Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in Drucksache 4/3407 vor.
Die Debatte wird mit dem Redebeitrag der Abgeordneten Weber von der Fraktion der Linkspartei.PDS eröffnet.
Erstens: Die wesentlichen Dinge, die ich in meinem Vortrag zusammengefasst habe, sind das Ergebnis der Reflexionen von Frau Berger. Das hätte man also auch ein bisschen ernster nehmen können.
Zweitens zu dem Antrag selbst. Wenn der Landtagspräsident und viele andere Mitglieder der einzelnen Fraktionen im Vorfeld der interfraktionellen Beratungen sagen, die Meinung von Frau Berger sei bedenkenswert, dann gehe ich doch davon aus,
dass wir bereits in der Sommerpause miteinander ins Gespräch kommen und nicht erst durch die Zeitungen von der Aussprache erfahren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht bleiben dürfen und nicht gehen können - dieser Widerspruch umreißt am deutlichsten die Situation der so genannten Geduldeten. Das sind Ausländer, Menschen, Familien mit Kindern in Brandenburg, die zwar seit langem hier leben, die aber keinen gesicherten Rechtsstatus haben, die nur geduldet sind, die nicht arbeiten dürfen, aber derzeit nicht abgeschoben werden können. Etwa 400 dieser Menschen leben seit mehr als zehn Jahren in unserem Lande, seit zehn Jahren! Die Kinder dieser Menschen haben die so genannte Heimat oftmals noch nie gesehen.
Wer mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes 2005 die Erwartung verbunden hatte, dass es Vereinfachungen im Aufenthaltsrecht geben würde, muss sich eine Selbsttäuschung eingestehen.
Das Ziel des Gesetzes, „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“, wurde voll erreicht. Humanitäre Erwartungen und eine Hoffnung auf Entbürokratisierung des Verfahrens konnten entgegen allen politischen Lobpreisungen nicht erreicht werden. So gibt es zwar nur noch zwei Aufenthaltstitel, aber zehn Arten von unbefristeter Niederlassungserlaubnis und 45 Arten der befristeten Aufenthaltsgenehmigung; dazu noch Visa in verschiedenen Formen. Sie tragen nicht zu einer überschaubaren Regelung des Zuwanderungsverfahrens bei. Trotz oder - sollte man vielleicht eher so sagen? - wegen der vielfältigen Sonderregelungen und Einschränkungen konnte auch das inhumane System der Kettenduldungen nicht beseitigt werden, obwohl allseits Konsens bestand, dies abzuschaffen.
Viele langjährig Geduldete haben noch immer keine Bleibeperspektive. Ihnen wird die Lebensplanung überhaupt verwehrt. Durch den unsicheren Zustand werden sie an der Integration gehindert. Oftmals erhalten sie keine Arbeitserlaubnis, können also sich selbst und ihre Familien auf legalem Wege nicht versorgen. Jugendlichen und Heranwachsenden wird eine Ausbildung verwehrt.
Nachdem deutlich geworden war, dass das System der Kettenduldungen auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes nicht gelöst werden kann, entschloss man sich, eine Bleiberechtsregelung für so genannte Altfälle zu erarbeiten. Schon im Mai dieses Jahres haben wir eine entsprechende Regelung erwartet. Ich wäre aber überrascht, wenn die Innenministerkonferenz im Herbst eine Regelung zustande brächte. Weil dies sehr ungewiss ist, weil im Land Brandenburg mehr als 3 500 geduldete Flüchtlinge, Menschen, leben und weil in diesem Jahr bereits mehr als 200 Personen abgeschoben worden sind, halten wir es für erforderlich, bis zum Inkrafttreten einer Bleiberechtsregelung einen Abschiebestopp auszusprechen. Was für eine menschliche Tragödie wäre es, wenn Geduldete, die in manchen Fällen mehr als zehn Jahre hier Heimrecht hatten, kurz vor dem Inkrafttreten einer Bleiberechtsregelung, die auch sie begünstigte, abgeschoben werden würden? - Brandenburg sollte also dem Berliner Beispiel folgen und bis zu einer entsprechenden Regelung Abschiebungen aussetzen.
Kein Verständnis habe ich, Herr Innenminister, für Ihre Kritik an der Praxis der Landeshauptstadt Potsdam, die entschieden hat, die Abschiebungen nunmehr auszusetzen. Auch in anderen Bundesländern haben die Innenminister dafür gesorgt, dass das Abschiebeverfahren zumindest nur eingeschränkt oder unter besonderer Einzelfallprüfung durchgesetzt wird. So haben die Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz einen großen Ermessensspielraum bekommen. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein wurden zwar keine Vorgriffsregelungen erlassen, aber die entsprechenden Behörden wurden seitens des jeweiligen Innenministeriums beauflagt, aus humanitären Gründen Bleiberecht zu gewähren. Auch die Voten der Härtefallkommission erhielten dort einen höheren Stellenwert.
Allerdings kann ich nicht umhin, der Erarbeitung der Bleiberechtsverordnung auch mit etwas Sorge entgegenzusehen. Auf eine Kleine Anfrage hin hat die Landesregierung mitgeteilt, dass sich die Innenministerkonferenz im Mai mit dem Thema beschäftigt hat, eine Bleiberechtsregelung dort aber nicht getroffen werden konnte, da zum damaligen Zeitpunkt die Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes noch nicht abgeschlossen war. Blättert man nun im Evaluationsbericht und schaut sich die daraus resultierenden Vorschläge an, so hat man den Eindruck, dass mit der Verordnung zum Bleiberecht die letzten humanitären Züge des Zuwanderungsgesetzes außer Kraft gesetzt werden sollen. Bundesminister Schäuble tritt mit einem Bekenntnis zu Integration und Bleiberecht für die so genannten Altfälle auf, aber im gleichen Moment unterbreitet die Ministerialbürokratie Vorschläge wie: Ausländer, die von Hartz IV leben, müssen abgeschoben werden. - Ich frage Sie: Wovon sollen diese Menschen denn leben, wenn sie keine Arbeitserlaubnis haben?! Und weiter: Die Frist zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis soll verlängert werden, weitere Einschränkungen beim Ehegattenzuzug sollten in Kraft treten. - Wo wird denn da die sonst so heilige Familie gefördert?
Dieser Katalog der angedachten Restriktionen könnte munter weitergeführt werden. Wenn das Bleiberecht so restriktiv geregelt wird, dass es am Ende nur noch für eine sehr kleine Gruppe von Menschen Anwendung finden kann, dann ist es keine humanitäre Leistung mehr, sondern dient lediglich der weiteren Einschränkung und Verschärfung der von der SchröderRegierung gefassten Beschlüsse.
Herr Innenminister, wir erwarten, dass Sie alles dafür tun, dass erstens eine Bleiberechtsregelung so schnell wie möglich erlassen wird und damit für die langjährig geduldeten Menschen in unserem Land Rechtssicherheit erlangt wird, zweitens bis zur Bleiberechtsregelung keine Abschiebungen in Brandenburg realisiert werden und dass Sie sich drittens als Vertreter des Landes Brandenburg dafür einsetzen, dass die Bleiberechtsregelung nicht von restriktiven Maßnahmen geprägt ist, sondern den schon länger hier lebenden Migranten die Möglichkeit bietet, endlich in den Integrationsprozess einzusteigen.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zu dem Entschließungsantrag. Ich freue mich, dass ich mich darin sehr stark wiederfinde.
- Das hoffe ich auch. - Wenn sich der Innenminister dazu entschließen könnte, analog seinen Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit einem Schreiben an die zuständigen Behörden problematische Entscheidungen zu verhindern, dann könnte ich dem Entschließungsantrag mit vollem Herzen zustimmen. Anderenfalls werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Den letzten Worten meiner Vorrednerin entnehme ich, dass wir in diesem Punkt nicht weit auseinander sind. In der Tat geht der Antrag der Linkspartei.PDS auch aus unserer Sicht in die richtige Richtung, aber er trifft unseres Erachtens nicht den Kern.
In der Situation, in der wir sind, ist doch entscheidend, den mehr als 200 000 Menschen in unserem Lande, die sich in einem Duldungsstadium befinden, eine dauerhafte, sichere, menschenwürdige Perspektive zu geben, und zwar nicht in der Form einer Übergangsregelung, die Kern Ihres Antrags ist, sondern in der Form einer dauerhaften Regelung.
Wir wollen darauf hinwirken, dass es eine möglichst bundeseinheitliche Bleiberegelung gibt. In dem Antrag, den wir als Entschließungsantrag einreichen wollen, haben wir klargemacht, dass eine solche Regelung die Belange der betroffenen Menschen natürlich angemessen und unter humanitären Gesichtspunkten berücksichtigen muss.
Die Bedenken, die Sie geäußert haben, dass hiermit wieder nur eine Verschärfung des Zuwanderungsrechts gewollt sei, teilen wir überhaupt nicht; denn die Problematik ist, so denke ich, parteiübergreifend erkannt.
Natürlich haben wir in Deutschland ein Interesse daran, dass den betroffenen Menschen eine gesicherte Existenz in unserem Lande gegeben wird. Das ist nicht nur eine Frage der Menschenwürde, sondern das ist eine Frage dahin gehend, wie man Menschen, die in unserem Lande dauerhaft, zumindest aber auf unabsehbare Zeit, leben, integrieren und nicht ausgrenzen will, wie man soziale Spannungen abbauen will, statt solche aufzubauen.
Dazu gehört natürlich, den Menschen, die hier sein dürfen, auch eine vernünftige Existenz in unserem Land zu geben. Das ist das Entscheidende und lässt sich nur erreichen, wenn wir eine dauerhafte und möglichst bundeseinheitliche Regelung herbeiführen. Diesem Ziel dient unser Entschließungsantrag. Er ist, wie Sie sich denken können, nicht nur innerhalb der Koalitionsfraktionen, sondern durchaus auch mit dem Innenminister abgestimmt, der dazu sicherlich gleich noch eine Stellungnahme abgeben wird. Ich bin guter Dinge, dass diese Position auch in die Verhandlungen der Innenministerkonferenz einfließen wird.
Weitergehenden Regelungsbedarf sehe ich im Augenblick nicht, denn es ist absehbar, dass eine solche Regelung - davon sind wir überzeugt - kommen wird. Wenn wir heute einen solchen Antrag verabschieden, ist die Position des Landtages und auch der Landesregierung klar. Ich denke, man wird dann im Land beachten, welche Position wir haben.
Für weitergehende Anträge sehe ich daher keinen Grund. Ich würde mich darüber freuen, wenn Sie, wie Sie es ja ein bisschen angekündigt haben, unserem Entschließungsantrag zustimmen könnten. Er ist aus unserer Sicht, wie gesagt, in der derzeitigen Situation der weitergehende und sinnvollere.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Fraktion der Linkspartei.PDS wird nicht schlauer. Wir haben es wieder einmal mit einem Antrag zu tun, der ausländischen Zuwanderern, die - aus welchen Motiven auch immer - illegal in unser Land eingereist sind
oder sich illegal hier in Deutschland aufhalten, undifferenziert einen Aufenthalt verschaffen soll. Es sollen nach Ziffer 1 des Antrags alle aufenthaltsbeendenden Maßnahmen undifferenziert bei Ausländern ausgesetzt werden, die sich über Jahre in Deutschland aufhalten, egal, wie es zu diesem langjährigen Verbleib in Deutschland kommen konnte, egal, ob sie Sozialleistungen beziehen, egal, ob sie kriminell geworden sind, egal, inwieweit sie integrationsbereit sind, egal, ob sie sich einer Rückführung entzogen haben oder nicht, und egal, welche sozial- und gesellschaftspolitischen Folgen das für unsere einheimische deutsche Bevölkerung hat - also ganz nach dem altbekannten Spontispruch - einige von Ihnen werden ihn kennen -: „Legal, illegal, egal, scheißegal!“
Dass wir von der DVU-Fraktion dieses Ansinnen ablehnen, ist klar. Dazu braucht man kein Prophet zu sein. Egal, meine Damen und Herren von der Fraktion der PDS, ist uns von der DVU insoweit nämlich gar nichts. Dazu brauchen wir uns nur die Ziffer 2 Ihres Antrags anzusehen. Was nach den Vorstellungen der Fraktion der PDS umfassende humanitäre Bleiberechtsregelung ist, darüber brauchen wir uns gar nicht mehr zu unterhalten - wir können uns das ja vorstellen, meine Damen und Herren -: wohl das Gegenteil dessen, was Ihre „ideologische Mutter“, die SED, über Jahrzehnte hinweg mit den Werkvertragsarbeitern praktiziert hat. Aber so weit wollen wir von der DVU als demokratische Kraft gar nicht gehen.
Meine Damen und Herren, egal ist unserer DVU-Fraktion vor allem Folgendes nicht: Was Recht ist, muss auch Recht bleiben. Das ist das Prinzip der Legalität und gilt natürlich auch für das Ausländerrecht. Da gibt es klare Tatbestände, die auslän
dischen Zuwanderern ein Hierbleiben erlauben. Diese werden wir uns nicht durch diffuses Humanitätsgedusel von links aushebeln lassen. Das ist nicht egal, meine Damen und Herren.
Egal ist uns auch nicht der allgemeine Zustand unseres Landes. Dieses ist schon durch die unter dem Stichwort „Multikulti“ betriebene verfehlte Ausländerpolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte genügend gebeutelt. Die sozialen Verwerfungen und die in nahezu allen größeren deutschen Städten entstandenen ethno-kulturellen Parallelgesellschaften - dazu braucht man zum Beispiel nur nach Berlin zu schauen -, die um sich greifende Desintegration
und der hohe Anteil von Inhaftierten ausländischer Herkunft in deutschen Haftanstalten zeigen das ebenfalls.
Diesen Zustand wollen wir als DVU-Fraktion in unserem Land schnellstmöglich im Rahmen des Rechtsstaates beenden. Dazu sind wir da, dafür wurden wir gewählt und dafür werden wir auch weiterhin gewählt.
Da können Sie hier schreien, meine Damen und Herren von links außen, wir seien rechtsradikal oder sonst etwas, so lange Sie wollen.