Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte sagen: Preußische Beamte tragen im Dienst kein Kopftuch, auch keine Parteiabzeichen, im Unterricht schon gar nicht. Das ist Tradition. Basta!
So einfach können wir es uns aber nun wirklich nicht machen. Es kann nicht angehen, dass nach der Entscheidung zum Kreuz in bayerischen Klassenzimmern und derjenigen des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September Religionsfreiheit heißt: Das Kreuz ist auf Wunsch von Eltern abzuhängen, das Kopftuch der muslimischen Lehrerinnen im Unterricht aber ist erlaubt. - Das ist der aktuelle Rechtszustand; daran führt kein Weg vorbei. Also besteht dringender Klärungsbedarf. Auch daran führt kein Weg vorbei.
Hier ist der Gesetzgeber gefragt, und zwar auf Landes- wie auf Bundesebene. Dem müssen wir uns hier in Brandenburg stellen, spätestens nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Kopftuch. Diese enthält den klaren Auftrag an den Gesetzgeber, die wertneutrale Amtsausübung des Staatsdieners im Sinne des Grundgesetzes zu sichern und die Grenzen der religiösen Toleranz im staatlichen Dienstbetrieb klar zu definieren.
Unsere DVU-Fraktion hat sich dem gestellt. Dabei ist klar, dass die gesellschaftlichen Wertvorstellungen und die christlichabendländischen Traditionen unseres Landes ebenso zu berücksichtigen sind wie die Erfahrung der Jahrzehnte atheistischer und intoleranter SED-Diktatur.
Unsere DVU-Fraktion geht als demokratische Opposition in diesem Hause sehr sorgfältig mit der Bestimmung der Grenzen der Toleranz und dem Übermaßverbot um. Die Verfassungsrechtsprechung zu den Grenzen der Religionsfreiheit ist hierzu für uns der große Maßstab.
Ich fasse kurz zusammen: Artikel 4 Grundgesetz enthält für die religiöse Freiheit keine eigenen Schranken. Anerkannt ist, dass die so genannte innere Religionsfreiheit, also das, was jemand denkt oder im stillen Kämmerlein macht, keinen Einschränkungen unterliegt. Aber die so genannte äußere Religionsfreiheit, die religiöse Betätigung, unterliegt sehr wohl Einschränkungen, wenn andere Verfassungsgüter berührt werden, konkret: wenn zugleich Grundrechte anderer Bürger oder die Verfasstheit des Staates betroffen sind, etwa die so genannte negative Bekenntnisfreiheit von Schülern oder das staatliche Neutralitätsgebot. Bei diesen Einschränkungen verlangt die Verfassungsrechtsprechung eine Abwägung der Rechtsgüter, indem die betroffenen Verfassungsgüter zueinander ins Verhältnis gesetzt werden und dann eine Lösung gefunden wird, welche die betroffenen Rechtsgüter am wenigsten beeinträchtigt zur Geltung kommen lässt. Juristen nennen diese Form: praktische Konkordanz; einfach ausgedrückt: Man darf nicht einseitig die Axt ansetzen.
Die DVU-Fraktion geht mit ihrem Antrag diesen Weg der praktischen Konkordanz. Wir wählen für die Abgrenzung im Bereich der Religionsfreiheit folgende Kriterien:
Bei staatlich Bediensteten ist im Dienst neben den ohnehin schon untersagten tendenziellen politischen Symbolen das
kompromisslose Tragen markanter, sichtbarer religiöser Kleidungsstücke oder Symbole zu unterbinden, wenn sie geeignet sind, über den Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einer Religion hinauszugehen. Wenn deren Aussage also nicht nur schlicht und einfach lautet: Ich bin Christ, ich bin Moslem usw., sondern ich bin Christ, ich bin Moslem, aber mit dieser bestimmten Auslegung, dann ist diese Aussage tendenziell und konfliktträchtig. Sie lässt sich mit dem im staatlichen Dienstbetrieb geltenden Neutralitäts- und Mäßigkeitsgebot nicht vereinbaren. Sie droht Grundrechte Dritter zu beeinträchtigen, etwa die negative Religionsfreiheit von Schülerinnen und Schülern im Schulbetrieb.
Schließlich konkret zur Anwendung: Die Konkretisierung des Mäßigkeitsgebotes gilt nicht nur im Schulbetrieb, sondern ebenso bei Staatsanwälten, Richtern und Polizisten. Das Kopftuch islamischer Lehrerinnen im Unterricht fällt unter diese Regelung. Es ist ein deutlich sichtbares, markantes Symbol. Über die schlichte Zugehörigkeit zum Islam legt es dem Betrachter die Aussage nahe: Ich bin Moslem, aber mit dieser Auslegung.
Das ergibt sich aus Folgendem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Auch in islamischen Ländern ist man sich über das Kopftuchtragen uneins. Der Streit geht dort vom Verbot im Staatsdienst in der laizistischen Türkei über das freiwillige Tragen bis zu dem von Fundamentalisten unter Berufung auf die Scharia verordneten Tragen unter Strafandrohung, oftmals verknüpft mit weiteren Einschränkungen der in unserem Kulturkreis anerkannten Frauenrechte.
Um es klar zu sagen: Diese Konflikte eines fremden Kulturkreises wollen wir im Staatsdienst Brandenburg, ja in Deutschland, nicht haben. Erst einmal vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Abgeordneter, Sie haben noch 3,5 Minuten: Ich würde Sie bitten, Ihren Beitrag fortzusetzen. Denn wir hatten uns darauf verständigt...
Verehrter Herr Präsident! Wie ich gehört habe, hat das Präsidium einstimmig beschlossen, dass jeder sein volles Recht nicht nur auf fünf oder vier Minuten, sondern auch einzeln zu regeln hat, auch wenn es nur noch zwei Minuten sind. Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie werden mir Recht geben.
Das müsste ich mir noch einmal im Protokoll ansehen. Vielleicht kann der Vizepräsident dazu etwas sagen. Ist das beschlossen worden?
Das Präsidium hat beschlossen, dass die Abgeordneten ihre Redezeit in eigener Verantwortung variieren können; denn es ist durchaus möglich, dass auch bei ein oder zwei verbleibenden Minuten Redezeit ein vernünftiger Satz formuliert werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Deswegen fasse ich mich auch kürzer. Was ich sage, ist nämlich immer vernünftig. Das kann man auch in der Kürze der Zeit sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Anträge der DVU-Fraktion zur Änderung des Beamtengesetzes und des Bundesangestelltenvertrages sind zwar inhaltlich vergleichbar, aber wohl wegen der Redezeit für die Antragsteller heute gleich zweimal zum Gegenstand unserer Tagesordnung gemacht worden.
Mein kollegialer Versuch, die DVU zu bewegen, diese beiden inhaltlich gleichen Anträge zusammenzufassen und in einer verbundenen Debatte einzuführen, wurde abgelehnt. Nun gut.
Diese beiden Anträge gehen zurück auf eine Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003. Hiernach bedarf „ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die DVU versucht mit ihren Anträgen, gesetzliche Voraussetzungen zur Lösung eines Problems, welches es in Brandenburg gar nicht gibt, zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Vor welchen Herausforderungen stehen wir in Brandenburg gerade im Bildungsbereich? Dramatisch wegbrechende Schülerzahlen - im Sek-I-Bereich werden wir von heute 389 Schulen in den nächsten Jahren 150 schließen müssen. Wir haben es mit Abwanderung von Jugendlichen zu tun. Wir haben mit den Ergebnissen der PISA-Studie klarzukommen. Eine Fülle von Herausforderungen und Problemen, die wir lösen müssen, und die DVU stellt Anträge bezüglich einer Bundesratsinitiative, mit der sich das Land Brandenburg, wenn wir dies hier abstimmten, lächerlich machen würde. Diese Probleme stellen sich im Land Brandenburg nicht. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir diese beiden Anträge ablehnen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf, der ein Gesetz zur Änderung des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg zum Inhalt hat, wird von der PDS-Fraktion abgelehnt. Für diese Gesetzesänderung gibt es keine Notwendigkeit. Die Grundgesetzregelungen sind ausreichend.
Sehen Sie sich Ihre eigene Begründung noch einmal an! Immer wenn Sie ausführen, dass zum Beispiel das Tragen des Kopftuches als religiös motiviert verstanden werden kann, dann setzen Sie den Satz doch fort: Muss aber nicht so verstanden werden! Sie haben sich in den Schulen des Landes und in anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes der Länder Brandenburg und Berlin sicher umgeschaut und festgestellt, dass es wegen massenhaften Tragens des Kopftuches zum Beispiel zur Beeinträchtigung der Bildungsarbeit kommt.
Wir haben das nicht feststellen können, brauchen hier keine Regelung im Beamtengesetz, die anders ist als die jetzige. Vorauseilenden Gehorsam brauchen wir schon gar nicht.
Die PDS-Fraktion des Brandenburger Landtages hält es mit dem Berliner Senator Harald Wolf, der sagte, das Kopftuch sei ein religiöses Symbol, aber per se noch kein Beweis dafür, dass seine Trägerin unsere Verfassung und die darin verankerten Grundrechte ablehnt.
Das Wort geht an die Landesregierung. - Sie verzichtet. Damit sind wir bei der beantragenden Fraktion. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schuldt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich Ihnen im ersten Teil meines Beitrages bereits umfassend das Anliegen unseres Antrages dargelegt habe, beschränke ich mich darauf, auf die Erwiderung der anderen Fraktionen des Hauses einzugehen. Zur Klarstellung, Frau Wolff-Molorciuc und Herr Homeyer, erstens: Der DVU-Fraktion geht es nicht um irgendeine Benachteiligung oder Diskriminierung religiöser Minderheiten. Dieser Vorwurf ist nur als dummes Zeug zu bezeichnen.
Zweitens: Unsere DVU-Fraktion wählt mit ihrem Antrag schon deshalb ganz bewusst den Eingriff mit den geringsten Folgen für alle betroffenen Verfassungsrechte. Das gilt für die betroffene Religionsausübung wie für die negative Religionsfreiheit Dritter und die Gewährleistung der staatlichen Neutralität im Dienstbetrieb. Wir haben das sorgfältig abgewogen. Von uns wird - bei anderen Parteien hört man in diesen Tagen Gegenteiliges - niemand daran gehindert, sich auf schlichte Weise auch äußerlich zu einem Glauben zu bekennen. Die DVU-Fraktion will eben auch staatlich Bediensteten im Dienstbetrieb nicht al
les verbieten, was auf die Zugehörigkeit zu einer Religion hinweist. Die DVU predigt im Gegensatz zur PDS und zu Teilen der SPD-Linken eben keinen Atheismus, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es geht ausdrücklich nur darum, dort eine Grenze zu setzen, wo äußerlich markante religiöse Symbole oder Kleidung über die schlichte Religionszugehörigkeit hinaus Hinweise auf eine bestimmte Auslegung von Religionsinhalten geben. Dann weist diese Aussage, wie schon gesagt, eine Tendenz auf und ist mit dem insoweit wertneutralen Staatsdienst nicht zu vereinbaren und konfliktträchtig.
Nur als grotesk ist der Vergleich der Amtstrachten der anerkannten Kirchen sowie Religionsgemeinschaften und Orden mit dem Kopftuch zu bezeichnen. Niemand, nicht einmal die Moslems, behaupten, dass das Kopftuch muslimischer Frauen eine islamische Amtstracht ist.
Auf den, wie ich meine, lächerlichen Einwand der Landesregierung, erst einmal abzuwarten, was andere Bundesländer machen, komme ich noch im Zusammenhang mit unserem weiteren Antrag. Jetzt bitte ich erst einmal um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Antrag. - Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.
Die beantragende Fraktion der DVU empfiehlt die Überweisung der Drucksache 3/6487 - 2. Neudruck - an den Ausschuss für Inneres, der federführend sein soll, sowie an den Hauptausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf in 1. Lesung zustimmt, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist er in 1. Lesung abgelehnt und erledigt.