Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

(Heiterkeit hei SPD, CDU und PDS)

Wir sind damit bei der Frage 520 (Ehrenamtliche Arbeit), die von der Abgeordneten Frau Redepenning formuliert wird.

Das Jahr 2001 ist von den Vereinten Nationen zum Jahr des freiwilligen Engagements, der Selbsthilfe und des Ehrenamtes ausgerufen worden, Weltweit soll damit die ehrenamtliche Arbeit besondere Anerkennung und Förderung finden. Gerade die ehrenamtliche Tätigkeit in den Vereinen, in den gesellschaftlichen Organisationen, in der Jugendarbeit sowie im kommunalen Leben ist im Land Brandenburg von besonderer Bedeutung. Dies wurde auch beim Treffen der ehrenamtlichen Bürgermeister deutl

Ich frage die Landesregierung: Wie kann sie das Ehrenamt auf den genannten Ebenen gezielt fördern?

Herr Minister Ziel, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Redepenning, es gibt gar keinen Zweifel: Ohne die ehrenamtliche Arbeit wäre unsere Gesellschaft ein großes Stück ärmer. Ohne das Engagement der Freiwilligen würde sie in vielen Bereichen nicht oder weniger gut funktionieren. Ehrenamtliche und bürgerschaftliche Arbeit sind Lebenselement und Sinnbild gelebter Demokratie. Deshalb misst die Landesregierung dieser Tätigkeit große Bedeutung bei.

Ehrenarbeit wird an konkreten Projekten vor Ort geleistet und so ist die öffentliche Unterstützung eine vorrangige Auf gabe der örtlichen Ebene. Gleichwohl fördert die Landesregierung seit Jahren mit vielfältigen Instrumenten das ehrenamtliche Engagement, um die Strukturen der Selbsthilfe zu festigen und zu erweitern.

(Unruhe auf den Zuschauerbänken)

Herr Minister, einen Moment bitte! - Meine Herren. wenn Sie im Saal bleiben wollen, dann hat das jetzt ein Ende. - Danke.

So leistete das MASGF mit dem Überführen der Richtlinie zur Förderung ambulanter und sozialer Dienste in das Gemeindefinanzierungsgesetz einen wichtigen Beitrag zur Stärkung ehrenamtlicher Tätigkeit im sozialen Bereich. Immerhin geht es dabei um 30 Millionen DM.

Die Kommunen können eigenverantwortlich entscheiden, wie sie freiwilliges Engagement fördern und wo sie Schwerpunkte setzen. Unsere letzten Gespräche mit den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Umsetzung dieser Regelung bestätigen. dass der Freiwilligenarbeit ein großer Wert beigemessen wird.

Bekannt im Land ist auch die Richtlinie _55 aufwärts". Seit 1994 unterstützt sie die ehrenamtliche Tätigkeit älterer Menschen, die frühzeitig aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. mit einer Aufwandsentschädi gung. Auf diese Weise werden jährlich circa 3 000 Personen über Trägervereine und Kommunen gefördert. Die dafür benötigten fin•- "ellen Mittel wurden jeweils etwa zur Hälfte aus Haushaltsmitteln und Lottomitteln aufgebracht.

Die Selbsthilfeförderung im Gesundheitsbereich ist seit Jahren fester Bestandteil der freiwilligen Leistungen des Landes. Mit der Neuregelung im Sozialgesetzbuch V erhält sie jetzt durch die Krankenkassen erhebliche finanzielle Unterstützung. Danach sollen die Krankenkassen - das ist die gesetzliche Vorgabe des Bundes - Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Kontaktstellen fördern. Die Förderung des Ehrenamtes beschränkt sich aber keineswegs auf den finanziellen Ausgleich von Aufwandsentschädigungen. Ebenso bedeutsam ist die Qualifizierung im Ehrenamt, die beiden Seiten Gewinn bringt. Freiwillige und Ehrenamtler brauchen zudem auch öffentliche Anerkennung. Wir sollten das nicht unterschätzen.

Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die Bedeutung des Internationalen Jahres der Freiwilligen 2001. Alle Aktivitäten in diesem Rahmen eröffnen uns die Chance. mehr Bewusstsein. größeres Verständnis und wachsende Bereitschaft in allen Bereichen des Gemeinwesens für ehrenamtliches Engagement und Selbsthilfe zu wecken. Nutzen wir also gemeinsam diese Chance! - Danke schön.

Herr Minister. es gibt noch Kläningshedarf. Bitte sehr, Frau Birkholz!

Herr Minister, ich habe eine Nachfrage. Wie wollen Sie gerade im Jahr der Freiwilligen die Richtlinie _55 aufwärts" finanziell untersetzen, wenn jetzt schon feststeht. dass Lottomittel nicht mehr zur Verfügung stehen? Müsste nicht in diesem Jahr eher das Ziel sein. die Richtlinie wieder so aufzustocken. wie wir es schon einmal hauen, nämlich um 200 Mark?

Frau Kollegin Birkholz, es ist richtig, dass wir im Jahr 2001 weniger Mittel als im Jahr 2000 zur Verfügung haben. aber richtig ist auch, dass ich in meinem Hause genau zu dieser Richtlinie Gespräche geführt habe und auch weiterhin Gespräche führen werde. Weil ich nicht will, dass wir an dieser Stelle weitere Einsparungen vornehmen müssen, wird es so bleiben, dass die Zahlen des Jahres 2000 weiterhin Geltung haben: nämlich 1.45 Millionen DM, die wir ja in den Haushalt eingestellt haben - Sie wissen das -, aufgestockt durch 1.55 Millionen DM Lottomittel. also insgesamt 3 Millionen DM. Dabei werden wir bleiben. - Vielen Dank.

Ich danke auch. - Der Minister für Verkehr hat mich wissen lassen, dass sein Bildungsminister da ist.

(Frau Konzack [SPD]: Sein Bildungsminister?)

Herr Minister Reiche ist nun in der Lage, die Frage 518 (Lehr- fach LER an Brandenburger Schulen) zu beantworten. die von Herrn Bisky formuliert werden wird.

In Brandenburg gibt es seit mehreren Jahren das Lehrfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde".

Ich frage die Landesregierung: Welche Bedeutung hat dieses Fach unter Berücksichtigung der mehrjährigen Erfahrungen bei der Vermittlung von Werten wie Solidarität, Toleranz. Ausländerfreundlichkeit und Weltoffenheit im Land Brandenburg?

Herr Minister Reiche. bitte!

Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete? Herr Präsident, wenn ich widersprechen darf - es wird auch nicht wieder vorkommen ich bin nicht der Minister des Kollegen Meyer, sondem Minister des Landes Brandenburg und dieses Landtages.

(Heiterkeit - Prof. Dr. Bisky [PDS]: Noch!)

- Herr Kollege Bisky. das Noch trifft auf jeden von uns an seiner Stelle, in seiner Funktion jederzeit zu.

LER ist auf einem guten Weg. sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, als eines der wichtigsten bildungspolitischen Reformvorhaben dieses Landes. Wo ist in den letzten 50 Jahren ein Fach mit einem eigenen Rahmenlehrplan. mit einer neuen Didaktik. mit einem ganz neuen Gegenstand des Unterrichts in seiner Zusammenstellung neu entwickelt worden?

Wir kommen zügig voran, aber es sind nur ca. 50 ')/a der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I, die zurzeit an ihren Schulen die Möglichkeit haben, am LER-Unterricht teilzunehmen. Wertevermittlung ist eine ganz wichtige Aufgabe von Schule und wir betonen immer wieder, dass Erziehung und Bildung die beiden Seiten ein und derselben Medaille sind. LER allein kann dies nicht schaffen. aber LER leistet einen wichtigen Beitrag.

Die Schule und gerade auch der LER-Unterricht können und sollen dazu beitragen. die Bedeutung der in der Anfrage genannten Werte hervorzuheben. Dazu müssen sie in konkrete Themen. in Situationen und Handlungszusammenhänge unigesetzt werden. und diese müssen so besprochen und auch durchgespielt werden, dass die Schülerinnen und Schüler konkret erfahren und erkennen können, wie wichtig. hilfreich und bereichernd solidarisches und tolerantes Handeln ist. aber eben auch. wie schwierig. riskant und mitunter aufreibend solches Verhalten sein kann. In ähnlicher Weise gilt dies auch für Haltungen und Einstellungen der Freundlichkeit oder zumindest des Respekts

ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüber, ebenso für die Weltoffenheit. Der LER-Unterricht - genauer: die geltenden curricularen Grundlagen für dieses Fach - bietet dafür zahlreiche Gelegenheiten.

Die Kollegen im Ausschuss haben den Rahmenlehrplan im Entwurf bereits erhalten. Ich kann Ihnen diesen auch gern zur Verfügung stellen, möchte jetzt aber beispielhaft die thematischen Schwerpunkte in den Klassen 7 und 8 „Kommunikation und Interaktion in Lerrignippe und Klasse" und „Konflikte und Konfliktbewältigung" nennen.

Für die Klassen 9 und 10 finden sich im gleichen Lernfeld..Menschen in Gemeinschaft" die Schwerpunkte „Zusammenleben mit Fremden und Menschen, die anders sind- und als ein weiterer Schwerpunkt „Vorurteile und Feindbilder in Gegenwart und Geschichte - Kritik und Aufarbeitung".

Das Lernfeld „Die Menschen und ihre Religionen, Weltanschauungen und Kulturen" nennt als Schwerpunkt für die Klassen 7 und 8 Begegnungen im Sinne des Kennenlernen von Menschen und Zeugnissen verschiedener Religionen. Weltanschauungen und Kulturen und des Verstehens und Einfühlens in fremde Anschauungen und Erlebnisweisen. Für die Klassen 9 und 10 werden im Lernfeld „Persönliche Lebensgestaltung und globale Perspektiven" die Idee der Gerechtigkeit in verschiedenen Weltanschauungen und Religionen vorgeschlagen und auch - in Anlehnung an das Weltethoskonzept von Hans Küng „Das Ethos der einen Welt".

Sie werden mir nachsehen, dass ich heute - auch mit Blick auf die begrenzte Zeit - nicht imstande bin darzulegen. in welcher Häufigkeit und Intensität diese von mir genannten Schwerpunkte und Themen tatsächlich im LER-Unterricht behandelt werden. Selbst wenn ich Ihnen dies sagen könnte. würde es noch eines sehr aufwendigen Forschungsprojekts bedürfen, um seriös Auskunft darüber geben zu können, inwieweit durch solchen Unterricht nun wirklich Solidarität. Toleranz. Respekt und Freundlichkeit gegenüber Ausländern und Weltoffenheit bei den Kindern und Jugendlichen in unserem Land gefördert werden.

Ich bitte Sie, mit darauf zu achten: LER lebt von seinem Umfeld. Dasbetrifft die anderen Fächer. betrifft die Schüler. betrifft aber auch die Eltern. Ich bitte Sie. mit Balance zu halten. Ich sage das in Richtung der PDS. LER wird kein Wunder bewirken, aber dieses Fach kann mithelfen. Schule in die von Ihnen geforderte Richtung zu entwickeln.

Ich sage in die andere Richtung des Hohen Hauses: LER ist auch keine Bedrohung. keine Gefahr. noch dazu, da wir ganz offen und intensiv bei den Kirchen darum werben, dass sie ihr Angebot an Religionsunterricht in unseren Schulen intensiver ausbauen.

LER, meine Damen und Herren Kollegen Abgeordnete, ist eine große Chance in der Schule von Brandenburg und für die Schule von Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte sehr. Herr Prof. Bisky!

Herr Minister, darf ich erstens davon ausgehen. dass die Entwicklung von LER für die Zukunft sichergestellt ist, obwohl es veröffentlichte Nebengeräusche der Regierung gibt, die mich mit Sorge erfüllen?

Die zweite Frage: Gibt es die Absicht. ein Forschungsprojekt anzusetzen, damit man Präziseres zur Wirksamkeit von LER sagen kann?

Herr Kollege Bisky, ein solches Forschungsprojekt gibt es bereits. Es ist beim wissenschaftlichen Beirat angesiedelt. Dieser wissenschaftliche Beirat hat die gesamte Anfan gsphase begleitet und die Implementierun g von LER evaluiert. Ich kenne die ersten großen Kapitel seines sehr eindrucksvollen Berichtes. ich bin gern bereit, Ihnen die jetzt mittlerweile im Entwurf vorliegende Schlussfassung zur Verfü gung zu stellen.

Ich denke und hoffe, dass wir im ersten, spätestens im zweiten Quartal nächsten Jahres zur Drucklegung kommen können. Dann werden Sie sehen, dass Ihrer berechtigten Nachfrage schon entsprochen worden ist. Die Forschung zu LER hat bereits begonnen.

Ich denke, wir können dafür garantieren. dass die Entwicklung von LER auch in den nächsten Jahren zügig vonstatten geht, aber wir haben - wie gesagt - in der Sekundarstufe 1 noch außerordentlich viel zu tun, die dafür notwendige Zahl von Lehrerinnen und Lehrern auszubilden. Ich bedauere es außerordentlich. dass wir, wenn wir die Zahl der LER- und Religionsunterricht erteilenden Lehrerinnen und Lehrer addieren, zurzeit nicht einmal für alle Schülerinnen und Schüler in Brandenburg ein Angebot zur Verfügung haben. Die Kirchen kommen leider nicht nach. die entsprechende Zahl der Lehrkräfte zur Verfügung zu stellen. Insofern bauen wir in LER künftig zügig aus.

Herr Minister, da möchte Ihnen noch jemand eine Frage stellen. Bitte sehr, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht!

Ich habe zwei Nachfragen.

Erstens: Angesichts der eindeutigen Position der CDU zu LER und des laufenden Gerichtsverfahrens ist eine Handlungsstarre zu beobachten. Da ich nicht so sehr auf die Aktivitäten der Kirche setze. möchte ich doch nachfragen und konkretisiert haben, in welchem Zeitraum die Landesregierung plant, dass alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, in der Sekundarstufe 1 Unterricht in LER zu bekommen. Gibt es auch Pläne hinsichtlich der Ausweitung auf die Primarstufe, die immer in der Debatte war?

Die zweite Frage: Inwieweit sind die Lehrinhalte von LER, die richtigerweise nicht auf ein Fach konzentriert sein können, auch Bestandteile hei der Erarbeitung der Rahmenlehrpläne für die anderen Fächer, die im Augenblick auf der Tagesordnung stehen?

Frau Kollegin Kaiser-Nicht, die CDU hat in der Tat eine klare Position zum Fach LER. Diese können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen.

Zum anderen gibt es keine Handlungsstarre in Bezug auf LER, sondern wir bilden an der Universität Potsdam kontinuierlich Lehrer für LER aus. Wir bilden auch Lehrer weiter. Insoweit geht ein von Schuljahr zu Schuljahr größer werdender Anteil von Schülerinnen und Schülern in den LER-Unterricht.

Was die Ausweitung auf die Primarstufe betrifft. sollten wir erst einmal die hoffentlich im nächsten Jahr kommende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abwarten und dann miteinander auf der Grundlage dieses Urteils ins Gespräch kommen, wie und in welcher Form und in welcher Beziehung zum Religionsunterricht wir LER an Brandenburgs Schulen weiter ausdehnen.