Werte Kollegen! Wir haben es mit einem demografischen Wandel, nicht mit einer demografischen Katastrophe zu tun. Frau Fechner, es überrascht uns nicht, dass Ihnen dazu nichts Besseres einfällt. Uns ist schon mehrfach aufgefallen, dass die DVUFraktion Probleme mit der deutschen Sprache hat. „Katastrophe“ heißt „plötzliches Naturereignis“ und „plötzlich“ heißt „ohne erkennbare Ursache“. Das ist bei dem demografischen Wandel zweifellos nicht der Fall. Wir reden auch schon lange Zeit darüber und haben uns dazu Gedanken gemacht. Ihre Wortwahl entspricht der Endzeitstimmung, die Sie hier immer wieder verbreiten wollen: Katastrophe, Untergang, soziales Chaos.
Die Zeiten sind zweifellos schwierig, aber es ist völlig absurd und völlig neben der Sache, den Leuten, die schon genug Probleme haben, auch noch Angst zu machen, denn Angst lässt die Menschen nur erstarren.
Im Übrigen war diese Große Anfrage überflüssige Bürokratie. Wenn Sie beklagen, dass wir zu viel Bürokratie haben und der Verwaltungsaufwand zu groß ist, sollte man auf solche Großen Anfragen verzichten, denn die meisten der Fragen sind schon in Form von Kleinen Anfragen und anderen Drucksachen ge
stellt und im Demografiebericht behandelt worden. Das kann man sehr gut sehen, wenn man die Antwort der Landesregierung liest, in der an vielen Stellen auf vorhandene Drucksachen verwiesen worden ist.
Ihnen fällt im Übrigen auch nicht mehr ein - auch in Ihrer jetzigen Rede nicht -, als eine bunte Tour de raison durch die Probleme dieses Landes zu machen, die niemand leugnet oder wegreden will. Aber das alles unter die Überschrift „Demografie“ zu stellen ist Unsinn.
Im Übrigen ist Demografie - das wäre einmal ein neuer Ansatz, dem Sie sich vielleicht zuwenden sollten - natürlich so etwas wie Reproduktion. Was kommt im Rahmen der Familienplanung und der Familienentwicklung in diesem Land herüber, das heißt, wie viele Kinder schaffen sich die Menschen noch an? Es ist kein Geheimnis - das wissen Sie auch -, dass viele Kinder zu haben, im 19. und im frühen 20. Jahrhundert sowie noch heute in der Dritten Welt Ausdruck von sozialer Angst und von Nichtabgesichertsein waren und sind. Bei uns ist das Gott sei Dank nicht mehr so. Die Leute legen nicht mehr Wert darauf, viele Kinder zu haben,
sondern nur noch ein oder zwei Kinder, um die sie sich dann in ganz besonderer Art und Weise bemühen. Das ist auch gut und richtig so.
Auch Sie wissen, dass sich 40 % der akademisch gebildeten Frauen keine Kinder anschaffen, weil sie Karriere machen wollen. Dann müsste man einmal fragen, wie viele Männer keine Kinder haben, um die Schuld nicht immer nur auf die Frauen zu schieben. Das empfinde ich als ziemlich peinlich und billig. Wenn Sie hier schon die 45 000 Schwangerschaftsabbrüche thematisieren, frage ich: Wer drängt denn die Frauen zu den Schwangerschaftsabbrüchen? Das sind doch häufig die Männer, die nicht zu ihrer Verantwortung stehen wollen.
Ich halte den Unterton, der im Rahmen der Diskussion mitschwingt, dass viele Menschen in diesem Land alt werden und nicht so viele Menschen nachwachsen, für schlimm - das ist eine Sache, die niemand verhindern kann; es ist einfach der Gang der Dinge -, ebenso, wenn man dann versucht zu suggerieren oder zu inaugurieren, die Überalterung des Landes wäre etwas Furchtbares. Ich bin jedenfalls froh und dankbar, dass meine Großeltern sehr alt geworden sind, und hoffe, dass meine Eltern in Gesundheit ein hohes Alter erreichen werden.
Wenn wir ehrlich sind, so ist die ältere Generation eine wertvolle Generation, die viel für dieses Land bedeutet; allein schon angesichts der Kaufkraft, die sie beisteuern kann, wenn man es einmal rein pekuniär betrachtet. Wir müssen uns um die Produktivität dieses Landes Gedanken machen, darüber, dass diejenigen, die in diesem Land wohnen und arbeiten, genügend erwirtschaften können, damit sich die soziale und die sonstige Infrastruktur erhalten lässt. Um diese Fragen geht es, nicht aber
um Tonnenideologie oder darum, wie viele junge oder wie viele alte Menschen wir haben. Das ist völlig daneben.
Um noch einmal auf den ursprünglichen Ansatz zurückzukommen: Dieses Land, diese Region Berlin-Brandenburg war einmal ein Zuwanderungsland, vor und nach 1871 sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; auch jetzt sind wir eine Zuwanderungsregion. Die Hälfte der Berliner kam aus Schlesien, die andere Hälfte kam aus Polen. Das kann man auch an den Namen sehen. Es gibt ja gar nicht den typischen Brandenburger. „Der Brandenburger“ ist ein buntes Sammelsurium aus sehr vielen Bevölkerungsgruppen in Deutschland. Wenn wir dieses Land auf einen guten Kurs bringen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass nicht nur für die Menschen, die bereits hier wohnen und Kinder haben wollen oder werden, familienfreundliche Rahmenbedingungen herrschen, sondern wir müssen auch darauf achten, dass es ein zuwanderungsfreundliches Land bleibt,
Wissen Sie, Herr Schuldt, da können Sie so hoch oder niedrig springen und so laut werden, wie Sie wollen: Die Zuwanderungsfreundlichkeit in diesem Land ist auch ein anderer Aspekt der Ausländerfreundlichkeit. Wenn man gegen Menschen, gegen Ausländer hetzt - Ausländer raus, Arbeitsplätze nur für Deutsche -, dann ist das ausgesprochen dumm,
denn es gibt Studien der Bundesregierung, der Europäischen Union, der OECD und auch der Vereinten Nationen, dass Deutschland und insbesondere Brandenburg in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zwingend auf Zuwanderung angewiesen sind.
Deshalb ist eine der Konsequenzen, die man aus dieser Großen Anfrage ziehen muss: Brandenburg muss sich nicht nur bemühen, soziale und andere Infrastruktur aufrechtzuerhalten und Firmen anzusiedeln, sondern wir müssen uns vor allem auch bemühen, ein aufnahmefreundliches, ein menschenfreundliches, ein ausländerfreundliches, ein antirassistisches, ein offenes, ein tolerantes Brandenburg zu sein. Wenn wir dies auf die Reihe bekommen, werden sich auch die anderen Dinge finden, aber daran hätten insbesondere Sie sehr zu arbeiten.
Vielen Dank, Herr Schulze. - Ich begrüße in diesem Zusammenhang Vertreter der älteren Generation, die nicht nur wegen der Kaufkraft wertvoll ist. Wir Älteren stellen bald die Mehrheit. Ich begrüße Vertreter der IG BAU Potsdam. Herzlich willkommen im Plenum!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Anwesende! Demografie, demografische Entwicklung, demografischer Wandel haben als Begriffe, als Erklärungsbrücken und auch als Totschlagargumente im Moment Konjunktur. Es gibt kaum ein politisches Handlungsfeld, das aktuell nicht in den Rahmen der Bevölkerungsentwicklung gepresst werden kann: Bildung, Verkehr, Renten, Gesundheit, Wirtschaft, Familie, Zuwanderung, Sozialstaat usw. Die Fraktion der DVU kann sich diesem Trend nicht entziehen und stellt im Januar dieses Jahres eine Große Anfrage „Die demografische Entwicklung und ihre Auswirkung auf die Lebensbereiche der Menschen in Brandenburg sowie ihre Folgen für die politischen Handlungsfelder“ als einen kolossalen Rundumschlag, beginnend vom Geburtenrückgang über die Überalterung, die Abwanderung und den Bürokratieabbau bis hin zur Scheidungsrate in Fernbeziehungen und zur Kriminalitätsrate in Abwanderungsgebieten.
Das ist insofern verwunderlich, als die Fraktionsvorsitzende der DVU, Frau Hesselbarth, außerdem Vorsitzende des Ausschusses für Infrastruktur und Raumordnung ist, in dessen Aufgabenbereich auch die Suche nach politischen Antworten auf die demografischen Entwicklungen unseres Landes fällt. Diverse Antworten, wenn sie auch nicht immer überzeugen und befriedigen, hat es in diesem Ausschuss gegeben. Die Landesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Große Anfrage - Drucksache 4/1056 - folgerichtig mehr als ein Dutzend Mal auf den Demografiebericht, der seit Februar 2004 vorliegt, und ist damit erst einmal auf der sicheren Seite.
Herr Heinze, können Sie mir Recht geben, dass gerade nach Einbringung der Großen Anfrage durch die DVU-Fraktion diese Debatte hier im Land losgetreten wurde und dass es vorher im Ausschuss keine Antworten auf diese Fragen gegeben hat?
Diesen Zusammenhang vermag ich beim besten Willen - ich gebe zu, ich bin Neuling hier in diesem Haus - nicht herzustellen,
Dann hätten wir uns manches ersparen können. Allerdings muss ich sagen: Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Landesregierung vom 20. Januar bis zum 21. April gebraucht hat, um diese Antwort auf so aktuelle Fragen vorzulegen.
Das heißt, Zahlen, Fakten und Antworten zu den wichtigen Fragen - es gibt sie auch in der DVU-Anfrage neben vielem, was weit vom Gegenstand der Demografie entfernt ist - sind seit einem Jahr bekannt. Liebe Frau Hesselbarth, Sie hatten seither im Ausschuss ausreichend Gelegenheit, Einzelthemen abarbeiten zu lassen und Handlungsfelder zu bestimmen.
Heute stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten zur Verfügung, um das komplexe Thema zu beleuchten. Das Ergebnis muss naturgemäß überschaubar ausfallen. So werden wir der Aufgabe nicht gerecht, den demografischen Problemen dieses Landes nachzugehen.
Ich muss den Damen und Herren der DVU einschließlich der Fraktionsvorsitzenden unterstellen, dass es ihnen an der notwendigen Ernsthaftigkeit mangelt, aufbauend auf dem im Land vorliegenden Erkenntnis- und Arbeitsstand der letzten Legislaturperiode das Parlament und die Landesregierung sachlich und ohne Katastrophengeschrei in die Pflicht zu nehmen, die aus dem Demografiebericht abzuleitenden Aufgaben kreativ in Angriff zu nehmen.
Auch die Regierung hat die Demografie im aktuellen Handeln immer wieder in Anspruch genommen. Die Diskussionen um die Landesentwicklungsplanung LEP ZOS, die Änderung des Schulgesetzes, zum Teil die Neuansätze der Wirtschaftsförderung sowie aufflackernde Ansätze einer Kreisgebietsreform werden mit demografischen Entwicklungen erklärt. Die PDS hat wesentliche Teile dieser Aktivitäten kritisch bewertet, weil die Herangehensweisen an die Landesentwicklung aus unserer Sicht nicht komplex genug sind, weil sie den hochdifferenzierten Verhältnissen im Land nicht ausreichend Rechnung tragen und weil sie schlicht und einfach nicht offensiv genug sind. Die Diskussion um den Doppelhaushalt hat dies für mich noch einmal nachdrücklich bestätigt. Aufgrund der Kürze meiner Redezeit kann ich die Landesentwicklung nicht anhand von Beispielen erläutern. Wir kritisieren nicht nur die Methode, sondern die grundsätzliche Art und Weise des Regierungshandelns nach der Rede des Ministerpräsidenten am 18. Februar dieses Jahres.
Liest man sich die Antwort auf Drucksache 4/1056 aufmerksam durch, dann wird das Defizit der Aussagen zu den aktiven politischen Handlungsfeldern, die sich als Folge der Bevölkerungsentwicklung ergeben, ganz offensichtlich. Es entsteht insgesamt der Eindruck: Das Problem ist erkannt, es ist alles getan. Überspitzt gesagt, hört es sich ein bisschen nach „Weiter so“ an. Nicht gerecht wird das Antwortenpaket der Sicht des Ministerpräsidenten - hier vorgetragen am 3. März -, dass es eine solche demografische Situation hierzulande seit dem 30jährigen Krieg nicht mehr gegeben habe.
Auch im Detail ist Widerspruch notwendig. Die Aussage auf Seite 12, mit dem Finanzausgleichsgesetz sei eine wichtige Grundlage für eine solide Kommunalfinanzierung gelegt, ist schlicht und einfach abwegig.
Ich komme zum Schluss. - Nun hat die Landesregierung für den 1. Juni eine Konferenz mit dem Thema „Demografischer Wandel in Berlin-Brandenburg - Erneuerung aus eigener Kraft“ angekündigt. Im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung ist dazu mit durchaus interessanten Akzenten informiert worden, die sich aus der Fortschreibung des Demografieberichts hinsichtlich des schlussfolgernden Handelns ergeben. Wir begrüßen das und sehen dieser Tagung mit Interesse entgegen.