Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Frau Kollegin Fraktionsvorsitzende, Ihre Ablehnung erfolgte immer ohne Vorlage eines eigenen Gesamtkonzeptes, das heißt ohne Alternativvorschlag.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Hier irrt der Spre- cher!)

Ich sage ganz offen: Gott sei Dank hatten Sie keinen Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Ferner stelle ich fest: Auch wenn es noch ziemlich früh am Tag ist, ist die Aufmerksamkeit Ihrer Fraktion, Frau Kollegin Osten, bei Ihrem Redebeitrag relativ schwach gewesen; Sie wirkten etwas müde.

(Lachen bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir von der Koalition stellen nüchtern, offen und ehrlich fest: Heute ziehen Arbeitsmarkt und Konjunktur auch in Brandenburg an.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Der Zeigefinger muss noch kommen!)

- Sie haben nachher noch Redezeit, Frau Kollegin.

Ich sage ganz selbstbewusst: Das ist auch Ergebnis schwieriger, zum Teil hart umkämpfter, umstrittener Reformvorhaben, die wir in den letzten Jahren gemeinsam umgesetzt haben. Alle diese Reformvorhaben hat die Linkspartei.PDS, wie gesagt, abgelehnt.

Frau Kollegin Osten, auf Ihren Vorwurf der Steuerungerechtigkeit habe ich gewartet. Das war ein fester Baustein in Ihrem Redebeitrag. Dazu will ich Ihnen am frühen Morgen sachlich und ruhig Folgendes entgegnen: Sie haben uns vorgeworfen,

dass gerade alleinstehende Frauen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - der „kleine Mann“ sozusagen - nicht entlastet worden seien und stattdessen jetzt die Unternehmer ordentliche Steuergeschenke erhielten.

Ich will das versachlichen und zurechtrücken: Nie in der Geschichte hat es eine derart spürbare Steuersenkung für mittlere und kleine Einkommen gegeben wie in den Jahren 1999, 2000 und 2003 - unter Rot-Grün übrigens. Noch nie wurde dreimal in Folge das Kindergeld erhöht. Das haben wir gemacht, weil es gerecht ist. Davon sind wir nach wie vor überzeugt. Seit Januar 2007 - das sei nur nebenbei noch einmal erwähnt - gilt übrigens die Reichensteuer.

Meine Damen und Herren! Um den positiven Trend am Arbeitsmarkt, beim Wachstum und bei den Steuereinnahmen auch hier in Brandenburg zu unterstützen, ist aus der Sicht der SPDFraktion die Reform der Unternehmensbesteuerung ein notwendiger Schritt. Die Reform hat zwei zentrale Anliegen. Erstens geht es um die Erhaltung und Verstetigung der Gewerbesteuer. Das ist - ich schaue zu Kollegin Melior hinüber - eine der wichtigsten Einnahmesäulen der Kommunen, eine der wichtigsten Steuern, auf die sie - auch mit Blick auf Investitionen - bauen.

Zweitens sollen Verschiebebahnhöfe unterbrochen werden. Über solche Bahnhöfe werden Gewinne im Inland oder Verluste im Ausland zulasten unserer Steuerbasis hin- und hergeschoben. Frau Kollegin Osten, hohe Steuersätze sind eben keine Garantie für hohe Steuereinnahmen. Das zeigt die Realität. Das wissen auch Sie von der Linkspartei.PDS.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Niedrige aber auch nicht!)

Ich habe es übrigens in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde nachlesen können. Sie können sich gern noch zu Wort melden, Herr Kollege Vietze.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Nein!)

Nahezu alle der großen und viele der mittleren Unternehmen sind heute Teil internationaler Konzerne. Wo aber innerhalb der Unternehmensgruppe und vor allen Dingen in welcher Höhe Kosten und Erträge anfallen, ist in erheblichem Umfang - ich drücke es künstlerisch aus - gestaltbar.

Ich nenne ein Beispiel, wie das derzeit noch ganz legal abläuft; vermutlich kennt es jeder hier im Saal. Die deutschen Filialen einer beliebten Möbelhauskette weisen trotz guter Umsätze zu ihrem größten Bedauern keine nennenswerten steuerpflichtigen Gewinne aus, weil für die Nutzung des gelb-blauen Markenzeichens leider hohe Lizenzgebühren an eine Konzerntochter in einem Niedrigsteuerland zu zahlen sind; denn diese verfügt über die Namens- und auch die Markenrechte dieser Möbelhauskette. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW - in Berlin hat kürzlich in einer interessanten Studie zur Unternehmensbesteuerung dargelegt, dass die Steuersätze in Deutschland mit 39 % nominal im internationalen Vergleich an der Spitze liegen.

Diese hohen Sätze machen Deutschland, künstlerisch gesprochen, jedoch anfällig - ich sagte es bereits - für Gestaltungen; das Beispiel einer bekannten Möbelhauskette habe ich eben erwähnt. Es gibt weitere hundert derartige Beispiele, wie Steuern aus Deutschland - auch auf Brandenburg bezogen - transferiert

werden. Das tatsächliche Steueraufkommen wird dadurch erheblich geschwächt. Das Ergebnis - so sagt das DIW - ist ein trotz hohem Steuersatz bestenfalls durchschnittliches und im Verhältnis zu dem tatsächlichen Gewinn der Unternehmen unangemessen niedriges Steueraufkommen. Der Verlierer dabei ist der deutsche Fiskus. Wer sicherstellen will, dass die in Deutschland und Brandenburg ansässigen Unternehmen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung staatlicher Aufgaben wie Forschung, Innovation, Bildung und Familie leisten, muss bereit sein, etwas gegen die Erosion im deutschen Steuersystem zu tun, und kann davor nicht - wie Sie von der Linkspartei. PDS-Fraktion - die Augen verschließen. Dies ist das zentrale Anliegen der Unternehmenssteuerreform.

Dass in den Medien und einem Teil der öffentlich geführten Debatte häufig zwei andere Punkte - die beabsichtigte Senkung des Körperschaftsteuersatzes und die anfänglichen Steuermindereinnahmen - aufgeführt werden, ist zwar verständlich, jedoch ein sehr enger Blickwinkel.

Der SPD-Parteirat - an dieser Stelle sei es mir gestattet, das zu erwähnen, denn natürlich führen wir innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Diskussionen zu diesem Thema - hat in seiner Entschließung zur Unternehmenssteuerreform auf den Punkt gebracht, worum es geht.

(Oh! von der Linkspartei.PDS)

- Bitte erst zuhören und dann rufen.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

„Deutschland braucht ein Unternehmenssteuerrecht, das international wettbewerbsfähig ist,...“

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Richtig!)

„... ein Steuerrecht, das die Unternehmen animiert, Gewinne nicht länger ins Ausland zu verschieben, sondern in Deutschland zu investieren, und ein Steuerrecht, das insgesamt den Standort Deutschland und auch seine Arbeitsplätze stärkt.“

Wir wollen die deutsche Steuerbasis nachhaltig sichern. Die Kluft zwischen den nationalen nominalen Steuersätzen einerseits und den tatsächlichen Steuerzahlungen andererseits muss geschlossen werden. Diesem Ziel dient die Unternehmenssteuerreform eindeutig.

Bezüglich Brandenburg möchte ich noch auf drei wichtige Punkte eingehen. Erstens die anfänglichen Kosten dieser Reform, zweitens die direkten Auswirkungen auf unsere kommunalen Haushalte und Kommunen sowie drittens die Auswirkung auf den für Brandenburg enorm wichtigen Mittelstand.

Zu den Kosten der Reform für das Land Brandenburg: Allen ist klar - das sagten auch der Finanzminister und der Ministerpräsident -, dass zumindest für die ersten zwei Jahre mit einem Rückgang der Steuereinnahmen gerechnet werden muss. Das ist - das sage ich auch als finanzpolitischer Sprecher dieser SPD-Landtagsfraktion - eine durchaus schwer zu verkraftende Operation für den Landeshaushalt; denn wir konsolidieren den Brandenburger Landeshaushalt sehr hart und konsequent. Ohne diese Reform bricht die Steuerbasis für Gesamtdeutschland

mit 50 % unserer Einnahmen hängen wir am Tropf des gesamten Steueraufkommens in der Bundesrepublik - eventuell schleichend, aber auf lange Sicht zweifellos weg. Dann wird eine verweigernde Reform teurer. Was die Details angeht - das sage ich an dieser Stelle ganz offen - muss noch hart gerungen werden.

Zu den Auswirkungen auf unsere Kommunen in Brandenburg: Die Kommunen gehören unterm Strich zu den Gewinnern der Unternehmenssteuerreform. Sie profitieren; denn neue ertragsunabhängige Bestandteile der Gewerbesteuern sichern die Einnahmebasis der Städte und Gemeinden und machen diese unabhängiger von Konjunkturschwankungen; denn ein Unternehmen muss sowohl bei hohen Gewinnen als auch bei Verlusten einen Teil der Gewerbesteuer an die Gemeinde abführen, ob die Konjunktur nun brummt oder schwächelt. Das wird die Einnahmebasis der Kommunen stabilisieren. Es stärkt zudem die Handlungsfähigkeit der Kommunen, und starke Kommunen sind natürlich wichtig für Mittelstand und Handwerk. Das wiederum führt zu vollen Auftragsbüchern in den Regionen in der Uckermark, in der Prignitz oder auch in der Lausitz.

Im Übrigen steigen die verfügbaren Einnahmen aus der Gewerbesteuer für die Kommunen aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2012 um mehr als 33 % gegenüber dem Ausgangsniveau - plus ein Drittel Steuereinnahmen für die Gemeinden.

Welche Auswirkung auf den brandenburgischen Mittelstand ist zu erwarten? - Der Mittelstand wird mit der Unternehmenssteuerreform 2008 eindeutig gestärkt. Es gibt hohe Freibeträge und auch Freigrenzen. Von - notwendigen - Gegenfinanzierungsmaßnahmen ist der brandenburgische Mittelstand weitestgehend ausgeschlossen und bleibt somit verschont.

Abschließend möchte ich noch eine berechtigte Sorge aufgreifen. Bei der letzten Senkung der Unternehmenssteuer war jeder optimistisch, und es kam dann doch alles anders. Die Steuereinnahmen sind im Jahr 2001 dramatisch eingebrochen. Diesen Einbruch haben wir im Landtag Brandenburg durch die Aufnahme zusätzlicher Kredite kompensieren müssen. Dennoch ist diese Sorge unbegründet, da eine Wiederholung des damals unglücklichen Zusammentreffens von Konjunkturabschwächung, Börsencrash, branchenspezifischen Problemen und einer steuerlichen Systemänderung nicht eintreten wird. Eine solche Systemänderung wie im Jahr 2001 wird es mit der Reform 2008 nicht geben. Diese ist auch nicht beabsichtigt. Die Ausfälle der Jahre 2001 und 2002 waren bereits im Jahr 2005 weitestgehend kompensiert. Heute liegt das Niveau deutlich höher als vor den Jahren 2001 und 2002.

Meine Damen und Herren, wir wollen erstens, dass die Leistungsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleibt. Zweitens wollen wir insbesondere, dass die Unternehmen künftig mehr Steuern am Standort Deutschland zahlen und ihren Beitrag dazu leisten, dass die Aufgaben - unter anderem Soziales, Bildung, Kultur und Wissenschaft - finanziert werden können. Dafür ist diese Reform notwendig. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Hesselbarth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits am 21. März dieses Jahres brachte die DVU-Fraktion einen umfangreichen Antrag auf eine Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg zur Ablehnung der Unternehmenssteuerreform 2007 - von vielen auch Unternehmenssteuerreform 2008 genannt - ein. Unser Antrag beinhaltet auch die Forderung nach einem Nachbesserungsentwurf zur Begünstigung des Mittelstandes. Später, meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS-Fraktion, zogen Sie zuerst mit einem Antrag und nun mit dieser Aktuellen Stunde buchstäblich im letzten Moment nach. Allerdings - das musste ich feststellen - mangelt es Ihnen an wirtschafts- und finanzpolitischer Kreativität.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD] - Beifall bei der DVU)

Die Ablehnung der sogenannten Unternehmenssteuerreform der rot-schwarzen Bundesregierung zu fordern ist zwar richtig, jedoch nur die halbe Wahrheit.

Wir gehen mit Ihrer Einschätzung völlig konform, dass die mit der geplanten Unternehmenssteuerreform verbundenen Steuerausfälle von jährlich mehr als 12 Milliarden Euro und die damit verbundenen Mindereinnahmen für unser Land Brandenburg in Höhe von jährlich 150 Millionen Euro haushaltspolitisch schlicht und ergreifend nicht zu verkraften sind. Das fiel - wenn man der Presse Glauben schenken darf - in der Zwischenzeit sogar unserem Ministerpräsidenten und seinen Amtskollegen in Sachsen-Anhalt und Bremen auf.

Bedeutend dramatischer - darauf gehen Sie, meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS-Fraktion, in Ihrem Antrag bedauerlicherweise überhaupt nicht ein - ist die Tatsache, dass sich diese sogenannte Reform für die kleinen und mittelständischen Unternehmen vor allem in Brandenburg finanziell verheerend auswirken wird. Darauf wiesen inzwischen auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, der Bauernverbandspräsident und der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe hin.

Herr Bischoff, sogar der Sprecher der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie - ein Verband, der eher große mittelständische Betriebe vertritt - erklärte wörtlich:

„Allein die Änderungen bei der Behandlung von Finanzierungsaufwendungen kosten die Wirtschaft mehrere Milliarden Euro.“

(Bischoff [SPD]: Sie wollen am liebsten keine Steuern zahlen!)

„Die positiven Standorteffekte der Steuerreform können so nicht eintreten. Die deutsche Wirtschaft geht davon aus, dass ihr die Steuerreform keine Entlastung verschafft, wie es die Bundesregierung versprochen hat. Im Gegenteil. Eine neue Studie des BDI sowie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kommt zu dem Schluss, dass die Belastung deutlich höher ausfällt, als von der Bundesregierung veranschlagt.“

Die Pläne der Bundesregierung werden also ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Es ist zu erwarten, dass diese soge