Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

unterstützt. Aber genau diese Diskussion um Branchenstrategien und Branchennetzwerke setzt doch am Leben an, Herr Christoffers; Sie können von mir keine uniforme Vorgehensweise erwarten. Natürlich setze ich bei den Netzwerken an, die wir haben, natürlich will ich sie aufbauen; denn von daher muss der Input für notwendige Veränderungen kommen. Dies stellt sich zwischen Metallurgie und Optik selbstverständlich unterschiedlich dar.

Wir signalisieren mit diesem Konzept der Wirtschaft, was uns besonders wichtig ist, und sagen gleichzeitig den Branchen, die nicht im Fokus einer Potenzialförderung stehen, dass dann, wenn sich die Schwerpunktbranchen progressiv entwickeln, in der Vernetzung und Verflechtung der Wirtschaft und in der Nachfrageentwicklung durch Zulieferungs- und Dienstleistungsbeziehungen bis hin zur Binnennachfrage ein stärkerer Impuls ausgelöst wird, als es der Fall wäre, wenn wir weiterhin mit einer Gießkanne durchs Land gingen. Die Wirtschaft versteht das und folgt diesen Argumenten. Aus diesen Gründen bin ich recht zuversichtlich, dass wir in den anstehenden Diskussionen weiter vorankommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zähle Brandenburg zu einer der international und national am meisten unterschätzten Regionen. Wir haben in der deutschen Hauptstadtregion einen außerordentlich attraktiven Input, den wir noch produktiver machen müssen und wollen. Das Konzept ist auf ein stärkeres Miteinander, auf Internationalisierung und Kompetenzwachstum angelegt. Lassen Sie uns Kurs halten! Es kommt darauf an - damit bin ich wieder bei der Vertrauensfrage -, klare Aussagen dazu zu treffen, was uns wichtig ist und wo Hilfen angesetzt werden, um für die Wirtschaft die Bedingungen zu schaffen, unter denen sie Investitionen planen und Arbeitsplätze für unser Land entwickeln kann. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister. - Für die zweite Debattenrunde in dieser Aktuellen Stunde geht das Wort an die SPDFraktion. Es spricht die Abgeordnete Fischer zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass in diesem Hause ein Konsens darüber besteht, dass wir ein gutes und tragfähiges Konzept für unsere brandenburgische Wirtschaft brauchen. Wir haben auch gerade gemerkt, wie schnell die Diskussion über Aufgaben, Standards und Details beginnt. Diese Diskussion ist auch notwendig. Wir müssen sie permanent führen, aber sie hat den Nachteil, dass sie sehr viel Zeit kostet. Wenn wir bei dieser Thematik für unsere Wirtschaft eins nicht mehr haben, dann ist es Zeit, denn die Uhr steht auf fünf nach zwölf und nicht auf fünf vor zwölf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig sind zwei Punkte. Zum einen müssen wir Impulse für unsere Wirtschaft setzen. 49 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Kleinst- und Kleinunternehmen.

Der zweite Punkt bei dieser Diskussion ist der Kostenfaktor. Wenn wir diese beiden Punkte übereinander legen, kommen

wir zu dem Thema Bürokratiekosten für unsere Unternehmen. Wir können das auch für unsere Bürger diskutieren, aber die heutige Aktuelle Stunde bezieht sich ausdrücklich auf die Unternehmen. Bei dem Thema Bürokratiekosten müssen wir dringend differenzieren, sonst kommen wir diesbezüglich nicht weiter.

Wir haben auf der einen Seite Punkte wie Investitionskosten, die aufgrund von Gesetzen bei Unternehmen entstehen. Wir müssen uns nur hier in diesem Raum umschauen. Sie sitzen auf Stühlen. Wie die Bestuhlung ausgerichtet ist, das Licht, die Notausgänge - das alles sind Investitionen, die aufgrund von Gesetzen getätigt wurden.

Wir haben auch rein administrative Kosten. Da müssen Sie nur die Gesetze und Verordnungen, die wir permanent verabschieden, durchgehen. Das betrifft Berichts-, Melde- und Informationspflichten. Das Institut für Mittelstandsforschung hat geschätzt, dass sich die administrativen Kosten in Deutschland allein für das Jahr 2003 auf 46 Milliarden Euro belaufen. Der Aufwand ist logischerweise für kleinere Unternehmen größer als für große Unternehmen, denn sie haben die gleichen Pflichten bei kleinerem Umsatz.

Deshalb begrüße ich sehr, Herr Minister Junghanns, dass bei den Förderkonzepten die Prüfkriterien, die für kleinere Unternehmen aufgelegt wurden, gestrichen sind, dass Sie da einem unbürokratischen Weg folgen. Ich rede nicht nur von den großen Unternehmen - Herr Christoffers hat sie angesprochen -, die wir in Brandenburg haben, sondern auch von unseren Kleinst- und Kleinunternehmen, vom Blumenladen, vom Friseur, vom Bäcker, von den Unternehmen, die unsere Innenstädte vitalisieren, von den Unternehmen, wo abends noch die Ehefrau die Buchhaltung macht, von denen, die sich neu gegründet haben. Das ist doch unser Land. Wir haben ein Land von Existenzgründern.

Bei diesem Punkt haben wir ein Problem, denn wir kennen die Kostenbelastung nicht. Diesbezüglich sind andere Länder weiter. Es gibt diese Schätzung, aber es ist eben nur eine Schätzung. Eine konkrete Messung hat bis dato nicht stattgefunden.

Herr Minister Junghanns, Sie sagten eben, dass Sie den Willen zu unbedingtem Realismus haben. Das finde ich gut und denke, diesen brauchen wir an der Stelle. In diesem Punkt haben wir ihn aber gerade noch nicht. Aber der Kopf ist ja bekanntlich rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.

(Heiterkeit bei der SPD)

Der Sonderausschuss hat zum Thema administrative Bürokratiekosten in seiner letzten Sitzung einstimmig einen Beschluss gefasst.

(Zurufe von der CDU)

- Nein, wir können nicht die gesamten Kosten abschaffen, wir brauchen natürlich die Informationspflicht.

Wir haben das Finanzministerium und die Staatskanzlei aufgefordert, bis März anhand von Pilotprojekten in einem ersten Schritt die administrativen Kosten zu ermitteln, damit wir sie einmal beziffern und auch reduzieren können. Der Ausschuss

erhofft sich davon auch ein konkretes Ergebnis, Frau Kaiser, weil Sie eben fragten: Was kommt denn jetzt?

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Ich fragte nach dem Thema, welches wir in der heutigen Aktuellen Stunde be- handeln!)

- Wirtschaft, Konzepte entwickeln, die konsensfähig sind, das ist, glaube ich, das Thema. Man muss nur das Thema der Aktuellen Stunde lesen, dann weiß man das auch, Frau Kaiser.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Ich hatte erwartet, dass Sie es getan haben!)

- Ja, es ist gut, wenn Sie das getan haben. Dann besteht ja auch in diesem Punkt Konsens.

Der Ausschuss erhofft sich nämlich, dass wir die Anzahl der Berichts- und Informationspflichten reduzieren können. Das bezieht sich insbesondere auf kleine Unternehmen. Es sollte auch in Ihrem Interesse sein, wie ich die Rede von Herrn Christoffers verstanden habe, dass ein Formular nicht mehr über 20 Zeilen geht, sondern vielleicht auch zehn Zeilen reichen, dass man nicht mehr monatlich berichten muss, vielleicht reicht es auch einmal im Jahr.

Das wäre ein Punkt, wo wir - ich denke, hier gehen wir in die gleiche Richtung - unsere Unternehmen schnell entlasten könnten, denn das haben diese und auch die Bürger Brandenburgs wirklich verdient. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht noch einmal an die Fraktion Die Linkspartei.PDS. Der Abgeordnete Christoffers spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Willen zum Realismus, Fähigkeit zum Realismus - Herr Wirtschaftsminister, da werden wir uns treffen. Wir werden uns trotzdem weiter politisch über die besten Wege streiten, denn das halte ich für legitim.

Was die Frage Mindestlohn betrifft, möchte ich erstens klarstellen: Im Auftrag der Landesregierung hat die SOSTRA eine Einkommensanalyse im Land Brandenburg durchgeführt. Diese sagt ganz klar aus, dass in allen Landkreisen des Landes Brandenburg die durchschnittlichen Einkommen zwischen 78 und 79 % des bundesweiten Durchschnitts liegen.

Wenn wir es mit der Binnenkonjunktur ernst meinen, müssen nicht nur der psychologische Willen, der Mentalitätswechsel, der wichtig ist, sondern auch die tatsächliche Einkommenssituation und die Nachfrage für große Gruppen der Bevölkerung, zumindest hier im Osten und in den strukturschwachen Gebieten des Westens, anders gestaltet werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zweitens: Ich gehöre zu denjenigen in der PDS, die sich fast zwei Jahre lang gegen einen Mindestlohn ausgesprochen ha

ben, weil ich meine, dass die Tarifautonomie normalerweise etwas ist, was wir alle gemeinsam hochzuhalten haben. Die Realität ist aber so, dass mehr als 50 % der Unternehmen nicht mehr tarifgebunden sind. Diese Tendenz nimmt zu. Das heißt im Prinzip, dass das Tarifvertragssystem selbst durch die Realität infrage gestellt ist. Deshalb habe ich mich entschieden, die Frage Mindestlohn politisch anders zu bewerten und für einen Mindestlohn einzutreten.

Meine Damen und Herren, 1 400 Euro brutto heißt je nach Steuersystem, welches ich in Ansatz bringe, 1 000 Euro netto. Ich darf daran erinnern, dass die Pfändungsfreigrenze in Deutschland bei etwa 980 Euro liegt.

Drittens: Die PDS sagt nicht, dass übermorgen der Mindestlohn in allen Betrieben eingeführt wird. Er soll erstens schrittweise eingeführt werden, zweitens schlagen wir Kombilohnmodelle vor, gerade um dem Bereich KMU, wo die Situation besonders schwierig ist, eine Möglichkeit zu geben, existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen.

Viertens gibt es viele europäische Länder, die Mindestlöhne haben. Soweit ich weiß, fordert die SPD in ihrem Wahlprogramm ebenfalls einen Mindestlohn. Die diesbezügliche Ausgestaltung ist nicht frei. Es gibt eine europäische Regelung, die 60 % des Durchschnittsverdienstes besagt. Wenn Sie es ernst meinen, liegen wir bei der Höhe sehr eng beieinander.

Die Frage, um die es geht, ist schlicht und ergreifend, darüber zu reden, wie wir gemeinsam mit der Wirtschaft unter Beachtung der Existenzbedingungen auch im KMU-Bereich zusammen mit den Gewerkschaften in Deutschland Mindestlöhne realisieren können. Es war nicht der Untergang des Abendlandes, als in den USA Mindestlöhne eingeführt wurden und es war auch nicht der Untergang des Abendlandes, als in Frankreich Mindestlöhne eingeführt wurden. Insofern glaube ich, dass es Handlungsbedarf gibt, über den wir debattieren müssen, können und sollen, wenn es um die Frage geht, was Arbeit in Deutschland heute wert ist und wie wir seitens der Politik einen Weg eröffnen können, um diese bezahlbare Arbeit nachfragegerecht zu bezahlen.

Fünftens: Herr Minister, ich nehme Ihr Angebot dankend an. Sie sind bereit, sehr offen über die weitere Ausgestaltung des Förderkonzepts zu debattieren, bevor es zu einer Beschlussfassung kommt. Soweit mir bekannt ist, wird es dazu eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss geben. Ich hoffe sehr, dass bei dieser Anhörung, Herr Minister, möglicherweise nicht nur Aussagen, die Sie aus Ihren Gesprächen mit der Wirtschaft, die Sie unterstützen, wo Sie meinen, dass eine Einsicht vorhanden ist, ableiten, sondern auch diejenigen, die deutlich besagen, dass diese oder jene Korrekturen im Konzept notwendig sind, mindestens genauso Gehör finden. Es ist nicht so und kann auch gar nicht so sein, dass eine Wirtschaftsförderung, die sich an den Realitäten dieses Landes ausrichtet und zugleich den Anspruch aufrechterhält, sich an öffentlichen Mitteln zu fokussieren, sich zu konzentrieren, trotzdem versucht, den Eindruck zu erwecken, es wird sich eigentlich nichts ändern, weil sich möglicherweise alle einbezogen fühlen. Sie wissen, was die Diskussion ausgelöst hat, nachdem das Konzept bekannt geworden ist. Es gab eine Diskussion. Es gab einen Run darauf, jeder wollte einbezogen werden. Jeder Bürgermeister hat sich gemeldet unter der Maßgabe, er bekomme sonst vielleicht nichts mehr ab. Genau diese Diskussion ist schädlich.

Ich hoffe, dass wir uns bei der weiteren Debatte über die Zusammenführung von Infrastruktur- und Wirtschaftsförderung zur Stabilisierung von Wertschöpfung und Beschäftigung gemeinsam den Problemen im Land Brandenburg stellen können und ein umfassendes Konzept für die Entwicklung des Landes sicherstellen. In einem Punkt gebe ich Herrn Homeyer ausdrücklich Recht: Wenn Stabilität in den Rahmenbedingungen sowie bei der Dauer und in den Inhalten von Förderprogrammen nicht gegeben ist, wird es kein Vertrauen geben. Diese Aufgabe haben wir gemeinsam zu lösen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Wirtschaftsminister, gibt es weiteren Redebedarf?

(Minister Junghanns: Nein, ich verzichte!)

Im Augenblick nicht. Die CDU-Fraktion hat noch Redezeit. Der Abgeordnete Lunacek spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorneweg einige Punkte zur Mindestlohndebatte sagen. Herr Christoffers, Sie können Mindestlohn einführen, ihn gibt es in einigen europäischen Staaten auch. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder legen Sie den Mindestlohn so niedrig fest, wie es in einigen Staaten auch ist, dass er nicht wirksam ist, niedriger als ALG II zum Beispiel, dann können Sie es sich sparen. Oder Sie machen ihn höher als ALG II, sodass es für die Betroffenen wirksam werden würde, dass sie auch etwas davon spüren. Sie können sich das Ergebnis in Frankreich oder in anderen Ländern, die ihn haben, anschauen. Das Ergebnis ist, dass diejenigen, die etwas davon hätten, am Ende von den Unternehmern nicht mehr eingestellt werden, und damit diejenigen, denen Sie helfen wollten, bei der Einführung von Mindestlöhnen die Verlierer sein werden.

Schauen Sie sich an, was ein Unternehmer aus Neuenhagen ein PDS-Mitglied, er hat bei Ihnen einmal eine große Rolle gespielt und ist Ihnen auch bekannt - vor wenigen Wochen beim Unternehmerstammtisch gesagt hat. Er sagte, es gibt zwei Möglichkeiten, wenn der Staat Mindestlöhne einführt: Entweder arbeiten die Leute für das Geld, das er ihnen bezahlen kann, oder er kann sie nicht einstellen. - Genau das wird das Ergebnis Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Müller, Brandenburg ist ein attraktiver Standort, nur ist das entweder nicht so bekannt, oder - das ist meine These - wir haben doch noch ein Problem: Wir sind offensichtlich nicht attraktiv genug, sonst hätten wir nicht im letzten Quartal ein Wachstum von 0 %. Deutschland insgesamt hatte in den letzten Jahren immer Wachstumsraten um 1 % oder darunter. Das ist die Sorge, die uns zu der heutigen Aktuellen Stunde geführt hat. Wir müssen etwas tun. Wir müssen besser werden. Wir müssen besser kommunizieren und für Investoren attraktiver werden, damit wir und nicht nur die Länder um uns herum Investitionen bekommen und Arbeitsplätze schaffen.

Es ist von mehreren Rednern gesagt worden, dass die Mehr

wertsteuererhöhung ein Fehler wäre. Meine Damen und Herren, das Geld aus der Mehrwertsteuererhöhung geht durch die Senkung der Lohnnebenkosten 1 : 1 an die Menschen zurück, sowohl an die Arbeitnehmer als auch an die Unternehmer.