Protokoll der Sitzung vom 31.08.2005

Familienförderung sollte dort wirksam werden und wird dort gebraucht, wo Menschen aus freiem Willen und meist aus Zuneigung füreinander für andere Verantwortung übernehmen, also vorrangig dort, wo Kinder aufwachsen oder Senioren versorgt oder gepflegt werden.

Die Richtung der Familienpolitik, die mit der Gründung des Landes Brandenburg eingeschlagen wurde - zum Beispiel die Weiterführung von Kindertagesstätten statt Landeserziehungsgeld, Chancengleichheit auf Betreuung, Erziehung, kostenlose Bildung für alle Kinder, egal welcher sozialen oder nationalen Herkunft, egal ob ein Kind in einer Ehe geboren ist, mit seinen leiblichen Eltern zusammenlebt oder nicht, wie auch die gleichstellungspolitische Zielrichtung im Land, die auf die ökonomische und rechtliche Gleichstellung von Frauen zielt und besonders allein erziehende Frauen stützen sollte, sowie die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften -, wird von der Linkspartei.PDS und mir persönlich akzeptiert.

Ich muss hier nicht besonders begründen, warum wir den Umfang und die Konsequenz, mit der diese Politik derzeit betrieben wird, für kritikwürdig halten. Allerdings halten wir das von Ihnen mit dem vorliegenden Antrag geforderte „grundsätzliche Umsteuern“ nicht für erforderlich. Im Gegenteil! Mit Ihrem Verständnis und Ihren Vorstellungen von Familie und Familienpolitik, die Sie, Frau Fechner, hier zum Ausdruck bringen, hat das reale Leben in unserem Land nichts zu tun. Auch haben wir mit unseren politischen Schwerpunkten nichts mit den Ihrigen zu tun.

Ihnen geht es um deutsche Familien, wobei Ihnen nicht einmal der Geburts- oder der Lebensort Deutschland ausreicht, wie wir vorhin in der Debatte über die Integration bleibeberechtigter Zuwanderer gehört haben. Sie haben davon gesprochen, dass Familienförderung in Brandenburg getreu dem Programm der DVU gemacht werden sollte. Das ist ein grundsätzliches Missverständnis, da haben Sie etwas falsch verstanden. Die so genannte Blutsverwandtschaft, aus der Sie von der DVU in Ihrer Programmatik Ihren Familienbegriff ableiten, Ihre anachronistischen Vorstellungen von der Rolle der Mutter

(Schuldt [DVU]: Davon steht aber nichts drin! Verdrehen Sie nicht die Tatsachen!)

sowie Ihren selektiven Blick auf deutsche Familien und Kinder, die ein bevölkerungspolitisches, ja nationalistisches Motiv haben, lehnen wir ab. Ich bin mir sicher, dass dies auch für die übrigen demokratischen Fraktionen in diesem Hause gilt.

Deshalb lehnen wir auch Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kaiser. - Da die Landesregierung keinen Redebedarf erkennt, erhält das Wort noch einmal die Abgeordnete Fechner von der DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kaiser, was Sie alles in unseren Antrag hineininterpretieren, spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei der DVU)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich wirklich mit dem Inhalt unseres Antrags auseinander setzen und sachlich dazu Stellung beziehen.

(Frau Kaiser: [Die Linkspartei.PDS]: Das habe ich ge- macht!)

Nachdem die DVU-Fraktion zum zweiten Mal in den Landtag eingezogen war und die Presse vermeldet hatte, die Koalitionsfraktionen würden sich in Zukunft mit dem, was die DVU im Landtag thematisiert, sachlich auseinander setzen, war ich voller Hoffnung. Was Sie sich aber soeben wieder geleistet haben, spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

Es wäre besser, wenn Sie in Zukunft auf Ihre Redebeiträge verzichten würden, Herr Schulze. Sie machen es sich viel zu einfach, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir brauchten keine weiteren Gesetze. Natürlich! Es ist offenkundig, dass sich Kinderkriegen nicht durch bürokratische Maßnahmen erzwingen lässt. Dennoch spiegelt das, was der Staat materiell fördert und unterstützt, die Hierarchie der Werte wieder, die das Gemeinwesen leiten. Tatsächlich muss eine ganze Reihe von konkreten familienpolitischen Maßnahmen ergriffen und, ähnlich wie in Sachsen-Anhalt, gesetzlich verankert werden, sodass junge Paare, welche sich ihren Kinderwunsch erfüllen wollen, und Familien mit Kindern einen Rechtsanspruch haben und sich die Politiker nicht wegen Geldmangels aus der Verantwortung stehlen können. Darum geht es uns.

Wir als DVU-Fraktion befürchten, dass das familienpolitische Maßnahmenpaket der Landesregierung nur ein Feigenblatt ist; ich erwähnte das bereits im ersten Teil meiner Rede. Deshalb haben wir unseren Antrag konzipiert. Wir fordern die Landesregierung zum verbindlichen Handeln auf.

Auf meine mündliche Anfrage, ob die Landesregierung die Einführung eines Familienfördergesetzes für sinnvoll hält, teilte die zuständige Ministerin Folgendes mit:

„Ein Familienförderungsgesetz ist ein möglicher Weg einer zielorientierten und nachhaltigen Familienpolitik. Ein anderer Weg ist die Erstellung eines Maßnahmepaketes.“

Genau das sehen wir nicht so. Gerade was die Nachhaltigkeit anbelangt, müssen verbindliche gesetzliche Regelungen her. Diese sind notwendig, um den Paaren, welche sich ihren Kinderwunsch erfüllen wollen, Rechtssicherheit zu gewähren.

Dies geht nur mit einem Familienförderungsgesetz. Ein Maßnahmepaket, wie es die Landesregierung plant, ist nicht ausreichend.

(Schulze [SPD]: Das ist eine fixe Idee von Ihnen!)

Deshalb haben wir diesen Antrag konzipiert. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind damit am Ende der Rednerliste zu diesem Antrag angelangt.

Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung ihres Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer diesem Ansinnen Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Die Überweisung ist mit übergroßer Mehrheit und ohne Stimmenthaltungen abgelehnt worden.

Ich stelle den Antrag in der Sache zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit übergroßer Mehrheit und ohne Stimmenthaltungen abgelehnt worden.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 18 und kommen zum Tagesordnungspunkt 19:

Überprüfung von Landesprogrammen

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1756

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der Abgeordneten Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Bundesland Brandenburg lebt seit 15 Jahren über seine Verhältnisse. Seit 15 Jahren gibt die Landesregierung mehr Geld aus, als unser Land aus eigener Kraft erarbeitet hat. Würden für Länder die gleichen Maßstäbe gelten, die an unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen angelegt werden, säße diese Landesregierung schon seit Jahren wegen krimineller Konkursverschleppung im Gefängnis. Doch zum Glück für die Firma Stolpe & Stiefsöhne ist es bisher nicht strafbar, ein Bundesland zu ruinieren und die Bürger frech zu belügen.

Die DVU setzt sich schon lange dafür ein, dass die Machenschaften mancher Politiker von den Strafverfolgungsbehörden genauso behandelt werden wie die ihrer Kollegen in der Wirtschaft. Man wird sehen, ob die Herren Platzeck, Speer & Co. dann für sich mildernde Umstände wegen Unfähigkeit einfordern. Doch darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Im Gegenteil: Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir unsere Landesregierung nicht hinter Gitter stecken, sondern vielmehr

entlasten. Wir leisten einen weiteren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen. In Zeiten knapper Kassen muss jede Ausgabe auf den Prüfstand.

Die Landesregierung geht beim Sparen mit gutem Beispiel voran. Sie spart sich die Schülerbeförderung. Sie spart bei den Zahlungen an die Kommunen. Sie spart bei den Investitionen. Sie spart bei der Instandhaltung der Infrastruktur. Und so weiter und so fort.

(Schulze [SPD]: Helfen Sie beim Sparen! Sparen Sie bei Ihren Redebeiträgen!)

- Herr Schulze, Sie haben nachher die Möglichkeit, sich zu positionieren und Ihren Kommentar abzugeben.

(Schulze [SPD]: Zu so einem Mist kann man nichts An- ständiges sagen!)

Das viele Sparen ist so aufwendig und anstrengend, dass die Bezüge der Minister selbstverständlich nicht auch noch gekürzt werden können. Wo kämen wir denn hin, wenn eine Regierung vorleben würde, was sie ihren Bürgern abverlangt?!

Um nicht weiter abzuschweifen, darf ich wiederholen: In Zeiten knapper Kassen muss jede Ausgabe auf den Prüfstand. Deswegen beantragen wir, dass auch das Handlungskonzept der Landesregierung „Tolerantes Brandenburg“ auf den Prüfstand kommt. Wie bei jeder anderen Ausgabe, so muss auch hier genauestens geprüft werden, ob sie notwendig, sinnvoll und nützlich ist, ob sie sich für das Land Brandenburg rechnet.

Der Landesrechnungshof und mehrere Kollegen in diesem hohen Hause haben schon beklagt, dass keine Evaluierung des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ stattfindet. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht darüber klagen, dass die Übersicht und die Kontrolle über die ausgegebenen Gelder, vorsichtig ausgedrückt, nicht befriedigen können. Aber wir verstehen nicht, warum sich die Landesregierung seit Jahren einer Evaluierung dieses Handlungskonzeptes standhaft verweigert. Auch die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage des Kollegen Petke, dass die Landesregierung wegen der hohen Kosten und des - vermutlich - begrenzten Ertrages davon abgesehen habe, einen Evaluierungsbericht in Auftrag zu geben, kann nicht befriedigen. Jahr für Jahr wird Geld ausgegeben, ohne dass eine Evaluierung erfolgt.

Ich wiederhole: In Zeiten knapper Kassen muss jede Ausgabe auf den Prüfstand. Da darf es keine Tabus geben. Da darf es schon gar keine unbeaufsichtigten Spielwiesen geben.

Welcher Nutzen entsteht dem Land aus den für dieses Programm ausgegebenen Steuergeldern? Wenn die Landesregierung nicht in der Lage ist, diese Frage zu beantworten, muss sie dieses Handlungskonzept einstampfen; denn Sie, meine Damen und Herren Minister, sind nicht den Menschen und Organisationen gegenüber verantwortlich, die einen großen Teil ihres Einkommens über das „Tolerante Brandenburg“ beziehen, sondern Sie müssen sich vor dem gesamten Brandenburger Volk verantworten. - Zunächst bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Der Abgeordnete Schulze spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Wieder einmal werden wir von der DVU mit einem Antrag konfrontiert, der auf den ersten Blick harmlos und nett aussieht. Aber wie das bei so vielen Dingen ist: Das Gift ist tückisch und man sieht es nicht. Wir kennen das gute alte Sprichwort: Lernen ist wie schwimmen gegen den Strom. Hört man auf, treibt man zurück. Das gilt auch für die Frage der ständigen geistigen Auseinandersetzung über Grundwerte, über den Umgang mit Mitmenschen, damit, was uns wichtig ist.

Erinnern wir uns: Anfang der 90er Jahre brannten in unserem Land Häuser, zum Beispiel in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda. Auch im Land Brandenburg brannten Asylbewerberheime in nicht geringer Zahl, wurden Menschen wegen ihrer Herkunft, Rasse, Religion oder ihres Aussehens verfolgt, bespuckt, mit Steinen beworfen. Daraus entstand hier in diesem Hause die politische Initiative. Wir haben gesagt: Dem können wir nicht weiter tatenlos zusehen, dem muss gegengesteuert werden. Das war die Geburtsstunde des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“. Wir haben damals ein Zeichen gesetzt und Geld in die Hand genommen, um den geistigen Brandstiftern entgegenzutreten.

Die Ideologie der Intoleranz, die mit „Tolerantes Brandenburg“ bekämpft werden soll, ist ein gefährliches Gift. Wir müssen uns sehr genau fragen, ob wir willens und bereit sind, das einfach so hinzunehmen. Für Pocken-, Viren-, Pest- oder Cholerabakterien gibt es auch keinen Artenschutz, die werden auch bekämpft und sie müssen ausgerottet werden, weil sie sonst die gesamte Bevölkerungspopulation dahinraffen. Dieses rechtsextreme, menschenfeindliche Gedankengut würde ich an dieser Stelle damit vergleichen. Es muss ständig kurz gehalten und bekämpft werden, damit es erst gar nicht zu einer Epidemie kommt. Eine kleine Epidemie gab es Mitte der 90er Jahre. Dann wurden diese gesellschaftshygienischen Maßnahmen eingeleitet, um das einzudämmen.

(Schuldt [DVU]: Ich hoffe, Sie nehmen diesen Vergleich zurück!)