Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

In den letzten Tagen wurde sehr viel darüber spekuliert. welche Entscheidung am morgigen Tag im Bundesrat hinsichtlich der Steuerreform fallen wird. Ich mache es kurz und fra ge die Landesregierung. wie ihre Entscheidung. die natürlich im pflicht

gemäßen Ermessen liegen wird. aussieht.

Ich danke dem Ab geordneten Vietze. Die Antwort wird Ihnen die Finanzministerin geben. Frau Ministerin Dr. Simon. bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vietze. es wird Sie nicht überraschen_ dass die Landesregierung ihr Abstimmungsverhalten nach pflichtgemäßem Ermessen kurz vor der Bundesratssitzung festlegen wird.

Frau Ministerin, bevor Sie mit diesem Satz zu Ende waren. hat Hen' Vietze bereits seine Frage angemeldet. Deswegen gehe ich ihm noch einmal das Wort. Bitte schön!

Da ich nur eine kurze Frage stellen konnte. kommen jetzt die mir zustehenden drei Nachfragen. Frau Ministerin.

Die erste Nachfrage: Welche Vorteile bringt die Steuerreform für das Land Brandenbur g. sodass man ihr zustimmen muss. wenn man im Interesse des Landes entscheidet?

Die zweite Frage: Ist das. was die Zustimmung herausfordert. auf alle Hille bedeutend mehr als das. was uns mit den von Ihnen benannten Steuerausfällen in Höhe von 600 Millionen DM ins Haus steht?

Die dritte Frage: Wie weisen Sie das Gerücht zurück. dass sich die Landesregiening durch die Aktivitäten der Bundesregierung in einer Situation befinde, in der sie Geschenke erwarte oder aber erpresst werde?

Ministerin 1)r. Simon:

Herr Vietze, um mit der letzten Frage anzufangen: Es werden viele Gespräche geführt. unter anderem über Wünsche dieses Landes. Da wird man einmal sehen müssen. was sich daraus ergibt. Jedenfalls hat das nichts mit "Einkaufen" zu tun.

Ihre beiden anderen Fragen nach den Vorteilen sind nicht so kurz zu beantworten. Sie wissen. dass ich als Haushaltsministerin in der 3. Lesung sehr deutlich gesagt habe, dass ich die Einnahmeausfälle in der Größenordnung von etwa 600 Millionen DM eigentlich als so dramatisch empfinde, dass sie ein Problem darstellen. Andererseits konkurrieren wir in der gegebenen weltökonomischen Situation mit Untenlehmenssteuersätzen, die so weit unter denen unseres Landes liegen. dass wir hier in der Tat Strukturen schaffen müssen. die europatauglich und geeignet sind, ausländische Investoren dafiir zu interessieren, in diesem Lande täti g zu werden. Daher gehe ich davon aus. dass wir mit einem nicht pro gnostizierbaren Time-lag von den stnikturellen Veränderungen dieser Steuerreform profitieren werden. Dieses Argument ist für die Zustimmung dieses Landes so durchschla gend, dass ich davon aus gehe. dass wir der Steuen-eform zustimmen werden.

Frau Ministerin. Frau Dr. Enkelmann hat auch noch eine Frage. Bitte schön!

Frau Ministerin, halten Sie es nicht für nötig, in einer so wichtigen Frage. die die Bürgerinnen und Bür ger dieses Landes betrifft. das Parlament zu beteiligen'?

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und CDU) Nein. Landtat Brliodonhtir2 - 3. ;allperiode - Plenarprotokoll 1 13. 2000 1123 Vizepräsident Haberma nn: Ich danke Ihnen. Frau Ministerin Dr. Simon. - Die Frage 325 wird der Abgeordnete Mike Bischoff stellen. Es geht um Konfliktlösun g im Unteren Odertal. Bitte schön! Bischoff (SPD):

Das Umweltministerium hat im Dezember 1999 dem Landtag ein Handlungskonzept für die im Nationalpark "Unteres Odertal" bestehenden Konflikte vorgelegt. Danach sollen vor der Verabschiedung des umstrittenen Pflege- und Entwicklungsplanes ein touristisches Wegekonzept die Mandzeitpunkte in der Schutzzone t und Fragen der Fischerei und der Angler einvernehmlich geklärt sowie eine wasserwirtschaftliche Machbarkeitsstudie zu den tief greifenden Änderungen im Wasserregime angefertigt werden.

Ich fra ge deshalb die Landesregierung: Welchen konkreten Sachstand gibt es zur Umsetzung des Handlungskonzeptes im Unteren Odertal'

Herr Minister Birthlcr. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Dezember des vergan genen Jahres hat mein Haus ein Handlungskonzept zur weiteren Entwicklung des Nationalparks "Unteres Odertal" und zur Umsetzung des Gewässerrandstreifenprogramms erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt. In diesem Handlungskonzept wurden die im Unteren Odertal tätigen Akteure beschrieben und der Stand der Umsetzung des Nationalpark gesetzes und des Gewässerrandstreifenprogramms erläutert. Gleichzeitig wurden ein Zielhorizont beschrieben. Mittel zur Zielerreichung und Instrumentarien für einen Interessenausgleich vorgestellt sowie eine Konfliktlösungsstrategie vorgeschlagen.

Heute, rund ein halbes Jahr später. kann ich Ihnen berichten. dass dieses Handlungskonzept erste positive Ergebnisse hervorgebracht hat. Durch die Formulierung. konkreter Aufgaben und die Einbeziehung breiter Kreise in deren Lösung hat das Konzept außerdem zu einer deutlichen Entspannung der Situation vor Ort geführt.

Die im Handlungskonzept vorgeschlagene agrarstrukturelle Entwicklungsplanung läuft seit Ende des vergangenen Jahres mit gutem Erfolg. Die Betroffenheiten der im Nationalpark wirtschaftenden Landwirte sind auf der Grundlage der geplanten Schutzzone I und der im Entwurf des Pflege- und Entwicklungsplanes vorgeschlagenen naturschutzfachlichen Ziele vom beauftragten Planungsbüro festgestellt. Erste Vorschlä ge wurden von dem Büro bereits erarbeitet. zum Beispiel über die Verändening der Mandzeitpunkte oder die Fristen für die Nutzungsaufgaben. Das Ergebnis wird fristgerecht Ende September vorliegen. Diesem kann ich selbstverständlich nicht vorgreifen.

Das Flurneuordnungsverfahren zur Regelung der komplizierten Eigentumsverhältnisse wird in Kürze angeordnet werden: die notwendigen öffentlichen Auffikirungsgespräche haben bereits im April stattgefunden.

Die von der Nationalparkverwaltun g auf der Basis der Ergebnisse eines kooperativen Planungsverfahrens erstellte Fischereikonzeption liegt im Entwurf vor. Sie wird unter Abwägung der vorgebrachten Einwände von betroffenen Fischern und Anglerverbänden kurzfristi g zu einer Fischereikonzeption meines Ministeriums fortemwickeh werden. Diese Konzeption wird noch vor dem 30. September 2000 abschließend mit dem Bundesamt für Naturschutz verhandelt werden. Sie wird dann Grundlage für die Verordnung zur Regelun g. der Fischerei im Nationalpark werden.

Für die Behandlungsrichtlinien hat das Nationalparkkuratorium ier Arbeitsgruppen unter Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit gebildet. Hier findet eine durch die zahlreichen Schnurstellen bedingte intensive Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro für die agrarstriikture le Entwicklungsplanung statt.

Insbesondere in der Arbeitsgruppe Tourismus sind dank der umfangreichen Vorarbeiten der Nationalparkverwaltun g bereits sehr gut Erfol ge erzielt worden. So wurde ein Vorschlag für ein Wegekonzept im Nationalpark erstellt, über den in der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe entschieden werden soll. Das Beschildernnils- und Leitsystem für die Nationalparkregion liegt in abgestimmter Form vor. Noch ui diesem Jahr v, nrd mit seiner Umsetzung begonnen werden.

Das Leitsystem beinhaltet unter anderem die noch fehlende Ausschilderung des Nationalparks innerhalb von Schvvedt v, eiche von der Stadt selbst finanziert wird. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Tourismus zum Wegenetz fließen in die agrarstrukturelle Entwicklun gsplanung ein.

Für die wasserrechtliche Machbarkeitsstudie wird die Ausschreibung vorbereitet. Durch die gestiegenen Anforderungen an Inhalt und Umfang der Studie hat sich die Vergabe des Auftraues verzö gert. Ich versichere Ihnen, dass es ohne die erforderlichen fachlichen Grundlagen. die diese Studie erarbeiten bzw. abprüfen soll. keinerlei Änderungen im bisherigen Wasserregime im Unteren Odertal geben wird.

Ich hoffe. mit diesen Ausführungen deutlich dargestellt zu haben. dass das Handlungskonzept meines Hauses der richtige Weg zur Konfliktlösung und zur weiteren Entwicklung des Nationalparkes ist. Erste praktikable Vorschlüge liegen bereits vor. Die von uns allen gewünschte Entspannung im Unteren Odertal ist eingetreten. - Vielen Dank,

l4-izepräsident Habermann:

Herr Minister. trotz Ihrer Abrundun g in den letzten Sätzen gibt es Fragebedarf. Herr Abgeordneter Bischoff, bitte!

Ich habe zwei Nachfragen. Der eigentliche Macher im Unteren Odertal ist im Grunde genommen der Verein der Freunde als Träger des Gewässerrandstreifenprogramms. der bereits über Ml % der Flächen besitzt.

Herr Minister, halten Sie in diesem Zusammenhan g den jetzigen Trägerverein, aus dem Herr Platzeck, der Nationalparkleiter und letztlich auch Sie ausgetreten sind. für kompetent und in der Lage, das nm über 50 Millionen DM ausgestattete Gewässer

randstreifenprogramm Bund und Land fortzusetzen? Wenn nein: Welche alternative Trägerkonstruktion verfolgen das Land und der Bund. um endlich harte Kontrolle. Einfluss auf die Lösung der Konflikte und vor allen Dingen regionale Akzeptanz Für den Nationalpark im Unteren Odertal zu erreichen?

Herr Bischoff. Sie wissen. dass mit der Änderung der Leitung des Bundesamtes für Naturschutz ein Wechsel im Klima und in der allgemeinen Beurteilung stattgefunden hat. Bisher konnte sich der Trägerverein immer auf die Unterstützung des BfN berufen. Diese Unterstützung hat der Verein nicht mehr, wenn er sich nicht an dem gemeinsamen Handlun gskonzept beteiligt. Insofern ist hierbei eine deutliche Verbesserung eingetreten. Sie wissen aus der Vergangenheit. dass die Diskussion über einen Trägemeslise] überhaupt nicht zieltlawend ist. weil kein einziges Problem in der Region gelöst wird. Dieses Handlungskonzept ist die Grundlage. dass der Verein als Träger dieses Gewässerrandstreifenpro gramms mit ein gebunden und erpflichtet %viril. dieses Handlungskonzept umzusetzen. Dieses sehe ich als den besseren Weg an.

Parallel dazu laufen Überlegungen, die Grundstücke auf die Stiftun g des Nationalpark es zu übertra gen. Dafür sind aber noch notwendi ge Voraussetzungen zu schaffen. Diese sind zurzeit nicht gegeben. Insofern stimmen wir mit dem BfN voll überein: Es wird keine Übertragung der Grundstücke geben. solange es keine Zustimmung des Landes und des Bundes gibt.

(Bischoff [SPD -1: Die Fra ge ist nicht beantwortet!)

Schönen Dank, Herr Minister. Die nächste Frage wird Herr Dr. Wiebke stellen. Bitte!

Herr Minister, kann ich aus dem von Ihnen Gesagten folgern. dass die Landesregierung dem umstrittenen Pflege- und Entwicklungsplan erst dann zustimmen wird, wenn alle Maßnahmen des Handlungskonzeptes abgearbeitet und umgesetzt worden sind?

Wie wollen Sie konkret sicherstellen. dass die Ergebnisse der 13etroffenheitsanalyse innerhalb der AEP vollinhaltlich auf den Pflege- und Entwicklungsplan angewendet werden. sofern es dort Differenzen zwischen beiden gibt?

Ihre erste Frage kann ich klar bejahen. Der größte Teil des Pflege- und Entwicklungsplanes ist unstritti g und bezieht sich auf Kartierung und Ähnliches. Gerade die vier Hauptpunkte. die in der Vergangenheit zu Problemen geführt haben - das Wegekonzept. die Art und Dauer der Pachten für Landwirte. die Fischereiproblematik und das Gewässergeschehen -. sind Gegenstand dieser Projektgruppen. Erst wenn diese Probleme einvernehmlich gelöst worden sind, werden sie Bestandteil des Pflege- und Entwicklungsplanes sein. Die endgültige Verabschiedung des Pflege- und Entwicklungsplanes wird erst nach Klärung dieser Probleme erfolgen.

Schönen Dank, Herr Minister. Frau Dr. Enkelmann. bitte!

Herr Minister. in den letzten Monaten hat der Förderverein mit weiteren Betrieben vertra gliche Regelun gen vorbereitet. unter anderem auch mit den beiden Betrieben in Chewen. Die Zustimmung des Landesministeriums steht noch aus. Wann wird Ihr Ministerium diesen Verträ gen zustimmen?

Ich begrtiße, dass sich der Förderverein endlich bewegt hat und konsmiktiv auf die Landwirte zugegangen ist. Das war längst Oberfällig. Dazu hat beigetragen. was ich Herm Bischoff vorhin erläutert habe, dass sich am Klima einiges geändert hat. Wir denken_ dass es richtig ist. den Zeitpunkt der Übertragung der BVVGFlächen abzuwarten_ denn es könnten bessere Bedingungen für das Land und demzufolge für den Nationalpark geschaffen werden. Es müssten nicht unnötig Flächen gekauft werden. die wir in vier Wochen durch die Entscheidung der Bundesregierung kostenlos zur \Zeittil gung gestellt bekämen. All das gehört aber in die Flumenordnungsverfahren hinein. Grundsätzlich unterstützen wir diese Eini gung mit den Landwirtschaftsbetrieben.

Vielen Dank. Herr Minister. - Die Frage 326 (Hausbesetzungen in der Potsdamer Innenstadt) wird der Abgeordnete Herr Petke von der Fraktion der CDU stehen. Bitte!

In den letzten Wochen kam es vermehrt zu Krawallen im Zusammenhang mit besetzten Häusern in der Potsdamer Innenstadt. Einige der Hausbesetzer behaupten. mit Wohnsitz in dem besetzten Objekt gemeldet zu sein.

Ich frage die Landesregierung: Welche gesetzlichen Vorgaben müssen zwingend eingehalten werden. uni einen Wohnsitz anzumelden?

Herr Minister des 'Innern. Sie haben das Wort.

Minister des Innern Schönhohn-1:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Petke. ich kenne den Ärger uni die besetzten Häuser in Potsdam und die besorgten Fragen der Bürger. wanun dies eigentlich so sein muss. Ich kann zum Teil auch nicht erklären, warum Potsdam die einzige Stadt in Brandenburg ist, in der es noch besetzte Häuser gibt. Mit melderechtlichen Vorschriften kann man der Sache nicht begegnen. Die melderechtlichen Vorschriften gehen nicht darauf ein, oh man rechtlich oder widerrechtlich irgendwo wohnt. Das ist in 12 Abs. 1 Satz l des Brandenburger Meldegesetzes festgelegt. wonach sich jeder, der eine Wohnung bezieht. innerhalb von zwei Wochen anzumelden hat. Es hängt nicht davon ab. ob rechtmäßig oder unrechtmäßi g. sondern es heißt: wer eine Wohnung bezieht.

Als Wohnung gilt nach 15 Satz 1 des Bundesmeldegesetzes jeder zum Wohnen oder Schlafen genutzte umschlossene Raum. Ein Bezug einer Wohnung hat dann stattgefunden. wenn die Räumlichkeiten zur Verrichtung der An gelegenheiten des täglichen Lebens. wie Aufenthalt. Essen und Schlafen. genutzt werden. Das Beziehen einer Wohnun g ist mithin ein tatsächlicher Vorgang. der nach 12 Abs. 4 Bundesmeldegesetz unabhängig von anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und von privatrechtlichen Beziehungen des Betroffenen zu der Wohnung die Meldepflicht des Einwohners begründet. Die Meldepflicht steht auch dann. wenn sich jemand widerrechtlich dauernd in einer Wohnung aufhält

Dieser Frage der besetzten Wohnungen können wir nicht mit melderechtlichen Vorschriften begegnen. sondern das ist eine politische Aufgabe. Ich vertraue darauf. dass die Aussage. die 1997 im Rahmen der schweren Krawalle in Potsdam vor dem Innenausschuss des Landtages gemacht worden ist. dass es zu Beginn der Bundesgartenschau in Potsdam keine besetzten Häuser mehr gibt. eingehalten wird. Ich denke. dass dies die Marschrichtung ist, zu der sich der damalige Innenminister und der damalige Oberbürgermeister von Potsdam verpflichtet haben. Ich kenne bisher keine gellerdeihnen Äußerungen. Ich gehe davon aus. dass wir diese Fragen dann nicht mehr zu erörtern brauchen. - Herzlichen Dank.