„Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für alle.“
Eine Notwendigkeit ist die Einheit Europas auch für uns. Deswegen ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass wir uns mit diesem Thema auch im Plenum mehrfach befassen. Ich würde mir dennoch wünschen, dass sich die antragstellende Fraktion dem Thema, wenn sie sich schon damit befasst, nicht nur oberflächlich widmet. Ich glaube, ich habe an dieser Stelle schon einmal den Hinweis gegeben - ich will das gern wiederholen -, dass es nicht zehn mittel- und osteuropäische Staaten waren, die der Union im Jahr 2004 beigetreten sind - es sei denn, sie zählen Zypern und Malta zu Mittel- und Osteuropa -, sondern nur acht. Dies nur als kleiner Hinweis für die Zukunft.
Nun zu dem Antrag bzw. dem Thema selbst. Im ersten Halbjahr 2007 wird die Bundesrepublik Deutschland sowohl die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union als auch den Vorsitz im G-8-Gipfel innehaben. Das ist eine wichtige Phase. Wir haben durchaus hohe Erwartungen an die Bundeskanzlerin bzw. an die Bundesregierung, und ich bin mir sicher, dass sie diese große Herausforderung erfüllen kann.
Umso enttäuschter bin ich über den Inhalt Ihres Antrags. Daran erkennt man möglicherweise den Unterschied zwischen einem Kommunal- bzw. Regionalpolitiker und einer Bundeskanzlerin. Natürlich muss die Bundeskanzlerin das Große und Weite im Blick haben.
Ich muss sagen, Herr Hammer, ich bin schon erstaunt über Sie. Im Europaausschuss habe zumindest ich einiges Neues erfahren. In der Presse können wir durchaus lesen, worauf die Bundesrepublik im nächsten Halbjahr den Schwerpunkt legen wird, um Europa und dessen Zukunft zu gestalten. In Ihrem Antrag lese ich aber zum einen nur Allgemeinplätze. Es gibt bereits heute ein Europa der Regionen. Wir arbeiten an einem lebendigen und dezentralen Europa. Ich habe zum anderen das Gefühl, dass Sie in vielen Dingen Landesaufgaben - nur weil sie Ihrer Meinung nach im Land nicht funktionieren gern nach oben delegieren möchten. Es gibt durchaus Probleme, zum Beispiel fehlende grenzüberschreitende Verkehrswege. Das ist aber keine Sache, die in Brüssel entschieden werden muss, sondern das müssen wir mit Warschau aushandeln. Auch die schleppende Grenzabfertigung und die fehlenden Rahmenbedingungen für die kommunale Zusammenarbeit müssen wir vor Ort lösen. Sie wissen, dass es in Genshagen bereits Foren und Seminare gab, um auch ein „Karlsruher Abkommen“ zwischen Deutschland bzw. Brandenburg und Polen zu gestalten. Leider ist die polnische Seite dazu nicht bereit.
Europa ist kein Zentralismus, sondern Subsidiarität. Wir fordern diese Subsidiarität - wir haben es auch hier im Parlament gefordert -; denn dort, wo am effektivsten entschieden werden kann, soll letztendlich auch entschieden werden. Wir können nicht immer nach Brüssel rufen, wenn wir meinen, Aufgaben auf Landesebene nicht regeln zu können.
Drittens beschreiben Sie, dass durchaus Hemmnisse und fehlende Dialoge zwischen alten und neuen Mitgliedsstaaten bestehen. Hemmnisse gibt es in der Tat. Diese sind aber auch dadurch bedingt, dass es einige Übergangsregelungen gibt. Dazu zählt - wie eben angesprochen - die Arbeitnehmerschutzklausel, auch wenn ich sie in einem anderen Kontext sehe. Wenn es Hemmnisse gibt, dann nicht nur zwischen alten und neuen Staaten, sondern auch zwischen alten Staaten und zwischen neuen Staaten. Es besteht aber ein guter Dialog.
Wenn wir die neue Förderperiode 2007 bis 2013 betrachten, sehen wir, dass gerade die Europäische Kommission ein Augenmerk darauf gelegt hat, die transnationale Zusammenarbeit weiter und besser zu fördern; denn mit Ziel 3 wurde dieser Punkt noch einmal speziell hervorgehoben.
Insofern hoffe ich, dass Sie in Zukunft den Weg zur Einheit Europas weiterhin mitgestalten werden, auch wenn Sie eventuell nicht die Weitsicht einer Bundeskanzlerin Merkel besitzen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Brandenburg unterstützt die Bundesregierung bei der Gestaltung der deutschen Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr. Die Bundesregierung hat eine sehr schwierige Aufgabe zu bewältigen; denn durch das Stocken des Verfassungsprozesses nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und in den Niederlanden im letzten Jahr hat sich auch in einigen anderen Mitgliedsstaaten die Europaskepsis verstärkt. Um dem etwas entgegenzusetzen, müssen immer wieder die Errungenschaften der europäischen Zusammenarbeit betont werden.
Es liegt auch an uns, den Menschen zu erklären, dass nicht alle Aufgaben durch die Mitgliedsstaaten zu lösen sind und dass ein Land wie Deutschland nicht allein die Zukunftsfragen in der globalisierten Welt - unter anderem den Klimawandel und die Bekämpfung des Terrorismus - bewältigen kann.
An die deutsche Ratspräsidentschaft werden große und zum Teil unrealistische Erwartungen geknüpft. Die Forderungen im Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion gehören auch dazu. Sie verkennt die Verteilung der Verantwortlichkeiten. Aus diesem Grund lehnt die Landesregierung den Antrag ab. Lassen Sie mich das kurz begründen.
Gegen die Förderung eines verstärkten Dialogs entlang der deutsch-polnischen Grenze, der deutsch-tschechischen Grenze
oder über andere ehemalige EU-Außengrenzen hinweg ist natürlich nichts zu sagen; im Gegenteil: Die Landesregierung hat ein außerordentlich großes Interesse, dass sich vor allem die Zusammenarbeit mit unseren polnischen Nachbarn immer mehr verdichtet.
In den vergangenen zweieinhalb Jahren nach dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten hat sich sehr viel getan. Dennoch - das müssen wir auch immer wieder kritisch analysieren - bestehen durchaus Hemmnisse wie die Aufrechterhaltung der Personenkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze, deren Wegfall aus technischen Gründen auf 2008/09 verschoben worden war.
Einige dieser Hemmnisse beruhen sicherlich auf Europarecht. Zum Beispiel mussten Sammellisten für grenzüberschreitende Schülerfahrten bedauerlicherweise abgeschafft werden, da sie nicht mit dem Schengener Abkommen konform waren. Jedoch gehören das Europarecht und das Schengener Abkommen im weitesten Sinne dazu, wobei hierdurch im Übrigen weniger Hemmnisse geschaffen werden, als hierdurch zur Lösung der Probleme in positiver Hinsicht beigetragen wird bzw. beigetragen werden.
Die europarechtlichen Bedingungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften wurden durch das neue Instrument mit dem Kürzel EVTZ - das muss ich auch erst noch lernen -, also des Europäischen Verbundes territorialer Zusammenarbeit deutlich verbessert. Die zugrundeliegende EG-Verordnung vom Juli 2006 ermöglicht Kooperationszusammenschlüsse zwischen nationalen, regionalen und lokalen Partnern in der EU. Inhaltlich soll dieses neue Instrument vor allem der Vereinfachung der Verwaltung von grenzüberschreitenden und interregionalen EU-Förderprogrammen dienen. Allerdings - das muss man auch sagen - handelt es sich dabei um ein sogenanntes fakultatives Instrument, das eben nicht von oben oktroyiert werden kann. Die Initiative zu einer intensiveren Zusammenarbeit auf kommunaler und regionaler Ebene über die Landesgrenzen hinweg muss dann von den jeweiligen Gebietskörperschaften selbst ausgehen. Dazu bietet das Europarecht mit der EVTZ-Verordnung eine hinreichende rechtliche Grundlage.
Neben den rechtlichen Möglichkeiten unterstützt die EU die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in beträchtlichem Maße auch finanziell; das wird häufig unterschlagen. Brandenburg stehen im Rahmen des neuen Ziel-3-Projektes in der Förderperiode 2007 bis 2013 immerhin rund 108 Millionen Euro für die Kooperation mit unseren polnischen Nachbarn zur Verfügung. Für eine Verbesserung dieser Zusammenarbeit sind nicht nur neue europäische Regelungen entscheidend, sondern die vorhandenen Möglichkeiten müssen zunächst einmal effektiv genutzt werden.
Darüber hinaus liegt die Lösung der im Antrag genannten grenzüberschreitenden Probleme, zum Beispiel in den Bereichen Verkehrswege und Grenzabfertigung, in der Verantwortung der nationalen Behörden. Sie sind zwischen Deutschland und Polen bilateral zu lösen. Die Landesregierung ist zum Beispiel über die deutsch-polnische Regierungskommission für interregionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit daran beteiligt. Insofern handelt es sich nicht um Aufgaben, die auf die EU-Ebene verlagert werden können. Sie sind daher nicht im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft zu erfüllen - abgesehen davon, dass vonseiten der Bundesregierung das
Programm im Wesentlichen bereits feststeht und am 29. November im Bundeskabinett beschlossen werden soll.
Herr Präsident, ich komme gleich zum Ende. - Durch die vorherigen Abstimmungen auf Bundes- und auf Landesebene sowie mit den anderen Mitgliedsstaaten - auch zum parallel laufenden neuen 18-Monate-Programm mit den folgenden Präsidentschaften Portugals und Sloweniens - ist bereits jetzt ein gewisses Maß an Bindung erreicht. Ich bin froh, dass wir es gemeinsam mit den anderen Bundesländern geschafft haben, uns im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz auf zehn prioritäre Länderanliegen zu verständigen und diese frühzeitig in den Planungsprozess einzubringen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Die antragstellende Fraktion hat in persona des Abgeordneten Hammer das Bedürfnis, für drei Minuten das letzte Wort zu haben. Ich bitte Sie an das Rednerpult, Herr Hammer.
Ich habe es dem Präsidenten zu danken, dass ich noch einmal reden darf, möchte aber auch nicht überziehen. - Kollegin Richstein, es gab einmal das Weimarer Dreieck, mit dem das Ziel verfolgt wurde, dass zwei tragende Säulen der alten EU und eine tragende Säule einer erweiterten EU auf Regierungsebene zusammenkamen und strategische Ziele verabredeten. Polen ist nach wie vor eine wichtige tragende Säule, was die Länder im Osten betrifft. Wenn für eine deutsche Regierung jetzt nicht einmal mehr die Kommunikation zu den zehn prioritären Zielen gehört, dann halte ich das für ausgesprochen schwach. Es geht einfach nur darum, diesem Thema größere Bedeutung zu verleihen.
Ich stelle den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS, Drucksache 4/3659, zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Herr Bischoff, war das eine Enthaltung?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildung ist nicht nur dazu da, Wissen zu erwerben; Bildung ist auch notwendig zur Bildung der Persönlichkeit. Dafür tragen die Eltern die Hauptverantwortung; auch die Schulen sind allerdings verantwortlich dafür, dass dies ermöglicht wird. Aber nicht allein diese beiden Partner, sondern auch die Schülerin und der Schüler selbst müssen ihren Beitrag leisten, also ein Stück weit Eigenverantwortung übernehmen. Ein Lernerfolg ist nur dann möglich, wenn ein Lernwille vorhanden ist. Eine entsprechende Mentalität ist leider nicht bei allen Schülerinnen und Schülern deutlich ausgeprägt, lässt sich also nicht überall finden. Dafür gibt es Gründe.
Ich will aber noch einen anderen Sachverhalt skizzieren. Nach Aussagen von brandenburgischen Oberschullehrern, also Experten aus der Praxis, haben 20 % ihrer Schüler nicht mehr am Lernerfolg teilgenommen.
Ein nächster Fakt. Im Schuljahr 2003/04 haben 3 000 Schüler oder 10 % keinen Abschluss erreicht. Im Schuljahr 2004/05 lag dieser Anteil ebenfalls bei knapp 10 %.
Es handelt sich bei uns nicht, wie in anderen Ländern, um ein Problem der Migrantenkinder. Ihr Anteil an den 3 000 Schülerinnen und Schülern ohne Abschluss liegt gerade einmal bei 1 %. Wir haben also kein Integrationsproblem, wie es vielleicht in anderen Ländern der Fall ist, sondern ein Problem auf der Leistungs- und der Motivationsebene. Hinzu kommt mit Sicherheit der Faktor der sozialen Gegebenheiten. Letztere müssen wir in der heutigen Welt immer stärker berücksichtigen.
Zu der Zahl der jungen Leute, die die Schule ohne Abschluss verlassen und damit Schwierigkeiten haben werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, kommen jährlich 7 000 Schülerinnen und Schüler, die eine Klassenstufe freiwillig oder gezwungenermaßen wiederholen.
Die von mir soeben beschriebenen Realitäten sind letztlich der Grund dafür, dass wir mit unserem heutigen Antrag ein Konzept zur Lösung dieses Problems einfordern.
Die Koalition will nicht nur ein gutes Schulgesetz verabschieden, sondern auch mit einem Konzept für Fördermaßnahmen erreichen, dass wir die Schüler unterstützen können, ohne gleichzeitig die Qualität des Unterrichts senken zu müssen. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Die Verantwortung für unsere jungen Menschen ruht auf drei Säulen: Schule, Elternhaus, Politik. Auch wir, die Politik, wollen heute unseren Teil der Verantwortung übernehmen.
Wir wollen und müssen jedem Schüler entsprechend seinen Voraussetzungen und Fähigkeiten einen Weg zum persönlichen Lernerfolg aufzeigen. Deswegen noch einmal der Hinweis: Schüler ohne Abschluss bzw. ohne ausreichende fachliche Kenntnisse werden die Verlierer von morgen sein. Auf dem Arbeitsmarkt ist das schon heute erkennbar: 40 % der Arbeitslosen in Brandenburg haben keine Berufsausbildung. Unter den Geringqualifizierten sind 50 % arbeitslos. Wenn ich dagegenstelle, dass die Arbeitslosenquote unter Akademikerinnen und
Akademikern nur knapp 3,8 % beträgt, wird deutlich, welche Auswirkungen fehlende oder unzureichende schulische Abschlüsse haben können.
Wir haben einen wichtigen Auftrag an das Ministerium. Wir verlangen eine konkrete Übersicht darüber, was es momentan schon gibt. Vielleicht reden wir alles schlechter, als es eigentlich ist. Viele Schulen sind schon längst eigene Wege gegangen und haben Möglichkeiten geschaffen, um ihre jungen Leute zum Erfolg zu bringen. Aus der Darstellung der Situation wollen wir die richtigen Konsequenzen ziehen. Eine Konsequenz kann sein, dass sich jede einzelne Schule vor Ort verstärkt Gedanken macht. Schon heute bieten an einzelnen Schulen Lehrer - über ihren Unterrichtsrahmen hinaus! - am Nachmittag freiwillig Fördermöglichkeiten an; andere Schulen machen das nicht. Diese Ungleichheit muss zugunsten der jungen Leute aufgelöst werden. Es geht also darum, junge Leute für den Schulalltag und durch den Schulalltag zu begeistern.