Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Rein rechtlich ist der Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS allerdings missraten. Dazu nur zwei Punkte: In Ihrer Begründung schlagen Sie eine Bürgerbeteiligung vor, die bei entsprechender Mehrheit der betroffenen Bürger zur Befassung der kommunalen Gremien führen soll. Das geschieht alles schon. Dem von Ihnen vorgeschlagenen Text zur Gesetzesänderung ist dies aber nicht zu entnehmen, meine Damen und Herren von der PDS. Hier ist in § 8 Abs. 1 Satz 4 und 5 nur von informieren die Rede, nicht aber von anhören bzw. von der Durchführung von Anhörungen.

Zweitens: Der Kreis der Betroffenen, die zu beteiligen sind, ist nicht klar erkennbar. Sollen es nur die Anlieger sein oder auch sonstige Straßenutzer, also Nutzer der ringsum liegenden Straßen?

Insoweit können sich zudem Unterschiede bei der Bewertung der Situation ergeben, je nachdem, ob es sich um Haupt-, Neben-, Landes- oder sonstige Straßen handelt.

Dies alles ist im Gesetzentwurf der PDS in keiner Weise geschehen. Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu. Aber, wie gesagt, einer Überweisung in den Ausschuss, Herr Dr. Scharfenberg, würden wir zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Danke schön. - Nun erhält der Abgeordnete Werner für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier sehr viel über Deregulierung, über den Abbau von Normen und Standards. Dafür haben wir einen Ausschuss. Was macht die PDS? Sie erstickt wieder einmal in Regulierungswut.

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS)

Was nicht geregelt ist, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass es verboten wäre, sondern - ganz im Gegenteil -, dass man natürlich von einem nichtgeregelten Gegenstand auch Gebrauch machen kann. Es hat auch ein bisschen den Hauch von Zentralismus, den wir aus früherer Zeit kennen: Sie wollen den Gemeinden vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Aus Ihrer Sicht können es die Gemeinden selber nicht. Aber die Praxis sieht in der Tat ganz anders aus. Von daher führt auch eine öffentliche Diskussion nicht dazu, dass man die Erhaltung oder den Bau einer Straße zum Nulltarif haben kann oder, wie ein Kommentator unlängst schrieb:

„Mehr Demokratie bedeutet nicht, weniger Geld ausgeben zu müssen.“

Es liegt doch vielmehr in der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden, dieses zu regulieren.

Ich nenne Ihnen einmal das Beispiel aus meiner Gemeinde. Dort ist es nicht einmal in der Satzung ausdrücklich geregelt, aber eine Gemeindevertretung, eine Verwaltung wäre doch mit dem berühmten Klammersack gepudert, wenn sie die Bürger nicht einbeziehen würde.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Das würde sie einmal machen, aber nicht ein zweites Mal. Also macht der Amtsdirektor Folgendes: Er lädt gemeinsam mit dem Bürgermeister und mit jemandem in der Amtsverwaltung, der etwas Ahnung hat, die Einwohner, die Anlieger einer Straße, ein und sagt: Wir haben vor, eine neue Straße zu bauen. Wir schlagen euch sogar drei, vier oder fünf Varianten vor, die natürlich unterschiedlich Geld kosten. Die Bürger können mitreden. Sie entscheiden sich nicht immer für die billigste Variante, sondern sie gucken schon genauer hin, was sie denn wollen. Dann sind auch Dinge wie zum Beispiel Grundstückseinfahrten zu regeln. Schon dabei muss man die Bürger einbeziehen. Man kann doch dem Bürger nicht einfach eine Straße oder einen Fußweg hinsetzen, ohne genau zu wissen, wie er seine Grundstückseinfahrt gestaltet haben will. Das geht sogar so weit, dass die Anlieger entscheiden können, welche Straßenbäume und welche Art von Laternen sie hingestellt bekommen möchten.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

So sieht doch die Praxis in den Gemeinden aus.

Wenn man sich Ihren Gesetzestext einmal anschaut, dann stellt man fest, dass er in sich überhaupt nicht stringent ist. Man kann schlichtweg darauf verzichten. Sie reden nur von Information. Information kann auch so aussehen, dass ich ein Brieflein mit drei Sätzen schreibe: Wir haben die Absicht, eine Straße zu bauen. Die Unterlagen können Sie zu den ortsüblichen Zeiten in der Gemeindeverwaltung einsehen. - Schluss, aus. Sie müssen schon stringent regulieren, indem Sie vorschreiben, in welcher Art und Weise die Bürger einzubeziehen sind. Aber das tun Sie nicht. Hier sind Sie also nicht konsequent genug.

Zum zweiten Satz in Punkt 2: Die Gemeindevertretung hat doch letztendlich sowieso zu entscheiden, natürlich unter Berücksichtigung des Willens der Bürger. Wenn man sich nicht einig wird, muss letztendlich die Gemeindevertretung eine Entscheidung treffen, möglicherweise auch gegen den Willen der

Bürger. Ich nenne Ihnen hierzu auch ein aktuelles Beispiel. Die Bürger in einer Straße konnten sich nicht einigen, ob sie Ahorn oder Linde haben wollten. Beide Baumarten sind gleich teuer. Wir haben es in der Gemeindevertretung entschieden. Wir haben gesagt: Linde ist unser Wappenbaum, also nehmen wir die Linde. Es kann also auch dazu kommen, dass sich die Bürger nicht einigen.

Aber was machen Bürger auch noch? Sie interessiert es zum Teil gar nicht - diese Erfahrung habe ich auch gemacht -, und wenn die Straße fertig ist, regen sie sich darüber auf, was alles falsch gemacht worden ist. Sie haben aber die Möglichkeit, sich vorher zu informieren.

Von daher kann ich nur sagen: Es ist geübte Praxis, dass die Anlieger, die von Straßenbaumaßnahmen betroffen sind, einbezogen werden. Von daher bedarf es der Gesetzesänderung in keiner Weise. Deshalb lehnen wir sowohl die Überweisung als auch den Gesetzentwurf ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält jetzt Herr Minister Schönbohm. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den Kollegen der CDU- und der SPD-Fraktion ist schon alles gesagt worden. Darum lassen Sie mich nur noch einige wenige Bemerkungen machen.

Ich war etwas überrascht, Herr Dr. Scharfenberg, dass Sie als ausgewiesener Kommunalpolitiker darum bitten, dass die Entscheidungsfreiheit der Kommunen eingegrenzt wird. Ich dachte, es kommt darauf an, dass wir mit unserer Gesetzgebung einen Rahmen setzen, der von der Kommune ausgefüllt wird, der die Initiative vor Ort fördert. Wenn das Bild, das Sie beschrieben haben, Wirklichkeit wäre, würde in diesen Kommunen der Bürgermeister abgewählt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dann würden sich die Kommunalvertretungen anders zusammensetzen.

Wir wollen, dass die Kommunen auch lernen, mit der Freiheit, die sie bekommen haben, umzugehen. Wo das nicht der Fall ist, haben wir Gemeindevertretungen und auch jeweils Kollegen aus dem Landtag, die ihnen helfen können und einen Blick über den Tellerrand oder, besser gesagt, über den nachbarschaftlichen Gartenzaun werfen und sagen: Denkt doch beim nächsten Mal daran, es so oder so zu machen.

Darum kann ich nur sagen: Dieser Gesetzentwurf hilft uns nicht weiter. Daher bin ich der Auffassung, wir wären gut beraten, diesen Gesetzentwurf abzulehnen und die Diskussion gemeinsam weiterzuführen, wie wir den Kommunen helfen können, die Freiheit und die Verantwortung, die sie haben, besser wahrzunehmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich lasse noch eine Frage des vorhergehenden Fragestellers zu.

Herr Minister, ich habe in meinen einführenden Bemerkungen darauf aufmerksam gemacht, dass das KAG die Beitragspflicht vorschreibt, aber keine Pflicht zur Beteiligung der Bürger. Im Zweifelsfall kollidiert hier etwas. Wir hatten das Beispiel in Potsdam, dass die Satzungsregelung der Beitragspflicht nachgeordnet und in diesem Fall die Satzungsregelung faktisch ausgehebelt worden ist. Was halten Sie davon, dass sozusagen diesem Mangel abgeholfen wird, indem beides im Gesetz nebeneinandergestellt wird?

Sie hatten noch eine andere Denkfigur in Ihrer Rede, auf die ich nicht eingegangen bin. Sie haben gesagt: Nun stellen Sie sich einmal vor, wir haben Kommunen mit sprudelnden Einnahmen, und dann müssen die noch Anliegergebühren erheben! - Ich freue mich, dass Sie so optimistisch sind, dass das kommt. Ich bin sicher, dass die Kommunen in der Lage sind, damit umzugehen und dann die Anliegerbeiträge so zu berechnen, dass die Bewohner der Kommune doch froher sind. Es geht hier doch um ein Regelwerk, um Prioritäten und damit um Zuständigkeiten. Wenn sich eine Kommune entscheidet, das anders zu machen, gehört das dahin, wo es tatsächlich hingehört: in die Kommune.

Ich hatte das Vergnügen, drei Jahre lang im Abgeordnetenhaus von Berlin zu sein. Dort wurde von einem der Genossen der PDS die Frage gestellt, ob ich etwas zum Immissionsschutz sagen könnte, ob der neue Springbrunnen, der in einem Stadtteil installiert wurde, der Immissionsschutzverordnung entspricht. Das gehört nicht ins Parlament. Darum müssen wir die klare Unterscheidung haben: Wir machen das, was Landessache ist, und die Kommune macht das, was kommunale Sache ist. Ich als Kommunalminister kämpfe darum, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Dabei können wir ihnen helfen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Die Aussprache ist damit beendet. Wir kommen zur Abstimmung. Inzwischen liegt ein Antrag auf Überweisung des Gesetzentwurfs, Drucksache 4/4430, in den Innenausschuss vor. Wer dieser Überweisung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist gegen diese Überweisung? - Ich möchte darum bitten, dass ausgezählt wird, die Stimmenverteilung scheint mir pari zu sein. Ich bitte noch einmal jene um ihr Handzeichen, die für die Überweisung in den Innenausschuss sind. - Jetzt bitte ich jene, die dagegen sind, ihre Hand zu heben. - Nachdem noch zwei Abgeordnete herbeigerufen worden sind, ist mit 31 gegen 28 Stimmen der Antrag abgelehnt worden.

Wir haben die Abstimmung fortzuführen. Es geht um den Gesetzentwurf als Ganzes. Wer diesem Gesetzentwurf seine Stimme geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Es ist mehrheitlich gegen diesen Gesetzentwurf gestimmt worden, er ist damit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Wasserwirtschaft im Land Brandenburg

Große Anfrage 26 der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/3486

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/4162

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Abgeordneten Adolph von der Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Land Brandenburg gilt als das gewässerreichste, zugleich aber auch als das niederschlagsärmste Bundesland. Die Wasserwirtschaft bildet im Landeshaushalt einen hohen Kostenfaktor. Die Abwasserpolitik der zentralen Kanalisation hat sich im dünnbesiedelten Flächenland Brandenburg als besonders unwirtschaftlich, unsozial und unökologisch erwiesen.

Überdimensionierte Kläranlagen, kilometerlange Leitungssysteme, viele verschuldete Zweckverbände, öffentliche Mittel, die in einem Fass ohne Boden versickern, hohe Gebühren und Anschlussbeiträge - all das war Grund genug für die Linkspartei.PDS, eine Große Anfrage einzubringen, um im Prozess der Novellierung des Brandenburgischen Wassergesetzes die Sicht der Landesregierung auf die aktuelle Situation der Wasserwirtschaft zu erfahren.

Für die Novellierung liegt den Fraktionen nun endlich der Referentenentwurf vor. Dass sich der Prozess dieser Gesetzesänderung derartig hinzieht, lässt nach Auffassung der Linkspartei darauf schließen, dass hinter den Kulissen heftig gerungen wird. Keine der mächtigen Lobbys der Zweckverbände im Trink- und Abwasserbereich, aber auch nicht die Gewässerunterhaltungsverbände wollen von ihren liebgewordenen Pfründen lassen. Sie stützen sich auf ein System der Zwangsabgaben, das unter dem Deckmantel der Solidargemeinschaft oft nur die Verbände und die beauftragten Unternehmen zu Gewinnern macht.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nichts anderes spielt sich übrigens auf dem Energiesektor und bei der Bahn ab. Wer dort über die Leitungen und Netze verfügt, bestimmt so lange den Preis, wie andere darauf angewiesen sind.

Auch mit der Beantwortung unserer Großen Anfrage ließ sich die Landesregierung über Gebühr Zeit. Offenbar haben wir die richtigen Fragen gestellt - unbequeme Fragen. Viele bleiben unbeantwortet, oder die Antworten zeugen von ungenauer Kenntnis der Landesregierung. Nach der Forstwirtschaft und dem Klimaschutzbericht zeigt sich, dass das Haus von Minister Woidke einen dritten Fachbereich nicht im Griff hat. So besteht

kein Überblick über die allgemeine Personal- und Kostenstruktur der Wasserwirtschaft in Brandenburg. Was also bei Bildung, Forst, Polizei bekannt ist, bleibt im Bereich der Wasserwirtschaft weitgehend verborgen. Hier zeigt sich ein Mangel im Zusammenspiel zwischen den Behörden der Kommunalund Fachaufsicht, den Verbänden und der obersten Behörde.