Bei einer sachlichen Bewertung der Steuereinnahmen wäre das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonderzahlungen im Land Brandenburg möglicherweise anders ausgefallen, als es heute auf dem Tisch liegt.
Nach der Rede meiner verehrten Kollegin Melior stelle ich fest: Meine Gefühle für die derzeitige Aktuelle Stunde mit ihren geforderten Zielen haben mich wieder einmal getrogen. Meine Befürchtungen jedoch, dass mit dem heutigen Thema die massive Kritik aus der kommunalen Familie am FAG besonders besänftigt werden soll, sind eingetroffen. Es gibt zwar keine Antwort auf die erhobenen Forderungen, dafür aber viel Eigenlob der Koalition. Wenn andere schon nicht mehr loben, dann lobt man sich am besten selbst.
Allein aus der aktuellen Steuerschätzung ergibt sich viel Nachdenkenswertes und die Notwendigkeit, daraus Schlussfolgerungen für die Arbeit zu ziehen. Nachdenkenswert ist zum einen die Tatsache, dass das geschätzte Mehraufkommen nicht im Land Brandenburg entsteht. Das Land Brandenburg ist nach wie vor Schlusslicht bei der Entwicklung der Wirtschaft und dem daraus entstehenden Steueraufkommen. Das Land Brandenburg ist nach wie vor Nehmerland und wird es auch noch länger bleiben. Zum Nachdenken anstatt zum Loben eignet sich die Tatsache, dass die Gesamteinnahmen der Kommunen im Jahr 2006 erstmals wieder das Niveau der Jahre 2000 und 2001 erreichen.
In den dazwischenliegenden Jahren haben die Mindereinnahmen dazu geführt, dass der Schuldenstand der Kommunen auf 1,7 Milliarden Euro angewachsen ist. Hinzu kommen die Kassenkredite der Kommunen, die im Land Brandenburg im Jahr 2005 den Höchststand von 661 Millionen Euro erreicht haben. Das spiegelt die tatsächliche Situation wider und zeigt, dass die Kommunen für den Weg in die kommenden Jahre nicht gut aufgestellt sind.
Beschauen wir uns den Mittelabfluss bei Investitionen zum 31.09.2006, so stellen wir fest, dass bis Jahresende etwa 400 bis 500 Millionen Euro nicht investiert werden. Sie fließen nicht in die Kommunen, weil die Kofinanzierung nicht bereitgestellt werden kann. Wenn das im Jahr 2007, wie versprochen, besser werden soll, wäre es schön. Wir würden das sehr begrüßen; denn die Tendenz, Mittel der EU und des Bundes nicht für Investitionen in Anspruch zu nehmen, ist seit Jahren bekannt. Die Kommunen im Land Brandenburg müssen dauerhaft zuverlässig und angemessen an den Einnahmen des Landes beteiligt werden.
Die Landesregierung hat in den letzten Jahren ihre laufenden investiven Zuweisungen an die Kommunen stärker zurückgefahren, als dies im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Ländern und den westdeutschen Nehmerländern der Fall gewesen ist. In Brandenburg sind die laufenden Zuweisungen um 51 Euro pro Kopf gekürzt worden; im Durchschnitt der ostdeutschen Länder dagegen lediglich um 6 Euro pro Kopf und in den westdeutschen Nehmerländern nur um 38 Euro pro Kopf.
Die investiven Zuweisungen sind im Land Brandenburg um 180 Euro pro Kopf gesunken; in den ostdeutschen Ländern insgesamt dagegen nur um 56 Euro pro Kopf.
Die Steuerschätzung konstatiert sehr sachlich, dass die Abwanderung der Bevölkerung aus Brandenburg erhebliche negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum des Landes hat, 10 000 qualifizierte Fachkräfte haben allein in den letzten zwölf Monaten unser Land verlassen. Sie fehlen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens - in Wirtschaft, Bildung, Kultur und anderen Bereichen - und reduzieren nicht nur die ProKopf-Zuweisungen beim Finanzausgleich. Sie fehlen ebenso beim Steueraufkommen in den Kommunen und in der Folge auch in der sich aus der Einwohnerzahl ergebenden Ausgabenpolitik der Kommunen. Uns fehlt Zukunft!
Wenn es um Kürzungen des kommunalen Anteils bei den Finanzzuweisungen geht, wird immer - wir haben das in der Haushaltsdiskussion mehrfach erlebt - das Argument „Die Kommunen können mit erheblichem Zuwachs aus Gewerbesteuereinnahmen rechnen!“ strapaziert.
In der Kritik des Bundesrechnungshofs an der Steuerschätzung wird zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Position mit vielen Unbekannten behaftet ist; unter anderem damit, dass in den Folgejahren Gewerbesteuerrückforderungen aufgemacht werden können, die in den Kommunen das Arbeiten wieder erschweren. Bei aller Freude darüber, dass der Zuwachs an Gewerbesteuer im Land Brandenburg beachtlich ist und zurzeit die höchste Pro-Kopf-Quote im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern erreicht wird, stellen wir jedoch fest, dass im II. Quartal die Dynamik dieses Prozesses verloren gegangen ist und auch im Jahr 2007 keine weiteren Zuwächse zu erwarten
Notwendig ist eine bundesweite Gemeindefinanzreform. Dabei darf aber als Folge einer sogenannten beginnenden Gemeindefinanzreform nicht noch einmal so etwas wie bei Hartz IV herauskommen. Allein im Jahr 2006 beträgt die Belastung der Kommunen des Landes Brandenburg für Kosten der Unterkunft und Heizung 583 Millionen Euro. Die Gesamtbelastungen betragen sogar 660 Millionen Euro. Dem steht eine Entlastung von bisher lediglich 258 Millionen Euro zuzüglich der Einsparungen beim Wohngeld in Höhe von 61 Millionen Euro gegenüber. Das sind Belastungen der Kommunen, die in ihrer Schärfe noch nicht beachtet werden.
Obwohl im Bund die Beteiligung an den Kosten ein ewiges Thema ist und auch im nächsten Jahr weiterhin sein wird, entstehen den Kommunen eine Reihe von Kosten, die von ihnen allein zu tragen sind. Trotz aller weiteren Einschränkungen steigt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften für die Wohnkosten wiederum zulasten der Kommunen. Das liegt nicht am angeblich immer größer werdenden Missbrauch in diesem Bereich, sondern an der zunehmenden Verarmung in diesem Land. Auch das hat meine Fraktion lange im Vorfeld bemängelt.
Das Ziel der Koalition - „Erneuerung aus eigener Kraft“ - hätte zu diesem Thema positive Ansätze bringen können. Leider habe ich solche nicht vernommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Herr Theel, das Ziel der Aktuellen Stunde kann gar nicht verfehlt sein, weil es immer gut ist, wenn über die Brandenburger Kommunen geredet wird. Das gilt erst recht, wenn man gute Nachrichten verkünden kann. Schlechte Nachrichten haben es bei uns im Land leider Gottes sehr leicht, wahrgenommen zu werden, gute Nachrichten dagegen schwer.
Die Presse und vor allen Dingen die Opposition versuchten ursprünglich, die Verabschiedung des FAG zum Anlass zu nehmen, eine Debatte über die angeblich dramatisch schlechte Finanzausstattung unserer Kommunen einzuläuten. Mit dem FAG setzen wir jedoch das wissenschaftliche Gutachten zur Herstellung von mehr Gerechtigkeit in der Finanzausstattung konsequent und rasch um. Es gehört nun einmal zu den Wahrheiten, dass die Verschuldung unserer Brandenburger Kommunen mit 600 Euro pro Kopf nur bei der Hälfte der Verschuldung von Kommunen in den übrigen neuen Bundesländern liegt. Ich möchte nicht, dass sich die Verschuldung erhöht. Die vergleichsweise geringe kommunale Verschuldung ist ein positiver
Fakt, auf den es hinzuweisen gilt. Eine Ursache ist das bei uns in Brandenburg geltende strenge Konnexitätsprinzip. Im übrigen Deutschland kommt es nur sehr selten zur Anwendung. In Bayern beispielsweise können die Gemeinden nur davon träumen, bei Aufgabenabgabe entsprechend finanziell ausgestattet zu werden.
Kommen wir zu den eigentlichen positiven Nachrichten, den prognostizierten Steuereinnahmen für Land und Kommunen! Für 2006 verzeichnen wir eine Steigerungsrate bei den kommunalen Einnahmen von 7,1 %, für 2007 sind es 23 %.
Die Steigerungsraten, die ich erwähnt habe, driften zwischen Kommunen und Land deutlich auseinander. In zweieinhalb Jahren wird uns der nächste Symmetriebericht vorgelegt. Ich freue mich schon jetzt auf die Diskussion mit Ihnen, Herr Theel. Dann wird sich höchstwahrscheinlich ein anderes Bild ergeben, was die Aufgabenausstattung, aber auch die finanzielle Ausstattung von Land und Kommunen angeht.
Bei den kommunalen Steuereinnahmen werden wir noch in diesem Jahr die 1-Milliarde-Euro-Grenze überschreiten. Leider Gottes hört man überhaupt keine Stimme, die laut darauf aufmerksam macht, dass die Kommunen von der Konjunktur erheblich profitieren.
Kollegin Melior hat darauf hingewiesen: Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Solidarpakt III geben. Deswegen müssen wir mit den Mehreinnahmen, die leider nur konjunkturell, nicht strukturell bedingt sind, sehr vorsichtig umgehen. Die strukturellen Mehreinnahmen sind bereits in die Steuerschätzung vom Mai eingeflossen. Die derzeit zu verzeichnenden Mehreinnahmen haben wir ausschließlich dem Erfolg wirtschaftlichen Handelns, also der Konjunktur, zu verdanken.
Das Sprichwort „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“ gilt auch hier. Wir sollten auf keinen Fall neue bzw. alte Begehrlichkeiten aufkommen lassen, sondern weiterhin mit Konsequenz Sparziele auch der Kommunen verfolgen.
Der konsequente Sparkurs muss insbesondere bei den strukturellen Ausgaben weiterverfolgt werden. Unsere Kommunen haben insoweit schon einiges geleistet; gerade als Kommunalpolitiker wissen wir das. Das Treffen entsprechender Entscheidungen vor Ort ist nicht leicht; wir müssen sie aber treffen. Gerade mit Blick auf das Jahr 2019 - dieser Termin ist für uns eine Maßgabe - haben wir das Sparziel noch lange nicht erreicht. Das gilt nicht nur für die Kommunen, sondern auch für das Land. Lassen Sie uns für den zusätzlichen Segen, den wir momentan erfahren, dankbar sein, und die Schulden, die sich angehäuft haben, abbauen. Lassen Sie uns weiterhin konsequent an der Entschuldung der Kommunen, aber auch unseres Landes arbeiten! - Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daran, dass sich Brandenburgs Kommunen in einer finanziellen Schieflage befinden, wird auch die aktuelle Steuerschätzung aus dem November nichts ändern. Natürlich freuen wir uns, wenn die Kommunen für dieses und auch für das nächste Jahr über den kommunalen Finanzausgleich etwas mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Aber sind denn damit wirklich alle Wunden geheilt?
Der Städte- und Gemeindebund errechnete für die Jahre 1991 bis 2006 eine kommunale Unterfinanzierung in Höhe von mehr als 1,7 Milliarden Euro. Das führte zu Kreditaufnahmen in fast derselben Höhe und zusätzlich noch zu 661 Millionen Euro an Kassenkrediten und Zinsbelastungen. Hinzu kommt, dass die Kommunen des Landes mit immer weiteren Aufgaben, die eigentlich Landesaufgaben sind, förmlich überhäuft werden. Spontan fallen mir hier die Kürzungen beim ÖPNV und den Schülerbeförderungskosten sowie neuerlich die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ein, wo es um die Eingliederung behinderter und benachteiligter Menschen geht. Hier kommen zusätzlich immense Kosten auf die Kommunen zu.
Dann, meine Damen und Herren, haben Sie mit der Neufassung des FAG eine eklatante Benachteiligung von Kleinkommunen beschlossen. Von der Abschaffung der Klein- und Grundzentren sind 84 Städte und Gemeinden betroffen. Diese Städte und Gemeinden haben mit Kürzungen von jeweils bis zu 500 000 Euro zu rechnen. Das führt unserer Meinung nach zu einer aussichtslosen Finanzsituation, die die Kommunen außerhalb des Speckgürtels ausbluten lässt.
Meine Damen und Herren! Brandenburg lebt jetzt in einer Zeit, in der wir Straßen voller Löcher haben, Verfall von Bausubstanz und Komplettabriss feststellen, Abwanderung besonders von jungen Menschen aus unserem Land, wirtschaftlichen Niedergang, Massenarbeitslosigkeit der noch Verbliebenen, Ärztemangel und Zusammenbruch der sonstigen Infrastruktur verkraften müssen. Und Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wollen uns in der Aktuellen Stunde verkaufen, dass jetzt aufgrund einer Schätzung alles besser werde?
Meine Damen und Herren von der SPD, ich habe die Anhörungen zum Nachtragshaushalt, zum FAG und zum ÖPNVGesetz sehr aufmerksam verfolgt. Sie schlagen mit Ihren Entscheidungen, die Sie dann hier im Parlament treffen, jeden fachlichen Hinweis und auch jeden praktischen Rat in den Wind.
Sie wundern sich dann, wenn kommunale Spitzenvertreter die Anhörung vorzeitig verlassen, weil es diese Menschen leid sind, Ratschläge zu erteilen, die dann doch kein Gehör finden. Sie werden sich noch mehr wundern, wenn Sie bei der nächsten Landtagswahl die Quittung dafür erhalten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen bei der Entwicklung der Steuereinnahmen in der Bundesrepublik die drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen auseinanderhalten. Geschieht dies, Herr Theel, stellen wir fest, dass hinsichtlich der Dynamik der Steuerentwicklung die Kommunen an erster, die Länder an zweiter und der Bund an dritter Stelle liegen. Diese Feststellung gehört zur Redlichkeit. Das ist keine Hurra-Meldung, sondern ein Fakt, den man berücksichtigen muss.