnten betroffen sein; auch auf die Arbeit der Ärzte wird die Richtlinie möglicherweise belastende Auswirkungen haben. Nicht genug mit dem jetzt schon recht beträchtlichen bürokratischen Aufwand für Abrechnungs-, Kontroll-, Begründungs- und Rechtfertigungsaufgaben für niedergelassene Ärzte - künftig müssen diese Ärzte, bezogen auf die genannte Richtlinie, eine verordnete Maßnahme den Krankenkassen gegenüber ausführlich begründen, wenn es sich um eine zugelassene Ausnahme handelt. Auch Verlängerungen von Verordnungen müssen umfänglich beantragt und begründet werden.
Es wird für mich zunehmend nachvollziehbar, daß niedergelassene Ärzte - so wurde es in zwei Gesprächen mir gegenüber auch deutlich gemacht -, insbesondere die Hausärzte, massiv kritisieren, daß ein immer größerer Teil ihrer Zeit für Schreibtischarbeit aufgewendet werden muß, also für bürokratische Arbeit statt für die medizinische Betreuung der Patienten. Aus dieser Situation könnte sich ergeben, daß Ärzte aufgrund des bürokratischen Aufwandes Möglichkeiten des Leistungskatalogs dieser Richtlinie nicht unbedingt zugunsten der Patienten ausreizen.
Verbände und Pflegedienste haben zu dieser zum 1. Juli in Kraft tretenden Richtlinie eine sehr differenzierte Sicht und Wertung sowohl in bezug auf mögliche Auswirkungen für Patienten als auch auf ihren eigenen Bestand.
Teilweise wird in Frage gestellt, ob diese Richtlinien in ihrer Wirkung im Interesse der Pflegebedürftigen, im Interesse von deren Angehörigen und der Beitragszahler zweckmäßig und wirtschaftlich sind.
Eine Antwort auf die Frage nach möglicherweise auftretenden Problemen und nach deren Auswirkungen, auf die Frage danach, ob sie wirklich so gravierend sind, auf die Bedenken, daß die Richtlinie in ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit angezweifelt wird, kann zum gegebenen Zeitpunkt niemand geben. Ich möchte auch nicht versuchen, für unsere Fraktion bereits eine Antwort auf diese Fragen zu geben.
Uns ist deshalb daran gelegen, auf möglicherweise auftretende Probleme und Auswirkungen bei der Umsetzung der Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege für Betroffene und Pflegedienste frühzeitig reagieren zu können, wenn dies notwendig sein sollte. Aus dieser Sicht stellen wir den Antrag auf eine Berichterstattung der Landesregierung zu ersten Ergebnissen, Problemen und Auswirkungen bei der Umsetzung dieser Richtlinie.
Wir werden den Änderungsantrag der CDU-Fraktion aufgreifen, der zwei Veränderungen vornimmt. Dies betrifft einmal den Zeitpunkt für die Berichterstattung, der in das erste Quartal 2001 verschoben werden soll. Es fiel uns nicht schwer, uns dem anzuschließen, weil wir uns mit der CDU-Fraktion abgestimmt haben und weil es sachgerechte Begründungen dafür gab, daß der von uns beantragte Zeitraum für die Berichterstattung etwas zu kurz ist.
Für die qualifizierte Ergänzung unseres Antrages in Punkt 2 möchte ich der CDU-Fraktion und der zuständigen Abgeordneten danken.
Wir übernehmen diesen Änderungsantrag und bitten darum, dem entsprechend geänderten Antrag zuzustimmen.
Frau Ministerin, ich setze voraus, daß Sie meine Einbringungsrede sehr aufmerksam verfolgt haben. Es ist Ihnen sicher aufgefallen oder stimmen Sie mir darin zu, daß ich diese Einbringungsrede in allen Fragen im Konjunktiv formuliert habe, daß wir also genau aus diesem Grund, daß im Augenblick niemand richtig sagen kann, ob oder ob nicht, diesen Antrag gestellt haben und daß wir damit eigentlich noch keine negative Bewertung dieser Richtlinie vornehmen. Vielmehr möchten wir einfach eine Situation vermeiden, wie wir sie schon mehrfach hatten, wenn ich zum Beispiel an die Auswirkungen des Psychotherapeutengesetzes denke, das uns dann kurzfristig und massiv auf die Füße fiel.
Ich habe gefragt, ob die Frau Ministerin mitbekommen hat, daß ich meine Einbringungsrede im Konjunktiv formuliert habe.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf greift die PDSFraktion erneut ein soziales und gesundheitspolitisches Problem auf, mit dem sich sowohl die Ausschüsse des Landtages als auch der Landtag selbst seit dem Jahr 1994 des öfteren beschäftigt haben. Mehrere vergleichbare Petitionen, zuletzt die unter der Nr. 2-A/511, haben den Landtag in allen drei Legislaturperioden dazu erreicht. Durch sie wurde das Thema Zweigsprechstunden immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
Regelmäßig ist in die Behandlung dieser Thematik auch der Sozialausschuß eingeschaltet worden. Dort hat es stets eine fraktionsübergreifende Mehrheit gegeben, die das Anliegen der Petenten unterstützt und an das zuständige Ministerium appelliert hat, sich der Angelegenheiten anzunehmen, um im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandene Freiräume zur Liberalisierung der Genehmigungspraxis für Zweigsprechstunden auszugestalten.
Diese Bitte erfolgte auch unter dem Aspekt, daß Sie, Frau Ministerin, in der letzten Legislaturperiode im Ausschuß Ihre Absicht signalisierten, das Anliegen des damals vorliegenden Antrages, nämlich die Stärkung des Prinzips „ambulant vor stationär“, in einem relativ breiten Sinn vertreten zu wollen.
Darüber hinaus gab es seitens des Ausschusses an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt die Aufforderung, die von ihr subjektiv gesetzten Ordnungsrahmen für die Zulassung von Zweigsprechstunden, insbesondere im ländlichen Raum und in den Flächenkreisen, großzügiger zu handhaben. Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung wollten das überprüfen. Geändert hat sich bisher jedoch nichts.
Dieses wird erneut bestätigt in einem Schreiben des SPD-Ortsvereins Eickendorf an die Ministerin vom 15. März dieses Jahres, in dem das Problem der Nichtzulassung einer Zweigsprechstunde beklagt wird.
Bei der PDS-Fraktion hat all das den Eindruck verstärkt, daß das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales nur sehr bedingt ein aktiver Bündnispartner für die Bemühungen ist, eine Liberalisierung der Zulassungspraxis zu erreichen. Die Passivität, die das Ministerium - jedenfalls nach unserer Ansicht - an den Tag gelegt hat, und die nicht vorhandene Bereitschaft, wenigstens das rechtliche Mindestmaß an Handlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, das dem Ministerium nach eigener Auffassung zu Gebote steht, ist unter anderem der entscheidende Auslöser für die vorliegende Gesetzesinitiative.
Die sachliche Notwendigkeit, die Zweigstellenproblematik einer gesetzlichen Regelung zuzuführen, ergibt sich für unsere Fraktion letztlich aus zwei Gründen: Sie ergibt sich zum einen aus der erwähnten restriktiven Praxis, die die Kassenärztliche Vereinigung bei der Zulassung von Zweigsprechstunden verfolgt und mit der sie unter den neuen Bundesländern etwas aus dem Rahmen fällt.
Zum anderen resultiert der für die PDS-Fraktion maßgebliche Gesichtspunkt aus der Notwendigkeit, eine kontinuierliche ärztliche Versorgung gerade derjenigen Personen vor Ort zu gewährleisten, die nicht wegen der zurückgehenden Leistungsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs, sondern aus Gründen ihres Alters und dem damit einhergehenden körperlichen Leistungsabfall oder aus sozialen und anderen Gründen in ihrer Mobilität zunehmend eingeschränkt werden.
Sehr geehrte Abgeordnete! Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur juristischen Seite der Gesetzentwurfes. Ausgangspunkt des Gesetzentwurfes ist das gegebene duale Regelsystem, in das jeder an der ärztlichen Versorgung von Kassenpatienten beteiligte Arzt eingebunden ist. Bestandteil dieses Regelsystems ist einerseits das ärztliche Berufsrecht im engen Sinne, also die Summe derjenigen Regeln, die darüber entscheiden, ob eine ärztliche Behandlung „kunstgerecht“ ist oder nicht. Die Definitionsmacht darüber, was „kunstgerecht“ ist, liegt dabei grundsätzlich bei den ärztlichen Standesvertretungen, den Ärztekammern, denen für ihre Entscheidung ein recht weiter gesetzlicher Rahmen gezogen ist.
Der andere Teil des Regelwerkes wird ebenfalls auf der Grundlage eines gesetzlichen Rahmens durch die Kassenärztliche Vereinigung geschaffen. Sie bestimmt die Regeln, die der Kassenarzt aus Gründen der versicherungstechnischen Praktikabilität einhalten muß.
An dieser Grundstruktur der kassenärztlichen Versorgung wird unser Gesetzentwurf nichts ändern. Wir sind aber sehr wohl der Auffassung, daß der Entscheidungsspielraum, den der Landesgesetzgeber sowohl hinsichtlich der Formulierung des ärztlichen Berufsrechts als auch bezüglich der Gestaltung des Betätigungsfeldes des Kassenarztes hat, zur Durchsetzung seiner sozialpolitischen Vorstellungen besser genutzt werden sollte.
Wir plädieren dafür, daß der Gesetzgeber selbst definiert, wann die Einrichtung und Abhaltung von Zweigsprechstunden sozialpolitisch erwünscht ist. Wir wollen diese für große Teile der Bevölkerung wichtige Frage nicht länger allein der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung überlassen. Wir wollen diese Berufsvertretung hinsichtlich der von ihr zu treffenden Einzelfallentscheidung an präzisere gesetzliche Vorhaben und Vorgaben binden.
Unser Wille, die genannte Problematik einer gesetzlichen Regelung zuzuführen, geht auch auf die Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu dieser Thematik für den Sozialausschuß zurück. Zu diesen Gutachten wurden in einem Schreiben der Ministerin vom 19. Oktober 1999 juristische Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geäußert. Da ich davon ausgehe, daß die Ministerin diese Bedenken heute wiederholen wird, will ich prophylaktisch zu den zu erwartenden Einwänden, denen wir nicht zustimmen, kurz Stellung nehmen.
Bevor ich das näher ausführe, schicke ich eine allgemeine Bemerkung vorweg, die Ihnen verdeutlichen soll, weshalb ich - abgesehen davon, daß ich keine Juristen bin und auch keine werden möchte - gewisse Probleme habe, mich auf eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Ministerium einzulassen.
Ich versuche, Ihnen das Dilemma anhand eines Beispiels zu erläutern, das der parlamentarischen Praxis entnommen ist. Sie werden sich entsinnen, verehrte Frau Ministerin, daß mein Kollege Professor Trepte im Zusammenhang mit einer bereits mehrfach genannten Petition zwei Kleine Anfragen an die Landesregierung gerichtet hatte. In seiner zweiten Kleinen Anfrage hatte Professor Trepte unter anderem im Hinblick auf den Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für den Landkreis Quedlinburg die Frage gestellt, welche Landesbehörde an seiner Aufstellung beteiligt war.
In Ihrem Schreiben vom 5. Januar 1999 haben Sie darauf geantwortet - ich zitiere -:
„Die Aufstellung des Bedarfsplanes für die vertragsärztliche Versorgung obliegt dem Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung. Landesbehörden sind an seiner Aufstellung nicht beteiligt.“
Frau Ministerin, diese Antwort ist nach meiner Meinung offenkundig unrichtig, denn entgegen Ihrer Behauptung sind Landesbehörden sehr wohl an der Aufstellung der Bedarfspläne beteiligt bzw. zu beteiligen. Ich darf Ihnen den Wortlaut der für die Aufstellung der Bedarfspläne maßgebenden Rechtsvorschrift des § 99 SGB V zitieren:
„Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen sowie im Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden einen Bedarfsplan aufzustellen.“
Wie Sie angesichts dieser eindeutigen Rechtslage die Behauptung aufstellen konnten, Landesbehörden seien nicht zu beteiligen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich will darüber nicht spekulieren. Allerdings kann ich nicht verhehlen, daß Ihre Antwort bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinsichtlich des Umgangs mit Rechtsvorschriften hinterläßt.
Nun konkret zu den Einwänden, die Sie, Frau Ministerin, seinerzeit bereits schriftlich erhoben haben. Sie haben sich damals auf den Standpunkt gestellt, daß eine landesrechtliche Regelung, wie sie von meiner Fraktion jetzt angestrebt wird, deshalb unzulässig sei, weil im Bundesrecht bereits eine für das Land verbindliche gegenteilige Entscheidung getroffen worden sei. Sie haben sich insoweit damals ausdrücklich auf den Bundesmantelvertrag für Zahnärzte berufen und diesem Regelwerk ein grundsätzliches Verbot der Abhaltung von Zweigsprechstunden entnommen.
Dieser Auffassung widerspreche ich deutlich. Wenn es richtig wäre, daß das Bundesrecht einen Rechtssatz enthielte, der einem grundsätzlichen Verbot der Abhaltung von Zweigsprechstunden gleichkäme, dann muß man sich natürlich fragen, wie Sie erklären können, daß es in allen Ländern der Bundesrepublik Zweigpraxen gibt. Gäbe es das von Ihnen behauptete grundsätzliche Verbot des Bundesrechts, dann dürften diese nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gar nicht existieren.
Mir scheint, daß Ihre Rechtsbehauptung schon durch die allenthalben geübte Praxis widerlegt wird. Diese Praxis wird übrigens auch durch die von Ihnen angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts in keiner Weise in Zweifel gezogen.
Ein anderer Aspekt kommt hinzu. Ihre Behauptung, der Bundesmantelvertrag für Zahnärzte enthielte ein grundsätzliches Verbot der Abhaltung von Zweigsprechstunden, findet im Vertragstext selbst keine Stütze. § 6 Abs. 6 Satz 1 des Bundesmantelvertrages lautet wörtlich:
„Die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit in einer Zweigpraxis bedarf der vorherigen Zustimmung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in deren Bereich die Zweigpraxis liegt.“
Der Bundesmantelvertrag formuliert also gar nicht das Verbot, das Sie der Vorschrift unterlegten, sondern er bedient sich einer verbreiteten dogmatischen Figur des Verwaltungsrechts, nämlich des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“.
Der Kern dieser juristischen Argumentation ist nicht das von Ihnen behauptete Verbot, sondern vielmehr die Ableitung von einer besonderen Genehmigung. Das heißt, es soll schon vor Eröffnung einer Zweigpraxis geprüft werden, ob diese zur Versorgung der Versicherten notwendig ist. An dieser Stelle soll durch den von uns vorgelegten Gesetzentwurf nicht das geringste geändert werden.
Was geändert werden soll, ist - dazu bekennen wir uns allerdings ganz ausdrücklich -: Wenn ein Versorgungsbedürfnis besteht, dann soll es nicht länger im Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigung und ihrer subjektiven Kriterien liegen, ob sie eine Genehmigung erteilt oder nicht. Darauf kommt es uns an, und daran halten wir fest.
Über Einzelheiten, meine ich, können wir im weiteren Verlauf reden, darüber können wir im Ausschuß beraten. Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion die Ü
berweisung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Erstens. Herr Schulze, stimmen Sie mir darin zu, daß in den letzten Jahren, solange das Bündnis für Arbeit existiert, vor allen Dingen die großen Wirtschaftsunternehmen Versprechungen hinsichtlich der Schaffung von Plätzen in der betrieblichen Ausbildung gemacht haben? Für 1999 beliefen sich diese zum Beispiel auf 16 000 Plätze.
Zweitens. Können Sie bestätigen, daß diese Zusagen der Wirtschaft bisher in keiner Weise realisiert wurden und sich damit vor allen Dingen die großen Wirtschaftsbetriebe aus der betrieblichen Ausbildung zurückziehen? Ich denke nur daran, daß diese für das Jahr 1999 nur 6 000 Plätze geschaffen haben.
Drittens. Welche Lösungsmöglichkeiten bieten Sie jungen Leuten an, wenn sich diejenigen, die für die betriebliche Ausbildung verantwortlich sind, zunehmend dieser Verantwortung entziehen?
Bezug nehmend auf die Antwort der Ministerin für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales auf die in der 33. Sitzung des Landtages gestellte Frage (vgl. Drs. 3/2556, Frage 5/2), daß noch abgeklärt wird, ob andere Bundesländer bereit sind, eine Bundesratsinitiative zur gesetzgeberischen Veränderung des Psychotherapeutengesetzes zu unterstützen und daß ein ministerielles Schreiben an Bundesministerin Frau Fischer zum oben genannten Problem gesandt wurde, frage ich die Landesregierung:
1. Welche Ergebnisse hat der Klärungsprozeß zur Unterstützung einer Bundesratsinitiative durch weitere Bundesländer gebracht? - Ich verweise hierzu auf die Pressemitteilung der Ministerin vom 18. Februar 2000.