Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 4/4428

Frau Große von der Linkspartei.PDS-Fraktion eröffnet die Debatte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

„Sie haben mit diesem Gesetzentwurf die Chance vertan,

die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erhöhung der Qualität der Lehrerbildung als entscheidende Stellschraube zur Qualitätssicherung und -erhöhung an unseren Schulen zu verbessern.“

Das war ein Zitat. Man zitiert sich zwar eigentlich nicht selbst, dennoch: Dies habe ich in meiner letzten Rede zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes gesagt. Und dabei muss ich leider bleiben.

Meine Hoffnung, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung im Laufe des parlamentarischen Verfahrens qualifiziert wird, hat sich leider erneut als Illusion erwiesen. Die von uns bereits beklagten Defizite sind nicht bereinigt worden, obwohl wir eine qualifizierte Anhörung mit wertvollen Anregungen vonseiten der Experten hatten.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sind sich treu geblieben und haben wieder einmal weitgehend kritische Einwände der Fachleute ignoriert. Das ist enttäuschend und für die Sache der Lehrerbildung keineswegs hilfreich.

Die Veränderungen im Gesetz sind und bleiben punktueller Natur. Die wenigen Punkte, die verändert wurden, tragen a priori zur Erhöhung der Qualität nicht bei. Zweifellos begrüßen wir die Anstrengungen zur besseren Verzahnung von Theorie und Praxis und damit verbunden der verschiedenen Ausbildungsphasen.

Die Einführung des Praxissemesters kann gute Möglichkeiten zur Steigerung der Qualität der Erstausbildung bieten, und auch die Betonung der Notwendigkeit, die Berufseingangsphase qualifizierend zu begleiten, ist auf jeden Fall ein Fortschritt.

Doch im Gesetz findet sich lediglich die organisatorische Verankerung, die nur dann Sinn macht, wenn sie inhaltlich qualifiziert wird, und dafür fehlen unseres Erachtens die nötigen Festlegungen.

Das Praxissemester wird nur dann qualitätssteigernd wirken, wenn es gelingt, es tatsächlich dafür zu nutzen, dass sich die Praktikantinnen und Praktikanten in den ersten Unterrichtsversuchen erproben und darüber hinaus das eigene Berufsfeld systematisch und reflexiv erkunden können. Dazu bedarf es einer intensiven Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung von Praktika und eines engen Zusammenwirkens von Hochschule, Schule und Vertretern beider aus der zweiten Ausbildungsphase. Dazu sind entsprechende finanzielle und personelle Voraussetzungen zu schaffen.

Die Anhörung hat uns in unserer kritischen Sicht auf das neu zu schaffende Landesinstitut, seiner Aufgaben und seiner personellen Zusammensetzung bestärkt. Das Landesprüfungsamt hatten Sie vor zwei Jahren geschaffen, um Synergieeffekte zu erzielen. Ohne die Arbeit des Landesprüfungsamts evaluiert zu haben, gründen Sie nun mit dem gleichen Argument das Landesinstitut. In einem Atemzug mit der Schaffung dieses Instituts wollen Sie die staatlichen Studienseminare abschaffen und sie neu gründen. Dafür sehen wir keine Notwendigkeit. Sie wollen Strukturen zerschlagen, die sich bewährt haben.

Zu Recht wird vonseiten der Studienseminare befürchtet, dass in der neuen Behörde der verwaltungsfachliche Bereich gegen

über dem ausbildungsfachlichen Bereich dominiert, die notwendige Steigerung der Ausbildungsqualität auf eine Strukturdebatte reduziert wird und den ausbildungsinhaltlichen und qualitativen Fragestellungen nicht der notwendige Stellenwert zukommt. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund der Vielzahl und der inhaltlichen Tragweite der aktuellen Veränderungen in der Lehrerbildung fatal.

Mit dem Gesetz beschließen Sie, dass sich die Leitung des Landesinstitutes für Lehrerbildung ausschließlich aus dem verwaltungsfachlichen Bereich rekrutiert, obwohl die Schwerpunktaufgabe des Landesinstituts im Bereich der Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer liegt. Daher halten wir zwar die festgeschriebene Überleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für vertretbar, plädieren jedoch unbedingt für eine Ausschreibung der bedeutsamen Leitungsfunktionen des Direktors und seines Stellvertreters.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gestatten Sie mir noch, zu einigen inhaltlichen Aspekten der Lehrerausbildung zu kommen. Sie hätten die Chance gehabt Sie haben diese auch immer noch, wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen -, durch diese Gesetzesänderung zu einer stärkeren Ausrichtung an schulischen Notwendigkeiten und Realitäten zu kommen, wenn Sie erstens die unterschiedlich langen Ausbildungszeiten für die Lehrkräfte der beiden unterschiedlichen Lehrämter ausgeglichen und zweitens die Unterscheidung in der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausbildung künftiger Lehrkräfte nach dem ersten und zweiten Fach aufgegeben hätten.

Lehrkräfte, die in der sechsjährigen Grundschule unterrichten, benötigen - ebenso wie Lehrkräfte der Sekundarschule I - andere, jedoch keineswegs weniger theoretische und praktische Kompetenzen als angehende Gymnasiallehrkräfte. Von daher ist die vorhandene einsemestrige Differenz zur Ausbildung von Gymnasiallehrkräften nicht sinnvoll. Bezüglich der Unterscheidung der beiden Fächer hält der Gesetzentwurf an der differenzierten Ausbildung fest. In der praktischen Arbeit an der Schule wird nicht danach unterschieden, ob jemand im ersten oder zweiten Fach unterrichtet,

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

das heißt, ob er mit einem höheren Umfang an fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteilen - wie es beim ersten Fach der Fall ist - studiert hat oder mit einem etwas geringeren Umfang wie beim zweiten Fach.

Schüler, Eltern und Kollegen erwarten zu Recht die gleichen methodischen, fachdidaktischen Kompetenzen. Den Anteil der fachdidaktischen Studien von 10 % halten wir für zu niedrig, da Fragen der didaktischen und methodischen Gestaltung von Lernprozessen der Schlüssel zum erfolgreichen Gestalten individueller und kollektiver Lernprozesse und eine entscheidende Voraussetzung für deren Qualitätsentwicklung sind.

Angesichts der aufgeführten gravierenden Defizite dieses Gesetzes sehen wir uns nicht in der Lage, ihm in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, geben wir aber die Möglichkeit, den Gesetzentwurf noch zu qualifizieren, wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen. - Vielen Dank.

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erhält Frau Geywitz das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wahrscheinlich können sich nur wenige von uns noch an den genauen Wortlaut des Schulgesetzes erinnern, welches seine Gültigkeit hatte, als wir zur Schule gingen. Dagegen kann man sich an gute und schlechte Lehrer ziemlich gut erinnern. Für so manch einen war es bei der späteren Berufswahl von Bedeutung, dass er eine gute Russischlehrerin, einen begeisterungsfähigen Mathematiklehrer oder einen tollen Deutschlehrer hatte.

Insofern will ich nicht sagen, Schulgesetze seien unwichtig. Das Wichtigste am Bildungsbetrieb bzw. am Bildungssystem sind jedoch unsere Lehrkräfte, die in der Lage sind, Wissen zu vermitteln und den Schülern Spaß am Lernen zu geben. Darum haben wir uns bemüht, dem Schulgesetz und seiner Novelle eine entsprechende Novelle des Lehrerbildungsgesetzes folgen zu lassen, und wir werden uns auch um den Anfang des Bildungssystems - die Kita - kümmern; dazu jedoch beim nächsten Mal mehr.

Die Eckpunkte des aktuellen Lehrerbildungsgesetzes wurden in der letzten Sitzung diskutiert. Dazu hat Frau Große ihre Kritik bereits formuliert. Unsere Fraktion hat darauf hingewiesen, welche Punkte uns bei der Novelle wichtig waren: Internationalisierung und Erhöhung des Praxisanteils.

Zudem war uns sehr wichtig - das zeigen auch die daraufhin geschriebenen Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen -, das Votum der Experten in der Anhörung vom 22. März 2007 einzubeziehen. Dass wir diesbezüglich zum Teil andere Schwerpunkte setzen als Frau Große, liegt, glaube ich, in der Natur der Sache.

Für uns ist eines klar: Wir in Brandenburg wollen einen anerkannten Lehrerabschluss schaffen; daher möchten wir, dass die KMK-Standards - die Standards der Kultusministerkonferenz verbindlich sind. Zudem wollen wir, dass Förderschullehrer den Praxisteil dort absolvieren, wo sie ihr Wissen in der Praxis überprüfen können, das heißt, entweder an Förderschulen bzw. an Schulen mit gemeinsamem Unterricht.

Ein weiteres Anliegen ist - das wird der Kollege Senftleben sicherlich noch ausführen -, das Erst- und Zweitfach anzugleichen. Mehrfach wurde über Probleme - insbesondere bezüglich der Versorgung mit Berufsschullehrern - gesprochen. Aufgrund dessen müssen wir in Zukunft im Bereich der Lehrerausbildung flexibel sein und haben daher eine Erprobungsklausel in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Uns ist bewusst, dass Qualität wesentlich davon abhängt, wie Lehrer ausgebildet werden und wie attraktiv das Lehramtsstudium ist. Angesichts der hohen Abbrecherquoten scheuen einige davor zurück, ein Lehramtsstudium zu beginnen. Wir wollen, dass sich die Besten dafür interessieren, Lehrer zu werden, weil es ein schöner und vor allem wichtiger Beruf ist.

Wir sind - Frau Große, Sie können uns glauben - an einer guten Qualität der Lehrerausbildung sehr interessiert; denn wir

möchten die besten Lehrer für die absehbaren Bedarfe in den nächsten Jahren bekommen. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Für die DVU-Fraktion erhält Frau Fechner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im letzten Monat hatten wir bereits zum Gesetzentwurf zur Änderung lehrerbildungs- und besoldungsrechtlicher Vorschriften debattiert. Zwischenzeitlich hat eine öffentliche Anhörung stattgefunden, und die einzelnen Fraktionen haben Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf eingebracht; Vorschläge, die mehr oder weniger Gehör fanden.

Einigkeit herrschte bei allen Fraktionen bezüglich des unterschiedlichen Studienumfangs des ersten und zweiten Faches in der Lehrerausbildung. Auch bei der Anhörung forderten einige Vertreter, dass es künftig keine Unterscheidung mehr geben sollte. Diese Forderung haben die Regierungsfraktionen sowie die Linkspartei.PDS-Fraktion aufgegriffen und jeweils einen Antrag dazu - während der Ausschusssitzung - eingebracht. Diese Anträge wurden jedoch aufgrund fachlicher Mängel zurückgezogen. Man einigte sich dann darauf, die zurückgezogenen Anträge zu überarbeiten und zur heutigen 2. Lesung des Gesetzentwurfs einzubringen. Obwohl Änderungsbedarf zum vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung besteht, empfiehlt die Mehrheit des Ausschusses dem Landtag - wohlwissend, dass es noch einiger Änderungen bedarf -, den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss beschlossenen Fassung anzunehmen.

Meine Damen und Herren, sicherlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine gute Ausbildung der Lehrer auszusehen hat. Dennoch müsste Einigkeit darüber herrschen, dass Bildung und Ausbildung nicht zum Nulltarif zu bekommen sind. Die Zukunft unseres Landes hängt wesentlich von einer fundierten Schulausbildung ab. Eine ordentliche Schulausbildung setzt jedoch gut ausgebildete Lehrkräfte voraus, wie meine Vorredner bereits erkannt haben.

Bei abnehmenden Kinder- und Schülerzahlen und gleichzeitig absehbarem Fachkräftemangel in der Wirtschaft - spätestens etwa ab dem Jahr 2015 - wäre es hinsichtlich der Verantwortung für unser Land nicht zu rechtfertigen, Lehrerausbildung nach der Kassenlage und nicht ausschließlich nach dem tatsächlichen Bedarf zu gestalten. Genau dies ermöglicht jedoch der Artikel 1 § 8 Abs. 1 Satz 2 in seiner gegenwärtigen Fassung.

Der diesbezügliche Änderungsantrag meiner Fraktion fand jedoch keine Mehrheit im Ausschuss. Gemäß der Aussage des Herrn Staatssekretär Jungkamp sind die Ziele dieser Gesetzesreform eine bessere Qualität, mehr Praxiserfahrung und eine größere Berufsnähe bei der Ausbildung angehender Lehrkräfte.

Mit diesen Zielen erklärt sich die DVU-Fraktion vollkommen einverstanden. Doch ob diese edlen Ziele mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung erreicht werden, bleibt

fraglich. Die DVU-Fraktion wird die Beschlussempfehlung des Ausschusses ablehnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält Herr Senftleben. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Fechner, ich sage das eigentlich relativ selten, aber Ihr Antrag im Bildungsausschuss fand keine einzige Zustimmung. Sie selbst wissen, warum das der Fall war. Ihr Antrag ist komplett mit Neinstimmen abgelehnt worden. Sie selbst waren bei der Abstimmung nicht einmal anwesend.

Heute Morgen haben wir schon über die Wichtigkeit von Bildung und Schule gesprochen. Es ist klar, wir brauchen Lehrer, die unsere Schüler bilden. Deswegen ist es wichtig, einen guten beruflichen Einstieg für die jungen Menschen zu finden, die ein Lehramtsstudium aufnehmen, um sich in den Schulen zu engagieren.

Die heutige Debatte über den Lehrerüberhang, den wir in Brandenburg haben, vernebelt, Herr Kollege Homeyer, dass wir ab dem Jahr 2011 keinen Lehrerüberhang mehr haben werden, sondern mehrere 100 junge Lehrer in den Schuldienst einstellen müssen. Deswegen müssten die jungen Menschen schon heute an den Hochschulen studieren, um sich auf das Lehramt vorzubereiten. Das aber ist mit Sicherheit nicht immer der Fall. Deswegen müssen wir mit einem attraktiven Lehrerbildungsgesetz darauf reagieren. Es gibt neue Anforderungen: Praxissemester, Vorbereitungsdienst und all die Facetten, die eine Rolle spielen, um etwas Neues zu entwickeln.

Wir haben im Verlauf der Anhörung gemeinsam auf die Anforderungen und Expertenmeinungen reagiert und fünf Änderungsanträge gestellt. Darauf hat Frau Geywitz schon Bezug genommen.

Es stellt sich daher die Frage, wie wir in der Landtagsdebatte darauf eingehen können. Wir haben erstens gesagt, es ist wichtig, dass nicht nur im schulischen Alltag in allen Ländern bundesweite Standards eine Rolle spielen, sondern dass es auch in der Lehrerausbildung gemeinsame Standards geben muss, damit ein Wechsel und die Mobilität von Lehrern möglich sind. Deswegen ist der neue Antrag die Grundlage dafür, dass diese Standards im Lehrerbildungsgesetz aufgegriffen werden. Damit werden sie in Brandenburg und in jedem anderen Bundesland gelten und die Qualität sichern.

Wir haben zweitens gesagt, dass wir in Brandenburg künftig Quereinsteiger, gerade auch in den Berufsschulen, brauchen werden. Junge Menschen mit einer Meisterausbildung oder einer technischen Ausbildung sollen die Möglichkeit haben, ihr Wissen in den Schulen anzubieten. Das können sie nur, wenn sie eine Lehramtsausbildung haben. Wir müssen also mit neuen Konzepten auch auf Quereinsteiger reagieren. Dazu ist ein Änderungsantrag eingebracht worden. Wir wollen zwar eine Gleichwertigkeit der Abschlüsse haben, aber Quereinsteiger sollen bessere Möglichkeiten erhalten, in einem abgestimmten