Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Ja, Herr Senftleben, das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen uns. Sie wollen, dass die Schüler geeignet sind für die Schulen, wir wollen geeignete Schulen für die Schüler.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

So wichtig es ist, so viele Gymnasien wie möglich zu erhalten, so wichtig ist es auch, Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe eine echte und faire Chance zu geben. Außerdem haben auch die Schüler, die kein Abitur ablegen wollen, ein Recht auf qualitativ hochwerte Bildung. Das Land braucht nicht nur eine kleine Elite, sondern in der Breite junge Leute, die über eine gute Ausbildungs- und Studierfähigkeit verfügen.

Wir erwarten von dem Konzept der Landesregierung, dass es Wege aufzeigt, wie weitere Schulschließungen verhindert werden können, wie Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe erhalten bzw. ausgebaut werden können, wie die Durchlässigkeit von der Oberschule zur Gesamtschule oder zu Gymnasien gewährleistet wird oder wie die Qualität des Unterrichts insge

samt, und zwar an allen Brandenburger Schulen und für alle Kinder, verbessert werden kann.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Recht herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Senftleben das Wort. Er spricht für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird zu Recht immer wieder betont, dass Bildung der Rohstoff der Zukunft ist, und es wird auch zu Recht darauf hingewiesen, dass Bildung die Grundlage für jedes einzelne Entwicklungsstadium eines Menschen ist. Es geht also im Kern, meine lieben Kollegen von der PDS, um Leistung und Qualität, es geht aber bei der Flächenstruktur im Land Brandenburg auch um eine Angebotsstruktur, die mit Sicherheit für Bildungserfolg ebenfalls notwendig ist. Diese Struktur im Bildungsbereich ist derzeit sehr vielen Schwierigkeiten ausgesetzt. Allein die Rahmenbedingungen sind nicht einfach und so nicht vorhersehbar gewesen, wie das manche heute darstellen wollen.

Wir werden im Jahr 2011 im berlinfernen Raum 60 % weniger Schüler haben als zu Beginn der 90er Jahre. Im berlinnahen Raum, dort, wo noch Zuwachs ist, werden es im Jahr 2011 auch 30 % weniger Schüler sein. Für den Bereich der gymnasialen Oberstufe, den wir mit dem heutigen Antrag behandeln, hat das Konsequenzen in einer Form, die dramatisch ist.

Wenn wir im Jahr 2005 noch ungefähr 15 000 Schülern das Abitur in Brandenburg ermöglichen konnten, werden es im Jahr 2010/2011 noch ca. 5 500 Schüler sein. Das ist eine dramatische Veränderung, die in Bezug auf die Schulstandorte mit Sicherheit nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Deswegen geht es darum, Antworten zu finden. Dass wir, da wir ein Flächenland sind, wohnortnahe Bildungsmöglichkeiten anbieten müssen, ist, denke ich, jedem von uns klar. Wir haben im aktuellen Schuljahr noch ungefähr 95 Gymnasien, wir brauchen langfristig ein stabiles Netz von 70 bis 75 Gymnasien. Es geht auch darum, diese Zahl in Zeiten sinkender Schülerzahlen zu sichern.

Die Koalition beauftragt das Ministerium heute mit dem vorliegenden Antrag, erstens ein Konzept...

Herr Abgeordneter, es gibt eine Nachfrage. Wollen Sie die beantworten?

... zur Sicherung von Standorten im Land Brandenburg vorzulegen. Es geht zweitens darum, die Entwicklungslage vor Ort zu berücksichtigen und gleichzeitig dabei Oberschulen als wichtiges Glied mit einzubeziehen.

- Ja, bitte.

Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Senftleben, ich bin auch auf der Suche nach Antworten. Sie haben in Ihrem Antrag verschiedene Kriterien formuliert, die erfüllt sein müssen, um Schulstandorte zu sichern. Erstens haben Sie den ländlichen Raum genannt, zweitens die Erreichbarkeit in zumutbarer Entfernung. Uns würde interessieren: Was meinen Sie damit? Vielleicht können Sie das näher ausführen.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Was ist zumutbar?)

Ich wäre auf den Punkt noch gekommen. Die Kollegin hat vorhin darauf hingewiesen, dass Sie als PDS andauernd Änderungsanträge eingereicht hätten, angeblich sogar zu Punkten, die man nachvollziehen kann. Es gibt aber eine Bildungskommission Berlin-Brandenburg mit einem dicken Paket an Lösungsvorschlägen. In der Kommission waren Sie als PDS auch vertreten, übrigens auch Gewerkschaften, die bei Ihnen immer mit am Tisch sitzen dürfen. Im Bildungsbericht der Kommission steht eindeutig, dass es abgelehnt wird, eine unter zweizügige Schulmöglichkeit anzubieten. In diesem Bericht steht ganz klar: Wir brauchen für den Bereich der Oberschulen und für den Bereich der Gymnasien im Land Brandenburg eine klare Zweizügigkeit, egal ob in der Fläche oder in den Großstädten. Das ist das Ergebnis des Berichts, den die Experten auf den Tisch gelegt haben. Deswegen ist die Frage von Ihnen nach ständigen regionalpolitischen Vereinfachungen mit Sicherheit nicht der richtige Ansatz.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Was ist zumut- bar?)

Der andere Punkt ist die Frage: Was ist zumutbar? In dem Bericht steht: Zumutbarkeit besteht bei einer ungefähren Zeit von 60 bis 70 Minuten für die Zufahrtsmöglichkeit vom Wohnort zur Schule.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Haben Sie Kinder?)

Das ist in diesem Bildungsbericht so festgelegt, es gibt keine gesetzliche Festlegung.

Frau Kollegin, wir haben mit Sicherheit noch über einiges zu sprechen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In der Schulgesetznovelle werden wir als Schwerpunkt das Abitur nach 12 Jahren einführen. Wir haben damit die Chance, durch inhaltliche Veränderungen, nicht durch strukturelle, die Leistungs- und Qualitätskriterien für Bildung zu erhöhen. Aus Sicht der CDU-Fraktion bietet sich die Chance nicht nur über einen...

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Frage?

Frau Präsidentin, ich werde ständig in meinen Kernargumenten unterbrochen, aber ich bin gern bereit, noch eine Zwischenfrage zuzulassen.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Domres.

Herr Kollege Sentleben, Sie haben eben zum Thema Zumutbarkeit gesprochen. Meinen Sie mit 60 Minuten die Hinfahrt oder Hin- und Rückfahrt?

Ich sprach davon, dass in diesem Bildungsbericht der Kommission, an dem sehr viele Experten mitgearbeitet haben - ich übrigens damals nicht, aber Kollegen Ihrer Fraktion -, steht, dass eine Strecke vom Wohnort bis zur Schule 60 bis 70 Minuten betragen kann. Wir können das gern nachlesen. Ich weiß nicht, wer von Ihrer Fraktion am Bericht mitgearbeitet hat. Darin ist dies festgeschrieben worden.

Ich sage es noch einmal, auch für diejenigen, die es noch nicht verstanden haben: Es ist klar formuliert worden, dass eine Zweizügigkeit als Qualitäts- und Leistungskriterium Berücksichtigung finden sollte und Vereinfachungen und Veränderungen in diesem Bereich nicht sinnvoll sind. Das Buch „Bildungskommission Berlin-Brandenburg“ können Sie gerne beim Minister für Bildung, Jugend und Sport zum Nachlesen Ihrer eigenen Argumente, die Sie damals mit eingebracht haben, bestellen.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS)

Würden Sie auch noch eine Frage von Frau Osten beantworten?

Natürlich.

Bitte schön.

Herr Senftleben, da Sie den Bericht genau studiert haben, können Sie sich daran erinnern, gelesen zu haben, dass der Vertreter oder die Vertreterin der PDS-Fraktion dem Bericht nicht zugestimmt und sogar ein Minderheitenvotum eingebracht hat?

Es gibt in diesem Bericht Beschlüsse, die sozusagen nicht an der PDS gescheitert sind, die mit den PDS-Stimmen eingebracht wurden und beschlossen worden sind, es gibt andere, die nicht beschlossen worden sind, das mag wohl sein. Aber auch

Sie als PDS müssen anerkennen, dass Sie nicht das Land Brandenburg sind, sondern dass das Land Brandenburg größer ist als die PDS. Es gibt viele Experten im Bildungsbereich, die Ihre Meinung nicht teilen. Auch diese müssen berücksichtigt werden, nicht die Auffassung, die Sie in der PDS herumtragen.

(Frau Osten [Die Linkspartei.PDS]: Sie haben das gerade gesagt! - Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Sie tragen Scheuklappen!)

- Danke schön, Frau Kollegin. Das kann man mit Sicherheit im Protokoll nachlesen.

Ich war gerade dabei zu versuchen, unsere inhaltlichen Vorstellungen vom Abitur in Brandenburg darzustellen. Ich will da noch einmal ansetzen. Wir werden in Brandenburg das Regelabitur nach 12 Jahren anbieten. Das hat mit Sicherheit Konsequenzen. Wir können kein Schuljahr einsparen, ohne im Zusammenhang damit als zweiten Schritt von Klasse 5 bis Klasse 12 die Unterrichtszeiten zu erhöhen. Wir müssen in diesem Bereich alle Schüler durch eine erhöhte Stundenzahl stärken.

Wir wollen zum Zweiten eine Forderung aus der Wirtschaft und aus dem Bereich der Hochschulen aufgreifen: Wir brauchen eine Stärkung der Kompetenzen in den Kernfächern. Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen sind hier mit Sicherheit zu erwähnen. Wir wollen drittens, weil Experten aus dem Bereich der Gymnasien immer wieder sagen, dass die Freistunden zur Verlängerung der Unterrichtszeiten beitragen, durch eine geringere Abwahlmöglichkeit, also festere Klassenstrukturen, festere Stundentafeln erreichen, dass der Schulalltag nicht künstlich verlängert wird.

Wir haben auf der Tagung der Gymnasialschulleiter am vergangenen Freitag in Potsdam darüber gesprochen. Sie haben Vorstellungen entwickelt und werden es auch weiterhin tun und diese im Land Brandenburg vorstellen.

Es geht im Kern darum, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden, im gesamten Land Brandenburg nach Begabungen und Fähigkeiten der Schüler Bildung anzubieten. Dazu gehören mit Sicherheit auch Gymnasien oder die gymnasiale Oberstufe insgesamt im Bereich der Oberstufenzentren, aber auch in anderen Formen, die wir im Land Brandenburg haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Senftleben. - Jetzt erhält die Abgeordnete Fechner das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegen der SPD- und der CDU-Fraktion halten es für notwendig, ein tragfähiges und leistungsfähiges Schulkonzept zu entwickeln. So geht es jedenfalls aus der Begründung zu diesem Antrag hervor. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass die von der SPD und der CDU getragene Landesregierung nicht über ein tragfähiges und leistungsfähiges Schulkonzept verfügt. Sonst müsste sie ja nicht extra eins entwickeln. Das ist keine Überraschung, denn es ist allgemein bekannt, dass diese Landes

regierung seit Jahren zum immer größer werdenden Nachteil aller Brandenburger konzeptionslos vor sich hinwurstelt.

Die Überraschung liegt für mich darin, dass es endlich auch die Regierungsfraktionen in diesem Hohen Hause begriffen haben. Ich kann mich noch erinnern, dass uns bei der Einführung der Oberschulen erzählt wurde, es liege nun endlich ein tragfähiges und leistungsfähiges Konzept vor, um mit den sinkenden Schülerzahlen und den immer weiteren Schulwegen fertig zu werden. Unsere Kritik damals war wohl nicht ganz unbegründet. Es reicht als Problemlösung nicht aus, dem Kind einen neuen Namen zu verpassen, die grundlegenden Probleme aber zu ignorieren.

Es kann mir heute auch niemand erzählen, man hätte damals noch nicht gewusst, wie stark die Schülerzahlen absinken würden. Es ist aber schön, dass sich die Verantwortlichen ihre Unfähigkeit eingestehen und jetzt versuchen, endlich ernsthaft die Probleme, die sie in den vergangenen Jahren verursacht haben, anzupacken. Wenn sie wirklich daran interessiert sind, Schulstandorte zu erhalten, und zwar nicht nur solche mit gymnasialer Oberstufe, wäre es doch wirklich das Einfachste, sie schlössen sich den bereits vor geraumer Zeit eingereichten Forderungen meiner DVU-Fraktion an.