Mein letzter Hinweis zielt noch einmal auf die wunderbaren Kulturlandkampagnen, für die ich ab und zu im Landtag werbe: Das Land Brandenburg ist ja nicht unbedingt reich an Attraktionen, an touristischen Gütern.
(Unruhe bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD]: Was? - Kommen Sie mal zu mir nach Teltow!)
- Jedenfalls ist das nicht so augenfällig wie die Alpen, der Schiefe Turm von Pisa oder die Kathedrale Notre Dame in Paris.
Selbst Theodor Fontane schreibt, dass die Mark eher karg ist und man erst auf den zweiten Blick die Schönheiten erkennt.
Er verwendet auch Begriffe, die man heute im Zeitalter des Gender-Mainstreaming nicht mehr verwenden soll. Fontane schreibt: Das ist wie bei einer Frau, deren Qualitäten erst auf den zweiten Blick sichtbar werden, die eher geistig und seelisch bestehen. Es ist so, dass die Menschen das Wichtige seien.
Meine Damen und Herren, diese Kulturlandkampagnen arbeiten von der Industriekultur, über die Christianisierung - in diesem Jahr ist das Wasser Thema - das Eigentümliche, das Unverwechselbare dieses Landes heraus. Zum Land Brandenburg gehört auch, eine zentrale Region der Deutschen Demokratischen Republik gewesen zu sein. Im Jahre 2009 sind die friedliche Revolution, die Bildung und die Schaffung der Demokratie auch in diesem Landstrich das Thema der Kulturlandkampagne - der Übergang von einer bedenklichen diktatorischen politischen Kultur zu einer demokratischen.
Ich finde, es ist gut, wenn die politischen Parteien, der Landtag und die Landesregierung im Land Fontanes diese Attraktion, diese Orte und diese Geschichte darstellen; denn junge Menschen müssen das erkennen - ich wiederhole es -, was in den Bürgersteig in der Lindenstraße vor dem ehemaligen Staatssicherheitsgefängnis von einem ehemaligen Häftling eingelassen worden ist, der da sagt: Freiheit und Demokratie sind nichts Selbstverständliches! Denkt daran! Ihr müsst sie bewahren, manchmal auch täglich erkämpfen!
Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Vietze, er spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Umgang mit Geschichte zur Stärkung der Demokratie“ - ein Anliegen, dem man aufgeschlossen begegnen muss, weil Geschichte einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten kann. Es ist eine Verpflichtung und das, was man auf diesem Gebiet leisten kann - Herr Niekisch hat es gesagt -, wendet sich an alle in diesem Parlament. Ich sehe sehr wohl die Möglichkeiten, sich dieser Aufgabe auch über die Fraktionsgrenzen hinweg zu stellen.
Ich finde es richtig, dass, wenn Ihre Koalitionskollegen der Meinung sind, dass die Landesregierung in diesem Sinne aktiv werden soll, die Landesregierung einen solchen Auftrag durch das Parlament erhält und sich dieser Aufgabe zu stellen hat. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie extra betont haben, dass es sich nicht gegen jemanden richtet, weil ich glaube, dass das, was in den nächsten Jahren an Ereignissen auf der Tagesordnung steht, in den politischen Auseinandersetzungen sicherlich sehr unterschiedlich genutzt werden wird. Da ist es gut, wenn man ein sachliches Maß findet.
Ich habe auch einmal in die Geschichte zurückgeschaut und einen sehr interessanten Beschluss des Landtages Brandenburg, überschrieben „Mit menschlichem Maß die Vergangenheit bewerten“, gefunden. Ich erlaube mir, drei Abschnitte zu verlesen:
„Die Geschichte des ehemals geteilten Deutschlands kann nur gemeinsam ,aufgearbeitet‘ werden und verlangt das wechselseitige Bemühen um Verständnis für die in Ost und West sehr unterschiedlichen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen, in denen die Menschen jeweils lebten. Nur so wird die innere Einigung Deutschlands gelingen.
Der öffentliche Umgang mit Biographien muss der Menschenwürde verpflichtet sein. Eine nur selektive Kenntnisnahme von Lebensläufen und Lebensleistungen und ihre Bewertung unter dem Gesichtspunkt heutiger politischer Opportunitäten sind ungerecht, verhindern einen aufrichtigen Umgang mit der Geschichte und schaden dem inneren Frieden.
Eine der Achtung der Menschenwürde verpflichtete Auseinandersetzung mit politischen Biographien ist unvereinbar mit Vorverurteilungen und der Verletzung von Grundrechten. Das Bekennen zu eigener Verantwortung und gegebenenfalls auch Schuld wird dadurch erschwert.“
„Der Landtag erwartet, dass diese Grundsätze durch die Landesverwaltung, Kommunen und alle sonstigen öffentlichen Stellen beachtet werden.“
Initiatoren dieses damaligen Antrags waren Wolfgang Birthler, Dr. Peter-Michael Diestel, Prof. Michael Schumann, Siegfried Lietzmann für die F.D.P. und Rolf Wettstädt für das BÜNDNIS - parteiübergreifend in diesem Haus.
Ich finde, so manches, was an Debatten und Diskussionen in den letzten Jahren stattgefunden hat, legt auch Zeugnis darüber ab, wo wir uns an diese Messlatte gehalten haben. Zugleich wird deutlich, dass es eine beständige Herausforderung an das politische Tun eines jeden Einzelnen auch heute ist.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das, was in Ihrem Antrag geschrieben und an Ansprüchen artikuliert ist, und das, was wir in diesem Parlament schon einmal besprochen haben, ein sehr gewichtiger Anspruch an die Landesregierung, wenn sie dieses Konzept erarbeitet. Denn ich glaube, wir werden auch im Land Brandenburg in diesem Diskussionsprozess nicht frei sein von dem, was seit gut sechs Wochen zum Beispiel in Sachsen-Anhalt an Diskussionen im Zusammenhang mit der Meinungsäußerung des Ministerpräsidenten, Herrn Böhmer, stattfindet, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass man auf Einseitigkeiten in der politischen Bewertung verzichten muss, wenn man nicht selbst DDR-Nostalgie bekämpft, diese aber provoziert und Politikverdrossenheit mit organisiert.
Es ist sicherlich so, dass der Anspruch, der für Sachsen-Anhalt formuliert ist, mit mehr Offenheit und weniger Verkürzung beim Umgang mit DDR-Geschichte zu arbeiten, einen genauso notwendigen Anspruch an differenziertem Umgang beinhaltet, wie Sie das - ich habe Ihre Rede so auch interpretiert - für den Umgang hier im Land Brandenburg einfordern.
Insofern haben wir sehr wohl damit zu tun, dass sicherlich unterschiedlichste Erfahrungen auch auf diesem Gebiet vorliegen, die zu beachten sind. Ich will fairerweise sagen, dass ich in den letzten 17 Jahren verschiedentlich - bis hin zur Mitgliederversammlung der CDU - in Berlin und anderswo Gelegenheit hatte, mich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Es gibt eine ganze Reihe von Foren und Aussprachen, es ist so manches Buch geschrieben worden, und in Gesprächen mit den jungen Kollegen meiner Fraktion habe ich festgestellt: Da liegt manches auch länger zurück; und es ist so, dass niemand das Recht hat zu sagen, dass wir darüber doch schon einmal geredet haben.
Ich glaube, gerade ein Großteil der jungen Leute, aber auch jene, die in dieser Situation in Brandenburg leben und immer wieder mit solchen Sachverhalten konfrontiert werde, haben Defizite im Wissen über diesen Teil der Geschichte, wie ich gemerkt habe. Auch andere haben Defizite im Umgang mit dem, was jetzt in den Filmen „Die Flucht“ oder „Über die Schwelle“ oder in anderen gezeigt wird. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir uns um einen offensiven, offenen, fairen Umgang mit Geschichte bemühen; denn nur die Klarheit über geschichtliche Abläufe, das differenzierte Handeln von Menschen kann dazu beitragen, dass Demokratie gestärkt wird. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Laut einer Studie im Auftrag der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands bestehen bedenkliche Wissenslücken bei den 5 600 befragten Schülerinnen und Schülern der Klassen 10 bis 12. Die Fragen wurden im Durchschnitt von weniger als der Hälfte richtig beantwortet. Ich befürchte aber, dass das Ergebnis einer Befragung zu den 90er Jahren nicht anders gewesen wäre. Ich würde sogar behaupten: Wenn wir heute Jugendliche auf der Straße fragen würden, ob sie den Namen des Ministerpräsidenten, von Ministern oder wichtigen Persönlichkeiten der Politik benennen können, wäre das Ergebnis nicht besser.
Das heißt, zu viele junge Menschen wissen eigentlich viel zu wenig über deutsche Geschichte mit all ihren Brüchen im letzten Jahrhundert. Im schulischen Lehrplan ist das Thema DDR/ BRD, ist die Diskussion über Gesellschaftssysteme ausreichend verortet. Dennoch brauchen wir in der Gesamtgesellschaft einen anderen Umgang mit Geschichte, um die schwer errungene Demokratie zu schützen und zu stärken. Demokratie lebt nur mit und von der Zivilgesellschaft und von zivilgesellschaftlichen Strukturen in allen Regionen Brandenburgs.
Wenn Geschichte menschlich wird, wächst das Verständnis für die Geschichte wie füreinander. Wir haben als Politiker die Pflicht, wichtige Daten, die die Landesgeschichte verändert oder auch für Brüche in Lebensläufen gesorgt haben, immer wieder in Erinnerung zu bringen und miteinander darüber zu sprechen. Ich will einige wichtige Daten nennen: 1. September 1939, 8. Mai 1945, 17. Juni 1953 - ich habe ihn nicht erlebt, aber meine Eltern waren derzeit Studenten in Berlin. Sie haben permanent mit mir darüber gesprochen - mit mir als Kind, als Jugendlicher, auch, als ich junge Mutter war und am 16. Oktober zur Montags-Demo in Leipzig fahren wollte.
Der 13. August 1961, der 3. Oktober 1990, der Prager Frühling - August 1968 -, sind wichtige Daten, die unsere nachfolgenden Generationen kennenlernen müssen.
1989 sind nicht Parteien, Gewerkschaften oder die Nationale Volksarmee auf die Straße gegangen, um die friedliche Revolution zu bewirken, sondern die Zivilgesellschaft, die Menschen. Sie wollten das System durchbrechen. Die DDR war bestrebt, TGL-gerechte Kinder, TGL-gerechte Schüler, TGL-gerechte vollerwerbstätige Mütter zu produzieren, die überhaupt nicht mehr nachdenken; denn der Staat hat alles für sie organisiert. Angesichts dessen wurde es beim Systemwechsel natürlich schwierig. Ab 3. Oktober 1990 musste jeder für sich selbst denken und handeln. Das ist eine Leistung, angesichts derer ich heute vor allen in der damaligen DDR Lebenden den Hut ziehe; denn es war nicht so einfach, sich beispielsweise um seine Krankenkasse und all die Dinge, die lebensnotwendig sind, zu kümmern.
Menschen sind auf die Straße gegangen, die mit dem DDRSystem unzufrieden waren, Änderungen wollten und dabei auch persönliche Repressalien einkalkuliert hatten. „Wir sind das Volk!“ ist wohl die wichtigste Aussage aus dieser Zeit und immer gültig. Aufgewachsen bin ich mit dem Lied „Die Gedanken sind frei“ und dem Brandenburg-Lied. Als Jugendliche
sammelte ich meine Erfahrungen in dem Gesprächskreis unter dem Dach der Kirche beim Suchen eines anderen Weges in der DDR, um deren System zu ändern. Die erlebte deutsche Wiedervereinigung, mit deren Möglichkeit wir gar nicht gerechnet hatten, die Gespräche mit fremden Menschen bei der MontagsDemo am 16. Oktober in Leipzig und die plötzliche Gestaltungsmöglichkeit für die Demokratie nach dem 9. November 1989 sowie die Suche nach geeigneten Personen, die innerhalb von wenigen Tagen bereit waren, Verantwortung für dieses Land oder eine Region zu übernehmen, müssen den nachwachsenden Generationen vermittelt werden.
Ich konnte mir das von unseren Eltern während des Zweiten Weltkrieges Erlebte auch nicht vorstellen. Bei der Aufarbeitung persönlicher Schicksale von Soldaten des Zweiten Weltkrieges in Jugendprojekten der Deutschen Kriegsgräberfürsorge wird jungen Menschen die deutsche Geschichte sehr nahe gebracht. Im Anschluss daran hinterfragen sie auch Familiengeschichte oder Regionalgeschichte jener Zeit. Ich will nur an das Projekt „Zeitensprünge“ für Jugendliche erinnern, in dessen Rahmen Regionalgeschichte aufgearbeitet wird, Daten gesammelt und archiviert werden. Aus meiner Motivation heraus versuche ich, Menschen Politik und ihre Wandlung von der Diktatur zur Demokratie zu erklären, am persönlichen Schicksal von Zeitzeugen diese Systeme zu verdeutlichen. Das muss immer wieder unterstützt werden.
Der heutige Antrag soll nicht staatlich verordnete Demokratie unterstützen, sondern bewirken, dass man sich aktiv mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzt. Dazu gehört umfangreiches Wissen, gehören umfangreiche Kenntnisse über die DDR-Geschichte und die SED-Machtapparate. Markierung, Erhalt und Pflege der authentischen Orte von Unterdrückung und Widerstand - wie NKWD-Lager, Stasi- und KGB-Gefängnisse und -Archive - müssen durch die Politik unterstützt werden. Politische Bildung kann immer und überall vermittelt werden. Ich denke, nur Wissen und das Verstehen bieten uns den dafür geeigneten Handlungsansatz.
Der neue Landtag im Herzen Potsdams, an dieser geschichtsträchtigen Stelle - dies will ich ganz deutlich sagen -, ist ein für die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 prädestinierter Ort, ein Denkmal für die mutigen Menschen zu beherbergen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Wir werden diesem Antrag zustimmen. Nicht nur das: Wir begrüßen ausdrücklich die Einbringung dieses Antrags; denn wie Ihnen bestimmt in Erinnerung sein dürfte, hat sich die DVU-Fraktion bereits in der Vergangenheit mit dieser Problematik beschäftigt. Erinnern möchte ich an die Große Anfrage mit der Drucksachennummer 4/2075 meiner Fraktion, die im Dezember 2005 hier im Plenum debattiert wurde. Be
reits damals war erkennbar, dass hier einiges im Argen liegt. Umso mehr freut es uns jetzt, dass das auch die Regierungsfraktionen erkannt haben und hier tätig geworden sind.
So sehr wir den Antrag auch unterstützen, gibt es doch einige kleine Kritikpunkte. In Punkt 2 des Antrags steht, dass sich die öffentlich finanzierten Träger der politischen Bildungsarbeit aktiv mit den Folgen der DDR und den Werten der Demokratie auseinandersetzen sollen. - Warum steht hier nur „sollen“? Wenn öffentliche Gelder fließen, kann die öffentliche Hand auch verbindliche Festlegungen treffen.
Zweiter Kritikpunkt: Sie fordern in Ihrem Antrag, Erinnerungstafeln und Straßennamen zum lebendigen Erinnern zu gestalten. Dazu gehört allerdings auch die Entfernung linksextremistischer und linksfaschistischer Straßennamen.