Barbara Knöfler

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 1. September 2006 ist die Föderalismusreform bekanntlich in Kraft getreten und die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug und damit auch für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz ist auf die Länder übergegangen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich an Folgendes erinnern: Zum damaligen Zeitpunkt lehnten Sachverständige, Experten und Berufsverbände nahezu einhellig die Verlagerung der Zuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länderebene ab. Diese ablehnende Haltung, sehr geehrte Damen und Herren, war und ist auch die Position der LINKEN.
Eine Ländergesetzgebung für den Strafvollzug ist aus der Sicht der Fachwelt ein Rückfall in die Zeit vor dem Jahr 1977, in der in den einzelnen Bundesländern unter
schiedliche Standards und Mindestanforderungen existierten, die dann durch das Strafvollzugsgesetz des Bundes aufgehoben und vereinheitlicht wurden. Das Bundesgesetz war ein Reformfortschritt für die Verbesserung der Qualität des Strafvollzuges.
Statt den seither angestauten Reformbedarf bei der Vollzugsgesetzgebung aufzulösen und ein bundeseinheitliches Jugendstrafvollzugsgesetz sowie ein bundeseinheitliches Untersuchungshaftvollzugsgesetz zu erlassen und damit die Resozialisierungschancen der Strafgefangenen insgesamt zu verbessern, vergab man sich diese Chance und legte die Gesetzgebungskompetenz in die Hände der einzelnen Bundesländer. Damit droht die erforderliche zeitgemäße Ausgestaltung der Bedingungen für einen modernen Strafvollzug wie auch für die Untersuchungshaft den zum Teil leeren Landeskassen zum Opfer zu fallen. Die Kürzung von Personal- und Sachmitteln ist die Konsequenz.
Sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE wünscht sich für die immer noch bestehenden gesetzlichen Regelungslücken bei der Untersuchungshaft ein Bundesgesetz, in dem die Eckpunkte und Standards der Haftbedingungen und die Kriterien für die Unterbringung der Untersuchungshäftlinge zentral und vor allem einheitlich geregelt und fixiert werden.
Der drohenden Gefahr eines gesetzgeberischen Flickenteppichs versucht man durch die Existenz einer BundLänder-Arbeitsgruppe, der inzwischen zwölf Bundesländer angehören, zu begegnen, um weitestgehend einheitliche Untersuchungshaftvollzugsgesetze in den Ländern zu erarbeiten. Die LINKE begrüßt dieses Vorhaben trotz all der zuvor genannten Gesichtspunkte. Damit kann doch noch gewährleistet werden, dass künftig eine hoffentlich weitgehend einheitliche Ländergesetzgebung verabschiedet werden kann.
Aber das, sehr geehrte Damen und Herren, konterkariert doch eigentlich das Anliegen der Föderalismusreform. Eine bundesgesetzliche Regelung zum Untersuchungsstrafvollzug findet sich bisher lediglich in § 119 der Strafprozessordnung. Das heißt, infolge der engen Verbindung der hier zu regelnden Materie mit der Strafprozessordnung müssen die Regelungsinhalte der Landesgesetze auch künftig sorgfältig mit den strafprozessualen Bundesvorhaben abgestimmt sein.
Über die in dem vorliegenden Antrag dargelegten Eckpunkte für ein künftiges Untersuchungshaftvollzugsgesetz für das Land Sachsen-Anhalt gilt es im Rahmen der Ausschussberatungen intensiv zu diskutieren. Aus der Sicht der LINKEN besteht Ergänzungsbedarf.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung geltende Unschuldsvermutung verlangt die Minimierung staatlicher Eingriffe in die Rechte von Untersuchungsgefangenen. Schädliche Folgen des Freiheitsentzuges sind zu vermindern oder zu beschränken. Sie dürfen den Gefangenen nur auferlegt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks der Untersuchungshaft und der Ordnung in den Vollzugsanstalten erforderlich ist.
Es geht uns deshalb insbesondere um Mindeststandards bei der Unterbringung, wie die Haftraumgröße, bei der Arbeit und bei der Freizeitgestaltung, bei der Arbeitsentlohnung, bei der Besuchsdauer und der Besuchserlaubnis, bei Bildungsmaßnahmen oder auch bei dem Rechtsschutz von Untersuchungsgefangenen.
Wir wünschen uns und erwarten deshalb auch im Vorfeld der Erarbeitung eines Gesetzes durch die Landesregierung eine Anhörung von Sachverständigen und Experten im Ausschuss für Recht und Verfassung, damit ihre Positionen und ihre Vorstellungen von einem modernen Untersuchungshaftvollzugsgesetz einfließen können.
Wir befürworten die Überweisung des Antrages und beantragen, wie gesagt, eine Expertenanhörung im Vorfeld der Erarbeitung des Gesetzes. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Brachmann, habe ich Sie richtig verstanden: Sie bzw. auch die Koalitionsfraktionen würden der Überweisung des Antrages zustimmen?
Es wäre aber wichtig, nicht nur der Überweisung zuzustimmen, sondern - das ist der Inhalt unseres Antrages - in einer Anhörung Experten und Sachverständige zu Wort kommen zu lassen, um dann zu überlegen, warum nicht ein positives Signal bei dem sensiblen Thema des Untersuchungshaftgesetzes von Sachsen-Anhalt ausgehen soll. Gegebenenfalls könnte genau dies das Ergebnis dieser Anhörung sein. Oder das eine oder andere wird thematisiert, gegebenenfalls ausgeschlossen oder hinzugebracht und bereichert dann die Bund-LänderArbeitsgruppe. - Danke schön.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen des Peti
tionsausschusses! Es ist mir eine große Freude, zu dieser Zeit unter dem dritten Tagesordnungspunkt der Landtagssitzung mit Ihnen über die Antworten auf die Große Anfrage zu diskutieren, weil das Interesse der Medien noch wach ist und die Medien noch neugierig sind. Ich hoffe, von der demokratischen Teilhabe wird etwas in die Öffentlichkeit transportiert und findet dort Gehör.
Zum einen müssen wir in der Beantwortung der Großen Anfrage feststellen, dass die Landesregierung mit Petitionen wohl eher vorsichtig und nicht so nachhaltig umgeht.
Zweitens stellen wir fest, dass die Beantwortung der Anfrage nicht das ist, was wir erwartet haben. Es wäre gut gewesen, wenn die parlamentarische Anfrage intensiv und umfänglich beantwortet worden wäre und uns ein Informationswerk von allgemeinem Interesse vorläge.
Ich möchte einen Exkurs machen, und zwar in die Antike zu dem griechischen Philosophen Sokrates.
Er entwickelte verschiedene Möglichkeiten, sein Wissen und anderes Wissen zu erweitern. Er nahm sich der Fragen an und erfand den sokratischen Dialog. Er lehrte auf Marktplätzen und begegnete dort seinen Schülern. Mit Fragen zu Umstrukturierungen entwickelte er Ideen zu einem neuen, zu einem gerechteren Leben.
Seine Frau Xanthippe hingegen mahnte ihren Mann und Familienvater in der Form, dass sie sagte, er solle doch von seinen gelehrigen Schülern nunmehr auch Geld verlangen, denn Geld brauche er, um die Familie ernähren zu können.
Resümieren wir: Wir sind enorm bevorteilt. Erstens können wir Fragen stellen und zweitens bekommen wir dafür Geld - nicht gerade wenig. Und noch einen Vorteil haben wir: Wir sind gewählte Vertreterinnen und Vertreter des Volkes und gestalten befristet entsprechend unseren Parteiprogrammen die Gesellschaft hier und heute in Sachsen-Anhalt.
Wir sind Volksvertreter und Volksvertreterinnen. Nur eine einzige Bürde haben wir vom Wähler, vom Wahlvolk auferlegt bekommen: Alles, was Ihr beschließt, soll bitte dem Wohle des Volkes, einem angemessenen Leben, einem gerechten Leben dienen, damit der Einzelne Lebensträume verwirklichen kann. Diesen Auftrag des Wählers sollen wir umsetzen - zum Glück befristet. Diese Verantwortung, dem Volk gerecht zu werden, ist also unser Auftrag. Wir üben Macht aus, Macht in einer demokratischen Gesellschaft, Macht in einer Demokratie.
Wieder in der Antike angekommen, möchte ich einmal hinterfragen: Was heißt Demos? Demos heißt Volk, heißt Volksmasse. Demokratie heißt, im Auftrage des Volkes zu gestalten.
Resultat dieses Exkurses zur Demokratie: Wir üben im Auftrag des Volkes als Volksvertreter unsere Aufgaben aus, dass im Interesse und zum Nutzen des Volkes zu beschließen und zu entscheiden ist. Folgerichtig tragen wir als Volksvertreter Verantwortung im Sinne des Volkes.
So sollte der Einzelne nicht nur bei Wahlen Gehör finden, sondern auch dann, wenn er mit politischen Entscheidungen unzufrieden ist. Unzufrieden mit politischen
Entscheidungen? Gehör finden? - Wie anstrengend! Aber dem soll so sein.
Bei der Verwirklichung des Zieles, ein besseres Leben führen zu können, eine gerechtere Gesellschaft für unsere Menschen zu gestalten, sollten wir als Politiker und Politikerinnen ständig Suchende, ständig Hinterfragende bleiben. Denn sind unsere Vorstellungen, fixiert in Parteiprogrammen, festgeschrieben in Beschlüssen, festgelegt in Festreden, eigentlich das, was Bürger und Bürgerinnen in unserer Gesellschaft brauchen, wollen, von uns erwarten? Sind unsere Auffassungen, unsere Vorstellungen, unsere Ansichten die des Volkes und richtig?
Politik zu gestalten heißt meines Erachtens zwingend, maßvoll unsere Entscheidung im Blick zu behalten, maßvoll zu prüfen, welche Auswirkungen genau diese Entscheidung, dieser Gesetzentwurf auf den Einzelnen hat.
Folgerichtig bedarf es dazu einer gehörigen Portion Realitätssinn und einer ständigen kritischen gesellschaftlichen Bewertung unseres Handelns.
Ich möchte Sie einladen, mit mir kritisch hinterfragend die vorgelegte Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage mit dem Titel „Bürgeranliegen als demokratische Teilhabe in Sachsen-Anhalt“ zu betrachten. Beim Betrachten kommt man recht schnell zu dem Schluss, dass alles schon gesagt, alles schon gefragt, alles schon bekannt und alles schon niedergeschrieben sei. Neues zu hinterfragen bleibt hingegen unbeantwortet, einfach ausgeschlossen.
In einer Vielzahl der Antworten heißt es - so die Landesregierung, wenn der Anschein nicht trügt -, es sei alles gut und besser gehe es nicht. Veränderungen bleiben ausgeschlossen. Dem folgend ist die Demokratie in Sachsen-Anhalt schon an dem Punkt angekommen, an dem es keiner Veränderung mehr bedarf. Unseres Erachtens ist Demokratie aber ein Prozess, kein Erbgut, nichts Festgeschriebenes und Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten.
Stellen wir uns die Frage: Ist Demokratie nicht ein Prozess und müssen wir den Beteiligten, die in diesem Prozess von unseren Entscheidungen betroffen sind, nicht unvoreingenommen Gehör schenken und ihnen gegenüber Verständnis zeigen? Müssen wir ihnen nicht die Chance und die Möglichkeit geben mitzugestalten, sich einzubringen und uns gegebenenfalls zum Umlenken in der Politik zu bewegen?
Nehmen wir es mit den „Prinzen“. Die „Prinzen“ singen laut in die Welt hinaus: Die Welt ist grausam, die Welt ist gemein und Klaus ist ein Schwein. Fragen wir nicht, wer Klaus ist, sondern fragen wir, wie sie die Welt betrachten und warum sie die Welt als grausam empfinden.
Eine grausame Welt wirkt auf den Einzelnen grausam. Aber bei grausamen Probleme haben wir doch etwas, und zwar den Petitionsausschuss. Wenden Sie sich doch an jenen!
Sie alle, wie Sie hier sitzen, haben Abgeordnetenbüros und mehr oder weniger regelmäßig führen wir in diesen Büros Bürgersprechstunden durch. Zu denen kommt Bürger X oder Bürger Y und beschwert sich.
Einige Beschwerden ganz kurz: Mein Problem ist es, dass eine Umgehungsstraße vor meinem Garten gebaut wird. - Ein anderes Problem ist: An der Haltestelle X hält der Zug nicht mehr. - Das nächste Problem: Ich muss
aus meiner Wohnung ausziehen. Ich wohne dort seit 30 Jahren, aber wegen Hartz IV kann ich es mir nicht mehr leisten. - Mein Behinderungsgrad wurde zurückgestuft. - Unsere Tochter kann an der Klassenfahrt nicht teilnehmen, weil das Geld nicht reicht. - Abwasser- und Wasserkosten fressen mich auf. - Die landwirtschaftlichen Preise finanzieren die Produktion nicht. - Ich bekomme keinen Augenarzttermin. - Der Gynäkologe ist weggegangen. - Ich kann die Schulbücher nicht bezahlen. - Der Müll, der hier abgelagert wird, ist das der Müll, der in diese Müllgrube darf oder ist er möglicherweise organisch und eine Belastung für Mensch und Umwelt?
Was sagen wir als Abgeordnete dazu? - Wir empfehlen: Haben Sie sich schon einmal an das zuständige Ministerium gewandt? - Ja. - Dann kommt die Antwort der Landesregierung zu der Anfrage: Nun gut. Es gibt ein abgestimmtes Vorgehen zwischen den Ministerien und eine gut organisierte Zusammenarbeit. Ein Veränderungsbedarf besteht auch in diesem Fall nicht.
Wagen wir noch einen kritischen Blick auf uns selbst, auf die handelnden Politikerinnen und Politiker hier in Sachsen-Anhalt. Wir, die Regierungskoalition und die Opposition, beschließen oder verweigern uns aufgrund politischer Grundsätze und Überzeugungen vorgelegten Gesetzentwürfen und mancherlei Beschlüssen; denn es gibt Parteiprogramme mit höchst unterschiedlichen Ansprüchen, wie eine - unsere - Gesellschaft sozial gerecht gestaltet werden könnte. Aus dieser Überzeugung erschließt sich das Handeln der Betroffenen.
Unser Handeln hat aber Folgen, hat im Einzelfall auch höchst negative Folgen für den Einzelnen. Wäre es angesichts dessen nicht sinnvoll, eine Gesetzesfolgenabschätzung für jedes Gesetz in das parlamentarische Verfahren einzubinden, um so Nachteile ausschließen zu können?
„Aber, meine Herren“, werden Sie sagen, „wir haben doch die politische Reißleine. Wenden Sie sich doch an den Petitionsausschuss, wenn ein Gesetz Sie abschnürt oder ausbremst!“
Ja, und dann erkennt der eine oder die eine, dass das Beschlossene ihm schadet und sich nachteilig auf ihn auswirkt. Er verharrt nicht, sondern wendet sich an die Politik. Er, der Petent, hat sein Herz entdeckt für das Nichtkonsensfähige. Er begehrt auf. Er rebelliert. Er rebelliert nur gegen eines, gegen die Normalität, gegen die gängige Politik. Diese soll immerhin Meinungsvielfalt und Kampfeslust des Einzelnen fördern. Es ist ein wahrhaft revolutionäres Phänomen, sich gegen die herrschende Politik wehren zu wollen. Doch einige tun es dennoch. Ihre Ernsthaftigkeit und Betroffenheit macht der Inhalt der Petitionen sehr deutlich.
Fragwürdig und schwer zu akzeptieren scheint mir dabei nur zu sein, dass Politik sich nicht selbst hinterfragt und Gesetze, die Menschen schwer belasten, überprüft, verändert oder gar zurücknimmt. So könnten Petitionen Politik verändern. So wäre demokratische Teilnahme möglich und demokratische Teilhabe nachvollziehbar.
Wir verzeichnen zurzeit aber einen Rückgang der Zahl von Petitionen, nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit. Derzeit sind 230 Petitionen in einem halben Jahr bearbeitet worden. Das macht meines Erachtens einen deutlichen Vertrauensverlust in die Politik deutlich.
Bedarf es neuer, anderer Instrumente, um Bürgeranliegen gerecht werden zu können, um Bürgeranliegen um
setzen zu können und damit politische Entscheidungen zu verändern und das Mitspracherecht und die Teilhabe des Einzelnen nachhaltig bei uns ankommen zu lassen, um Politik zu verändern?
Nach Auffassung der LINKEN haben Petitionen in ihrer Qualität und Schärfe zugenommen. Aus dem ehemaligen Sich-beraten-Lassen ist der Anspruch geworden, sich in den politischen Bereich, in den öffentlichen Bereich einzubringen, Dinge verändern, handeln zu wollen. Die Petition hat dann den Anspruch, mittels Einspruch Politik zu verändern.
Stellen wir uns die Frage: Wo leben wir jetzt? In welcher Gesellschaft? - Wir leben im Kapitalismus. Beschrieben wurde er in der vorhergehenden Debatte. Wie zeichnet sich der Staat eigentlich ab? Es wird deutlich, dass sich im Augenblick einiges, wenn nicht alles verändert. So bauen die Regierenden gerade den Rechtsstaat ab und höhlen ihn aus. Wir sind längst alle gläserne Bürger, gläserne Kunden und ein absolutes Sicherheitsrisiko.
Nach der Agenda 2010 zum Sozialstaat geht wachsende Armut einher mit sozialer Ausgrenzung und einem dramatischen Verlust an Teilhabe an Kultur, Lebensvielfalt und Bildung. Hinzu kommen die Einführung der EinEuro-Jobs, die Reduzierung von Einkommen, die diversen Preiserhöhungen, Chancenlosigkeit, Verzweiflung, Hilflosigkeit, dem ausgeliefert zu sein, was ganz andere beschließen.
Deutlich wird das an der Wahlbeteiligung. Das Gefahrenpotenzial wird auch deutlich, wenn wir Wahlen einer kritischen Analyse unterziehen. Es könnte sein, dass wir mit unserem Verhalten, dem Nichthinhören, dem Nichtverändern-Wollen, dem Weiter-So ganz anderen politischen Kräften zuspielen und sie dadurch erstarken lassen.
Noch ein Aspekt darf nicht vergessen werden: Wir, die LINKEN, haben die Möglichkeit, jetzt, hier und heute mit Ihnen über das Thema zu diskutieren, umfänglich und ausführlich, auch ein wenig zu philosophieren. Es ist mir eine große Freude, Sie zum Nachdenken anzuregen.
Stellen wir uns aber einmal vor, dass nicht wir das Thema aufrufen, sondern Familie Volk hier steht. Familie Volk: Vater Volk, Ernst Volk, ist arbeitslos, seine Frau ist Hartz-IV-Empfängerin. Die Zwillinge gehen ins Gymnasium, können aber an der Klassenfahrt nicht teilnehmen, und die Söhne warten auf einen Studienplatz im Bereich der Bildung - eine schwierige Situation. - Nun muss aus einem Redeprivileg nicht automatisch auch Überzeugungskraft erwachsen und an die Öffentlichkeit dringen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern, die Petitionen noch ernster zu nehmen. Stellen wir uns ihnen, prüfen wir, ob wir sie in politisches Handeln einfließen lassen können. Ein Weiter-So darf es nicht geben. Ich möchte Sie auffordern, selbstbewusster, engagierter, aufmerksamer mit unserem Souverän, dem Volk umzugehen, ihm Gehör zu schenken und unseren politischen Anspruch und die Politik zu verändern. - Ich danke Ihnen.
Gern.
Sehr geehrter Herr Kollege Stadelmann, wer mit offenen Augen durch unser Land Sachsen-Anhalt geht,
der sieht, wie sich die gesellschaftlichen Bedingungen des Einzelnen verändert haben - zum Nachteil -, und der sieht auch, wie arm manche sind und dass sie nicht teilhaben können. Ich betrachte weniger Petitionen in diesem Fall dahin, dass gesagt wird: Die helfen mir sowieso nicht. Es gibt aber auch viele Petitionen, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger immer und immer wieder zum gleichen Problem an den Ausschuss wenden; zum Teil ist es auch immer wieder der gleiche Bürger.
Ich sehe das anders. Ich sehe es als Gefahr, wenn man uns nicht mehr fordert und nicht mehr auffordert, uns nicht mehr sein Problem vorträgt und uns um Veränderungen bittet. Ich sehe die Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger der Auffassung sind: Die da oben sind gegebenenfalls abgehoben.
Liebe Frau Schmidt, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Anfrage. Positiv erledigte Petitionen können nur jene sein, bei denen eine Entscheidung im Rahmen des Ermessens der Verwaltung korrigiert werden kann. Schauen wir uns einmal die Zusammenfassung der halbjährlichen Berichte daraufhin an, was positiv erledigte Petitionen sind. Meistens sind es um die 12 %.
Darüber zu philosophieren, ob eine Teilhabe des Einzelnen nur über Petitionen möglich ist - natürlich nicht. Es gibt weitaus mehr Möglichkeiten. Wenn ich aber die Statistik verfolge und feststelle, dass zu Beginn 11 000 Bürgerinnen und Bürger die Erwartung hatten, Politik zu verändern, und sich einmischten und wir jetzt bei ca. 230 sind, dann ist das für mich ein Signal, das wir ernst nehmen sollten. Gegebenenfalls müssen wir auch darüber philosophieren, unsere Arbeit neu zu strukturieren: mehr Öffentlichkeitsarbeit, mehr Ortstermine, mehr Termine mit dem Ausschuss vor Ort. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Die Bürgerinnen und Bürger müssen deutlich spüren, dass wir für sie da sind. - Danke schön.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte bei der peinlichen Berührung und dem In-sich-Hineinschmunzeln anfangen. Ich habe nicht bewertet, wie ich die Anfrage beim Lesen empfunden habe. Ich habe nicht geschmunzelt; ich war einfach sauer, weil ich das gefragt habe, was ich wissen wollte, und auf die Fragen keine Antworten gekommen sind. Herr Robra hat es eben auch noch einmal deutlich gemacht: Es wird etwas gemacht, aber keiner sagt, was wie wann gemacht wird.
Herr Kosmehl, meine Anfrage beruht nicht nur darauf, dass ich bereits viele Jahre im Petitionsausschuss tätig bin. Vielmehr haben wir uns die Mühe gemacht, uns in dem Verein für Petitionen in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der FDP, der SPD, der CDU und in den Ländern, in denen DIE LINKE in den Parlamenten vertreten ist, auch der LINKEN zusammenzusetzen. Wir haben überlegt: Was könnten wir hinterfragen, um im Landtag deutlich zu machen und zu thematisieren, was eine Petition, was ein Bürgeranliegen ist? Müssten wir nicht die öffentliche Debatte führen? Müssten wir uns nicht noch mehr engagieren? Könnte der Seismograf, der dann ausschlägt, wenn stets sehr viele Petitionen zu einem Thema kommen, dazu führen, dass es ein Erdbeben gibt? Sollten wir dieses Erdbeben verhindern?
Also, wir haben uns parteiübergreifend inhaltlich mit der Sache befasst. Aber DIE LINKE hat diese Anfrage in die Parlamente eingebracht, unterschiedlich abgewogen. Nicht eine Anfrage gleichermaßen lautend, sondern man hat generell abgewogen, wo Schwerpunkte gesetzt worden sind. Warum sollten wir nicht statistisches Material haben?
Ich habe auch festgestellt, dass es sinnvoll wäre, wenn die Landesregierung Anfragen so beantworten würde, dass ein Werk entsteht, mit dem man etwas beginnen und anfangen kann und das eine Aussage darüber trifft, was bei uns im Land Sachsen-Anhalt aufgrund von Peti
tionsinhalten und Beschwerden, die an uns herangetragen werden, passiert.
Auf die einzelnen Anfragen wollte ich im Detail nicht eingehen. Ich danke Ihnen ausdrücklich dafür, dass Sie es alle getan haben. Ich weiß auch, dass alle diese Anfrage gelesen haben, weil uns alle Petitionen ständig berühren.
Was könnte anders werden? Wie könnten wir intensiver mit Petitionen umgehen? Bedarf es eines Ministeriums, in das Beschwerden fließen?
Natürlich könnte ich überlegen: Welches Instrument wäre dienlich? Welches Instrument ist ein einzelner Beauftragter und hat er gegebenenfalls ein Haus hinter sich, das Angelegenheiten, Petitionen und Beschwerden bearbeitet? - Ein Bürgerbeauftragter.
Wir haben gleichzeitig einen europäischen Bürgerbeauftragten; wir haben einen europäischen Petitionsausschuss. Wir könnten durchaus überprüfen - das war der Sinn der Anfrage -: Reicht der Petitionsausschuss aus? Hat er die erforderlichen Mittel? Kann er zum Bürger gehen und fragen? Kann er Bürgersprechstunden durchführen? Kann er Vor-Ort-Termine machen? Kann er mündliche Petitionen aufnehmen? Kann er mit dem Bürger kommunizieren? Oder gilt das steife System: Du musst eine Petition schriftlich einreichen; sie muss unterschrieben werden; sie geht an das Ministerium.
Es war der Sinn der Anfrage zu prüfen, ob es anderer Instrumente bedarf. Das war der Sinn, der Veränderungsbedarf, das Sich-Einmischen, Herr Kosmehl. Ich danke Ihnen ausdrücklich, dass Sie gleich in das Portal geschaut haben.
Das ist ja durch die Anfrage deutlich geworden: Es wurde gefiltert, es wurde mit Sachen beantwortet, die wir im Petitionsausschuss alle kennen. Es wurden noch einmal die Gesetze und Grundlagen zitiert. Aber sonderlich hilfreich war es nicht.
Wenn erreicht wurde, dass wir nicht nur heute darüber reden, sondern ernst nehmen, was Bürgerinnen und Bürger bewirken und bewegen können, ernst nehmen, was uns Bürgerinnen und Bürger vortragen, und als Politiker selbst hinterfragen, ob gegebenenfalls Gesetze geändert werden müssen, dann ist es die Anfrage wert gewesen, dann ist es die Debatte wert gewesen. Dann haben wir ein Stück weit den Bürgerinnen und Bürgern gezeigt: Wir nehmen eure Anliegen, eure Petitionen ernst und verändern gegebenenfalls Politik, wenn sie euch schadet. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass ich schon wieder das Wort habe und dass Sie es mir erteilt haben.
Ich frage die Landesregierung:
1. War in der Bauplanung der Justizvollzugsanstalt Burg die Warmwasserversorgung für die Hafträume geplant und vorgesehen?
2. Wenn ja, aus welchen Gründen wurde davon abgesehen, und welche Umbaumehrkosten sind dadurch entstanden?
Frau Ministerin, ist es richtig, dass Burg ein Modellprojekt werden soll? Ist es richtig, dass vorgesehen ist, dass in dieser JVA nur Männer untergebracht werden, auch Langzeitstraftäter aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt? Und ist es richtig, dass Männer ein Bedürfnis haben, sich jeden Tag zu rasieren?
Ich habe mir jetzt Folgendes vorgestellt: Ich habe kein warmes Wasser in der Zelle und muss mich rasieren. Das hat zur Folge, wenn jeder einzeln in Hafträumen untergebracht ist, dass ein Bediensteter aus dem Bereich des allgemeinen Vollzugsdienstes die Zelle aufsuchen muss, den Insassen aus dem Haftraum herausholen muss, um ihn in den Duschraum zu begleiten, wo er sich rasieren kann, und ihn dann wieder zurückbringen muss. Das ist ein Mehraufwand, könnte ich mir vorstellen. Oder ist angedacht, dass ich mir mit dem Wasserkocher das Wasser warm mache, um mich dann zu rasieren? Einfach mal ein ganz praktischer Aspekt.
Eine zweite Frage: Sie sprachen von Einsparungen. Interessant sind auch die Umbauplanungskosten, die dadurch entstanden sind. Wie hoch waren die Umbauplanungskosten? - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich frage die Landesregierung:
1. Wann und aufgrund welcher Ausschreibung, mit welchem Ausschreibungsprofil, auf welche Stelle mit ∗ siehe Anlage zum Stenografischen Bericht
welcher Besoldungsgruppe hat sich der ehemalige Direktor des Landeskriminalamtes des Landes Sachsen-Anhalt beworben und wann erhielt er die Zusage mit welchem Termin als Arbeitsbeginn und wird er diese ausgeschriebene Position auch besetzen?
2. Aufgrund welcher dienstrechtlichen Verstöße und/ oder fehlerhaften Aufgabenbewältigung und gravierenden Rechtsverstöße werden welche Fachkräfte des Ministeriums der Justiz (Fachposten, Besol- dungsgruppe in dieser neuen Position) wann und wo, auch ministeriumsübergreifend, mit welcher neuen Aufgabe betraut und erhalten welche Besoldungsgruppe? - Danke.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Entsprechend dem am 9. August 2007 vorgestellten Leitbild der Landesregierung zur Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt sind freiwillige Zusammenschlüsse durch den Abschluss von freiwilligen Vereinbarungen, die den hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, bis zum 30. Juni 2009 vorzubereiten.
Ich frage die Landesregierung:
1. Entfalten diese Verträge ihre Wirksamkeit zum 1. Juli 2009 oder erst zum Abschluss der gesetzlichen Phase am 1. Januar 2011?
2. Wenn diese Verträge erst zum 1. Januar 2011 ihre Wirksamkeit entfalten, wie ist dann mit den allgemeinen Kommunalwahlen zu den Vertretungen im Juni 2009 umzugehen, da eine Neuwahl in den neuen Strukturen nicht möglich ist?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt beabsichtigt, grundsätzlich alle ab Januar 2008 neu nach SachsenAnhalt kommenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber nach der Erstaufnahme - diese umfasst maximal drei Monate - bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens, längstens jedoch zwölf Monate lang, also insgesamt 15 Monate, in einer Gemeinschaftsunterkunft, nämlich der ZASt in Halberstadt unterzubringen.
Dieses Vorhaben lehnt die Fraktion DIE LINKE mit dem Ihnen vorgelegten Antrag strikt ab
und fordert die Landesregierung auf, von der geplanten Belegung einer Gemeinschaftsunterkunft in der ZASt Halberstadt mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Aufnahmegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt unbedingt Abstand zu nehmen.
Wir bewerten die Absicht der Landesregierung als inhuman, als nicht akzeptabel und als falschen Weg, der unweigerlich und zu guter Letzt in eine Sackgasse für alle Betroffenen führen wird. Wir erwarten deshalb von der Landesregierung ein Umdenken und ein Umlenken.
Für die Fraktion DIE LINKE steht Folgendes außer Frage: Im Mittelpunkt aller Bestrebungen müssen erfolgreiche Integrationsmaßnahmen stehen, nicht die Konzentration und die unweigerlich folgende Isolation von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern.
Der Hinweis auf fiskalische Zwänge ist in diesem Zusammenhang völlig unangebracht. Im Aufnahmegesetz des Landes Sachsen-Anhalt hat der Landtag den Grundsatz der Dezentralisierung festgeschrieben. Das war der politische Wille der Parlamentarier, das war die Grundintention des Gesetzes.
Ich möchte an dieser Stelle an die Diskussion im Landtag von Sachsen-Anhalt Anfang 1998 erinnern. In der parlamentarischen Debatte sagte Herr Dr. Püchel, damaliger Minister des Innern, Folgendes:
„Vielmehr geht es darum, dass es für die Konzentrierung von Flüchtlingen in fünf bis sechs Großunterkünften mit mehr als 1 000 Plätzen und Dutzenden verschiedener Nationalitäten der Bewohnerinnen und Bewohner mittlerweile keine Rechtfertigung mehr gibt. Die Zahl der Asylbewerber ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen.
Wichtiger noch ist: Hier im Land ist man inzwischen seitens der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände und der privaten Heimbetreiber - anders als in den Anfangsjahren - auf die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und Aussiedlern eingestellt. Wir brauchen deshalb die für ein dezentrales Unterbringungskonzept erforderliche Gesetzesänderung. Sie wird eine größengerechte Verteilung der Aussiedler und ausländischen Flüchtlinge auf alle Landkreise und kreisfreien Städte des Landes erlauben.“
Ich zitiere weiter. Frau Leppinger von der SPD führte Folgendes aus:
„Die Unterbringung in kleineren Unterkünften kann dazu führen, dass eine zureichende soziale Infrastruktur vorhanden ist und soziale Brennpunkte vermieden werden können.“
Ich zitiere aus der Rede von Herrn Tschiche vom Bündnis 90/Die Grünen:
„‚Übergroße Unterkünfte werden durch die gerechte Verteilung auf alle Landkreise und kreisfreien Städte weitgehend entbehrlich.’ Das war von vornherein unser politisches Ziel. ‚Die Unterbringung wird dadurch den Grundbedürfnissen der Menschen besser gerecht, ohne unbedingt teurer zu sein.’
Wenn Sie so wollen... entsteht eine Art pädagogischer Effekt dadurch, dass überall im Lande Ausländerinnen und Ausländer sind. Wir beschreiten damit einen therapeutischen Weg, damit die Gesellschaft in Deutschland eine weltoffene Gesellschaft bleibt.“
So viel zur damaligen Debatte während der zweiten Beratung zum Landesaufnahmegesetz. Diese Zitate belegen unmissverständlich, dass die Grundintention einer dezentralen Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Land Sachsen-Anhalt fest verankerter politischer Wille des Gesetzgebers war und ist.
Gerade deshalb ist es für DIE LINKE keinesfalls akzeptabel und hinnehmbar, dass die Landesregierung beabsichtigt, mittels eines Erlasses ein Gesetz und dessen politische Grundlinien und Grundabsichten, welche der Landtag verabschiedet und verankert hat, zu unterlaufen und damit zu ändern.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie und Ihr zuständiges Dezernat begründen dies hauptsächlich mit den seit eini
gen Jahren rückläufigen Zahlen von Asylsuchenden und einer daraus folgenden Notwendigkeit der Optimierung der Aufwendungen für die ZASt in Halberstadt im Landeshaushalt. Aber, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die sinnvolle Auslastung einer Landeseinrichtung, einer vorhandenen personellen und sächlichen Infrastruktur darf dabei nicht das vordergründige Kriterium sein.
Eine notwendige Kostenoptimierung ist meines Erachtens kein gutes Argument, um Menschen, die nach dem Erleben von Entbehrungen, Repressalien, Verfolgung und Flucht aus ihrem Heimatland in Sachsen-Anhalt angekommen sind, in einer Gemeinschaftsunterkunft mit Gemeinschaftsverpflegung und in isolierter Lage unterzubringen. Das kann und darf nicht Ausdruck eines weltoffenen und fremdenfreundlichen Sachsen-Anhalts sein.
Eines möchte ich ausdrücklich betonen: Unser Antrag stellt in keiner Weise die Kompetenz und das Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Zentralen Anlaufstelle infrage. Im Gegenteil: Gerade sie haben in den vergangenen Jahren mit viel Mühe dazu beigetragen, dass Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen in Halberstadt abgebaut und Spannungen vermieden wurden sowie dass eine gesellschaftliche Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht wurde.
Eine weitere Konzentration von Asylsuchenden würde dieser Arbeit zuwiderlaufen. Gegen die Belegung der Gemeinschaftsunterkunft ZASt sprechen aber noch andere gewichtige Gründe.
Derzeit befinden sich auf dem Gelände der ZASt in Halberstadt erstens die zentrale Aufnahmestelle des Landes Sachsen-Anhalt auf der Grundlage des Asylverfahrensgesetzes, zweitens die Ausreiseeinrichtung für gesetzlich Ausreisepflichtige und drittens eine Gemeinschaftsunterkunft, in der zurzeit die Bewohner der früheren Gemeinschaftsunterkünfte in den ehemaligen Landkreisen Schönebeck und Quedlinburg untergebracht sind.
Eine gemeinsame Unterbringung von Asylsuchenden bei der Erstaufnahme, von geduldeten Flüchtlingen mit unklarer Bleibeperspektive und ausreisepflichtigen Flüchtlingen im Ausreisezentrum in einer Einrichtung führt unweigerlich zu Konflikten und ist unter humanitären Aspekten sehr problematisch. Der soziale Friede könnte gefährdet sein.
Die Flüchtlingsorganisationen weisen immer wieder zu Recht auf das Problem der Gemeinschaftsverpflegung hin. Hierbei geht es nicht um die Qualität der Küche; vielmehr geht es um die Bedeutung, die das Einkaufen und das Selbst-Zubereiten von bekannten Speisen aus dem Herkunftsland für die psychische Stabilität der Flüchtlinge haben.
Diese Einwände wurden mit dem Hinweis auf die kurze Verweildauer von maximal drei Monaten in der ZASt stets zurückgewiesen. Bei einer Verweildauer von bis zu 15 Monaten stellt sich das Problem in einer schärferen Form. Insbesondere für Familien ist eine komplette Fremdversorgung über einen so langen Zeitraum nicht akzeptabel.
Die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber ist im ersten Halbjahr 2007 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 21 % zurückgegangen. Gerade diesen Rückgang sollte man dazu nutzen, die begon
nene Dezentralisierung weiterzuentwickeln und künftig Flüchtlinge generell in Wohnungen unterzubringen. Dieser Schritt wäre humanitär geboten und dringend überfällig sowie ein richtiger Schritt zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in unserem Land.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insbesondere in der Harzregion hat sich in der letzten Zeit eine starke Infrastruktur von rechtsextremistischen Organisationen entwickelt. Es kommt in dieser Region häufiger zu Übergriffen mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Eine Konzentration von Flüchtlingen im Umfeld von Halberstadt würde zu einer weiteren Verschärfung dieser Situation führen.
Die zentrale Unterbringung von Flüchtlingen in großer Zahl in der ZASt hat Anfang der 90er-Jahre zu enormen Akzeptanzproblemen in der Aufnahmegesellschaft geführt und der fremdenfeindlichen Propaganda rechtsextremistischer Gruppen Vorschub geleistet. Wir sehen die Gefahr, dass eine erneute Konzentration, wenn auch bei geringeren Flüchtlingszahlen, wieder zu ähnlichen Problemen führen könnte.
Bürgerinnen und Bürger außerhalb von größeren Städten haben schon jetzt so gut wie keine Möglichkeit, interkulturelle Erfahrungen zu machen. Eine weitere Konzentration von Flüchtlingen in Halberstadt würde zum einen diese strukturellen Defizite und zum anderen eventuell auch die subjektiv empfundenen Ängste und Bedrohungsgefühle der Menschen, die dann mit einer noch größeren Gruppe von Fremden konfrontiert werden würden, verstärken.
Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt haben ohnehin ein überdurchschnittlich hohes Risiko, Opfer eines fremdenfeindlichen Übergriffs zu werden. Eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen hätte den Vorteil, dass Flüchtlinge als Einzelpersonen, als Familien, als Nachbarn wahrgenommen werden und dass somit die Chance zur Begegnung, zum Kennenlernen, zur Akzeptanz und Integration besteht.
Sehr geehrte Damen und Herren! Insbesondere vor dem Hintergrund sinkender Flüchtlingszahlen sollte der Grundsatz einer dezentralen Unterbringung in Wohnungen qualitativ weiterentwickelt werden.
Die häufig vorgetragene Behauptung, eine Unterbringung in Wohnungen sei teurer als die in Gemeinschaftsunterkünften, ist unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Folgekosten und mit Blick auf den Bestand an leerstehenden Wohnungen unbedingt einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Hierbei müssen auch die Kosten, die bei größeren Gemeinschaftsunterkünften durch ungenutzte Kapazitäten und längerfristige Vertragsbindungen entstehen, berücksichtigt werden.
Vor dem Hintergrund dieser Argumente möchte ich noch einmal auf den Punkt 4 unseres Antrages verweisen. Die angebotene Hilfe, im Zuge der Kreisgebietsreform eine kurzfristige Unterbringung zu ermöglichen, war sicherlich legitim. Sie darf aber nicht dazu führen, dass sich der Landkreis Harz oder andere Landkreise ihrer Verpflichtung zur Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen auf diese Art und Weise entziehen.
Die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände, der Flüchtlingsrat, der Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit sowie
das Bündnis für Integration und Zuwanderung, in dem auch die Parteien der in diesem Hause sitzenden Fraktionen Mitglied sind, unterstützen das Anliegen unseres Antrages.
Dank des Engagements der neuen Integrationsbeauftragten Frau Möbbeck haben Sie, Herr Minister Hövelmann, jetzt Verbände und Vereine, die in der Flüchtlingsbetreuung seit Jahren aktiv sind, zumindest um eine schriftliche Stellungnahme zu dem geplanten Vorhaben gebeten. Die Fraktion DIE LINKE hält jedoch eine Anhörung zu dieser Problematik im Ausschuss für Inneres für den besseren und den weiterführenden Weg.
Es bleibt unsererseits zu hoffen, dass die vorgetragenen ablehnenden Argumente dazu beitragen, das Vorhaben, die Asylsuchenden für den Zeitraum des Asylverfahrens in einer Gemeinschaftsunterkunft, der ZASt, unterzubringen, ad acta zu legen.
Sehr geehrte Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag mit Blick auf das Bemühen um ein Klima der Toleranz und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt zu. Den Alternativantrag der CDU und der SPD lehnt DIE LINKE ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich bedanke mich erst einmal für die Sachlichkeit der Debatte und möchte zu Beginn meiner Rede über einen Oberbürgermeister sprechen, der einer Kreisstadt vorsitzt - es wurde schon angesprochen -: Herr Andreas Henke. Es gab die Diskussion über einen Presseartikel. Halberstadt ist Kreissitz. In der Stadt ist ein Phänomen im Gange, das hier nicht unbedingt Thema sein muss; aber ich möchte es ansprechen. Die Stadt verliert ihre Behörden. Ein guter Bürgermeister ist daran interessiert, jede Behörde am Ort zu behalten. Ich könnte jetzt auf die einzelnen Behörden näher eingehen, dies würde aber den Rahmen dieser Debatte sprengen und ist hier auch nicht zu diskutieren.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen zwei Zitate nahe bringen. Erst einmal eines. Es betrifft den Begriff „Flüchtling“. Im Sinne der Genfer Konvention ist ein Flüchtling - ich zitiere -:
„... wer begründet Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung hat, sich außerhalb seines Herkunftslandes befindet, den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder aus Furcht vor Verfolgung nicht in Anspruch nehmen will, nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtung nicht dorthin zurückkehren will.“
Wir reden also über Flüchtlinge. Flüchtlinge verlassen ihr Land. Sie erwarten, in Deutschland aufgenommen zu werden und dort auch anzukommen.
Sie kommen hier zunächst einmal für ein Vierteljahr in die Erstaufnahmeeinrichtung. Meistens kommen Familien mit Kindern, die aus ihrem Land geflohen sind. Sie sind dann in einem fremden Land allein, können dessen Sprache nicht und sie erhalten eine Gemeinschaftsverpflegung.
Frau Leppinger - um auf Herrn Rothe einzugehen - hat nicht nur um eine eigene Küche gekämpft, sie hat auch um eine dezentrale Unterbringung gekämpft. Das war der Ansatz in meinem Redebeitrag zu dieser Debatte. Sie hat um die dezentrale Unterbringung in ihrem Gesetz gekämpft und hat dies auch durchgesetzt. Ebenso hat Herr Minister a. D. Püchel für die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen geworben, also die ZASt in Halberstadt infrage gestellt, was Sie jetzt als Dreisäulenprogramm auflegen. Zu den drei Säulen möchte ich als Letztes kommen. Es sind drei Säulen.
Eigentlich ist die ZASt eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge für die Dauer eines Vierteljahres. Wenn wir die ganze Zeit das Asylverfahren kaputtreden und diese
Flüchtlinge dort belassen, dann passiert Folgendes: Sie sind isoliert und werden nicht integriert. Unser Ansatz ist, Asylsuchende nach einem Vierteljahr zu integrieren. Sie sollen Kontakt mit Herrn Meyer, Herrn Schulze oder Herrn Müller haben und Herr Müller muss sich sagen: Der kommt zwar aus X, aber wir kommen miteinander ins Gespräch, wir stehen füreinander ein. - Einen solchen Kontakt schließen wir aus. Diese Chance geben wir verloren.
Ich möchte ein zweites Zitat aus der Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 2/2003 auf der Seite 154 vortragen. Es ging damals darum - so weit möchte ich in das Zitat einführen -, dass - ich zitiere - „an den verschiedenen Erstaufnahmeeinrichtungen eine zweite Säule installiert wurde, und zwar das Ausreisezentrum.“
Es ging nur um das Ausreisezentrum. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter und sagen, wir wollen auch die Gemeinschaftsunterkunft dort integrieren. Als aber das Zweisäulenprogramm favorisiert wurde, am Entstehen war und es auch schon das Ausreisezentrum Halberstadt gab, hat dieses Blatt Folgendes formuliert - ich zitiere -:
„Die bisher bekannt gewordenen Planungen sehen ein kombiniertes Ein- und Ausreisezentrum vor, um Flüchtlinge erst gar nicht auf den Geschmack des Landes in Deutschland kommen zu lassen.“
Das ist ein Zitat, sehr geehrte Damen und Herren. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn der Justizvollzug zum Thema einer Landtagsdebatte wird, hat das meist höchst unerfreuliche Anlässe, etwa Ausbrüche oder Straftaten - wie erst am letzten Wochenende in Thüringen geschehen, wo es zu einer schweren Misshandlung eines Gefangenen durch einen anderen Gefangenen aufgrund von Gemeinschaftsunterbringung kam - oder auch öffentliche Kritiken an den Zuständen der Justizvollzugsanstalten von Experten des Europarates.
Anlass unserer heutigen Debatte ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS zur Situation im Justizvollzugsbereich im Land Sachsen-Anhalt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Gleichwohl hoffen wir, dass die Vorwürfe bezüglich der Unstimmigkeiten in den Justizvollzugsanstalten durch die Ministerin ausgeräumt und aus gegebenem Anlass Handlungsoptionen der Landesregierung aufgezeigt werden.
Mit der Beantwortung der Anfrage liegt uns ein umfängliches, aussagefähiges, aber teilweise auch widersprüchliches Arbeitsmaterial vor, worauf ich nachher noch näher eingehen werde.
Vorangestellt, sehr geehrte Damen und Herren, sei ein Dank an all jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Beantwortung der Großen Anfrage befasst und daran beteiligt waren.
Noch einen weiteren Dank möchte ich ganz bewusst an den Anfang meiner Ausführungen stellen. Es ist meiner Fraktion und auch mir ganz persönlich ein Anliegen, unseren herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug Sachsen-Anhalts zu richten.
Denn sie sind es letztlich, die für unser aller Sicherheit täglich ihre Arbeit im Strafvollzug leisten und mit den Gefangenen arbeiten. Sie stimmen mir sicherlich parteiübergreifend darin zu, dass die Arbeit im Strafvollzug eine der anspruchsvollsten und psychisch am stärksten belastenden Aufgaben des öffentlichen Dienstes überhaupt darstellt.
Diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten täglich freiwillig und im Schichtdienst hinter Gittern mit dem gesellschaftlichen Auftrag, die Gefangenen zu erziehen und zu resozialisieren. Wir danken ihnen auch dafür, dass sie immer noch Zeit und Motivation finden, wenn uns Politikerinnen und Politikern nach einem freiwilligen, aber zeitlich sehr begrenzten Besuch im Strafvollzug ist und sie uns zu den Fragen des Vollzugs umfänglich Rede und Antwort stehen. Ihre Vorschläge und Anregungen werden stets in unser politisches Handeln einbezogen.
Zurück zur Großen Anfrage. Anlass derselben war und ist es, dass ab 1. September 2006 die Zuständigkeit für die Gesetzgebung auf den Gebieten des Jugend- und Erwachsenenvollzuges einschließlich der Untersuchungshaft auf die Bundesländer übergegangen ist. Folgerichtig ist es nun erforderlich, durch das Land die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.
Meine Fraktion, die Fraktion der Linkspartei.PDS, vertritt, sehr geehrte Damen und Herren, nach wie vor die Auffassung, dass all das, was den Justizvollzug betrifft, bundeseinheitlicher Regelungen und Standards bedarf. Nach unserer Auffassung birgt es viele Risiken und Gefahren, diesen höchst sensiblen Bereich in die Länderhoheit zu übergeben. So könnten ärmere Länder, zu denen ich auch Sachsen-Anhalt zähle, beschließen, den Justizvollzug voll und ganz zu privatisieren und es aus Geldmangel den privaten Betreibern überlassen, die Standards eigenständig festzulegen. Damit bestünde die Gefahr des Infragestellens des Behandlungs- und Erziehungsvollzuges.
Der Verwahrvollzug könnte in den Anstalten zur Tagesordnung werden. Dies wiederum würde bedeuten, dass keine Ergründung und Aufarbeitung der Ursachen erfolgen würde, warum ein Gefangener gegen gesellschaftliche Normen verstoßen hat, was eventuell bei der Erziehung in seiner Kindheit und Jugend falsch gemacht wurde oder was in seinem bisherigen Leben falsch gelaufen ist.
Wenn also dort die Ursachen einer Fehlentwicklung nicht untersucht werden, an welcher Stelle muss und kann dann die Erziehung bei jugendlichen oder die Behandlung bzw. Resozialisierung von erwachsenen Straftätern begonnen und durchgeführt werden?
Wir alle sollten daran interessiert sein, dass von diesen Menschen nach der Entlassung aus dem Justizvollzug weniger bzw. keine Gefahren und Risiken mehr ausgehen.
So kann bereits der Antwort zur Großen Anfrage entnommen werden, dass erstens das Gefängnis in Burg in öffentlich-privater Partnerschaft entsteht und dass zweitens viele Aufgabenbereiche privatisiert werden sollen, so unter anderem vollzugliche Hilfsleistungen wie Besuchshilfsdienst, Nachthilfsdienst, Gitterkontrolle, Poststelle, Telefonzentrale, Hilfskraft Personal und Hilfskraft der allgemeinen Verwaltung.
Bei diesem Modellversuch ist eine kritische Begleitung unumgänglich. Schon im Vorfeld ist die Frage zu klären, welche Aufgaben erforderlich und notwendig sind. So ist die Gitterkontrolle angesichts der angedachten Sicherheitsvorkehrungen nach meiner Auffassung höchst fragwürdig. Außerdem sind die folgenden Fragen zu klären: Wie werden die zu privatisierenden Aufgabenbereiche vergütet, um Bestechungen als Sicherheitsrisiko vorzubeugen? Wie kann der Datenschutz umfassend gewährleistet werden?
Fest steht, dass es dringend eines Konzeptes bedarf, welches unter anderem die Wahrung des Datenschutzes und eine Arbeitsplatzbeschreibung mit festen Kriterien für alle Bediensteten einschließlich der Festlegung der Vergütungs- und Besoldungsgruppen beinhaltet. All dies muss zeitnah im Ausschuss für Recht und Verfassung diskutiert werden.
Es kann und muss uns immer zuerst darum gehen, im Justizvollzug die Behandlung und die Erziehung der Strafgefangenen sowie die Sicherheit zu verbessern. Eine einseitige Ausrichtung des Justizvollzugs, zum Beispiel lediglich auf die Frage der Sicherheit, kann und darf es nicht geben.
Von besonderer Bedeutung ist, dass der Strafvollzug für die Gesellschaft elementare Bedürfnisse zu erfüllen hat. Zum einen sollen die Allgemeinheit und jeder Einzelne von uns vor Straftaten geschützt werden. Zum anderen sind die Gefangenen im Vollzug auf ein Leben in Freiheit ohne Straftaten vorzubereiten. Dies ist nur durch Erziehung und Behandlung zu realisieren und erfordert hoch qualifiziertes und gut motiviertes Fachpersonal, was die Strafvollzugsbediensteten in unserem Land auszeichnet. Das, sehr geehrte Damen und Herren, gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif.
In der Beantwortung der Großen Anfrage auf der Seite 3 bekennt sich die Landesregierung klar dazu, den Behandlungsgedanken für den Erwachsenenvollzug und zusätzlich den Erziehungsgedanken für den Jugendvollzug gesetzlich zu verankern. Man trägt dem Umstand Rechnung, dass der Justizvollzug ein nicht zu unterschätzender Eckpfeiler der inneren Sicherheit ist.
Der Umgang mit diesem Thema verlangt ein durchdachtes und kluges Herangehen sowie intelligente Lösungen angesichts der schwierigen Haushaltslage unseres Landes. Hieraus resultiert unsere Forderung, dass dem Behandlungsgedanken und dem Erziehungsgedanken oberste Priorität eingeräumt werden muss. Die Aufgabe der Resozialisierung ist generell und immer vor den Auftrag der Sicherung und Verwahrung zu stellen.
Meiner Fraktion ist bekannt, in welchem maroden Zustand sich die Vollzugsanstalten im Jahr 1 nach der Wende befanden. Ebenso uns ist bekannt, dass durch
das Sicherheitssofortprogramm viel Geld sowohl in die Sicherheitsanlagen als auch in die Bauhüllen geflossen ist. Dadurch hat sich zwar auch die Unterbringung für die Gefangenen verbessert, aber nicht ausreichend entspannt.
Seit nunmehr drei Jahrzehnten besteht die Pflicht der Landesjustizverwaltung zur grundsätzlichen Einzelunterbringung nach dem Strafvollzugsgesetz, welches bis zum Erlass eines Landesgesetzes auch für SachsenAnhalt fortgilt. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass eine flächendeckende Mehrfachunterbringung in den Justizvollzugsanstalten nicht vorgesehen, aber heute noch ständige und gängige Praxis ist.
Daraus resultiert gemäß dem höchstrichterlichen Gebot unsere Forderung nach einer Einzelunterbringung für möglichst alle Gefangenen, die dies wünschen. Hierzu ist dem Ausschuss für Recht und Verfassung zeitnah ein präziser und umsetzbarer Maßnahmenplan vorzulegen.
Zum Personal. Hierbei wird einerseits deutlich, wie vielschichtig die Arbeit im Justizvollzug ist, und andererseits, dass es dringend einer - ich bitte um Entschuldigung für meine deutlichen Worte - Verjüngungskur beim Personal in Form eines Einstellungskorridors bedarf. Sollte dies nicht erfolgen, könnte es dazu kommen, dass Altersabgänge nicht kompensiert werden können.
Um unseren Forderungen gerecht zu werden, den Behandlungs- und Erziehungsgedanken zu praktizieren, ist es zwingend erforderlich, ein Personalkonzept zu erstellen, in dem jede einzelne Justizvollzugsanstalt einen eigenen Stellenkegel erhält. Dies muss unter Berücksichtigung der Festlegungen der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 6. November 1997 in Bonn gemäß dem Tagesordnungspunkt 1.3 - Hebung der Stellenobergrenzen für den allgemeinen Vollzugsdienst, Krankenpflegedienst und Werkdienst - erfolgen. Die Justizministerkonferenz hält eine Änderung für den allgemeinen Vollzugs-, Krankenpflege- und Werkdienst entsprechend der auf den gesetzlichen Grundlagen festgeschriebenen Stellenobergrenzen im Hinblick auf die für Polizei und Bundesgrenzschutz beabsichtigte Hebung für zwingend erforderlich und dringend notwendig.
Die Justizministerkonferenz hält eine Ergänzung des durch das Bundesministerium des Innern vorbereiteten Entwurfs zur Änderung der Verordnung zur Bundesbesoldungsverordnung wie folgt für geboten:
Erstens. Änderung des § 1 Nr. 5 der Verordnung zu § 26 Abs. 4 Nr. 1 der Bundesbesoldungsverordnung für den allgemeinen Vollzugsdienst - Besoldungsgruppe A 7: 25 v. H., Besoldungsgruppe A 8: 35 v. H., Besoldungsgruppe A 9: 40 v. H.
Zweitens. Änderung des § 2 Nr. 6 der Verordnung zu § 26 Abs. 4 Nr. 2 der Bundesbesoldungsverordnung für den Werkdienst - Besoldungsgruppe A 7: 20 v. H., Besoldungsgruppe A 8: 35 v. H., Besoldungsgruppe A 9: 45 v. H.
Daraus resultieren unsere Forderungen:
Erstens. Eine Vereinfachung der Anstaltsstrukturen mit klaren Über- und Unterstellungsverhältnissen.
Zweitens. Es sind zentrale Aufgabenkriterien für konkrete Dienstpostenbeschreibungen festzulegen, die eindeutige Unterstellungsverhältnisse erkennen lassen.
Drittens. Das Festschreiben eines Geschäftsverteilungsplans für eine Kriterienbeschreibung der einzelnen Auf
gabengebiete mit klarer Aufgabenabgrenzung, der die Zuordnung zu bestimmten Organisationseinheiten vornimmt.
Viertens. Die Schaffung von zentralen Vorgaben für Dienstposten und Festlegung von konkreten, nachvollziehbaren und allgemeinengültigen Arbeitsplatzkriterien.
Soweit uns bekannt ist, wurde bereits durch Ihren Amtsvorgänger, sehr geehrte Frau Ministerin, ein Fachaufsichtsteam gebildet, dessen Aufgabe es ist, in insgesamt 50 Prüfpunkten alljährlich alle Anstalten auf Sicherheit, Verwaltung und Aufwand sowie die Durchführung des Behandlungs- bzw. Erziehungsvollzuges zu untersuchen. Festgestellte Mängel sind zeitnah in der Form von Zielvereinbarungen aufzunehmen, abzuarbeiten und zu beseitigen.
Nun schafft aber beschriebenes Papier noch keine Realität und unbekanntes Papier wirft eher Fragen auf, als es Antworten gibt, obwohl möglicherweise Antworten enthalten sind. Daraus resultiert unsere Forderung an die Landesregierung, diesen Prüfbericht zeitnah, spätestens jedoch bis zum Juni 2007, verbunden mit einem Maßnahmenbericht der Landesregierung, im Ausschuss für Recht und Verfassung vorzustellen. - Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich für die inhaltsreiche Debatte bedanken. Wir haben deutlich sehen können, welches Paket an Arbeit geschnürt wurde.
Herr Wolpert, Sie haben hier etwas liegen lassen. Das ist Ihr Parteiabzeichen. Ich brauche das nicht.
Herr Sturm, Sie brachten zwei Justizvollzugsanstalten in die Debatte ein. Sie sprachen von den Anstalten in Magdeburg und in Volkstedt. Ich sage: Naumburg. Wir sollten mit dem Thema der Schließung von JVA zurzeit sehr sensibel umgehen, weil wir wissen, wie sehr unsere Justizvollzugsanstalten bezüglich der Haftplatzkapazität überlastet sind. Wenn wir von Schließungen sprechen, reden wir nicht nur über die Schließung einer JVA; denn in dieser Einrichtung ist auch Personal tätig. Möglicherweise sollte das ein Thema im Ausschuss für Recht und Verfassung sein. Ich würde mit dem Thema der Schließung von JVA, wie gesagt, sehr sorgsam umgehen.
Vielen Dank auch an die Frau Ministerin für ihre präzisen Ausführungen und Ergänzungen. Dies hat deutlich gemacht, welcher Komplex an Aufgaben eigentlich hinter dem Justizvollzug steckt.
Gleichwohl bitte ich darum, noch einen Aspekt zu berücksichtigen. Wir stellen immer fest und sagen, die demografische Entwicklung lässt darauf schließen, dass wir möglicherweise in absehbarer Zeit weniger Straftäter haben werden. Ich gehe davon aus, dass sich die Täterstruktur hin zu Langzeitinhaftierten verändert hat. Die JVA in Burg trägt dem mit der Einrichtung von 30 Haftplätzen für die Sicherungsverwahrung schon Rechnung.
Ein bisschen Sorge treibt mich um, wenn ich daran denke, dass die im Frauenvollzug einsitzenden 90 Frauen im Rahmen eines mitteldeutschen Projektes in Chemnitz untergebracht werden sollen, weil Wohnortnähe auch eine Rolle spielt. Die eine oder andere im Justizvollzug einsitzende Frau hat nach wie vor Kontakt zu ihrer Familie. Deshalb könnte es zu Problemen kommen. Man muss darüber aber noch einmal diskutieren und diesen Aspekt unbedingt berücksichtigen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch jemanden zitieren, an den wir uns alle noch erinnern. Es handelt sich um Herrn Remmers, einen Ihrer Amtsvorgänger. Er sagte, gerade im Justizvollzug solle man eines nicht tun: Man solle sich nicht um den Erfolg sparen.
Justizvollzug kostet Geld. Aber, sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen auch eines berücksichtigen, was in Sachsen-Anhalt in der letzten Zeit sehr deutlich geworden ist: In der JVA sitzen rechtskräftig verurteilte Gefangene. Sie sitzen hinter Gittern. Eines Tages, sehr geehrte Damen und Herren, haben sie ihre Strafe abgesessen. Je nachdem, wie intensiv mit ihnen im Strafvollzug gearbeitet wurde, werden sie wieder als freie Menschen aus der jeweiligen JVA entlassen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 5. April 2003 wurde mit der Titelverleihung an die Sekundarschule „Völkerfreundschaft“ in Köthen erstmalig eine Schule in Sachsen-Anhalt mit dem Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ ausgezeichnet. Bis heute tragen im Land Sachsen-Anhalt bereits fünf Schulen diesen Titel. Am 17. Januar 2007 soll die Titelverleihung an die Sekundarschule „Maxim Gorki“ in Schönebeck erfolgen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie begleitet und unterstützt die Landesregierung die Arbeit von Schulen, die sich um den Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ bewerben, einschließlich der Unterstützung der in diesem Zusammenhang von Schülerinnen und Schülern entwickelten nachhaltigen und langfristigen Projekte, Aktivitäten und Initiativen?
2. Welche Schulen in Sachsen-Anhalt bewerben sich derzeit um den Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ und welche Erfahrungen gibt es mit der Nachhaltigkeit des Projektes? - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Minister Olbertz, wir bringen dem Engagement von Schülern und Schülerinnen, das nötig ist, um diesen Titel zu erreichen, große Wertschätzung entgegen. Darüber sind wir uns einig: Wir können die Arbeit nicht hoch genug einschätzen.
Ich möchte aber Folgendes noch einmal nachfragen: Am 15. Dezember 2006 wurde dem Guts-Muths-Gymnasium in Quedlinburg aufgrund der Fusion der beiden Häuser noch einmal der Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung verliehen. Ich weiß, dass Frau Habisch von der Landeszentrale für politische Bildung die Grüße der Landesregierung überbracht hat. Ich möchte Sie fragen: War Ihnen der Termin der Verleihung dieses Titel bekannt? Aufgrund welcher Tatsache konnte das Kultusministerium an dieser Auszeichnungsveranstaltung nicht teilnehmen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Opferschutz ist eine hoheitliche Aufgabe des
Staates. Ebenso besteht ein staatliches Monopol bei der Verbrechensbekämpfung. Aus diesem Grund ist der Staat auch für den Schutz seiner Bürger und Bürgerinnen vor Schädigungen insbesondere durch Gewalttaten verantwortlich. Da es trotz aller Anstrengungen, Verbrechen zu bekämpfen, nicht gelingt, Gewalttaten völlig zu verhindern, muss die staatliche Gemeinschaft wenigstens für die betroffenen Opfer sorgen, ihnen helfen und für sie einstehen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Genau diesen Ansatz, nämlich Hilfe für die betroffenen Opfer zu leisten, trägt ausnahmslos auch die Linkspartei.PDS mit. Mit Bedauern und Unverständnis haben wir im Laufe der parlamentarischen Beratung über den vorliegenden Antrag der FDP zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Errichtung einer Landesstiftung Opferschutz von der derzeitigen Regierung ausschließlich Ablehnung erfahren hat.
Sicherlich ist aus dem Bericht über die Tätigkeit des Sozialen Dienstes der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt zu entnehmen, dass eine vielfältige und umfängliche Arbeit an den Probanden geleistet wird. Zukunftswerkstätten und ständig neue Überlegungen tragen unbenommen zu einer Qualifizierung der Arbeit in diesem höchst sensiblen Bereich bei.
All den Damen und Herren sei in Anerkennung ihrer vielschichtigen, nicht ganz leichten Aufgabe von hier aus gesagt: Danke für Ihr unermüdliches Wirken in der Konfliktschlichtung zwischen Tätern und Opfern, und dies flächendeckend in unserem Land Sachsen-Anhalt.
Es ist uns wohl bekannt, dass Sachsen-Anhalt das erste Land war, das dieses Angebot flächendeckend vorhalten konnte und kann. Warum es dennoch der Errichtung einer Stiftung bedarf, werden sich an dieser Stelle manche aufmerksame Zuhörer und Betrachter des Geschehens fragen und womöglich im Vorfeld für sich feststellen: Eigentlich wird für den Schutz von Opfern im Land Sachsen-Anhalt doch alles ausreichend vorgehalten und getan.
Das Land Sachsen-Anhalt ist im Bereich des Opferschutzes vorbildlich und gut aufgestellt. Oder gibt es an dieser Stelle dennoch eine Rechtslücke, die es zu füllen gilt? Und wenn ja, welche und wie soll diese gefüllt werden?
Stellen wir uns auch die Frage: Bedarf es einer solchen Stiftung und eines entsprechenden Stiftungsfonds? Was kann und soll diese Stiftung eigentlich bewirken?
Sicherlich ist es richtig, dass bereits in der vergangenen Legislaturperiode die Einrichtung einer Stiftung Opferschutz durch die Linkspartei.PDS thematisiert und auf den parlamentarischen Weg gebracht wurde - aber leider ohne Erfolg. In dieser Legislaturperiode wurde Kritikern und Befürwortern der Stiftung im zuständigen Fachausschuss für Recht und Verfassung nicht einmal Gehör geschenkt. Die Anhörung wurde mehrheitlich abgelehnt.