„Der Regierungsentwurf des Gesetzentwurfs zum Bürokratieabbau stößt bei der Linkspartei-Opposition auf massive Kritik. Aber anders als die DVU-Fraktion, die durch ihr Veto gestern im Landtagspräsidium die für Donnerstag geplante 1. Lesung im Plenum verhinderte, wollte die PDS eine zügige Behandlung dieses Entwurfs.“
Der vor uns liegende Gesetzentwurf ist eine gesetzgeberische Meisterleistung, gestrickt mit heißer Nadel und dennoch eiskalt serviert. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die meisten Punkte dieses Gesetzentwurfs nur wenig mit echtem Bürokratieabbau zu tun haben.
Positiv ist allerdings zu erwähnen, dass es in Brandenburg insgesamt acht Modellregionen, einschließlich einer Experimentierklausel, geben wird.
Die Bezeichnung Bürokratieabbaugesetz lässt deutlich aufhorchen. Man darf jedoch nicht erwarten, dass in diesem Gesetzentwurf drin ist, was darauf steht. Handelt es sich etwa um Bürokratieabbau, wenn aufgeblasene Gesetzestexte um einige Füllworte gekürzt werden? Verdient es wirklich den Namen Verwaltungsvereinfachung, die Überschriften einzelner Paragraphen zu ändern? Ist es nicht geradezu hanebüchen, in eine Bauordnung einzugreifen, die gerade Gegenstand eines teueren Evaluationsprogramms ist? Wir alle wissen, dass im Jahre 2007 eine neue Bauordnung kommen wird.
Im Bereich der Landwirtschaft sind 17 von insgesamt 72 Änderungen echter Bürokratieabbau. Oder nehmen wir Artikel 14 des Tierseuchengesetzes. Das Agrarministerium und das Umweltministerium sind schon lange zusammengelegt worden. Das sind also reine Luftbuchungen.
In diese Logik passt es, dass der Sonderausschuss, der zum Abbau von Normen und Standards eingerichtet wurde, am Zustandekommen des Bürokratieabbaugesetzes kaum beteiligt war.
Auch die kommunalen Spitzenverbände haben sich im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs Gedanken gemacht und Vorschläge unterbreitet. Aber kaum einer dieser Vorschläge ist in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, obwohl diese Damen und Herren dichter an der Basis sind und genau wissen, wo bei den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Er ist weitgehend substanzlos und bleibt weit hinter dem ursprünglichen hohen Ziel des Bürokratieabbaus zurück. Er mag dem weiteren Abbau des Landes vielleicht dienen, aber nicht dem Abbau von Bürokratie, wie es die Landesregierung verspricht. Das ist Augenwischerei. Das ist mit unserer Fraktion nicht zu machen. Wir lehnen es ab, den Bürgerinnen und Bürgern Brandenburgs etwas vorzugaukeln. Das muss die Landesregierung allein tun und politisch verantworten.
Die politische Aufrichtigkeit gebietet es, meine Damen und Herren hier im Hause und auf der Regierungsbank, den Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Fassung abzulehnen. Einer Überweisung an die Ausschüsse und an den Sonderausschuss für Bürokratieabbau stimmen wir natürlich zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Recht herzlichen Dank. - Jetzt spricht Herr Abgeordneter Dombrowski für die CDU-Fraktion. Während er zum Rednerpult geht, begrüße ich ganz herzlich die Senioren aus Altlandsberg. Seien Sie herzlich bei uns willkommen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat in den bisherigen Redebeiträgen zwar Zuspruch, aber wenig Lob bekommen. Ich möchte das umkehren und das Lob an den Anfang meiner Rede stellen. Die Landesregierung hat sich bemüht und die Ergebnisse werden mit den weiteren Gesetzen, die folgen werden, sicherlich noch besser werden.
Ich möchte klarstellen, dass die Erwartungen, die mit dem Schlagwort Bürokratieabbau verbunden sind, sehr hoch sind. Die Öffentlichkeit erwartet den großen Wurf oder einen echten Durchbruch. Wir müssen jedoch etwas kleinere Brötchen backen und Realisten bleiben. Es kann nur Schritt für Schritt gehen. Nach meinen Erfahrungen auch im Sonderausschuss ist es ein schwieriger, fortdauernder und arbeitsintensiver Prozess, mit dem wir Schritt für Schritt weiterkommen werden.
Der Chef der Staatskanzlei hat bereits die drei Oberbegriffe des Bürokratieabbaugesetzes vorgestellt. Bei den Modellregionen hätte ich mir mehr vorstellen können, aber es ist eben ein offener Prozess, in den sich weitere Gebietskörperschaften eingliedern können. Die Erfahrungen und die hoffentlich erfolgreichen Ergebnisse werden dann eine landesweite Umsetzung finden.
Ich möchte einige wenige Beispiele aus diesem Bereich herausgreifen: Neben konkret festgeschriebenen Erprobungen sind die selbstständige Bewirtschaftung von Stellen, Personal
und Sachmitteln durch die Schulen oder die Übertragung von Zuständigkeiten bezüglich abweichender Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen an örtliche Ordnungsbehörden und eine allgemeine Experimentierklausel zur Flexibilisierung landesrechtlicher Standards verankert.
Bei diesem Projekt sollte man sich über eines klar sein: Das ganze Land Brandenburg benötigt Erleichterungen und damit eine Reduzierung von Normen und Standards.
Unter der Rubrik „Erleichterung durch Wegfall von Vorschriften“ werden schwerpunktmäßig Änderungen bei Infrastruktur und Raumordnung sowie ländliche Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz avisiert. Im Baurecht betrifft dies Gebührensenkungen und Zeitersparnis durch den Wegfall von Verfahrensschritten, die Genehmigungsfreiheit bei Warenautomaten oder die Bauvorlageberechtigung, die künftig durch die Kammern geregelt werden kann. Außerdem können Befugnisse zur Aufstellung von Verkehrsschildern von den Kreisen auf Ämter und Gemeinden übertragen werden. Das Fischereigesetz ist hier schon erwähnt worden. Von dieser Änderung werden viele Bürger sicherlich am ehesten etwas merken. Nebenbei frage ich: Warum soll man eigentlich einen Führerschein auf Lebenszeit erhalten, einen Angelschein aber alle fünf Jahre erneuern müssen?
Im Naturschutzgesetz entfällt beispielsweise die Genehmigungspflicht für Tiergehege. Im Immissionsschutzgesetz werden die Öffnungszeiten für die Außengastronomie etwas gelockert, wenngleich das, wie wir heute gehört haben, für aktuelle Ereignisse nicht so ganz wirksam werden wird, wie wir uns das vorgestellt haben.
Einige Anmerkungen zum dritten Bereich, der Aufhebung von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Hier werden entbehrliche und überflüssige Regelungen gestrichen und somit neue Handlungsspielräume eröffnet. Natürlich entfallen noch nicht alle überflüssigen Regelungen, aber das wird kommen. Nach dem Wegfall des Vergnügungssteuergesetzes können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie eine Vergnügungssteuer erheben. Auch beim Abfallgesetz werden Vollzugsaufgaben auf die Kommunen, also auf die Gebietskörperschaften, übertragen.
Wegfallen werden im Übrigen die bisher vorgeschriebene Behördenerlaubnis für Haus- und Straßensammlungen - dies betrifft einen Teil des gesellschaftlichen Bereichs - sowie die Gebrauchtwarenverordnung, die aus unserer Sicht völlig überflüssig gewesen ist.
Wie ist dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht zu bewerten? - Es gibt Vorschriften, welche für geregelte Abläufe und das Funktionieren des Staates zweifellos unerlässlich sind. Es gibt aber auch solche Vorschriften, deren Notwendigkeit hinterfragt und deren Existenzberechtigung diskutiert werden kann.
Diese Abwägung ist ein schwieriger Prozess und führt stets zu der zentralen Frage - sollte jedenfalls dazu führen -: Müssen wir diese Aufgabe wirklich wahrnehmen? - Dabei kann es bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Wirksamkeit nicht darum gehen, dass man mit „Argumenten“ abwehrt wie: Diese Regelung gibt es schon lange. Sie war uns einmal sehr wichtig. Diese Regelung stammt von diesem oder jenen, da können wir jetzt nicht heran.
Diese Dinge überzeugen mich überhaupt nicht, denn wir als Politiker verlangen auch von den Bürgerinnen und Bürgern bzw. von den Krankenkassen, zum Beispiel in der Arzneimittelversorgung, dass nachgewiesen werden muss: Wirkt dieses Medikament überhaupt, und wirkt es so, wie angegeben? Gibt es ein anderes Mittel, das genauso wirkt und vielleicht günstiger ist? - Was wir dort voller Überzeugung vertreten, sollten wir auch als Maßstab an unser eigenes Handeln und an das Handeln der Verwaltung anlegen.
Schließlich, meine Damen und Herren, gibt es auch Vorschriften, die man kaum kennt bzw. deren Existenz ohne spürbare Außenwirkungen ist. Das Bürokratieabbaugesetz widmet sich im Moment jedenfalls - vorrangig dieser letzten Kategorie, denn man wird eingesehen müssen, dass die Maßnahmen in der Praxis wohl nicht als die großen, entscheidenden Entlastungen empfunden werden können.
Bemerkenswert ist allerdings - darauf möchte ich sehr deutlich hinweisen -, dass sich selbst bei diesen ersten moderaten und kleinen Schritten zum Teil bereits heftige Widerstände und Einwände abgezeichnet haben. Es genügt leider nicht, eindeutige Vereinfachungspotenziale zu erkennen, obwohl wir im Ländervergleich doch vieles überreguliert haben. Vorbehalte und Besitzstände führen vielmehr dazu, dass alle Eventualitäten und Detailfragen erörtert und langwierig diskutiert werden. So zum Beispiel auch das Vorkaufsrecht - um ein Beispiel zu nennen im Naturschutzgesetz. Wenn wir aufgrund Kleiner Anfragen feststellen, dass bei 14 000 Kaufverträgen in einem Jahr nur 14-mal vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht wurde und in einem anderen Jahr bei 12 000 Verkaufsvorgängen nur zweimal, dann muss man sich wirklich fragen, ob hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Ich will damit sagen: Wir müssen uns jeder einzelnen Regelung, die wir betrachten, ohne Vorurteile nähern und uns nicht zuallererst fragen, wer sich aufregt, wenn wir da herangehen.
Beim Bürokratieabbau ist es so wie beim Subventionsabbau: Alle wollen ihn, nur nicht bei sich selbst und nicht an konkreten Sachverhalten.
Aber auch die einzelnen Maßnahmen des in Rede stehenden Gesetzentwurfs müssen während der parlamentarischen Beratung sorgfältig geprüft werden, denn es gibt meines Erachtens durchaus einige kritische Punkte. Lassen Sie mich dafür drei Beispiele nennen.
In Artikel 2 Nr. 10 des Bürokratieabbaugesetzes ist eine ersatzlose Streichung der zweijährigen Verlängerungsmöglichkeit für Baugenehmigungen vorgesehen. Damit müsste nach Ablauf der Gültigkeit ein komplett neuer Bauantrag gestellt werden, der mit vollen Verfahrenskosten verbunden wäre. Ich wage zu bezweifeln, dass dies bei den Bürgern als Verbesserung empfunden werden kann.
Ein weiteres Beispiel, die Aufhebung der Anlage zum Brandenburger Abfallgesetz. Wer sich daran erinnert: Als wir die Stichtagsregelung verändert haben, haben wir das mit der Auf
lage getan, sicherzustellen, dass nur die Deponien vor dem bestimmten Stichtag in die Kalkulation eingerechnet werden, die bis zu diesem Tag wirklich bekannt waren und bewirtschaftet wurden. Von daher hatte dieser Anhang, in dem diese Deponien aufgeführt wurden, nur zum Ziel, Rechtsklarheit zu schaffen und klar abzugrenzen, welche Kosten umgelegt werden können. Wenn das mit gestrichen werden soll, dann findet das nicht unsere Zustimmung.
Ein drittes Beispiel noch, die Übertragung der Zuständigkeiten im Rahmen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung auf die Städte und Gemeinden. Nach dem Gesetzentwurf ist die Übertragung abhängig davon, ob die Landkreise dies tun wollen. Das halten wir nicht für ausreichend und wissen auch aus dem Sonderausschuss aufgrund der Berichterstattung aus dem MIR, dass daran gedacht ist, im Wege der Rechtsverordnung nur die Zuständigkeiten für den ruhenden Verkehr, also Parkplatzbeschilderungen usw., an die Kommunen zu übertragen. Dies ist eindeutig zu wenig, jedenfalls nach unserer Meinung.
Ein Ausblick noch zum Schluss. Der Gesetzentwurf konnte nicht der große Wurf sein. Es wäre schöner, wenn es anders wäre. Aber wir wollen bescheiden sein, und wir wollen diesen Weg wirklich ernsthaft angehen. Wir möchten vor allem nicht die Erwartung wecken, dass mit einem Gesetzentwurf von einem Tag auf den anderen alles anders wird. Bürokratie wird es immer geben. Wir wollen aber eingrenzen, überprüfen, was sinnvoll und notwendig ist, und wir wollen vor allen Dingen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den öffentlichen Verwaltungen, die damit umgehen, Mut machen, selbst zu entscheiden und im Sinne von Bürgern und Wirtschaft ihre Ermessensspielräume wirklich auszunutzen und sich nicht an Verordnungen gekettet zu fühlen. Das ist der Appell. Hier muss ein Umdenken stattfinden und da, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nehme ich uns als Abgeordnete ausdrücklich nicht aus, denn einiges an Diskussionshintergründen, die ich zitiert habe, stammt auch aus dem parlamentarischen Raum. - Vielen Dank und viel Erfolg allen Mitwirkenden.
Recht herzlichen Dank, Herr Dombrowski. - Es wäre schön, wenn die Redner deutlich machen würden, dass sie die rote Lampe, die aufleuchtet, um das Ende der Redezeit zu signalisieren, auch sehen.
Es hat der Chef der Staatskanzlei noch einmal um das Wort gebeten. Herr Staatssekretär Appel, bitte sehr!
Frau Mächtig, ich bedauere sehr, dass Sie durch den Gesetzentwurf nicht zufrieden gestellt sind. Ein paar Anmerkungen möchte ich dazu noch machen.
Sie haben gesagt, wir änderten hiermit Gesetze, obwohl sowieso Gesetzesänderungen anstünden, und haben die Bauordnung und das Schulgesetz zitiert. Dazu sage ich zunächst einmal: Warum denn eigentlich nicht, wenn es inhaltlich klar und die
Regelung inhaltlich sinnvoll ist? Warum sollen wir es nicht jetzt machen, wenn wir es wissen? Warum sollen wir dann warten?
Der zweite Punkt: Sie haben zur Rechtsbereinigung gesagt, Jäger und Sammler aus den Ressorts hätten sich auf den Weg gemacht, um zu entrümpeln. Ich sage: Ja, warum denn eigentlich nicht, wenn wir die Gesetze damit übersichtlicher, überschaubarer und besser machen?
- Natürlich, Frau Mächtig, hätte es mehr sein können. Mehr kann es immer sein. Aber wir haben eine einheitliche Linie für die Landesregierung herzustellen. Wir können Ihnen ja keine Alternativen zum Aussuchen präsentieren, bei denen Sie dann ankreuzen, was Ihnen am besten gefällt. Das heißt, es war ein anstrengender Abstimmungsprozess innerhalb der Landesregierung, der das vorliegende Ergebnis gezeitigt hat.