Harald Heinze

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Meine Damen und Herren! Als vor wenigen Monaten meine Fraktionsvorsitzende einen Energiedialog für das Land anmahnte und das Angebot machte, vorurteilsfrei über eine zukunftsfähige Energiepolitik hier und mit den Brandenburgern zu reden, hielt sich das Interesse in diesem Hohen Hause demonstrativ in Grenzen. Hatte die Landesregierung doch einige Monate zuvor eine Energiestrategie 2020 verkündet, eine Volksinitiative gegen neue Tagebaue war abgelehnt worden, und mit der CO2-Abscheidung bei der Braunkohleverstromung der CCS-Technologie wähnte und wähnt man sich heute noch auf der Seite des energetischen Fortschritts. Wozu also noch viel reden?
Nun hat die Fraktion der CDU festgestellt, dass sich die ambitionierte politische Zielstellung der Energiestrategie 2020 ohne die betroffenen Bürger nicht verwirklichen lässt, und hält es für angebracht, im Land darüber zu diskutieren, beginnend mit der heutigen Aktuellen Stunde und bezogen auf das konkrete Thema Windkraft. 26 800 Unterschriften einer Volksinitiative gegen die Massenbebauung Brandenburgs mit Windenergieanlagen in einem Wahljahr sind nunmehr ein offensichtlich überzeugender Impuls, den notwendigen Dialog aufzunehmen. Das ist nicht falsch. Die Konflikte sind da.
Gehen wir davon aus, dass die Anzahl der Teilnehmer an der Volksinitiative reicht, werden wir uns hier mit dem Anliegen in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Konkretheit noch gründlich befassen müssen. Verwunderlich ist: Im Vorgriff auf die Ergebnisse der Befassung der Volksinitiative liegt nun ein Antrag der Fraktionen der Regierungskoalition vor, der quasi im Schnellverfahren als Befreiungsschlag alle Probleme lösen soll. In sechs Wochen wird die Landesregierung über all das informieren, was den Betroffenen vor Ort und den Verantwortlichen seit einem Jahr auf den Nägeln brennt.
Vor einem Jahr wurden die von der Landesregierung entwickelte Energiestrategie 2020 - sie ist unstreitig, da gebe ich Herrn Dombrowski völlig Recht - und der Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz nach Kabinettsbeschluss verkündet. Mit den Trägern der Umsetzung gerade des heiklen Themas Windkraft mit der Verdopplung der Anlagenleistung und einem Flächenzuwachs um mindestens 50 % - also den Kommunen, den Regionalen Planungsgemeinschaften in ihrer Verantwortung für die Einordnung raumbedeutsamer Vorhaben und Windparks, die in ihrer Raumwirkung höchstens noch von einem zu erschließenden Tagebau zu übertreffen sind - sind die Zielstellungen im Vorfeld weder sachlich abgeschätzt worden, noch gab es seitens der Regierung mit dieser Ebene einen Dialog
bzw. Kommunikation bezüglich der Konflikte. Auch nach dem Mai 2008 währte die Schweigepause der Landesregierung gegenüber den Planungsgemeinschaften, obwohl es unter Punkt 5 des Handlungskonzeptes heißt:
„Es werden Ausweisungen neuer Windeignungsgebiete, die räumliche Konzentration von Energieerzeugungsanlagen außerhalb bewohnter Gebiete zu größeren Clustern mit verbindlichen Mindestabständen zu Wohnsiedlungen, zum Beispiel von Windenergiefeldern 1 000 m, und eine multiple Flächennutzung notwendig.“
Obwohl die Regionalplanung damit unmittelbar vor Aufgaben stand, die nur schwer zu lösen sind - ich erinnere an den quälenden Prozess der Aufstellung der Regionalpläne bzw. der Teilpläne Windenergienutzung -, obwohl das Handlungskonzept Einzelmaßnahmen bestimmte, die für die Aufgabenstellung die Rahmenbedingungen erheblich veränderten, unter anderem durch die Überarbeitung fachplanerischer Restriktionskriterien oder den Ausweis von Konzentrationsflächen in festgelegten Eignungsgebieten, blieben die erforderlichen Handlungsschritte in der notwendigen Breite aus. Nach einem Dreivierteljahr nunmehr seit März - ist, wie ich hier feststellen kann, ein Arbeitsprozess angelaufen, der helfen könnte, Probleme des weiteren Ausbaus der Windenergienutzung zu lösen.
Der Druck von allen Seiten ist groß, das wissen wir: Druck der Betroffenen, der Gemeinden in sehr unterschiedlicher Weise, aber auch der Investoren und natürlich der Druck auf das allgemeine Ziel, etwas für die Klimarettung zu tun. Wir haben gestern darüber gesprochen. Die Erfahrungen in der Bundesrepublik, auch unsere eigenen, zeigen, dass das kaum konfliktfrei zu bewältigen ist.
Drei Grundsätze sollten dafür als unverzichtbar gelten. Erstens: Unabhängig von der Masse der die Planung tangierenden Genehmigungs- und Rechtsvorschriften - ich glaube, die werden oft ausgeblendet, wenn wir über Windkraft reden - ist die Verantwortung für die Festlegung der Windeignungsgebiete im Rahmen der Regionalpläne Angelegenheit der kommunalen Ebene. Diese braucht Entscheidungsspielräume in einem klaren Handlungsrahmen.
Zweitens: Es muss im Hinblick auf die Fortschreibung der Regionalpläne und Genehmigungsverfahren ein höheres Maß an Rechtssicherheit und auch ein höheres Maß an Verfahrenssicherheit erreicht werden.
Drittens: Der notwendige Dialog mit allen Akteuren ist zu führen. Es geht um wirklichen Dialog und nicht um das einseitige Verkünden von festen, starren Thesen. Es geht um Transparenz der Verfahren und um Mitwirkungsmöglichkeiten. Es ist doch eine alte Erfahrung, dass der Dialog erfolgreich sein kann und zu Akzeptanz führen wird, wenn die Verantwortungsebenen klar sind und Rechtssicherheit herrscht. Deshalb müssen die zuständigen Ressorts der Landesregierung - ich weiß, dass sie begonnen haben - in der Breite ihrer Verantwortung unterstützend aktiv werden, nicht aber nach dem Motto: Rein in die Wälder und raus aus den Wäldern.
Die Erfahrungen bei der Aufstellung der Regionalpläne zeigen, dass die eingeschränkten Möglichkeiten der Rechtsfolgeabschätzung oder Verfahrensfehler fatale Folgen haben können. Deshalb halte ich die Festlegung eines Mindestabstands - so, wie es angedacht ist - nicht für zielführend.
Natürlich ist ein Bericht über die Ergebnisse der Überprüfung von Restriktionskriterien über konkrete Schritte der Kommunikation vor Ort, über innovative Beispiele für kommunales Agieren mit wirtschaftlich vorteilhaften Effekten nicht falsch. Die Bandbreite dessen, was entschieden und wo gehandelt werden muss, ist größer. Deshalb auch unser Entschließungsantrag.
Die Klärung rechtlicher Aspekte, unter anderem der Umgang mit Genehmigungsanträgen bis zur Rechtskraft der fortzuschreibenden Regionalpläne, könnten dagegen weiterhelfen wie auch Rechtssicherheit im Umgang mit dem Repowering von genehmigten Anlagen in Eignungsgebieten.
Notwendig sind Arbeitshilfen, möglicherweise auch ein für Brandenburg gültiger Kriterienkatalog - anderenorts gibt es so etwas -, der das Schutzgut Mensch an die Spitze stellt. Zu prüfen ist, ob die Leistungsfähigkeit - die materielle, die personelle wie auch die finanzielle - der regionalen Planungsstellen ausreicht, um rasch den notwendigen Vorlauf bei der Ausweisung zusätzlicher Eignungsgebiete zu erlangen. Eine Voraussetzung ist aber, dass der Regionalplanung insgesamt - das betrifft alle Ebenen, nicht nur die hier - mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Ambitionierte Ziele der Entwicklung erneuerbarer Energien, aber auch die unübersehbaren Ergebnisse des technischen Fortschritts werfen die Frage auf, ob die brandenburgischen Rechtsvorschriften, die unmittelbar Windenergieanlagen betreffen - sie datieren aus den Jahren 2001, 2002, 2003 - überarbeitet werden müssen. Zweifel hegt auch die Praxis an der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, also am grundlegenden Immissionsschutzrecht, das uns - wie auch die Bauordnung - die Grenzen setzt.
Wollen wir weiter über Windenergieentwicklung sprechen, müssen wir uns auch dem Thema zuwenden, wie wir die im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen Kulturlandschaften konfliktarm weiterentwickeln wollen und wie wir die konträren Entwicklungen des ländlichen Raums hinsichtlich der Wirtschaftszweige Tourismus, Erholung oder Energiewirtschaft möglichst konfliktarm in Übereinstimmung bringen können.
Das heißt: Wir haben ausgesprochen viele Themen zu unserem heutigen Tagesordnungspunkt im Dialog fortzuführen. Eine einseitige Festlegung nur einer Maßnahme reicht nicht aus, um das Problem zu lösen. So werden wir die Aufgabe, die wir uns in Sachen Klimaentwicklung gestellt haben, nicht lösen. - Danke.
Zum Jahresende 2008 wurde die Versuchsstation Manschnow des Landesamtes für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurerneuerung geschlossen. Die Landesregierung wie auch der Präsident des Landesamtes haben mehrfach erklärt - so in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 4/1987 -, einen bedeutenden Teil der insbesondere für die Landwirtschaft im Oderbruch wichtigen Aufgaben in Kooperation mit anderen Einrichtungen fortführen zu wollen. Dabei wurde insbesondere auf den Standort Golzow, das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren und die Landwirtschaft Golzow Betriebs-GmbH verwiesen. Bekannt wurde, dass dies nicht erfolgt ist.
Ich frage die Landesregierung: Inwieweit wurde Vorsorge getroffen, um den Bauern die Resultate jahrzehntelanger Versuchsarbeit im Oderbruch weiterhin praxiswirksam zugänglich zu machen und weiterzuentwickeln?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landesentwicklungsplan LEP B-B wird im I. Quartal 2009, also mit drei Monaten Verzögerung, in Kraft treten und nach dem informellen Leitbild „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ und dem Landesentwicklungsprogramm den Schlussstein für die Neuausrichtung der Landesentwicklung hin zur Strategie „Stärken stärken“ bilden.
Der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung liegen nach dem Abschluss des öffentlichen Beteiligungsverfahrens rund 600 Äußerungen und 4 700 Bedenken, Anregungen und Hinweise zur Abwägung vor. Die Beteiligung am Prozess der Neuausrichtung der Landesplanung ist also begrüßenswert hoch. Nimmt man die zahlreichen Regionaldialoge und Veranstaltungen unterschiedlichster gesellschaftlicher Kräfte hinzu, so stellt man eine außerordentliche öffentliche Anteilnahme und zugleich kontroverse Diskussionen fest.
Wenig Anteil an diesem grundsätzlichen Prozess hat der Landtag selbst. Das liegt am formal wohlgeordneten Verfahren der Landesplanung und ist im Großen und Ganzen nicht infrage zu stellen. Wer hier im Saale wollte auch über 5 000 Einzelaspekte entscheiden? Dennoch gibt es Anlass, den LEP B-B im Parlament zu thematisieren. Dies ist eben auch die erste Intention des vorliegenden Antrags.
Auf einer Tagung des Städte- und Gemeindebundes zu diesem Thema am 18. März wurde von Konferenzteilnehmern die Frage gestellt, wie denn der Landtag zum LEP B-B stehe. Die Antwort der Befragten - immerhin zwei Fraktionsvorsitzende und ein Ministerabgeordneter - hätte formal lauten müssen: Der Landtag als solcher ist mit dem Projekt der neuen, von einer völlig veränderten Entwicklungsstrategie geprägten Landesplanung nicht befasst, abgesehen von der Benehmensherstellung im Fachausschuss. - Mit unserem Antrag, der Landtag möge sich zumindest eines grundsätzlichen Themas des LEP B-B annehmen, soll solch einem Defizit entgegengewirkt und uns, den Abgeordneten, die Möglichkeit gegeben werden, an einer strategischen Entscheidung im Detail mitzuwirken.
Das Kernstück des LEP-B-B-Entwurfs ist das vorgeschlagene Zentrale-Orte-System und steht, wie im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung informiert wurde, neben der Siedlungsentwicklung, der Sicherung des Freiraumverbundes, der Verkehrsentwicklung und der Entwicklung des ländlichen Raumes im Mittelpunkt der kritischen Begleitung durch die Träger öffentlicher Belange.
Das zukünftige Netz mit Metropole, Oberzentren und Mittelzentren ist der planerische Ausdruck für die im Planungsprozess ausgemachten Stärken der Raumstruktur Brandenburgs. Vor dem Hintergrund der Gesamtheit der Strukturen und Erfordernisse der Daseinsvorsorge, die im Lande gegeben sind und die auch unter Berücksichtigung demografischer Entwicklungen dauerhaft tragen sollen, weist der Entwurf hier die größten Defizite auf. Das machen nicht zuletzt die mehr als 200 Unterschriften unter einem offenen Brief deutlich; Sie wissen das. Aber auch die zahlreichen fachlich sehr fundierten Stellungnahmen zum LEP B-B, die von Städten, Ämtern und Planungsgemeinschaften erarbeitet wurden, machen dies sichtbar.
Zukünftig endet der landesplanerische Ansatz bei den gehobenen Funktionen der Daseinsvorsorge. Das sind die Mittelzentren. Diesen wird eine Mantelbevölkerung zugeordnet, die wiederum diese Funktionen in Anspruch nehmen soll, dauerhaft auslasten soll. Die vielerorts neben der Mittelzentrale bestens funktionierende übergemeindliche Daseinsvorsorge, oft gewachsen in vielen Jahrzehnten und seit der Wende zum großen Teil mit öffentlichem Aufwand weiter ausgeprägt, findet landesplanerisch keine Berücksichtigung mehr. Noch im Landesentwicklungsprogramm wird neben den zentralen Orten Mittelzentren - von weiteren Städten als Anker im Raum gesprochen. Im LEP-B-B-Entwurf haben sie sich in Luft aufgelöst.
Unser Antrag zielt ganz einfach darauf, diese Strukturen der Daseinsvorsorge zu verdeutlichen und zu werten, sie überschaubar mit Funktionsräumen der zukünftigen Mittelzentren und Oberzentren wie auch der Metropole abzugleichen und hier vorzulegen.
Auch im engeren Verflechtungsraum gibt es erhebliche Zweifel am zukünftigen System der zentralen Orte, und die Bewertung von faktisch existierenden Funktionsräumen könnte auch hier noch einmal zu neuen Erkenntnissen führen.
Bewusst schlagen wir in unserem Antrag vor, die Regionalen Planungsgemeinschaften in die Erarbeitung einer solchen Analyse einzubeziehen. Die Planungsstellen verfügen über das notwendige Know-how und die unmittelbare Verbindung zu den Kommunen, die mit einem LEP B-B leben wollen, den sie mitgestaltet haben und von dem sie auch überzeugt sind.
Wir halten das Mitwirken der Planungsgemeinschaften an einer Analyse der Strukturen der Daseinsvorsorge für eine Vorbedingung einer sachlichen interkommunalen Diskussion. Die per Plan verordneten mittelzentralen Verantwortungsgemeinschaften brauchen diese Diskussion, um sie auch wirksam zu machen.
Meine Fraktion teilt die Überzeugung, dass im Land eine weitere Zentralort-Ebene notwendig ist, ohne die Straffung des Systems und die Reduzierung der Zahl der Zentren generell infrage zu stellen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht zuerst eine Frage der Finanzierung bzw. der Finanzierbarkeit einer enger begrenzten Struktur. Wer aber übergemeindliche Lasten trägt, muss natürlich auch auf Unterstützung rechnen können.
Gewiss haben Gemeinden ohne Zentrenstatus Entwicklungsmöglichkeiten. Jedoch weisen Kommunalpolitiker völlig zu Recht auf den Bedeutungsverlust hin, den der Wegfall der Zentralörtlichkeit mit sich bringt. Die Botschaft, nicht mehr zentraler Ort zu sein, ist keinesfalls entwicklungsfördernd. Auch die zukünftigen Fachpolitiken und Fachplanungen werden langfristig bewirken, dass Entwicklungspotenziale in der Fläche weniger Berücksichtigung finden.
Das führt zur Grundfrage: Infrastruktur, Nahverkehr, Bildung und Gesundheit, gebunden an ein weitmaschiges Netz von Mittelzentren, wird das Land künftig seinem Verfassungsziel der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen nicht näherbringen.
Es steht fest: Die Strukturen der Daseinsvorsorge, die Funktionsund Handlungsräume im Land sind anders, als das vorgeschlagene System der zentralen Orte es widerspiegelt. Die in unserem Antrag geforderte Analyse wird dies - dessen sind wir uns sicher - bestätigen. Wird es so sein, dann wäre es folgerichtig, eine zusätzliche Ebene in den Entwurf des LEP B-B einzuarbeiten.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Drei Minuten will ich mir nicht entgehen lassen. - Liebe Frau Gregor-Ness, natürlich habe ich nicht den Einblick in das, was alles an Hinweisen gekommen ist. Aber ich habe mir die Mühe gemacht, mir einen Großteil der sachlich fundierten Stellungnahmen anzusehen. Deshalb komme ich zu anderen Ansätzen als Sie. Ich halte es nicht für gut, von vornherein zu sagen: Die wollen nur mehr Geld haben, denen geht es nur um die Einwohnerveredelung. Wenn Sie sich das mal ansähen, was die Leute an klugen Ideen aufgeschrieben haben, dann würden Sie etwas gründlicher herangehen.
Was ich Ihnen zubilligen muss: Es hätte im Antrag natürlich
heißen müssen, „dem Landtag vorzulegen“ und nicht „allgemein vorzulegen“. Das gebe ich gern zu.
Wir wissen, dass wir ein geordnetes Planungsverfahren haben. Ich möchte nicht über die zentralen Orte an sich, sondern über die Strukturen der Daseinsvorsorge, wie sie sich im Land herausgebildet haben, diskutieren. Bei der Erarbeitung des LEP I war die Vorbereitung und auch Mitwirkung der Kommunen über die Regionalen Planungsgemeinschaften wesentlich intensiver. Ich hätte mir gewünscht, dass man die Ergebnisse genommen und eine Bilanz gezogen hätte, was sich entwickelt hat und wo Veränderungen eingetreten sind. Es ging nicht darum, eine Diskussion über den gesamten LEP B-B aufzumachen, sondern darum, dass sich das Hohe Haus aufgrund eines Berichts mit den Strukturen der Daseinsvorsorge beschäftigt.
Nun wird hier stets dem Ansatz gefolgt: Die Nahbereichsversorgung haben wir geregelt; sie ist an eine Einwohnerzahl von mindestens 5 000 in den Ämtern und Gemeinden gebunden. Das sieht in der Praxis jedoch anders aus. Ich bin Regionalrat in der Regionalen Planungsgemeinschaft Oderland-Spree. Dort gibt es nach wie vor Strukturen, die weit über das Gemeindegebiet, wie es sich herausgebildet hat, hinausgehen, aber eben nicht von den im Entwurf vorgesehenen Mittelzentren gedeckt werden. - Das war das Anliegen. Ich bedauere, dass Sie ihm nicht folgen können.
Die Frage des Zentrale-Orte-Systems ist in der gesamten Bundesrepublik in der Diskussion. Es gibt durchaus bemerkenswerte Ansätze, die die Nahbereichsversorgung nicht so sehr an den Gemeindestrukturen festmachen, die zum Teil sehr groß sind, sondern man beachtet Cluster von zentralörtlichen Einrichtungen. Hier muss man nicht unbedingt dem Ansatz des Städte- und Gemeindebundes folgen, sondern es gibt auch Kerne und Zentren, die man durchaus herausnehmen kann. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene Herangehensweisen. Das sollten auch wir uns nicht nehmen lassen. Das Planungsverfahren - so, wie es ist - gibt uns, bei allem Respekt, keine Möglichkeit, darüber noch einmal intensiv zu sprechen.
Neueste Erklärungen des Städte- und Gemeindebundes - ich verweise auf den 2. November - und eine Vielzahl von Zuschriften an den Landtag machen deutlich, dass für die zukünftige zentralörtliche Gliederung des Landes - festgeschrieben im Entwurf des Landesentwicklungsplans -, insbesondere für den ersatzlosen Wegfall der Grundzentren, kein breiter gesellschaftlicher Konsens zu erreichen ist.
Ich frage die Landesregierung: Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus dem breiten Unverständnis für die Begründungen der Notwendigkeit, die gemeindeübergreifende öffentli
che Daseinsvorsorge auf zwei Zentralortebenen zu konzentrieren?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Anwesende! Mit dem vorliegenden Gesetz soll zum einen die gemeinsame Landesplanung zukünftig großgeschrieben werden, was formal und politisch nicht falsch ist. Zum anderen ist mit dem Gesetz ein neues Landesentwicklungsprogramm - LEPro - zu beschließen. Nachdem wir uns damit auseinandergesetzt haben, kommen wir zu anderen Ergebnissen, als sie der Minister hier vorgestellt hat.
Wie noch in den Vorbemerkungen zum Entwurf angekündigt, „werden im LEPro die programmatischen Aussagen und Zielvorstellungen des informellen Leitbildes für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg in Form von Grundsätzen … auf Raumordnungsebene umgesetzt... Im Sinne des Leitbildes ,Stärken stärken‘ werden räumliche und sektorale Schwerpunkte gesetzt. Diese sollen die Effektivität staatlichen Fördermitteleinsatzes erhöhen und für private Investoren als Orientierungsfunktion dienen.“
So heißt es in den Begründungen - die sich über weite Strecken lesen, als wären sie vom Wirtschaftsministerium geschrieben zu § 1 (Hauptstadtregion).
Diese Ansätze und die Formulierungen in den §§ 1 und 2, jeweils Absatz 2, werfen die Frage auf, ob das Verfassungsziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten, mit diesem LEPro erreicht wird, zumal in den Begründungen nur noch von „zu schaffenden Voraussetzungen“ für diese Aufgabe gesprochen wird. Zudem stellt sich die Frage, weshalb die nunmehr vorgelegten brandenburgischen Grundsätze der Raumordnung mit den allgemein in Deutschland anerkannten Zielen der Raumordnung nicht mehr in Einklang zu bringen sind.
Ich zitiere:
„Zu den obersten Zielen der Raumordnung und Raumordnungspolitik zählt es, den Ausgleich zwischen negativen und positiven Entwicklungen, den Abbau regionaler Disparitäten … zu schaffen.“
So hieß es vom zuständigen Bundesministerium 2006.
Die Antwort auf Frage 1 lautet Nein; die zweite Frage bleibt unbeantwortet.
Disparitäten und Entwicklungsdefizite finden keine Erwähnung. Raumordnerische Ansätze und Strategien zu ihrer Minderung oder Überwindung fehlen demzufolge. Das ist der grundlegende Mangel des Landesentwicklungsprogramms.
Berlin und Brandenburg werden zukünftig als ein Planungsraum, ohne äußeren Entwicklungsraum und engeren Verflechtungsraum, behandelt. Das ist durchaus sinnvoll, es beseitigt Entwicklungshemmnisse.
Andererseits gibt es nirgendwo ein Bundesland oder eine Metropolenregion mit einer so klar in konzentrischen Kreisen ausgeprägten Struktur - Kernraum, Zwischenraum, Peripherie wie hierzulande. Eine solche Situation verlangt planerische Antworten. Sie werden überzeugend nur für die Hauptstadt gegeben, nicht aber für die Teilräume, die es so nicht mehr gibt.
LEPro 2007 bestimmt nur noch Grundsätze der Raumordnung. Der Verzicht auf Ziele der Raumordnung muss kritisch gesehen werden. Weil Grundsätze der Raumordnung nicht strikt zu beachten, sondern nur zu berücksichtigen sind - ich verweise auf § 4 Raumordnungsgesetz -, verliert unser LEPro Bindungswirkung. Man kann sich schon die Frage stellen, ob ein Landesentwicklungsprogramm keine verbindlichen, abrechenbaren Ziele braucht. Etwas polemisch formuliert, erinnert das Ganze an eine „Fahrt ins Blaue“. Die Grundsätze sind schnell bestimmt: 48er Bus, fünfmal Kleiner Feigling pro Teilnehmer, der Chef verbreitet gute Laune. Man erspart sich wochenlange Diskussionen um das Ausflugsziel.
Der Wert des LEPro ist an den nachfolgenden Planungen zu messen. Exemplarisch für die geringe Bindungswirkung des LEPro ist der Entwurf des neuen integrierten Landesentwicklungsplanes LEP B-B.
In § 3 Abs. 1 des LEPro heißt es noch:
„Die Hauptstadtregion soll nach den Prinzipien der zentralörtlichen Gliederung entwickelt werden... Zentrale Orte sind die, die in der Lage sind, übergemeindliche Aufgaben der Daseinsvorsorge flächendeckend zu erfüllen.“
Weiter heißt es - ich zitiere aus den Begründungen -:
„Eine besondere Rolle spielen die Zentralen Orte sowie die weiteren Städte als Anker im Raum.“
So weit, so gut.
Der LEP B-B verzichtet kurzerhand auf in Deutschland gebräuchliche Systeme der zentralörtlichen Gliederung und weist neben der Metropole nur noch Ober- und Mittelzentren aus.
- Sie können das nachher machen, Herr Dr. Klocksin. - Die „weiteren Städte“ als Anker im Raum sind damit heraus aus dem System.
Der Ansatz der übergemeindlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge als Kriterium der Zentralörtlichkeit wird auf Funktionen der gehobenen Daseinsvorsorge in Mittelzentren reduziert. Das sind Planungsansätze, die absolut dazu berechtigen, von der Abkoppelung großer Teile des ländlichen Raumes von der weiteren Entwicklung zu sprechen.
In gleicher Weise hebelt der Entwurf des LEP B-B die Grundsätze der Verkehrsentwicklung - § 7 - aus. Nach LEPro soll zur Einbindung der übrigen Zentralen Orte - neben Berlin - ein leistungsfähiges Netz von Verkehrswegen gesichert und bedarfsgerecht entwickelt werden. Mit dem Wegfall der Grundzentren wird aber das Netz von Verkehrswegen in inakzeptabler Weise reduziert und auf die Erreichbarkeit der Mittel- und Oberzentren beschränkt. Das Gleiche betrifft die Erschließung der Hauptstadtregion mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Genannt werden wieder Berlin und die übrigen Zentralen Orte. Auch von diesem Grundsatz bleibt nach dem LEP B-B für eine Vielzahl von Gemeinden, die ihren Status als Zentrum verlieren, nichts mehr übrig. Die Aufgabe der Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist planerisch nicht mehr existent. Mehr noch, der LEP B-B definiert die Erreichbarkeit zwischen Mittelzentren nur noch über eine Zeitangabe von 90 Minuten. Die Erreichbarkeit eines Mittelzentrums selbst ist ersatzlos gestrichen.
Ich sehe hier rot und komme zum Schluss.
Meine Fraktion kann dem LEPro 2007, wie es heute hier vorliegt, und damit dem Gesetz zum Staatsvertrag nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Anwesende! Mit dem Gesetzentwurf zum Vierten Staatsvertrag über die Änderung des Landesplanungsvertrages und zur Änderung weiterer planungsrechtlicher Vorschriften liegt uns ein Verwaltungsvorgang vor, der - wie es so schön heißt - von der Landesverfassung und von der Staatspraxis gedeckt wird. Der Landesplanungsvertrag ist gesetzt und der Vierte Staatsvertrag setzt EU-Recht um. Insofern ist das Ganze wenig spektakulär und vordergründig kaum einer tiefgreifenden Erörterung wert, zumal die Einführung einer Strategischen Umweltprüfung grundsätzlich ein positives Anliegen ist.
Die in der Drucksache 4/2879 vorgelegte Rechtsfolgenabschätzung weist überdies Alternativlosigkeit aus.
Folgt man derselben weiter, kommt man zu ausgesprochen aktuellen Themenkreisen der Landes- und auch der Kommunalpolitik: zum Abbau von Normen und Standards sowie bürokratischen Hemmnissen im Gesamtspannungsverhältnis von Umweltpolitik, Umweltprüfung und wirtschaftlicher Entwicklung; zur Rolle und Zukunft der Regionalplanung; zu Kosten von Planungsverfahren und letztlich zur Konnexität. Weit hergeholt ist das eigentlich nicht.
Ich zitiere auszugsweise aus der Rechtsfolgenabschätzung zum vorgelegten Gesetzentwurf:
„Mit den neuen Vorschriften über die Umweltprüfung werden zusätzliche Verfahrensschritte eingeführt. Hierdurch werden zusätzliche Kosten entstehen. Ihre Höhe kann nicht beziffert werden. Die Kosten müssen aus veranschlagten Haushaltsmitteln gedeckt werden.“
In der weiteren Diskussion zum Gesetzentwurf sind also Fragen zu beantworten, die notwendigerweise aus dem Vorgenannten abzuleiten sind. Eine erste Grundsatzfrage, die im Grunde schon entschieden ist und hier eigentlich nicht zur Beantwortung steht, ist: Ist ein solches Umweltverfahren in Deutschland überhaupt nötig, da der Ausgleich zwischen den natürlichen und den wirtschaftlichen Lebensgrundlagen in der Raumordnung geregelt, das heißt gleichsam Gegenstand der Arbeit ist?
Bei Würdigung der im Gesetz verankerten Rechtssicherheit und vorausschauender Umweltplanung sowie der höheren Transparenz für die Regionalpläne und deren Umweltbezug - darum dreht es sich in erster Linie; ich verweise auf Artikel 2 des vorgelegten Gesetzes und den neu gefassten Artikel 2 a des Gesetzes zur Regionalplanung - besteht Diskussionsbedarf. Sind die Kriterien für die Erheblichkeit von Umweltauswirkungen zu kleinteilig? Ich verweise auf die Anlage 2, die EU-Recht eins zu eins übernommen hat, was an dieser Stelle vielleicht nicht nötig wäre.
- Das ist schon möglich. Es handelt sich um eine Anlage, lieber Herr Dr. Klocksin.
Gehen die Prüfung der Darstellung der Unweltsituation und der Umfang der Prüfung über die Notwendigkeit von Aussagen des Regionalplans hinaus, kann der Umweltbericht letzten Endes umfassender ausfallen als der Plan selbst. Ich verweise auf die Anlage 1. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die unterschiedlichsten Daten, Pläne und Programme über bzw. zu Umweltauswirkungen zur Arbeit herangezogen werden können, was wiederum Risiken der Anfechtbarkeit und Rechtssicherheit der Umweltberichte in sich birgt, stellt sich die Frage: Haben wir genügend Verfahrenssicherheit? An dieser Stelle genügt der Hinweis auf die leidvollen Erfahrungen bei der Aufstellung der Regionalpläne. Es besteht also Regelungsbedarf, zum Beispiel in der Frage, wer den Umweltbericht prüft. Nötig ist auch eine Regelung über den Zugriff auf Umweltinformationen und Daten der Umweltbehörden. Die Richtlinie zur Aufstellung von Regionalplänen von 2004 geht mit der Einführung der Strategischen Umweltprüfung nicht konform. Auch hier sind Anpassungen nötig. Eine Verfahrensrichtlinie wird also gebraucht, und das macht die ganze Sache nicht einfacher. Der Vorlauf der Landesplanung ist - und zwar nicht nur aus Verfahrens- und Kostengründen - notwendig. Ich glaube, dass der ambitionierte Zeitplan für die Vorlage des Landesentwicklungsprogramms und des integrierten Gesamtplanes mit der Einführung der Umweltprüfung möglicherweise nicht zu halten ist, auch wenn man nicht vorhat, an der Oder ein Atomkraftwerk zu bauen.
Schließlich muss über die Regionalplanung, die mit dem Gesetz zusätzliche Aufgaben bekommt, ihre Finanzierung
sowie die Zukunft der Regionalen Planungsgemeinschaften als Teil der Landesplanung nachgedacht werden. Die Planungsstellen arbeiten personell und finanziell am Limit. Die 30 000 Euro - eine positive Botschaft - sind vorbehaltlich der Zustimmung des Finanzministers angekündigt worden. Die unterschiedlichen Auffassungen und Beschlüsse zur Existenz bzw. zur Auflösung der Regionalen Planungsgemeinschaften stärken nicht deren Kraft und deren Vermögen, die neuen Aufgaben effektiv umzusetzen. Insofern ist es also nicht der Gesetzentwurf an sich, der Fragen aufwirft, sondern der Handlungsrahmen und der Handlungsraum, der aus grundsätzlichen und aktuellen Gründen kritisch zu hinterfragen und im Sinne einer effektiven Umsetzung zu diskutieren ist. Das werden wir im Ausschuss tun müssen. Unsere Fraktion stimmt der Überweisung an die Ausschüsse zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Anwesende! Demografie ist in aller Munde: „30 Jahre nach zwölf mit Mut die Konsequenzen der demografischen Entwicklung anzusprechen“, um mit den Worten des Ministerpräsidenten zu sprechen, liegt nach 2004 nun der 2. Demografiebericht der Landesregierung zu Ursachen und Folgen, zu Strategien und Handlungsfeldern, zu Projekten und Maßnahmen vor.
Der Bericht wird die von Ministerpräsident Platzeck geforderte kontroverse Debatte um die Zukunft unseres Landes weiter voranführen. Insofern ist es zu begrüßen, dass das Material vorliegt und der Versuch unternommen wurde, das zukünftig notwendige Tun zu beschreiben, dazu ist wohl weniger Mut als vorausschauende Arbeit notwendig. Eine Debatte um Perspektiven Brandenburgs wird von der PDS seit langem gewünscht.
Standortentwicklungskonferenzen hinter verschlossenen Türen und ausgeladene politische Mandatsträger
zeugen allerdings von einem seltsamen Verständnis von demokratischer Meinungsbildung und Mitwirkung.
Es hat in Brandenburg schon ein anderes Demokratieverständnis gegeben.
Die Konjunktur der Diskussion um den demografischen Wandel hat durchaus Berechtigung, macht aber zugleich misstrauisch, ob die sich wiederholenden Hinweise auf das Problem Demografie nicht der Ausdruck für Defizite in der Zukunftsorientierung der Politik und im langfristig orientierten Handeln sind und ob als Unausweichlichkeit demografischer Entwicklung nicht neoliberale Politikansätze wie Sozialabbau verkauft werden sollen.
Welches Land wird Brandenburg im Jahr 2020 sein? Wie soll es aussehen, wie kommen wir dahin? Die Frage stellt sich am Beginn einer Legislaturperiode und wird im Moment intensiv herausgefordert.
Zu den in diesem Zusammenhang der Öffentlichkeit vorgestellten Grundlagen gehören das Referat des Landesvorsitzenden der SPD „Das zupackende Land“, der Entwurf des Landesentwicklungsplans Zentrale-Orte-System, die Leitlinien einer neuen Wirtschaftsförderung und nun auch der 2. Demografiebericht.
Schon die Thesen im Referat „Das zupackende Land“ reduzieren die Heraufsorderungen, vor denen Brandenburg steht, vor allem auf demografische Probleme. Es fehlt die gründliche Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes in den letzten 15 Jahren, es fehlt eine sachlich-kritische Bewertung des Regierungshandelns und es fehlt damit auch die illusionslose Bestandsaufnahme des Möglichen und Machbaren.
Die schwierigeren 15 Jahre der neueren Existenz des Landes Brandenburg stehen noch bevor; das steht außer Zweifel. Dabei ist die demografische Entwicklung nur ein Komplex - neben der anhaltenden Stagnation des wirtschaftlichen Aufholprozesses, dem Rückgang der Transferleistungen aus dem Solidarpakt und anderen Quellen, der Entwicklung der Gesamtregion Berlin-Brandenburg mit einer Metropole im Zentrum, dem fortgesetzten wirtschaftlich-sozialen Strukturwandel, der Familienpolitik und ökologischen Entwicklungen - auf dem Weg zum Jahr 2020. Zugleich sind die Aufbauleistungen der Brandenburger und die dabei gewonnenen Erfahrungen eine solide Grundlage, die Herausforderungen anzunehmen, wenn man das möchte.
Die demografischen Trends sind nicht allein ein brandenburgisches Problem. Zu den von allen neuen Bundesländern zu tragenden Entwicklungen kommt hier die Wanderung aus berlinfernen Regionen in den berlinnahen Raum hinzu. Doch gerade hier bieten sich die meisten Möglichkeiten, die Migration zu
beeinflussen, selbst dann, wenn der Anteil an der Bevölkerungswanderung nicht überzubewerten ist. Aber diese Dinge fehlen.
Zugleich hat Brandenburg mit der Hauptstadt in der Mitte einen Standortvorteil mit Bevölkerungszuwachs und einem hohen Bruttoinlandsprodukt, der Perspektiven bietet. Unser Land selbst kommt im „Prognos-Zukunftsatlas 2004“, die Demografie betreffend auf den ersten Platz der fünf neuen Bundesländer, ist jedoch bezüglich des Arbeitsmarktes Schlusslicht. Hier haben die Instrumente versagt und versagen aktuell in nie da gewesener Deutlichkeit.
Der Demografiebericht benennt unter Punkt 2.4 - Wandel als Chance - sieben Änderungserfordernisse, die zugleich Chancen sind. In Punkt 7 wird - am Schluss! - der Arbeitsmarkt benannt, ein meiner Meinung nach falscher Denkansatz. An der Spitze müssen Arbeitsmarkt und Wirtschaft als entscheidende Stellschrauben stehen, in deren Folge die Bereiche Familie, Kinder, Senioren und Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten sind. Es ist ja nicht der Wandel der Vorstellungen vom Leben, der die Leute aus den Dörfern treibt, sondern es sind schlicht und einfach die wirtschaftliche Situation und die fehlenden Arbeitsplätze.
Mit Recht finden die Bereiche Familie und Soziales im Demografiebericht einen breiten Raum. Hier finden sich durchaus begrüßenswerte Überlegungen und Angebote. Die beklagten Defizite aber sind Folge einer grundsätzlich wenig familienund kinderfreundlichen Gesellschaft und Gesetzgebung in der Bundesrepublik.
Unser Nachbarland Frankreich hat vermocht, bei ähnlichen Voraussetzungen einen Wandel herbeizuführen. Im Ergebnis hat sich zwischen 1993 und 2000 die Geburtenrate von 1,65 auf 1,88 erhöht.
„Durch entsprechende Initiativen wirkt die Landesregierung auf die Bundesgesetzgebung ein“ - Demografiebericht Seite 29 -, um Änderungen herbeizuführen. Der Nachweis hierfür muss erbracht werden.
Zurück zu den Brandenburger Verhältnissen. Die zurückliegenden Monate spiegeln die Entwicklungsprobleme Brandenburgs in den offensichtlich hektischen Aktivitäten der Landesregierung mit der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung und der Neustrukturierung der zentralörtlichen Gliederung sowie den widersprüchlichen Äußerungen zum Thema Zukunft wider.
Es ist eine Tatsache, dass die Diskussion dazu im Land außerordentlich breit geführt wird, dass diese Diskussion jedoch keineswegs die zielführende Qualität hat, die die Situation erfordert. Es fehlt einfach die Komplexität, die der Demografiebericht einfordert.
Die Metropolenregion wie auch die Ordnungsansätze der Wirtschaftsförderung sind nicht mit der Metropole abgestimmt und es gibt keine Antwort auf die Probleme der berlinfernen Räume. Wenn man sich die Arbeitslosenzahlen, die Sozialhilfeent
wicklung und auch die Familieneinkommen ansieht, dann stellt man fest, dass Armut angesagt ist.
Die Gleichwertigkeit der Arbeits- und Lebensbedingungen wird vom Verfassungsgrundsatz zur Vision oder wird schlicht und einfach anders genannt, ohne Klarheit über Wertigkeiten zu schaffen. Ich begrüße, dass der Innenminister diese Diskussion jetzt anregen will.
Die neue Zentralörtlichkeit geht in die Diskussion, ohne dass Funktionalitäten und finanzielle Konsequenzen genannt werden. Es entsteht ein neuer Typ von Zentralörtlichkeit mit den Zentren im engeren Verflechtungsraum ohne klare Beschreibung und Funktionsbestimmung.
Auch im Detail stößt man auf erstaunliche Widersprüche zwischen den Aussagen im Demografiebericht und dem, was wir politisch in der Praxis des Landes erleben. Ich zitiere wieder Seite 25 des Berichts -:
„Der demografische Wandel bedeutet... dort eine Herausforderung, wo der Lebensmittelpunkt der Familien liegt, in den Kommunen.“
Angebote zur Kooperation zwischen Kommunen, um die Daseinsvorsorge gemeinsam zu sichern, und zwar als Zukunftsmodell, werden für die Zentralörtlichkeit vom Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung aber abgelehnt.
Auch die Fortschreibung der Funktionalreform findet sich als Aufgabe. Der Antrag der PDS-Fraktion dazu ist in der zurückliegenden Landtagssitzung abgeschmettert worden.
Es bleibt festzuhalten: Die im Demografiebericht anvisierte Komplexität leisten die damit in Zusammenhang stehenden vorliegenden Teilkonzepte der Landesregierung nicht. Die Regierung wird sich in ihrem Handeln zukünftig an dem Bericht messen lassen müssen. Insofern darf man gespannt sein, ob die demografischen Erfordernisse, wie angekündigt, Eingang in den Haushalt 2007/2008 finden, zumal die Finanzierung der Handlungsstrategien und Aufgaben des Berichtes nicht benannt worden sind.
Ich wiederhole: Verglichen mit dem Zeithorizont 1990 bis 2005 werden die Jahre bis 2020 bisher nicht bekannte Erschwernisse, aber auch neue Chancen bringen. Das Verhältnis von Risiken und Chancen abzuwägen, Strategien herauszuarbeiten, die Chancen zu stärken und Risiken zu mindern, das könnte Arbeit für eine Enquetekommission sein. Der vorliegende Demografiebericht macht deutlich, dass wir eine solche brauchen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Anwesende! Demografie, demografische Entwicklung, demografischer Wandel haben als Begriffe, als Erklärungsbrücken und auch als Totschlagargumente im Moment Konjunktur. Es gibt kaum ein politisches Handlungsfeld, das aktuell nicht in den Rahmen der Bevölkerungsentwicklung gepresst werden kann: Bildung, Verkehr, Renten, Gesundheit, Wirtschaft, Familie, Zuwanderung, Sozialstaat usw. Die Fraktion der DVU kann sich diesem Trend nicht entziehen und stellt im Januar dieses Jahres eine Große Anfrage „Die demografische Entwicklung und ihre Auswirkung auf die Lebensbereiche der Menschen in Brandenburg sowie ihre Folgen für die politischen Handlungsfelder“ als einen kolossalen Rundumschlag, beginnend vom Geburtenrückgang über die Überalterung, die Abwanderung und den Bürokratieabbau bis hin zur Scheidungsrate in Fernbeziehungen und zur Kriminalitätsrate in Abwanderungsgebieten.
Das ist insofern verwunderlich, als die Fraktionsvorsitzende der DVU, Frau Hesselbarth, außerdem Vorsitzende des Ausschusses für Infrastruktur und Raumordnung ist, in dessen Aufgabenbereich auch die Suche nach politischen Antworten auf die demografischen Entwicklungen unseres Landes fällt. Diverse Antworten, wenn sie auch nicht immer überzeugen und befriedigen, hat es in diesem Ausschuss gegeben. Die Landesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Große Anfrage - Drucksache 4/1056 - folgerichtig mehr als ein Dutzend Mal auf den Demografiebericht, der seit Februar 2004 vorliegt, und ist damit erst einmal auf der sicheren Seite.
Ja, bitte.
Diesen Zusammenhang vermag ich beim besten Willen - ich gebe zu, ich bin Neuling hier in diesem Haus - nicht herzustellen,
im Gegenteil: Ich hätte erwartet, dass von Ihnen in diesem Ausschuss Impulse gekommen wären.
Dann hätten wir uns manches ersparen können. Allerdings muss ich sagen: Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Landesregierung vom 20. Januar bis zum 21. April gebraucht hat, um diese Antwort auf so aktuelle Fragen vorzulegen.
Das heißt, Zahlen, Fakten und Antworten zu den wichtigen Fragen - es gibt sie auch in der DVU-Anfrage neben vielem, was weit vom Gegenstand der Demografie entfernt ist - sind seit einem Jahr bekannt. Liebe Frau Hesselbarth, Sie hatten seither im Ausschuss ausreichend Gelegenheit, Einzelthemen abarbeiten zu lassen und Handlungsfelder zu bestimmen.
Heute stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten zur Verfügung, um das komplexe Thema zu beleuchten. Das Ergebnis muss naturgemäß überschaubar ausfallen. So werden wir der Aufgabe nicht gerecht, den demografischen Problemen dieses Landes nachzugehen.
Ich muss den Damen und Herren der DVU einschließlich der Fraktionsvorsitzenden unterstellen, dass es ihnen an der notwendigen Ernsthaftigkeit mangelt, aufbauend auf dem im Land vorliegenden Erkenntnis- und Arbeitsstand der letzten Legislaturperiode das Parlament und die Landesregierung sachlich und ohne Katastrophengeschrei in die Pflicht zu nehmen, die aus dem Demografiebericht abzuleitenden Aufgaben kreativ in Angriff zu nehmen.
Auch die Regierung hat die Demografie im aktuellen Handeln immer wieder in Anspruch genommen. Die Diskussionen um die Landesentwicklungsplanung LEP ZOS, die Änderung des Schulgesetzes, zum Teil die Neuansätze der Wirtschaftsförderung sowie aufflackernde Ansätze einer Kreisgebietsreform werden mit demografischen Entwicklungen erklärt. Die PDS hat wesentliche Teile dieser Aktivitäten kritisch bewertet, weil die Herangehensweisen an die Landesentwicklung aus unserer Sicht nicht komplex genug sind, weil sie den hochdifferenzierten Verhältnissen im Land nicht ausreichend Rechnung tragen und weil sie schlicht und einfach nicht offensiv genug sind. Die Diskussion um den Doppelhaushalt hat dies für mich noch einmal nachdrücklich bestätigt. Aufgrund der Kürze meiner Redezeit kann ich die Landesentwicklung nicht anhand von Beispielen erläutern. Wir kritisieren nicht nur die Methode, sondern die grundsätzliche Art und Weise des Regierungshandelns nach der Rede des Ministerpräsidenten am 18. Februar dieses Jahres.
Liest man sich die Antwort auf Drucksache 4/1056 aufmerksam durch, dann wird das Defizit der Aussagen zu den aktiven politischen Handlungsfeldern, die sich als Folge der Bevölkerungsentwicklung ergeben, ganz offensichtlich. Es entsteht insgesamt der Eindruck: Das Problem ist erkannt, es ist alles getan. Überspitzt gesagt, hört es sich ein bisschen nach „Weiter so“ an. Nicht gerecht wird das Antwortenpaket der Sicht des Ministerpräsidenten - hier vorgetragen am 3. März -, dass es eine solche demografische Situation hierzulande seit dem 30jährigen Krieg nicht mehr gegeben habe.
Auch im Detail ist Widerspruch notwendig. Die Aussage auf Seite 12, mit dem Finanzausgleichsgesetz sei eine wichtige Grundlage für eine solide Kommunalfinanzierung gelegt, ist schlicht und einfach abwegig.
Ich komme zum Schluss. - Nun hat die Landesregierung für den 1. Juni eine Konferenz mit dem Thema „Demografischer Wandel in Berlin-Brandenburg - Erneuerung aus eigener Kraft“ angekündigt. Im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung ist dazu mit durchaus interessanten Akzenten informiert worden, die sich aus der Fortschreibung des Demografieberichts hinsichtlich des schlussfolgernden Handelns ergeben. Wir begrüßen das und sehen dieser Tagung mit Interesse entgegen.
Ich zitiere aus der Antwort:
„Die Erarbeitung von Konzepten und Maßnahmen zur Familien-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik sowie zur Anpassung an die Folgen des demografischen Wandels ist ein dynamischer politischer Prozess, dem die regelmäßige Vorlage von Berichten nicht gerecht werden kann. Stattdessen setzt die Landesregierung auf einen breiten Dialog, um die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.“
Dem weitgehend zustimmend ist die Fraktion der PDS davon überzeugt, dass eine Enquetekommission „Zukunft Brandenburg 2020“ ein sehr geeignetes Instrument wäre, die perspektivischen Entwicklungen unseres Landes in einem breiten Dialog zu erarbeiten. Wir werden dem Parlament unsere Vorstellungen vorlegen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Position der Fraktion der PDS zur Entwicklung unseres Landes und die Erwartungen an die Landesregierung hat Frau Dr. Enkelmann in der Aussprache zur Regierungserklärung am 27. Oktober letzten Jahres und gestern hier an diesem Platz deutlich gemacht, auch wenn das von einigen nicht gern gehört worden ist.
Das Minimum an Hoffnung, mit dem Haushalt 2005/2006 würde die Regierung Zukunftssignale setzen und wenigstens selbst gesteckte Ziele für die Entwicklung Brandenburgs verwirklichen oder zumindest sachlich, kontrovers, aber zielorientiert diskutieren, hat sich nicht erfüllt. Die herangereiften Probleme der Landesentwicklung, insbesondere unter dem Aspekt der Demographie, sind komplex. Sie sind so komplex, dass es die Lösung nicht gibt. Das ist sicherlich nicht zu bestreiten und auch nicht zu vereinfachen. Insofern ist diese Aktuelle Stunde nicht das geeignete Instrument, um das Thema „Wie weiter im Land Brandenburg?“ nur halbwegs umfassend zu erörtern.
Wenn die DVU-Fraktion den Antrag stellt, über die Zukunft des Landes zu debattieren, dann habe ich vor dem geistigen Hintergrund dieser Partei zuerst zwei Bemerkungen anzubringen.
Zuerst ein Hinweis auf die Geschichte des Landes: Immer dann, wenn in Brandenburg-Preußen die Tugenden Toleranz
und Weltoffenheit die weit weniger vorteilhaften Seiten des Preußentums dominierten, wenn das Land mustergültig Flüchtlinge aus aller Herren Länder integrierte, ging es gut voran.
Zweitens muss ich immer daran denken, wie viele Chancen für dieses Land vertan werden - Chancen für das Image, die Tourismuswirtschaft und den Export -, wenn Ihre Brüder im Geiste aufmarschieren, wenn ausländerfeindliche Parolen tönen und Ressentiments geschürt werden.
Wer in diesem Land lebt, wer Politik betreibt - ganz gleich, ob als Landes- oder als Kommunalpolitiker - wer Entwicklungen beobachtet, weiß um die strukturellen Disparitäten und kennt das extrem ungleichmäßig verlaufende Wachstum. Er muss sich mit den Schrumpfungsprozessen in den berlinfernen Räumen nicht erst seit heute auseinander setzen.
Der Ministerpräsident hat seine Vorstellungen von neuen Entwicklungsansätzen dargelegt und in der Sache ein neues Leitbild für Brandenburg - das einer Metropolenregion - kreiert. Das hat nicht gerade einen Sturm der Begeisterung ausgelöst. Das Wort von der „Entsiedelung“ der Randregionen ist nicht in Wittenberge, sondern eben hier geprägt worden.
In der Folge ist ein gehöriges Pensum an Erklärungsarbeit geleistet worden; die Regierung hat Fleißarbeit leisten müssen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass nunmehr Leitlinien für die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik sowie die Vorstellungen des Landesentwicklungsplans Zentrale Orte - LEP ZOS - vorliegen. Das ermöglicht eine Aussprache, die von Kommunalpolitikern - ich erinnere an den Landkreistag und den Städteund Gemeindebund -, von der Wirtschaft und letztlich von den Bürgern schon seit einigen Wochen dringlich angemahnt wird.
Viele Chancen für diese Aussprache sind damit vertan worden. Gerade Funktionalitäten und Nahbereiche hätten, wie angekündigt, in den regionalen Planungsgemeinschaften, in den Kreisen, mit den politischen Verantwortungsträgern besprochen werden müssen. Das ist leider nicht geschehen.
Maßstab der Bewertung neuer Arbeitsrichtungen der Landesentwicklung kann nur das Verfassungsgebot nach Artikel 44 der brandenburgischen Landesverfassung sein. Ich zitiere:
„Das Land gewährleistet eine Strukturförderung der Regionen mit dem Ziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten.“
Daran muss sich auch das Postulat messen, das Land als Einheit entwickeln zu wollen.
Das zupackende Land des Ministerpräsidenten ist eine Diskussion wert. Die PDS wird sich am Dialog beteiligen. Zugleich fordert die Fraktion - ich wiederhole das gestern hier Gesagte -, eine Enquetekommission, die sich mit der Zukunft der Region Brandenburg-Berlin und dem notwendigen politischen Handeln befassen muss, ist ins Leben zu rufen.
Eine prosperierende Metropolenregion mit grünem Armutsgürtel werden wir nicht hinnehmen.