Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Vielen Dank, Frau Hartfelder. - Frau Abgeordnete Fechner, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie die Berliner und Brandenburger zusammenarbeiten. Ganz besonders gut scheint die Zusammenarbeit bei den Genossen zu funktionieren.

Anfang des Jahres stand auf der Tagesordnung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport des Berliner Abgeordnetenhauses der Antrag der Linkspartei.PDS „Qualifizierter Schwimmunterricht für Berliner Schüler - Analyse des Iststandes und Möglichkeiten für seine Verbesserung“.

Wir reden hier im Brandenburger Landtag nicht über Vorgänge aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. In diesem hohen Hause wird auch niemand behaupten wollen, dass irgendeine Fraktion Anträge von außen zugefaxt bekommt. Nein, diesen Eindruck haben wir nicht. Wir reden heute über den Antrag der Brandenburger Linkspartei.PDS „Schulschwimmen im Land Brandenburg“.

Warum dieser Antrag nicht in den zuständigen Ausschuss eingebracht wurde, wie das in Berlin geschehen ist, sondern hier im Plenum, erschließt sich mir nicht ganz. Wahrscheinlich hinken die Genossen bei der Planerfüllung hinsichtlich der Anzahl der Anträge tüchtig hinterher.

Ziel des vorliegenden Antrags ist es, dass die Landesregierung dem Landtag bis zum 1. Oktober eine Analyse des Iststandes des qualifizierten Schwimmunterrichts vorlegt. Gegebenenfalls soll die Landesregierung Möglichkeiten zu dessen Verbesserung darstellen.

Die Antragsteller hätten das geforderte Zahlenmaterial aber auch mithilfe einer Kleinen Anfrage erfragen können. Vorlage dafür hätte zum Beispiel meine Kleine Anfrage in Drucksache 4/835 sein können, in der ich die Landesregierung unter anderem gefragt habe, welche Maßnahmen sie zur Verbesserung der Schwimmkompetenz von Kindern und Jugendlichen ergreifen wolle.

(Klein [SPD]: Ja!)

Ich will hier nicht die nichts sagende Aussage der Landesregierung wiedergeben. Wen es interessiert, Herr Klein, der kann sich gern die Antwort auf die Kleine Anfrage durchlesen und selbst interpretieren.

Die von mir erwähnte Kleine Anfrage bezog sich nicht nur auf den Schwimmunterricht an den Schulen, sondern auch in Sportvereinen und anderen Institutionen. Wir haben in Bran

denburg nicht so viele Kinder, dass wir sie nicht vor dem Risiko des Ertrinkens schützen müssten. Diese Vorsorge kann die Schule nicht allein bewältigen.

(Beifall bei der DVU)

Vielen Dank, Frau Fechner. - Herr Minister Rupprecht, ich erteile Ihnen das Wort für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein paar Anmerkungen zum Schulsport im Allgemeinen. Er ist ein wichtiger Bereich von Bildung und Erziehung. Darüber hinaus besitzt er eine Schlüsselfunktion für die Gesamtentwicklung des Sports im Land Brandenburg.

Der Schulsport orientiert sich - jetzt komme ich zum Thema am Ersten und Zweiten Aktionsprogramm für den Schulsport, das die Kultusministerkonferenz, der Deutsche Sportbund und die kommunalen Spitzenverbände beschlossen haben.

In der Stundentafel im Land Brandenburg haben wir von der Primarstufe bis zur gymnasialen Oberstufe drei Wochenstunden Sport festgelegt. Darum beneiden uns einige. Das zeigt, welche wichtige Stellung der Sport im Land und in den Schulen dieses Landes einnimmt. Als ehemaliger Sportlehrer freut mich das natürlich.

Ich komme nun zum Schwimmsport in der Schule. Bedingt durch unterschiedliche Organisationsformen, die mit den jeweiligen Schulträgern abzustimmen sind, wird der Schwimmsport in Hallenbädern oder in Freibädern erteilt. Letzteres ist natürlich deutlich schwieriger zu organisieren und bezieht sich auf die Regionen, in denen Hallenbadkapazitäten nicht vorhanden sind. Herr Görke hat darauf hingewiesen, dass diese im Land Brandenburg unterschiedlich verteilt sind. Das macht die Sache nicht leichter.

Der Anteil der Nichtschwimmer ist hoch. Ich gebe Ihnen Recht, dass er zu hoch ist. Der letzte Stichtag der Überprüfung in der vierten Jahrgangsstufe war der 26.09.2005. 10 % aller Schülerinnen und Schüler sind Nichtschwimmer, bei den Mädchen sind es übrigens nur 8,5 %. Offensichtlich sind sie deutlich talentierter als Jungen, denn ein besseres Angebot haben sie nicht.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Schwimmunterricht, der unter Freibadbedingungen stattfindet, wegen dieser schwierigen Bedingungen in der Grundschule bis zur sechsten Jahrgangsstufe fortgesetzt werden kann. Ich gehe davon aus nicht um die Zahl schönzureden -, dass die Anzahl der am Ende übrig bleibenden Nichtschwimmer in unseren Schulen geringer ausfallen dürfte, als der Stand in der vierten Klasse zeigt. Ich stimme Ihnen zu, Herr Görke, dass jeder Nichtschwimmer an unseren Schulen einer zu viel ist. Die Zahl derjenigen, die in Brandenburger Gewässern ertrunken sind - es waren auch Kinder dabei -, lässt uns sorgenvoll auf dieses Phänomen schauen.

Wir haben reagiert: Seit 2003/2004 gibt es in jedem Schulamtsbereich so genannte Kompetenzteams für das Anfängerschwimmen. Diese Teams führen entweder das Anfängerschwimmen in der Grundschule als begleitende Lehrer selbst

durch oder stehen als Ansprechpartner für Sport unterrichtende Lehrkräfte zur Verfügung. Mit dem Einsatz dieser Teams - das widerspricht Ihrer Zahl - hat sich die Anzahl der Nichtschwimmer deutlich verringert. Das belegen statistische Auswertungen. Ich habe die Hoffnung, dass sich diese positive Tendenz fortsetzen wird und immer weniger Kinder unsere Schulen als Nichtschwimmer verlassen werden.

Ein Grund dafür, dass am Ende immer noch ein Prozentsatz an Nichtschwimmern übrig bleiben wird, sind fehlende geeignete Hallenbäder in unserem Land, die sich in erreichbarer Entfernung zu den Schulen befinden. Vergleicht man beispielsweise die peripheren Gebiete mit unseren Städten, gibt es einen gewaltigen Unterschied. In Brandenburgs Städten liegt der Anteil der Schüler, die Nichtschwimmer sind, unter 1 %. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu den 10 % und dieses Problem haben wir in vielen Bereichen unseres Landes. Der Zusammenhang zwischen dem Bäderangebot und der Nichtschwimmerquote ist offensichtlich.

Für diese Erkenntnis bedarf es mit Sicherheit keiner zusätzlichen aufwendigen Analyse des Iststandes zum Schulschwimmen. Der Erkenntnisgewinn wäre marginal und würde den Aufwand nicht rechtfertigen. Frau Mächtig, die Sie als Berichterstatterin im Sonderausschuss für Bürokratieabbau in meinem Hause werben, möchten sicherlich gern, dass wir künftig solche nicht sonderlich effizienten Untersuchungen sein lassen. Deshalb plädiere ich dafür, diesem Antrag nicht zu folgen. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich gebe das Wort noch einmal an Herrn Abgeordneten Görke. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat von Thomas Bach anlässlich seiner Bewerbungsrede zum Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes:

„Vor allem dem Sportunterricht in Deutschland kann man kaum noch die Note ’ausreichend‘ erteilen, besonders dem Schwimmunterricht nicht. Da ähnlich bekannte Problemfälle - so auch im Schulschwimmen - mittlerweile wissenschaftlich belegt sind, müssen wir jetzt handeln.“

Dazu kann ich nur sagen: Recht hat er!

Herr Kollege Baaske, Herr Minister und Frau Kollegin Hartfelder, Sie erinnern sich sicherlich an den runden Tisch zum Schulsport, der in diesem Hause eine Etage tiefer im vergangenen November stattgefunden hat. Dort hat uns die Vizepräsidentin, Frau Prof. Helmke, zum Handeln insbesondere beim Schulschwimmen aufgefordert.

Wir sind in der Pflicht, nicht nur an solchen runden Tischen teilzunehmen, sondern daraus auch irgendwann die Konsequenzen zu ziehen und entsprechend zu handeln.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Minister, mindestens jeder zehnte Schüler in Brandenburg kann nicht schwimmen. Dass es in den städtischen Bereichen andere Schwerpunktsetzungen gibt als in den ländlichen Gebieten, ist klar. Umso schlimmer ist es aber, dass wir diese ungünstigen Zahlen nach wie vor haben.

Es gibt keine Patentlösung, aber es wäre schon viel erreicht, wenn wir uns über die Situation beim Schulschwimmen einig wären. Deswegen setzen wir auf eine tiefgreifende Analyse. Sie sagen, eine solche Analyse könne zurzeit nicht erstellt werden, da sie zu aufwendig sei. Aber unsere Anfrage werden Sie dann hoffentlich in der nötigen Präzision beantworten. Darauf hoffe ich, weil dann nämlich alles das zum Tragen kommen wird.

In diesem Zusammenhang erneuere ich unsere Forderung gegenüber Ihrem Ministerium, schnellstens eine Bäderplanung vorzulegen. Dafür ist es allerhöchste Eisenbahn; denn die Förderperiode beginnt in sechs Monaten, und in dieser Hinsicht ist immer noch nichts evaluiert bzw. sind noch keine neuen Entwicklungen vorgezeichnet worden. Dabei müssen wir insbesondere Sportund Freizeitbäder, nicht aber Badeparadiese vor Augen haben.

Liebe Kollegin Fechner, ich war Gast bei der letzten Sportausschusssitzung des Berliner Abgeordnetenhauses. In dieser Sitzung wurde folgender Antrag beraten:

„Um die Qualität des Sportunterrichts und damit auch des Schwimmunterrichts an den Berliner Schulen zu verbessern, ist der Prozentsatz der für den Schwimmunterricht ausgebildeten Lehrer auf mindestens 95 % zu steigern.“

„Typisch Linkspartei“, so könnte man meinen. Aber weit gefehlt, liebe Kollegin Hartfelder; denn es war der sportpolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Axel Rabbach, der als Vertreter der Opposition diesen Antrag gestellt hat. Dagegen sind Sie hier in Brandenburg, wo Sie die Regierung stellen, nicht einmal in der Lage, mit uns gemeinsam eine Analyse bei der Regierung einzufordern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ein solches Taktieren werden wir nicht weiter hinnehmen. Es vergeht keine Landtagssitzung, wie auch gestern wieder bei der Beratung des Schulgesetzes, in der Sie nicht über Leistungsstandards oder Leistungstests reden. Aber ausgerechnet beim Schulschwimmen wollen Sie davon eine Ausnahme machen. Ich sage Ihnen: Es geht Ihnen gar nicht um ein Konzept, sondern ausschließlich um Effekthascherei. Wie meine Kollegin gestern schon gesagt hat, reichen die wenigen roten und schwarzen Fusseln, die Sie da sehen, nicht aus.

Ich teile die Auffassung des GEW-Chefs Günther Fuchs, der Ihnen diesbezüglich ins Stammbuch geschrieben hat: Vom Fiebermessen wird der Patient nicht gesünder. Wir sollten handeln. - Da Wasser auch in Brandenburg bekanntlich keine Balken hat, sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen, den Schulsport bzw. das Schulschwimmen auch hier zu verbessern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Die Rednerliste ist damit abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt Ihnen der Antrag in der Drucksache 4/3020 vor, der von der Fraktion der Linkspartei.PDS eingebracht worden ist. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mehrheitlich ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Konzept für gewaltfreie Schulen im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/3021

Die Aussprache wird durch den Abgeordneten Krause von der Linkspartei.PDS eröffnet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird Zeit, dass wir uns mit der Gewaltsituation an unseren Schulen auseinander setzen. Ich zitiere zu Beginn meiner Ausführungen aus einem Schreiben einer Schülerin, Angelika, 14, das in einer Jugendzeitschrift veröffentlich worden ist.

„Vor etwa einem Jahr wurde ich ziemlich fertig gemacht mit Ausdrücken wie Schlampe, Hure oder Hurentochter. Alles fing mit einem Gerücht an; doch das stimmte nicht im Geringsten. Sie schlugen, beleidigten, bedrohten und demütigten mich.“

Berichte in den Medien über gewaltsame Übergriffe zwischen Schülern oder anhaltendes Mobbing gegenüber Mitschülern nehmen zu. Jeder dritte Schüler hat Angst, auf dem Schulhof angegriffen zu werden. Jeder fünfte Schüler wurde bereits zum Opfer auf dem Schulgelände. - So eine aktuelle Studie.