Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir haben jetzt nichts anderes auf der Tagesordnung, als dass die Landesregierung als Erstes sagen muss, warum sie gegenüber ihren eigenen Beamten, den Lehrern, Polizisten, Richtern und vielen anderen, wortbrüchig wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist das, was als Frage steht.

Ich will gern bescheinigen, Herr Speer, dass die Situation im Haushalt wirklich angespannt ist. Die finanziellen Spielräume sind mehr als eng, es können keine großen Sprünge gemacht werden. Ursache dafür, dass wir jährlich fast 1 Milliarde Euro Zinsen zahlen, sind jene 17 Milliarden Euro, die wir als Schuldenberg vor uns herschieben. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Das geschah nicht ohne bundespolitische Mitwirkung. Es gibt aber auch eine Eigenverantwortung dieser Landesregierung und dieses Parlaments, die die Mehrheitsbeschlüsse bezüglich der Haushaltspläne in den vergangenen 15 Jahren gefasst haben.

(Bischoff [SPD]: Sie haben bedeutend mehr gefordert!)

- Erzählen Sie nicht solchen Quatsch!

(Bischoff [SPD]: Sie haben zu jeder Sitzung bedeutend mehr gefordert!)

- Erzählen Sie doch nicht! Herr Bischoff, ich bitte Sie, das, was Sie aussprechen wollen, zu überdenken, bevor Sie reden, damit Sie auch einmal einer ernsten Auseinandersetzung auf diesem Gebiet standhalten können,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

weil das Hineinrufen ein Langweiler ist. Das bescheinige ich Ihnen gern, aber ansonsten geht es nicht um die Sache.

(Bischoff [SPD]: Ich schicke es Ihnen einmal zu!)

Was also tun in Brandenburg? Der Ministerpräsident bemüht intelligente und innovative Lösungen, er fordert aber auch, dass wir uns bemühen, unter den komplizierten Bedingungen nach Auswegen zu suchen. Sie setzen voraus, dass Vertrauen existiert, dass solidarisch miteinander umgegangen wird und man zu vernünftigen Lösungen kommt. Was nicht geht, ist, einfach nur noch mitzuteilen, was man nicht mehr macht. Diese Basta-Politik, die möglicherweise bei einigen in der SPD noch als Langzeitwirkung ihres ehemaligen Bundeskanzlers vorhanden ist, hat keine Perspektive, ist auf Bundesebene gescheitert und greift auch nicht für Brandenburg.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was nun tun? Ich will ausdrücklich sagen, dass mehr notwendig ist. Wenn man erklärt, dass man nicht fortschreibt, was man als Solidarpakt 2003 für die Jahre 2004 bis 2006 vereinbart hat - 100 Millionen Euro -, dann muss man zur geeigneten Zeit auf diejenigen zugehen, mit denen man das nächste Sparprogramm umsetzen will.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich finde, der Punkt ist, dass möglicherweise Gespräche geführt wurden, damit man, wenn Journalisten nachfragen, sagen kann: Ja, wir waren im Gespräch. - Wenn sich aber das Gespräch darauf reduziert, nicht darüber zu reden, wie der Leistungsbeitrag von Beamten entsprechend gewürdigt und anerkannt wird, sondern man nur mitteilt, man kürzt und damit basta, hat man keine Gesprächsgrundlage, ist man selbst unredlich, ist auch nicht ehrlich gegenüber dem Gesprächspartner und hat demzufolge auch die heutigen Proteste als eine logische Konsequenz zu seinem politischen Angebot zu ertragen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Und nun frage ich: Was machen wir denn nun?

Vielleicht, Herr Ministerpräsident, kommen wir in eine Situation, in der es ein bisschen leichter ist. Die Protestierenden hatten heute immer Herrn Minister Speer im Blickfeld, der es in bestimmter Weise verdient hat, weil er jetzt Finanzminister ist. Diejenige, die damals die Verhandlungen geführt hat, war die frühere Finanzministerin Ziegler. Ich möchte darauf hinweisen, dass derjenige, der die gesamte Zeit über die Richtlinienkompetenz hatte, Herr Ministerpräsident Platzeck war. Er genießt nach wie vor einen guten Ruf. Daher würde ich von ihm erwarten, dass er sich mit den Gewerkschaften zusammensetzt und darüber spricht, was es heißt, dass alle unter den konkreten Bedingungen der Haushaltssituation des Landes einen Beitrag leisten und nicht nur diejenigen, denen man das einfach streicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was den Dialog und die Diskussion über den Dienst nach Vorschrift betrifft, Herr Minister Speer, so will ich ausdrücklich sagen: Wenn wir in diesem Lande nicht die Beamten hätten, die sich noch nie auf einen Dienst nach Vorschrift beschränkt haben, hätten wir manche ernste Situation im Bildungsbereich oder bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit nicht so gemeistert. Sie haben immer mehr geleistet. Demzufolge haben sie von uns auch eine anständige Behandlung zu erwarten. Vertrauensvoller Dialog gehört dazu. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nach der Fraktion der Linkspartei.PDS hat die Fraktion der SPD das Wort. Es spricht Herr Abgeordneter Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Vietze, es macht keinen Sinn, mit dem Finger auf den einen oder anderen zu zeigen. Die Situation des Landeshaushaltes ist uns allen sehr bewusst - auch Ihnen als Opposition.

Sie kritisieren in vielen Punkten zu Recht, dass wir zu wenig sparen und zu viele Schulden machen. Ich knüpfe aber an die heutige Kundgebung an: Das, was in dem zehn- bis fünfzehnminütigen Redebeitrag zusätzlich gefordert wurde, wäre mit Sicherheit - wir können es gern spitz abrechnen - ein zwei- bis dreistelliger Millionenbetrag, der nicht vorhanden ist.

Die vorgelegte Streichung des Weihnachtsgeldes ist selbstverständlich ein deutlicher Einschnitt für die über 30 000 Beamten und Richter im Land Brandenburg. Neben Polizisten im Wachund Wechseldienst sind unter anderem Beamte in Finanzämtern, Lehrer und Richter ab 2007 betroffen. Viele davon - das wissen wir in unserer Fraktion - sind Alleinverdiener. Im Gegenzug soll die Ost-West-Angleichung für untere und mittlere Besoldungsgruppen vorgezogen und ein Weihnachtsgeld je Kind in Höhe von 200 Euro gezahlt werden.

Trotz dieser sozialen Komponenten gibt es in dieser Debatte nichts zu beschönigen. Unter dem Strich ist für die Beamten und Richter ein spürbarer Einschnitt von über 40 Millionen Euro vorgesehen. Wer die Streichung des Weihnachtsgeldes kritisiert oder gar ablehnt, muss tragfähige Alternativen benennen können.

Zwei Alternativen kommen in Frage. Die erste Alternative wäre, das Weihnachtsgeld von über 900 Euro weiter zu bezahlen und dafür jährlich neue Kredite aufzunehmen. Das wären Jahr für Jahr 40 Millionen Euro. Alle fünf Jahre wären das insgesamt 200 Millionen Euro plus Zinsen. Wir reden hier über Geld - das ist allen hier im Hohen Hause bekannt, besonders denjenigen, die die Verantwortung für Geld tragen -, das schlicht und ergreifend nicht vorhanden ist. Die jährliche Zinslast beträgt inzwischen, Herr Kollege Vietze, Sie hatten die Zahl fast korrekt genannt, fast 900 Millionen Euro. Bildlich gesprochen stehen wir mit dem Rücken an der Wand. Die monatliche Zinslast beträgt 75 Millionen Euro. Tag für Tag sind das 2,5 Millionen Euro. In allen Politikbereichen - hier möchte ich widersprechen - wird massiv gespart.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [Die Linkspartei.PDS])

- Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende, ich möchte noch einmal widersprechen: In allen Politikbereichen wird massiv gespart, nicht nur allein beim Weihnachtsgeld für Beamte. Jahr für Jahr machen wir weniger Schulden. Das ist übrigens auch eine Forderung der Opposition. Wir machen lediglich zwei Ausnahmen, nämlich in den Bereichen Bildung und Wissenschaft. Überall sonst wird hart gespart.

Ich sage es ganz offen: Das süße Gift der Schuldenfinanzierung ist für uns keine Alternative. Sie scheidet aus.

Herr Bischoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Vietze?

Herr Bischoff, ich gehe davon aus, dass Sie als finanzpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion die Tragweite der Argumentation kennen. Nach den Hochrechnungen, die die Abgeordnetenentschädigung im nächsten Jahr betrifft, sind 8 %, die wir jetzt bei den Beamten streichen, natürlich wirksam. Das sind umgerech

net etwa 3 500 Euro. Ich finde, Sie sollten aussprechen, dass wir uns auf diese Situation einzustellen haben.

Lassen Sie mich bitte bis zum Schluss meiner Rede kommen, Herr Kollege Vietze. Die 8 %, die in dem Flugblatt erwähnt worden sind, das heute morgen vor dem Landtag verteilt worden ist, kann man sich ansehen. Ich will sie gar nicht bestreiten. Es geht hier nicht um andere Zahlen.

(Gelächter bei der Linkspartei.PDS)

- Es geht jetzt nicht um die einzelnen Zahlen. Die Diskussion muss man führen. Wir als SPD-Fraktion sagen ganz klar: Es ist und bleibt ein herber Einschnitt. Jede Schönfärberei daran muss schiefgehen. Die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen im Polizeibereich ist in A 7 eingestuft. Es gibt aber auch A-3-Bedienstete, und es gibt auch höhere Bedienstete. Wir müssen hier immer den Einzelfall im Auge behalten.

Wenn man das Weihnachtsgeld nicht über neue Schulden finanzieren möchte, gäbe es noch eine weitere Alternative: zusätzliche Personaleinsparungen. Die Folge wäre mit Blick auf den 2009 auslaufenden Kündigungsschutz für Arbeiter und Angestellte im Land Brandenburg: Um neue Schulden zu vermeiden, müsste spätestens dann 2 700 Arbeiterinnen und Arbeitern und Angestellten im Land Brandenburg betriebsbedingt gekündigt werden.

Ich sage ganz offen: Seit dem Fall der Mauer wurde keinem der rund 60 000 Landesbediensteten betriebsbedingt gekündigt. Es gab keine betriebsbedingte Kündigung. Ich, der ich als ehrenamtlicher Betriebsratsvorsitzender in der Wendezeit in einem Betrieb Arbeitnehmervertreter gewesen bin, kann dazu nur sagen: Hunderttausende Brandenburgerinnen und Brandenburger haben leider andere Erfahrungen sammeln müssen - im Landesdienst jedoch zum Glück nicht. Ich sage ganz offen und ehrlich: Wir wollen, dass dies so bleibt. Es ist aber notwendig, den Beitrag hierfür auf alle Beschäftigten wie Beamte, Richter, Arbeiter und Angestellte gleichermaßen zu verteilen. Wenn wir auch in Zukunft keinen Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen wollen, gibt es keine ehrliche Alternative zur Streichung des Weihnachtsgeldes. Wenn wir künftig keine Schulden mehr aufnehmen wollen, gibt es keine ehrliche Alternative zu diesen und zu weiteren Einschnitten im Landeshaushalt. Wir haben keine andere Antwort, die ehrlich ist. Neue Schulden oder 2 700 Entlassungen lehnen wir jedenfalls ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. - Für die DVU-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Baaske! Meine Damen und Herren! Die Haushaltslage im Land Brandenburg ist und bleibt schwierig, aber dafür können die Beamten nichts. Den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung wird die DVU-Fraktion ebenso ablehnen wie eine Ausschussüberweisung.

Der Gesetzentwurf beinhaltet faktisch eine völlige Streichung des so genannten 13. Monatsgehalts für die Beamten des Landes Brandenburg. Obwohl wir aus familienpolitischen Gründen ausdrücklich begrüßen, wie ich hier betonen möchte, dass die bisherige Kinderzulage von 25 Euro pro Kind jetzt auf 200 Euro angehoben werden soll, bedeutet die Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs für alle Beamtenfamilien mit weniger als fünf Kindern eine deutliche finanzielle Einbuße. Nicht umsonst hat die Beschlussfassung im Kabinett über den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf heftige Proteste ausgelöst und zu vehementem Widerstand und Protest geführt, wie wir es heute erlebt haben. Wir können nachvollziehen, dass Ihnen, Herr Finanzminister, Wortbruch und obrigkeitsstaatliches Verhalten vorgeworfen wird. Herr Finanzminister, Sie hatten zugesagt, dass es nach den letzten Kürzungen keine weiteren Kürzungen geben soll. Im Gegenteil, im Jahr 2007 sollte eine Wiederanhebung stattfinden. Nun wird die Sonderzahlung komplett gestrichen. Das ist Wortbruch, auch wenn Sie sagen, dass Sie dazu stehen.

(Beifall bei der DVU)

Während die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den vergangenen Jahren massiv zur Entlastung des Haushalts beigetragen haben, kennt die Landesregierung in ihrer Verschwendungssucht keine Grenzen. Herr Bischoff, erzählen Sie mir nicht, es müssten mehr Schulden aufgenommen werden. Meiner Ansicht nach liegen aufgrund der ewig verfehlten Förderpolitik dieser Landesregierung genug Euro im märkischen Sand vergraben.

(Beifall bei der DVU - Widerspruch bei SPD und CDU)

Nach neuesten Erhebungen des Landesrechnungshofes wurden obendrauf 7,1 Millionen Euro im Konversionsobjekt Waldstadt Wünsdorf und 7,3 Millionen Euro durch Fehlplanungen beim Neubau der Bibliothek der BTU Cottbus zum Nachteil des Landes ausgegeben.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Während die Angestellten des Landes Brandenburg nach dem neuen Tarifvertrag eine Sonderzahlung zwischen 30 und 71,5 %, je nach Einkommensgruppe, bekommen, soll sie bei den Beamten null betragen.

Es handelt sich hierbei um eine Ungleichbehandlung, die auch vom Deutschen Beamtenbund - Landesverband Brandenburg zu Recht, wie wir meinen, kritisiert wird. Der Deutsche Richterbund - Landesverband Brandenburg - weist ebenfalls zu Recht darauf hin, dass erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines solchen Gesetzes bestehen und bereits bezüglich der letzten Absenkung der Sonderzahlungen von 2003 auf nur noch 940 Euro durch Musterverfahren die Rechtmäßigkeit der Absenkung noch gerichtlich geprüft wird.

Meine Damen und Herren, wir halten diesen Gesetzentwurf für nicht gerechtfertigt und werden dem Wortbruch des Ministers auch keinen Vorschub leisten.