Protokoll der Sitzung vom 02.03.2005

Damit sind diese drei Vorlagen beschlossen und ich schließe den Tagesordnungspunkt 3.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetz zur Änderung des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg (Landesbeamtengesetz - LBG)

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Drucksache 4/508

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Claus. - Bitte, Herr Claus.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Das beamtenrechtliche Gebot zur Mäßigung in der Öffentlichkeit in politischen und weltanschaulichen Fragen ist Kernbereich der hergebrachten Grundsätze des Beamtenrechts und bedeutet ein Stück Verlässlichkeit des Staates als Hoheitsträger. Das Grundgesetz lässt den Ländern hier umfassende Gestaltungsfreiheit, auch in Bezug auf die weltanschauliche und religiöse Ausprägung namentlich der öffentlichen Schulen.

Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen der Religionsfreiheit der Beamten und dem Beamtenrecht unter Berücksichtigung des Toleranzgebotes zu lösen obliegt hier dem demokratischen Landesgesetzgeber, der im öffentlichen Willensbildungsprozess allen zumutbare Kompromisse zu suchen hat. Dies schließt ein, dass die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen können, weil bei dem zu findenden Mittelweg nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts insbesondere die kulturelle Tradition, die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starke religiöse Verwurzelung berücksichtigt werden dürfen.

Genau dem und nichts anderem wollen wir als DVU-Fraktion in unserem Gesetzentwurf Rechnung tragen.

Im Land Brandenburg besteht bisher keine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot für Lehrer sowie für Polizei- und Justizbedienstete, obwohl dies in anderen Bundesländern, namentlich in unserem Nachbarland Berlin, längst eingeführt wurde. Mit der von uns in den Landtag eingebrachten Novellierung des § 18 des Landesbeamtengesetzes wird unter Berücksichtigung der bisherigen Bevölkerungsstruktur, der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung und ihrer überwiegenden religiösen Verwurzelung ein Ausgleich zwischen den kollidierenden, verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern von Beamten gefunden. Beamte müssen einerseits natürlich legitim von ihrer verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit Gebrauch machen können, andererseits aber dem bestehenden Mäßigungsgebot gerade im Zusammmenhang mit politischen Bezügen religiöser Äußerungen genügen.

Selbstverständlich kann der Landesgesetzgeber dabei das religiöse Bekenntnis durch das Tragen von Symbolen und Kleidungsstücken im Rahmen der Amtsausübung nicht schlechthin verbieten, so wie dies zum Beispiel in Berlin gemacht wird. Bedenkt man nur, wie viele geistliche Würdenträger - Priester, Pastoren und Ordensleute - insbesondere im Bereich des Schulwesens seit Jahrhunderten in Deutschland tätig sind und einen wichtigen Erziehungsauftrag wahrnehmen, versteht sich das von selbst. Untersagt werden muss allerdings das Tragen von Symbolen und Kleidungsstücken, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken und zugleich als Ausdruck einer mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten unvereinbaren Haltung verstanden werden können.

Das im Islam getragene Kopftuch ist in diesem Zusammenhang ganz anders zu beurteilen, insbesondere nach den Erfahrungen einer Vielzahl terroristisch-islamistischer Aktivitäten in der jüngsten Vergangenheit und angesichts einer Vielzahl menschenverachtender krimineller Verhaltensweisen bis hin zum Mord an jungen Frauen und Mädchen aus religiösen, fanatischen Motiven. Von weiten Teilen der Bevölkerung wird es auch als politische Äußerung verstanden, zumindest als Symbol für die mit dem grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz von Mann und Frau nicht zu vereinbarenden, nur Frauen betreffenden Bekleidungsvorschriften.

Der Grund für unseren Gesetzentwurf liegt deshalb nicht in einem religiösen oder weltanschaulichen Motiv, sondern in der Symbolwirkung, die im Übrigen auch von vielen Menschen islamistischen Glaubens als politisch interpretierbar gedeutet wird. Besteht daher bei einem Bewerber für ein öffentliches Amt, namentlich im Bereich der Schule, der Polizei und des Justizdienstes, nicht die Bereitschaft, diese Spielregeln zu beachten, so muss dies als Eignungsmangel für die Einstellung angesehen werden bzw. bei laufendem Beamtenverhältnis zu disziplinarischen Folgen führen.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, haben wir es uns bei dieser schwierigen verfassungsrechtlichen Frage nicht leicht gemacht, und wir denken, dass wir hier sorgfältige Abwägungen getroffen haben. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen die Debatte mit dem Abgeordneten von Arnim fort, der für die Koalitionsfraktionen spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brandenburg benötigt im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern kein Kopftuchverbot. Wir sind an dieser Stelle nicht gefordert, gesetzgeberisch tätig zu werden.

Mit dieser Bewertung stehen wir übrigens nicht allein. Auch andere Länder sehen zurzeit keine Notwendigkeit für eine legislative Maßnahme in diesem Punkt. Das gilt zum Beispiel für Hamburg, für Rheinland-Pfalz, für alle neuen Bundesländer.

Ich denke, wir sind gut beraten, etwas nicht regeln zu wollen, was es zurzeit bei uns als Problem nicht gibt.

Würde sich dieses Thema im Land Brandenburg tatsächlich demnächst stellen und es notwendig werden, auf das Tragen von religiösen Symbolen im Dienst zu reagieren, dann könnten wir das durch vernünftige, sorgfältige Einzelfallprüfungen im Rahmen der Gesetzeslage jederzeit tun.

Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf abzulehnen. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es auch ganz kurz machen, und zwar nicht nur deshalb, weil ich nicht gut bei Stimme bin. Der Gesetzentwurf, den die DVU-Fraktion hier ausführlich begründet und mit Vorspann versehen hat, wird einfach nicht gebraucht. Ich schließe mich insofern meinem Vorredner an.

Die DVU baut einen Papiertiger auf, um ihn gleich wieder zu zerreißen. Die Frage, die ja nach den üblichen Normen beantwortet werden muss, ob nämlich die Regelung tatsächlich erforderlich ist, hätten Sie korrekterweise mit Nein beantworten müssen. Insofern ist es logisch, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Scharfenberg. - Hat die Landesregierung das Bedürfnis zu reden? - Das ist nicht der Fall. Damit geht das Wort noch einmal an den Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesetzentwurf zielt auf ein begrenztes Verbot ab. Das möchte ich nur noch einmal sagen. Es geht um

die glaubhafte Vermittlung der verfassungsrechtlichen Grundwerte einschließlich der christlich-abendländischen Kulturwerte und darum, dies beim Tragen bestimmter äußerlicher Symbole zu konkretisieren. Um nichts anderes geht es hier, Herr von Arnim.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

- Genau, Herr Kollege Sarrach, so sieht es nämlich aus. Hätten Sie mal besser zugehört!

Im Gegensatz zu Ihren rot-roten Kollegen in Berlin tendieren wir nicht zu einer antichristlichen oder antireligiösen Linie. Das hatten wir zu DDR-Zeiten und das wird - Gott sei Dank! für immer vorbei sein.

Von der von uns vorgelegten Gesetzesformulierung werden allerdings solche Symbole und Kleidungsstücke erfasst, mit denen religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen zum Ausdruck gebracht werden, die zugleich als Ausdruck einer verfassungswidrigen Haltung verstanden werden können. Maßgeblich ist dabei nicht die Intention, die die einzelnen Amtsträger mit dem Tragen von Symbolen und/oder Kleidungsstücken verbinden, sondern die mögliche Interpretation.

Religiöse, weltanschauliche und politische Inhalte lassen sich so die Lebenserfahrung - oft nicht klar voneinander trennen. Deshalb wollen wir verhindern, dass religiöse oder weltanschauliche Symbole zum Einfallstor für politische Bekenntnisse mit ambivalenten, den Grundwerten unseres Staates zuwider laufenden Aussagen werden und von den genannten Amtsträgern in der Öffentlichkeit getragen werden. In solchen Fällen kann das Tragen von mehrdeutigen Kleidungsstücken und Symbolen auch den öffentlichen Frieden gefährden. Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf verhindern.

Vor diesem Hintergrund ist das Tragen eines Kopftuches unstatthaft, weil zumindest ein Teil der Befürworter des Tragens von Kopftüchern damit eine mindere Stellung der Frau in der Gesellschaft, im Staat und in der Familie oder eine fundamentalistische Stellungnahme für ein undemokratisches Staatswesen verbindet.

Das Gebot der verfassungsrechtlichen Grundwerte einschließlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau insbesondere im Schulunterricht glaubhaft zu vermitteln und die Schülerinnen und Schüler zu einer gleichberechtigten Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten in Familie, Staat und Gesellschaft zu befähigen kann eine Lehrkraft mit einem solchen nach außen getragenen Symbol nicht erfüllen. Das hat sich übrigens in Berlin bestätigt.

Auch eine Richterin oder eine Polizistin kann nicht unsere staatlichen Grundwerte repräsentieren und gleichzeitig genau das Gegenteil öffentlich zur Schau stellen. So viel Logik, Herr von Arnim, muss schon sein!

Dabei darf man allerdings Äpfel nicht mit Birnen verwechseln. Äußeren Symbolen und Kleidungsstücken, die den verfassungsrechtlichen Grundwerten des Grundgesetzes einschließlich der christlich-abendländischen Kulturwerte verpflichtet sind, entspricht die Tracht der Ordensschwestern. Die muss natürlich zulässig bleiben. Darin genau liegt der Unterschied, meine Damen und Herren. Denn darin liegt kein Verstoß gegen

das Grundgesetz mit seinem Gebot der religiösen Gleichbehandlung. Diese Symbole und Kleidungsstücke spiegeln die Grundwerte unserer Verfassung wider.

Die Kirchen bekennen sich vorbehaltlos zu den Grundwerten und Zielen der Verfassung. Wir behandeln daher nicht die verschiedenen Religionen ungleich, weil hier nicht auf einzelne Religionen oder religiöse Inhalte abgestellt wird, sondern auf die Bereitschaft des Beamten, die verfassungsrechtlich garantierten Grundwerte zu achten und glaubhaft zu vermitteln.

Der Multikulti-Wahn hat in unserem Land mittlerweile offensichtlich derart absurde Züge angenommen, dass insbesondere viele Politiker - ich spreche hier vor allem die von SPD und PDS in Berlin an - nicht in der Lage sind, die gebotenen rechtlichen und sachlichen Differenzierungen nachzuvollziehen. Wir wissen ja, was in Berlin daraus geworden ist.

Aber in Brandenburg gibt es ja bestimmt noch vernünftige Politikerinnen und Politiker und deshalb möchte ich Sie noch einmal bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind damit am Ende der Aussprache. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/508 an den Ausschuss für Inneres zur federführenden Beratung und an den Rechtsausschuss zur Mitberatung. Wer diesem Ansinnen Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über den Gesetzentwurf in der Sache abstimmen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Ohne Enthaltung mit großer Mehrheit abgelehnt!

Wir verlassen damit den Tagesordnungspunkt 4 und kommen zum Tagesordnungspunkt 5:

Gesetz zu dem Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Land Brandenburg vom 11. Januar 2005

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/624