Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

Ich zitiere aus der Antwort:

„Die Erarbeitung von Konzepten und Maßnahmen zur Familien-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik sowie zur Anpassung an die Folgen des demografischen Wandels ist ein dynamischer politischer Prozess, dem die regelmäßige Vorlage von Berichten nicht gerecht werden kann. Stattdessen setzt die Landesregierung auf einen breiten Dialog, um die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.“

Dem weitgehend zustimmend ist die Fraktion der PDS davon überzeugt, dass eine Enquetekommission „Zukunft Brandenburg 2020“ ein sehr geeignetes Instrument wäre, die perspektivischen Entwicklungen unseres Landes in einem breiten Dialog zu erarbeiten. Wir werden dem Parlament unsere Vorstellungen vorlegen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das war eine hohe Anforderung an meine Großmut.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Der letzte Satz war ein sehr langer!)

Wir setzen mit dem Redebeitrag der Landesregierung fort. Wer möchte dazu das Wort ergreifen? - Niemand. Also gibt es noch einmal eine Worterteilung an die DVU-Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

Danke, Herr Präsident, für die Großzügigkeit. Ich bin ganz überrascht, dass ich noch Redezeit habe. Ich werde es auch ganz kurz machen.

Herr Schulze, Sie lügen, wenn Sie behaupten, dass die DVU „Ausländer raus“ und „Arbeitsplätze nur für Deutsche“ fordere. Das ist schlichtweg...

(Lachen bei der SPD - Zurufe von der SPD: Ihre Wahl- plakate!)

- Daran sieht man wieder einmal: PISA-Land Brandenburg. Auf diesen Plakaten steht: „Kriminelle Ausländer raus“. Diese Forderung stammt nicht nur von uns; mittlerweile haben sich

auch Teile der Bundesregierung dieses Slogans bedient. Der andere Slogan lautete: „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Ich finde das gar nicht zum Lachen. Wie wichtig dieser Spruch ist, hat sich ja nun gerade im grenznahen Gebiet zwischen Polen und Deutschland bewahrheitet.

(Schulze [SPD]: Sie leben doch davon, die Unterschiede zu konservieren! Für Sie sind die doch Menschen zweiter Klasse!)

Auch diese Forderung wird nicht nur von uns gestellt; mittlerweile wird auch die Bundesregierung diesbezüglich aktiv.

(Zurufe von SPD und PDS)

- Nun bleiben Sie doch einmal ganz ruhig!

Ganz kurz zur PDS: Ich finde es ja sehr gut, dass auch die PDS eine Enquetekommission errichten möchte. Nur frage ich mich allen Ernstes, warum erst jetzt. Als wir in der letzten Legislaturperiode eine solche Kommission gefordert hatten, wurde sie von der PDS abgelehnt. Hier stimmen also Taten und Worte nicht überein.

(Zurufe von der PDS)

Das wars. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Danke sehr. Das musste noch einmal gesagt werden.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und PDS - Frau Fechner [DVU]: Das stimmt!)

Ich beende die Aussprache zu diesem Thema. Die Antwort der Landesregierung ist hiermit zur Kenntnis genommen. Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 3.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Weiterführung der Funktionalreform

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/1075

Die Aussprache hierzu eröffnet die Abgeordnete Mächtig.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am 28. August 2003, also vor genau 630 Tagen, hat der Landtag ein Konzept der Landesregierung zur Weiterführung der Funktionalreform nach Abschluss der Gemeindestrukturreform debattiert. Dieses Konzept - das sage ich für unsere neuen Kolleginnen und Kollegen - ist in der Drucksache 3/6250 nachzulesen. Damit wurde immerhin schon sieben Jahre nach dem Auftrag aus dem Abschlussbericht der Landesregierung vom Dezember 1996 zur Umsetzung der Funktionalreform im Land Brandenburg das Thema Funktionalreform wieder aufgegriffen.

Mit der Festlegung in der Koalitionsvereinbarung, für die jetzt laufende Legislaturperiode bis etwa September 2009 lediglich einen Katalog zu erarbeiten, der die Aufgaben beinhalten soll, die vom Land auf die Landkreise und kreisfreien Städte und von den Landkreisen auf die kreisangehörigen Gemeinden übertragen werden können, scheinen sich die Koalitionspartner entgegen ihren Aussagen in Kommunal- und Landtagswahlkämpfen nunmehr selbst ein sehr behäbiges Schrittmaß zu verordnen. Damit sind auch die mit der Durchführung der Gemeindegebietsreform versprochenen Aufgabenübertragungen in weite Ferne gerückt. Die Vermutung liegt nahe, dass solche Ziele der Gemeindegebietsreform wie die, eine Stärkung der öffentlichen Selbstverwaltung und eine bürgernahe Aufgabenrealisierung durchzusetzen, halbherzig waren. Auch die Weiterführung der Funktionalreform in engem Zusammenhang mit dem Haushaltssicherungskonzept 2003 war wohl mehr ein Argument denn ein Anspruch an die eigene Arbeit.

Aber die Ziele sind definiert und lauten: erstens eine orts- und bürgernahe Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, zweitens die größtmögliche Bündelung von Aufgaben auf kommunaler Ebene, drittens der Abbau von Doppelzuständigkeiten im Land, viertens die Durchsetzung der Einräumigkeit von Verwaltung, fünftens die Sicherung einer sachgerechten, wirtschaftlichen und effektiven Aufgabenerledigung, sechstens eine umfassende Kosteneinsparung auf allen Ebenen bei dennoch strikter Beachtung des Konnexitätsprinzips und siebentens die Nutzung aller Effektivitätspotenziale durch E-Government, welches die Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserbringung in Politik und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik ermöglichen kann.

Wenn es dazu also offensichtlich Einigkeit gab und gibt, ist es doch eine Frage der Fachkompetenz, des Organisationswillens und der Konsequenz des eigenen Tuns, dass spürbare Schritte unternommen werden. Seit mehr als sechs Jahren machen Landkreise und Städte, aber auch die kommunalen Spitzenverbände auf dringend notwendige Veränderungen der Zuständigkeiten in den Bereichen Bauordnung, Denkmalschutz, Städtebauförderung, Wohnungswesen, Wirtschaftsförderung, Natur-, Gewässer- und Immissionsschutz, Zulassung von Fahrzeugen, Fahrerlaubnis- und Führerscheinangelegenheiten, aber auch Personenstandswesen, um nur einige zu nennen, aufmerksam.

Zur Erörterung und Prüfung wurden eine interministerielle Projektgruppe berufen und ein überaus großzügiger Zeitplan verabredet. Im Übrigen wäre jedes Unternehmen pleite, wenn es sich fünf Jahre Zeit nähme, sich den aktuellen Veränderungen des Marktes zu stellen. Es zeigt sich schon seit langem, dass insbesondere die Beteiligung von so genannten Drittbehörden eine Überregulierung behördlichen Agierens und eine unnötige Verzögerung von Entscheidungen darstellt.

Ich nenne hier zum Beispiel die Denkmalfachbehörde, die nicht nur die Kompetenz der Kommunen infrage stellt. Bei Übertragung der Fachkompetenz dieser Behörde an die Kreisverwaltung ist eine deutliche Kosteneinsparung zu erwarten.

Aber auch im Bereich des Bildungswesens wird im Prozess der Schulentwicklungsplanung der Landkreise die Stellung der Schulämter immer wieder hinterfragt. So sind politische Gremien und Verwaltungen gefordert, der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen und Schulentwicklungspläne

vorzulegen sowie Maßnahmen zu deren Realisierung vorzubereiten und durchzuführen. Gleichzeitig steuern die Schulämter völlig autark ohne Berücksichtigung begleitender Entwicklungspotenziale von Teilräumen die Schließung von Schulen, und das auf der Grundlage sehr individueller Auslegung und Anwendung von Kriterien.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel des Landkreises Barnim verdeutlichen. Der Kreistag Barnim beschloss vor Jahren, nachdem sich das Land aus dem Areal der ehemaligen ADGBSchule/FDGB-Hochschule verabschiedet hatte, in Anerkenntnis des Erhalts des Baudenkmals „Meyerbau“ am dortigen Standort einen Bildungskomplex zu errichten. Das dortige Gymnasium bedarf insofern einer besonderen Zuwendung, als es sich im Gegensatz zu anderen im Landkreis befindlichen Gymnasien außerhalb der städtischen Bereiche befindet. Diese Zuwendung erfolgte nicht nur durch die besondere Ausrichtung als naturwissenschaftlich-technisches Gymnasium, sondern auch durch einen aktuellen Kreistagsbeschluss, initiiert durch die CDU-Kreistagsfraktion, zum Erhalt dieser Bildungseinrichtung in ihrer Komplexität. Dazu gehört ein extra Finanzfonds zur Werbung für dieses Gymnasium. Dies aber völlig negierend, untersagte die zuständige Schulrätin die Einrichtung einer Leistungsprofilklasse, da zwei Schüler fehlten. So konterkariert die Entscheidung des Schulamtes als dritte Ebene entwicklungspolitische Ziele des Landkreises, da im Übrigen im gleichen Atemzug für eine andere Schule des Landkreises die Kriterien zur Errichtung von Zügigkeiten gegenteilig interpretiert und natürlich auch ausgenutzt wurden. Hilfreich wäre es also, die Aufgaben der Schulämter an die Landkreise der kreisfreien Städte zu übertragen, um damit ein einheitliches entwicklungspolitisches Agieren realisieren zu können. Unstrittig ist hier auch für die PDS, dass jede Aufgabenübertragung in ihrer Effizenz, Kostenentwicklung und Übereinstimmung mit Bundes- und Landesrecht geprüft werden soll und auch muss. Jedoch sind wir auch der Überzeugung, dass dieser Prozess deutlich beschleunigt werden kann und muss.

Gestatten Sie mir deshalb ein kurzes Zitat:

„Der nächste Schritt sollte in der kommenden Legislaturperiode eine Funktionalreform sein. Damit besser vor Ort entschieden werden kann, müssen auf die leistungsfähigen Einheiten der Verwaltungen, das heißt von den Landratsämtern auf die Kommunen, mehr Aufgaben übertragen werden. Ebenso soll dies von den Landesbehörden auf die Kommunen geschehen. Beispielsweise müssen mehr Aufgaben von der unteren Naturschutzbehörde auf die Gemeinden verlagert werden. Es geht auch um bessere Verwaltungsabläufe. Es ist nicht einzusehen, dass die Führerscheine nur bei der Zulassungsstelle abgeholt werden können. Der Bürger sollte ihn bei der Gemeinde beantragen können, die Zulassungsstelle stellt den Führerschein aus und er holt ihn sich bei seiner Gemeinde wieder ab.“

So der Innenminister des Landes Brandenburg in der „Märkischen Allgemeinen“ am 11. August 2003, also vor dieser Legislaturperiode. Das spricht also als Aufgabe für diese Legislaturperiode. Herr Minister, im Anschluss an Ihre Frage von heute Morgen: War das Ihre Märchenstunde damals? - Hier erleben Sie, dass die PDS eine von Ihnen gewollte Aufgabe uneingeschränkt unterstützt.

(Minister Schönbohm: Bravo!)

Ja, wir formulieren es sogar noch einmal in einem eigenen Antrag, damit Sie in die Lage versetzt werden, durch alle Koalitionstücken hindurch eine rasche Fortsetzung der Funktionalreform realisieren zu können, und zwar in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister, wir nehmen Sie beim Wort. Nehmen Sie sich selbst in die Pflicht!

Und lassen Sie es mich zum Schluss sagen: Eine mit LEP ZOS neu ausgelöste Debatte über Funktionen der Kommunen für Bürgerinnen und Bürger sowie umliegende Gemeinden wird die Mühe der Ebenen, nämlich die Aufgaben der unteren Ebenen und Verwaltungen auszuschreiben und durchzusetzen, nicht ersetzen können. Oder lassen Sie es mich anders sagen: Bevor Sie neue Buchhüllen beschreiben, füllen Sie einfach die vorhandenen Buchhüllen mit guter Literatur. Dann lohnt es sich auch wieder zu lesen, was Sie uns aufs Papier bringen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Wir setzen die Beratung mit dem Redebeitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Bochow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgabe, den Verwaltungsaufbau im Land Brandenburg schlanker und effizienter zu gestalten, ist, glaube ich, aktueller denn je. Die gegenwärtige Haushaltslage zwingt uns dazu, das vorhandene Geld so effektiv wie möglich einzusetzen. Dies gilt auch und gerade für die Verwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene. Wenn wir über die Fortsetzung der Funktionalreform reden, dann dürfte zumindest an diesem Punkt Einigkeit bestehen. Bei allem, was darüber hinaus geht, gehen die Meinungen freilich weit auseinander. Das haben uns die vorangegangenen Debatten in diesem Haus gezeigt und das wird sich auch heute wieder zeigen, wenn meine Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen wird.

Es handelt sich um einen typischen PDS-Antrag, der vor allem deutlich macht, wie sehr sich die PDS in der Rolle der ihrer Meinung nach konstruktiven Opposition gefällt. Indes hat diese Selbstwahrnehmung nichts, aber auch wirklich gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Denn dass eine effiziente Funktionalreform heute überhaupt im Bereich des Möglichen liegt, ist in entscheidendem Maße dem erfolgreichen Abschluss der Gemeindestrukturreform zu verdanken, die zu leistungsfähigeren Verwaltungsstrukturen auf kommunaler Ebene geführt hat. Der Beitrag der PDS zu dieser Reform war wohl - da sind wir uns einig, zumindest in der Koalition - bescheiden. Es ist vielmehr unserem entschlossenen Agieren zu verdanken, dass wir uns heute überhaupt erst der Frage stellen können, wie eine Aufgabenübertragung auf die unteren Verwaltungseinheiten aussehen könnte.

Meine Damen und Herren, bekanntlich wurde von kommunaler Seite eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, aus denen ein umfangreicher Handlungsbedarf ersichtlich wurde. Es wur

de eine Projektgruppe eingerichtet, die diese Vorschläge analysieren und bewerten soll. Die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, bis zum Ende dieser Legislaturperiode einen Katalog zu erarbeiten, der Auskunft darüber gibt, welche Aufgaben übertragen werden können und sollten. Dieser Katalog seinerseits ist eine, wenn auch nicht die einzige Voraussetzung dafür, dass in der kommenden Legislaturperiode eine Verwaltungsstrukturreform in Angriff genommen werden kann. An diesem Zeitpunkt werden wir festhalten.