Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Dafür zu kämpfen bitte ich die Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs ausdrücklich. Dem Elend der Verdummung müssen wir aufrecht und mutig begegnen. Diese Dummheit zeigt sich allein schon in dem DVU-Antrag, die Entscheidung für gemeinsame Gerichte von Berlin mit Brandenburg rückgängig zu machen. So etwas ist absurd und gegen Brandenburg gerichtet.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [SPD])

Wir haben in den vergangenen Monaten deutlich gezeigt, dass wir die Straßen und Plätze nicht den rechtsradikalen Krakeelern überlassen, die Schande über unser Land bringen. Das hat Brandenburg nicht verdient.

(Widerspruch des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Ich nutze diese Gelegenheit, Sie sowie alle, die in Potsdam und Umgebung wohnen, zu bitten, am Samstag bei einer Gegendemonstration deutlich zu machen, dass wir die Straßen der Landeshauptstadt von Brandenburg nicht dem braunen Pack überlassen.

(Beifall bei SPD und PDS sowie vereinzelt bei der CDU)

Wir wollen mit einer Flut von Menschen deutlich machen, dass wir der braunen Masse etwas entgegenzusetzen haben. Wir werden zeigen, dass wir wesentlich mehr sind als diese.

(Beifall bei der SPD)

Mit unserem Bild von einem modernen, offenen und toleranten Brandenburg ist Rechtsextremismus unvereinbar. Rechtsextremisten schüren das Klima von Angst und Gewalt, sie ruinieren das Ansehen unseres Landes in Deutschland und im Ausland, sie schaden Brandenburg und seinen Bürgern. Rechtsextremismus ist unpatriotisch und unbrandenburgisch.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die Koalition wird aus diesem Grunde ihre erfolgreiche Strategie der Repression fortsetzen. Aber wir werden auf Zivilcourage setzen. Wir werden in die Schulen gehen und Jugendarbeit und politische Bildung verstärken. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss ein Anliegen aller Brandenburger sein.

Ausländern, die in ihrer Heimat von Tod und Folter bedroht sind, wollen wir helfen. Deshalb hat die Koalition die Einrichtung einer Härtefallkommission beschlossen. Diese Kommission wird vielen Menschen helfen. Ich freue mich, dass die Ministerien für Soziales und Inneres den Ball bereits aufgenommen haben und daran arbeiten, dass diese Kommission möglichst bald ins Leben gerufen werden kann. Dafür brauchen wir allerdings keine Schnellschüsse der PDS. Wir brauchen nicht über das Stöckchen zu springen, das Sie uns hinhalten. Diese Kommission wird ohnehin erst Anfang nächsten Jahres ihre Arbeit aufnehmen können. Somit werden wir deutlich machen, dass wir allein in der Lage sind, diese Härtefallkommission einzusetzen und bei ihrer Ausgestaltung tatkräftig Hand anzulegen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen Brandenburg zu einem Land der Chancen machen. Ich erwähne an dieser Stelle eine Episode der vergangenen Tage: In Premnitz wurde am Freitag der vergangenen Woche im Beisein von Bundeskanzler Schröder ein neues Werk zur Herstellung von Schutzkleidung für den weltweiten Markt eröffnet. Dadurch kommen Menschen wieder in Arbeit; das ist gut. Was mich daran aber am meisten begeistert hat, waren die Worte von Hasso von Blücher, einem gestandenen Mittelständler, der dort investiert hat. Er sagte: In Osteuropa hätte ich billigere Arbeitstkräfte bekommen, in England die gleiche Förderung. Ich habe mich für Brandenburg entschieden, weil die Menschen hier gut ausgebildet und hoch motiviert sind. - Ferner lobte er die ausgezeichnete Kooperation mit den Behörden.

Wir müssen nicht gesenkten Hauptes durch unser Land gehen. Wir müssen uns hinsichtlich CargoLifter, Lausitzring und Chipfabrik nicht irgendetwas vorwerfen lassen. Wir haben eine Bilanz aufzuweisen, die sich sehen lassen kann.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Oh! Wir sind bei der Regie- rungserklärung, nicht bei der Bilanz!)

Wir sollten weiterhin auf die Stärken unseres Landes setzen. Wir haben in unserem Land Menschen, die das leisten können. Diese Menschen, auf die auch Hasso von Blücher verwiesen hat und auf die wir alle stolz sein können, sollten wir zeigen und nicht - märkisch bescheiden - verstecken. Wir haben motivierte, engagierte und gut ausgebildete Fachkräfte. Das sind die Stärken unseres Landes.

(Beifall bei SPD und CDU)

Da dies unsere Stärken sind, sollten wir sie ausbauen. Es ist notwendig, dass wir in unsere Köpfe, in unsere Menschen investieren. Dabei sollten wir alle mitnehmen: die Koalition, aber auch eine konstruktive Opposition. Wir sollten auf alle Menschen in unserem Land sowie auf Kooperation setzen. Nur gemeinsam werden wir dieses Ziel erreichen. Wir wollen die Menschen ermutigen, mitzumachen und das Land tatsächlich mitzugestalten. Alle müssen mithelfen; wir brauchen sie alle. Wenn ich nach ganz rechts schaue, muss ich sagen: doch nicht alle. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Baaske für seinen Beitrag. - Wir setzen mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Die Abgeordnete Hesselbarth hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Herr Baaske, wer mittags „Guten Morgen“ sagt, hat die Realität verpennt.

(Beifall bei der DVU)

Mit Ihrem Herumgeschreie hier und heute werden Sie nicht einen einzigen Arbeitsplatz schaffen. - Nur so viel zu Ihrer Rede.

(Beifall bei der DVU)

Ansonsten, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es in Brandenburg nichts Neues. Von Erneuerung aus eigener Kraft kann bei dieser Regierung keine Rede sein. Lässt man dann auch noch die salbungsvollen Schönfärbereien und Plattitüden weg, auf die wir nicht näher eingehen wollen, Herr Ministerpräsident, so ergibt sich aus Ihrer Rede und aus dem Koalitionsvertrag mit Ihrem Regierungspartner Folgendes:

(Schulze [SPD]: Frau Hesselbarth, können Sie etwas an- deres als ablesen?)

Fangen wir gleich mit dem gravierendsten Problem unseres Landes, der desolaten Wirtschaftslage verbunden mit der daraus resultierenden katastrophalen Arbeitsmarktsituation, an. Wie bereits bei Ihrem Amtsantritt und wie Ihr Vorgänger zu Beginn der letzten Legislaturperiode 1999 schildern Sie die hohe und andauernde Arbeitslosigkeit in Brandenburg richtigerweise als das schwerste ökonomische und gesellschaftliche Problem unseres Landes. Doch getan hat sich trotz vollmundiger Ankündigungen seitens der alten und auch der neuen Koalition in dieser Frage seit 1999 überhaupt nichts, außer dass es landauf, landab wirtschaftlich dramatisch schlechter geworden ist. Sie wollten die Wirtschaftsförderungsprogramme an Wachstum und Innovation sowie an den Kriterien der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplatzen ausrichten. Gut gebrüllt, Löwe! Passiert ist wiederum nicht das Geringste.

Dabei ist die Stimmung in der Brandenburger Wirtschaft inzwischen so düster wie nie seit Gründung des Landes im Jahre 1990. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Cap Gemini lagen die Brandenburger Unternehmen in allen relevanten Fragen zur Wirtschaftsstimmung in der bundesdeut

schen Schlussgruppe. Die Auftragslage in naher und mittlerer Zukunft wurde von den Brandenburger Firmen - bezogen auf alle Bundesländer - am pessimistischsten eingeschätzt. Bei der Frage nach der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung lagen die Brandenburger Unternehmer auf dem vorletzten Platz und damit nur knapp vor Berlin. 42 % der befragten Brandenburger Unternehmen gaben an, dass sich ihre Auftragslage im vergangenen Halbjahr verschlechtert habe.

(Schulze [SPD]: Wo haben Sie das abgeschrieben?)

Für die nächsten sechs Monate erwarten nur 26 % der Betriebe steigende Auftragszahlen, während 34 % damit rechnen, dass das Auftragsvolumen weiter sinkt. 55 % aller in Brandenburg befragten Betriebe wollen ihre Investitionen weiter drastisch zurückfahren. Die Bereitschaft, neues Personal einzustellen hören Sie gut zu, bevor Sie bei Hartz IV wieder Hurra schreien! -, liegt in Brandenburger Betrieben nahezu bei null. 44 % der befragten Betriebe gehen für die nächste Zukunft stattdessen von einem Personalabbau aus. Generell erwarten 66 % der Unternehmer, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigen wird.

Dazu passt, dass das angesehene Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung Ende September die Förderpolitik in Brandenburg wie in den neuen Bundesländern allgemein als völlig verfehlt bezeichnete. Insbesondere wurde kritisiert, dass sich der Staat zum Konkurrenten der Privatwirtschaft gemacht und damit gerade kleine und mittelständische Betriebe in den Ruin getrieben habe. Ich bin gespannt, was die Wirtschaftsforscher erst sagen werden, wenn hier in Brandenburg Land und Kommunen mit 1-Euro-Dumpingjobs in Konkurrenz zu den wenigen noch verbliebenen Mittelständlern treten.

Wir als Oppositionsfraktion wollen Ihnen durchaus zugestehen, dass Politik auch dazu da ist, Optimismus zu verbreiten, weshalb beispielsweise der letzte Jahreswirtschaftsbericht ein durchschnittliches Wachstum von 0,6 % - errechnet aus dem Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2003 - auswies. Dennoch gilt auch hier das Sprichwort: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!

(Schulze [SPD]: Wenn Sie jetzt noch wüssten, von wem das stammt!)

Ohne solche Schönfärbereien hätte man die triste Botschaft verkünden müssen: Seit 2001 schrumpft die brandenburgische Wirtschaft kontinuierlich.

Wer die Hoffnung hegte, dass 2004 noch eine Trendwende hätte bringen können, muss wohl, nachdem er die erwähnte Firmenumfrage von Ende September verfolgt hat, seine Meinung kräftigst korrigieren. Viel zu wenige Aufträge, gekürzte Investitionen, keine neuen Arbeitsplätze - ein hoffnungsvoller Ausblick sieht wohl anders aus.

Allem Geschwätz über die doch so hohe Selbstständigenquote und die tollen Zuwachsraten der Industrie zum Trotz - Brandenburg fehlt es an ökonomischer Substanz. Nach 14 Jahren roter bzw. rot-schwarzer Pleiten-Pech-und-Pannen-Politik mit den gescheiterten bekannten Großprojekten hat sich in dieser Landesregierung und bei der Verwaltung eine Haltung breit gemacht, die da heißt, am besten überhaupt keine Investitionen mehr anzufassen. Dabei müsste das Gegenteil geschehen.

Brandenburg braucht eine weltweite Investorensuche für Projekte, an die sich der verbliebene heimische Mittelstand ankoppeln kann.

(Beifall bei der DVU)

Aber insbesondere braucht dieses Land eine Mittelstands- und Mittelstandsprojektförderung, die diesen Namen auch verdient. Doch hier ist bei Ihnen absolute Fehlanzeige. Gefördert werden sollen nur noch so genannte zukunftsfähige Clusterstrukturen,

(Schulze [SPD]: Wenn man jetzt noch wüsste, was ein Cluster ist!)

insbesondere in den Bereichen Biotechnologie, Energiewirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Medien sowie Schienenverkehrstechnik, Branchen also, in denen entweder Großkonzerne oder spezielle mittelständische Hochtechnologiefirmen tätig sind, die aber, auf das Land bezogen, lediglich sehr geringe Wirtschaftssegmente ausmachen.

In der Regierungserklärung Ihres Vorgängers Dr. Stolpe war noch die Rede von Handwerksförderung, GA-Mitteln für Existenzgründungen, einer landesweiten Ansiedlungspolitik für potenzielle Investoren, Liquiditätssicherung und Konsolidierung und nicht zuletzt Existenzsicherung für die heimische Bauwirtschaft. Sie dagegen, Herr Platzeck, reden vom Mittelstand als Rückgrat der Brandenburger Wirtschaft und würgen diese gleichzeitig durch Ihre Förderpolitik ab. Gefördert wird nur noch, was in ein utopisches Hochtechnologiekonzept der Landesregierung, insbesondere im Speckgürtel rund um Berlin, passt. Der Rest des Landes kann dann wohl ökonomisch endgültig veröden.

Dass angesichts der Haushaltspleite in Zukunft die Förderprogramme von Zuschüssen zunehmend auf zinsverbilligte Darlehen plus Risikokapital aus den EU-Strukturfonds umgestellt werden sollen, schlägt dem ökonomischen Fass sozusagen den Boden aus. Genauso gut können Sie die Wirtschaftsförderpolitik des Landes komplett einstellen; denn um beispielsweise KfW-Kredite der bundeseigenen Mittelstandsbank in Berlin via Hausbankprinzip zu bekommen, bedarf es wirklich keiner Landesförderung mehr. Wenn die ILB in Zukunft ähnlich arbeiten soll, macht sie sich buchstäblich selbst als Förderinstrument überflüssig. Dass in solchen Fällen von Antragstellern jedoch Sicherheiten gestellt werden müssen, die in diesem Land fast kein Mittelständler sein Eigen nennt, und dass sich die Antragsteller den bei Privatbanken üblichen Ratingprinzipien unterwerfen müssen, dürfte Ihnen ja wohl auch bekannt sein.

Bevor ich zu einem anderen Thema Ihrer Regierungserklärung komme, möchte ich Ihnen sagen: Ich finde es bemerkenswert, dass Sie die Entbürokratisierung und Deregulierung in der Wirtschaftsbürokratie sowie schnelle Gerichtsverfahren einführen wollen. Danke, dass Sie das Kapitel „Entbürokratisierung, vereinfachte Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren“ unserer Wirtschaftsbroschüre „Quo vadis Brandenburg“ so aufmerksam gelesen haben.

(Beifall bei der DVU - Gelächter des Abgeordneten Schul- ze [SPD])

Dass Ihnen aber zum Thema „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ bei knapp 250 000 Arbeitslosen in Brandenburg, davon

fast die Hälfte Langzeitarbeitslose, nichts anderes einfällt, als auf Hartz IV zu verweisen, halten wir als DVU-Fraktion für fatal. Ihr seit 1999 alle Jahre wieder gegebenes Versprechen, dass jeder Brandenburger Schulabgänger im Land einen Ausbildungsplatz erhalten soll, konnten Sie bekanntlich noch nie einhalten. Der Ausbildungspakt zwischen Bundesregierung und Wirtschaft und die Brandenburger Antwort darauf, der so genannte Brandenburger Ausbildungskonsens, sollten bekanntlich den Lehrstellenmangel bekämpfen. So waren durchaus viele Unternehmen in Brandenburg bereit, neue Ausbildungsplätze bereitzustellen. Doch reichen auch in diesem Jahr die betrieblichen Ausbildungsplätze nicht im Geringsten für alle Jugendlichen. Bei der klein strukturierten Brandenburger Wirtschaft wundert das nicht. Die Mehrzahl der kleinen Unternehmen konnte oft nur noch ein oder zwei neue Ausbildungsplätze schaffen.

Die geringe Wirtschaftskraft der Firmen schlägt ungebremst auf den Lehrstellenmarkt durch und beschert den Schulabgängern die bekannten Probleme. Schon jetzt lassen sich die mobilsten von ihnen von wesentlich attraktiveren Ausbildungsangeboten westdeutscher Firmen locken. Die Abwanderung des Arbeitnehmernachwuchses in die Altbundesländer wird zunehmen. Die Folgen sind absehbar. Brandenburger Arbeitgeber werden in einigen Jahren nur noch auf die selbst ausgebildeten Arbeitnehmer zurückgreifen können, die jedoch immer älter werden. Qualifizierte Schulabgänger, Auszubildende sowie Arbeitnehmer werden verstärkt in den Westen ziehen und Brandenburg wird demographisch weiter ausgedünnt werden.

Bereits heute leben in Brandenburg pro Quadratkilometer nur 88 Menschen. Brandenburg hat damit nach Mecklenburg-Vorpommern die geringste Bevölkerungsdichte unter allen Bundesländern. Würde man diese Größe noch um die alljährliche Bevölkerungszunahme im Speckgürtel rund um Berlin bereinigen, käme man auf die Bevölkerungsdichte eines Entwicklungslandes.