Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

(Beifall bei CDU und SPD)

Gleichzeitig möchte ich mich für die Solidarität der alten Bundesländer bedanken, ohne die die Aufbauleistungen der vergangenen Jahre nicht möglich gewesen wären.

(Beifall bei CDU und SPD)

Durch diese Solidarität, die uns gegenwärtig und weitere 15 Jahre entgegengebracht wird, haben wir die Chance, aber auch die Pflicht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Ausgaben, die unser Gemeinwesen erfordert, in unserem Land erwirtschaftet werden können.

Der Wettbewerbsgedanke und die Solidarität - so interpretiere

ich das Verhandlungsergebnis - wurden miteinander verknüpft, denn dass im bisherigen Finanzausgleichssystem Leistungsanreize für eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik fehlten, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Die neuen Länder sind auch bereit, sich diesem Wettbewerb zu stellen. Aber gerechter Wettbewerb setzt vergleichbare Ausgangspositionen voraus. Diese sind zurzeit nicht gegeben, denn trotz erheblicher Verbesserungen und Fortschritte in allen Bereichen unseres Gemeinwesens, über die wir gestern ausführlich gesprochen haben, ist zu konstatieren, dass sich in den neuen Bundesländern trotz größter Anstrengungen der Bürgerinnen und Bürger noch keine selbsttragende Wirtschaftsentwicklung eingestellt hat.

Die großen Erfolge, die durch gemeinsame Anstrengungen erreicht wurden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere hinsichtlich der Infrastruktur, der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie bei der kommunalen Finanzkraft noch große Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern bestehen.

Wir haben jetzt mit den in Aussicht genommenen 306 Milliarden DM Gesamtvolumen eine verlässliche Sicherheit, dass der in ähnlichen Größenordnungen ermittelte Sonderbedarf der neuen Länder befriedigt werden kann.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich anerkennen, dass dieses Ergebnis auch einem entscheidenden Entgegenkommen des Bundes geschuldet ist. Es ist also wirklich ein Gemeinschaftswerk des Bundes und der Länder.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ergebnisse der Solidarpaktverhandlungen geben uns Planungssicherheit und die Möglichkeit, den Aufbau Ost finanziell erfolgreich fortzusetzen. Wir müssen gegenüber dem Bund jedoch deutlich machen, dass auch seine Gesetzgebung entscheidenden Einfluss auf die positive Entwicklung in den neuen Bundesländern hat.

Die Einführung der Ökosteuer, die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse oder die Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes stellen zusätzliche Belastungen für den Mittelstand dar. Die Steuerreform hingegen ist zu begrüßen. Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass sie zu spät kam und dass sie zu schleppend kommt. Zudem berücksichtigt sie bei den Entlastungen zu wenig die Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern. Auch die ansteigende Inflation wiegt bei den sozialen und Vermögensverhältnissen im Osten besonders schwer.

Die unbestreitbaren Erfolge für die neuen Länder hinsichtlich der Neuregelung des Solidarpaktes dürfen nicht dazu führen, dass andere Mittel gekürzt werden und der Aufschwung durch wirtschaftsfeindliche Rahmenbedingungen behindert wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Art, wie wir Politik machen, entscheidet über die Zukunftsfähigkeit des Landes. Wir sind in der Pflicht, durch Prioritätensetzung bei den Ausgaben des Landes unsere Wirtschaftsstruktur und das Wirtschaftswachstum zu fördern, den Unternehmensstandort, aber auch den Wohnort Land Brandenburg attraktiver werden zu lassen und die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass wir nach Auslaufen

des Solidarpaktes erfolgreich am föderalen Wettbewerb teilnehmen können.

Im Übrigen kann jeder, der will, unschwer erkennen, dass die Transferleistungen der vergangenen Jahre sinnvoll und erfolgreich gewesen sind. Wir haben in Ostdeutschland inzwischen das modernste Kommunikationsnetz, teilweise modernste Verkehrsinfrastruktur, zu Teilen sanierte Städte und Dörfer, Krankenhäuser und Pflegeheime. Es wurden leistungsstarke Verwaltungen aufgebaut. Und überall dort, wo sich Produktionsstandorte etabliert haben, gehören sie zu den modernsten der Welt.

Es fällt mir kein einziges Beispiel ein, dass in der Geschichte jemals Ähnliches geleistet worden wäre.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich will die Probleme, Schwierigkeiten und insbesondere sozialen Verwerfungen nicht wegdiskutieren, aber über die Probleme wird, wie wir wissen, keineswegs unproportional wenig gesprochen und berichtet, sodass mein Hinweis auch einmal erlaubt sein muss.

Ich bin froh, dass in Deutschland die Solidarität und der Sinn für die Gerechtigkeit noch so stark ausgeprägt sind, dass dieses große nationale Gemeinschaftswerk der Vollendung der deutschen Einheit Fortsetzung finden kann. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich bedanke mich bei Frau Blechinger und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich muss feststellen, dass es noch nie eine so unspannende Debatte in der Aktuellen Stunde gegeben hat wie heute. Ich kann Sie beruhigen, Frau Osten: Auch ich bin anscheinend auf dem Holzweg, heute hier über finanzielle Dinge zu sprechen. Deswegen wird es auch kein Loblied der DVU-Fraktion geben.

Aber damit Sie uns nicht missverstehen: Auch die DVU-Fraktion begrüßt die Einigung vom 23. Juni 2001 zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern über den Länderfinanzausgleich sowie eine Neuauflage des Solidarpaktes. Und dass sowohl der Länderfinanzausgleich als auch der Solidarpakt II nur zustande kamen, weil Bundesfinanzminister Eichel sein finanzielles Angebot von jährlich 1,5 auf 2,5 Milliarden DM erhöhte, ist auch uns bekannt.

Wie sieht nun diese Einigung im Einzelnen aus? Zwischen 2005 und 2020 soll es 306 Milliarden DM für den Solidarpakt II geben. Das macht für die sechs Empfängerländer eine jährliche Summe von 20,4 Milliarden DM, ähnlich wie bisher, oder im Durchschnitt der sechs mitteldeutschen Bundesländer jährlich 3,4 Milliarden aus.

Gleichzeitig ist das Ergebnis des Länderfinanzausgleichs gewissermaßen ein Nullsummenspiel. Das Ziel der Karlsruher Rich

ter, Bund und Länder über das so genannte Maßstäbegesetz auf objektive Kriterien jenseits konkreter Summen zu verpflichten, ist vor Monaten gescheitert. Die Einrechnung der kommunalen Finanzkraft ist gründlich misslungen. Die Bevorzugung der Bundesländer mit Seehäfen soll ebenso erhalten bleiben wie das Privileg der Stadtstaaten über die so genannte Einwohnerveredelung. So erhält Berlin das 1,3fache und das winzige Bremen sogar die Hälfte mehr als Brandenburg. Spitzenreiter ist übrigens Sachsen mit fast dem Doppelten an Mitteln im Vergleich zu Brandenburg.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, aus all dem Gesagten ergibt sich, dass es wohl nichts wird mit Ihrer mittelfristigen Finanzplanung bis 2003, geschweige denn in den Folgejahren.

Frau Ziegler, Sie prognostizierten einen Anstieg der Mittel für 2003 auf 4,1 Milliarden DM. Wie Sie diesen Anstieg angesichts stagnierender Zuweisungen bewerkstelligen wollen, ist uns nicht klar.

Was die Bundesmittel aus dem ab 2005 geltenden Solidarpakt II angeht, so werden diese sukzessiv auf null zurückgeführt.

Am Solidaritätszuschlag von 5,5 % soll jedoch laut Bundesfinanzminister Eichel festgehalten werden. Dies heißt doch nichts anderes, als dass die mitteldeutschen Bundesländer, wenn auch unterschiedlich verteilt, einen Großteil des Solidarpaktes II aus dem Solidaritätszuschlag selbst finanzieren.

Zusätzlich deuten sich mittelfristig neue Finanzstreitigkeiten im Rahmen der Lasten- und Einnahmenverteilung zwischen den einzelnen Bundesländern an. Dabei geht es um eine Schieflage zulasten der Länder, unter anderem infolge hoher Steuerausfälle und der Mitfinanzierung der privaten Altersvorsorge, die die Länder in der Endphase 11 Milliarden DM kosten wird. Eine Rückführung der Neuverschuldung auf null bis zum Jahr 2006, also eine der rechnerischen Voraussetzungen für das Funktionieren des Länderfinanzausgleichs wie des Solidarpaktes II, seitens der mitteldeutschen Bundesländer ist illusorisch. Die Realität wird bereits praktiziert.

Meine Damen und Herren! Es ist natürlich gut und zu begrüßen, dass es überhaupt zu einer Einigung über den Solidarpakt II sowie über den Länderfinanzausgleich kam. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung, Frau Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin fast versucht zu sagen: Es ist alles schon gesagt worden, nur noch nicht von mir.

Allen Unkenrufen zum Trotz ist das lange und schwierige Ringen um die künftige Finanzausstattung der Länder zu einem guten Ende gebracht worden. Das Maßstäbegesetz als Grundla

ge für den neuen Finanzausgleich und - für uns Brandenburger noch wichtiger - der Solidarpakt II sind unter Dach und Fach.

Zur Erinnerung: Die Grundlage für die gleichberechtigte Einbeziehung der neuen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich wurde 1993 mit dem Solidarpakt I gelegt. Seit dessen In-Kraft-Treten 1995 erhält Brandenburg in jedem Jahr nahezu 40 % seines Haushaltsvolumens vom Bund und von den finanzstarken Ländern. Davon sind wesentliche Teile die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen für den teilungsbedingten Nachholbedarf und die Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost, allerdings bis 2004 befristet.

Neben diesen gesetzlich geregelten Leistungen erhalten die neuen Länder zusätzlich überproportionale Zuweisungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen des Bundes sowie aufgrund ihrer Einstufung als Ziel-1-Region erhebliche Mittel seitens der EU. Sie alle wissen auch, dass mit dieser bisherigen finanziellen Unterstützung in Brandenburg sehr viel bewegt werden konnte.

Die andere Seite der Medaille kennen wir aber auch. Dass das Ziel des Solidarpaktes, die Angleichung der Lebensverhältnisse, noch nicht erreicht ist, haben wir übereinstimmend festgestellt. Nach wie vor bestehen zwischen Ost und West große Unterschiede bei der Ausstattung mit Infrastruktur, in der Wirtschaftskraft und nicht zuletzt beim Steueraufkommen von Ländern und Kommunen. Auf den Abbau dieses Nachholbedarfs müssen wir uns in den nächsten Jahren konzentrieren.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wegen der andauernden Finanzkraftschwäche der neuen Länder wäre die Fortführung des Aufbaus Ost ohne eine Anschlussregelung zum Solidarpakt nicht denkbar gewesen.

Vor diesem Hintergrund haben die neuen Länder den Solidarpakt II frühzeitig vorbereitet. Unter anderem sind fünf führende Wirtschaftsinstitute mit der Erfassung des teilungsbedingten Nachholbedarfs beauftragt worden. Die vorgelegten Gutachten haben den noch bestehenden Handlungsbedarf verdeutlicht.

Die Einigung zum Solidarpakt II umfasst die folgenden Eckpunkte:

Erstens: Der Bund stellt ab 2005 den ostdeutschen Ländern zum Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten insgesamt 206 Milliarden DM über 15 Jahre als Sonderbedarfsergänzungszuweisungen zur Verfügung.

Zweitens: Der Bund wird bis 2019 den ostdeutschen Ländern weiterhin überproportionale Leistungen insbesondere für die Wirtschaftsförderung zukommen lassen. Zielgröße ist ein Betrag von insgesamt 100 Milliarden DM.

Darüber hinaus wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die ostdeutschen Länder in den EU-Strukturfonds wie vergleichbare Regionen in Westeuropa behandelt werden.

Als einen besonderen Verhandlungserfolg möchte ich hervorheben, dass die IFG-Mittel bereits ab dem kommenden Jahr in die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen überführt werden sollen.

Dies ermöglicht einen effizienteren und flexibleren Mitteleinsatz, insbesondere eine deutliche Verringerung bürokratischer Hürden.

Meine Damen und Herren! Die zum Solidarpakt II mit dem Bund getroffenen Vereinbarungen schaffen die Voraussetzungen für einen Abbau vor allem des infrastrukturellen Nachholbedarfs innerhalb einer Generation. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es nach Ablauf des Solidarpaktes II keine Sonderregelungen für die neuen Länder mehr geben wird. Dies setzt die Maßstäbe für die Prioritäten der Landespolitik in den kommenden 15 bis 20 Jahren. Dieser Prozess muss also von einem selbstbewussten Handeln des Landes begleitet werden, um die Brücke zur finanziellen Selbstständigkeit des Landes langfristig zu bauen. Hier ist die Regierung ebenso wie der Landtag gefragt, denn der Solidarpakt II verschafft uns zunächst weitgehende Planungssicherheit bis zum Jahr 2019. Bis dahin müssen die strukturell bedingten Unterschiede zwischen Ost und West ausgeglichen sein. Diese Zielstellung ist sehr ehrgeizig, aber zu erreichen.