Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Das Wort erhält noch einmal die Fraktion der Linkspartei.PDS. Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich regt das Thema „Bibliotheken und Lesen“ dazu an, die gewohnte ideologische Humorlosigkeit zu überwinden. Das finde ich zunächst ganz positiv. Vieles von dem, was Sie, Frau Ministerin, gesagt haben, sind tatsächlich Argumente, warum genau zu überlegen ist, ob wir ein Bibliotheksgesetz für das Land Brandenburg haben wollen oder nicht.

(Schulze [SPD]: Wie wäre es noch mit einem Landes- kulturgesetz?)

Gerade weil dieses Thema so schwierig ist, wollen wir es im Ausschuss diskutieren.

(Zwischenrufe bei der SPD)

Da Steuerschätzungen Positives erwarten lassen, könnte es sich lohnen, darüber zu reden, ob nicht auf diesem Gebiet etwas zu machen sei, bevor andere Begehrlichkeiten akut werden. Ich glaube, wir haben allen Grund, ganz in Ruhe darüber zu reden, wie wir Bibliotheken im Land weiterhin fördern, und zwar so fördern, dass auch auf dem flachen Lande, in den Städten und dort, wo es recht gute Ansätze gibt, ein Zuwachs erreicht wird, sodass der bestehende gute Trend weiter fortgeführt werden kann.

Ich bitte Sie, den Antrag noch einmal genau zu lesen und der Überweisung an den Ausschuss zuzustimmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt beendet. Die Fraktion der Linkspartei.PDS beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/4633 an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer diesem Wunsch Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich bin mir nicht sicher, wie die Abstimmung ausgegangen ist. Daher wiederhole ich sie und lasse auszählen. Bitte noch einmal alle Jastimmen; die Abgeordneten nehmen bitte Platz und laufen nicht herum, damit wir ordentlich zählen können. - Bitte die

Neinstimmen! - Mit einem Abstand von fünf Stimmen ist der Überweisungsantrag geradeso abgelehnt worden.

Im Falle der Ablehnung lasse ich direkt über den Antrag abstimmen. Es wird jetzt also nicht über die Überweisung, sondern über den Antrag selbst abgestimmt. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Diesmal ist die Entscheidung deutlich: Eine klare Mehrheit ist gegen diesen Antrag.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Evaluation des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/4635

Herr Abgeordneter Theel eröffnet die Debatte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In wenigen Wochen werden wir uns in diesem Hohen Haus mit der Vorbereitung des Doppelhaushalts 2008/2009 befassen. Wir halten es deshalb für geboten, parallel dazu eine Evaluation des FAG vorzunehmen

(Dr. Klocksin [SPD]: Jetzt schon?)

- parallel zur Diskussion des Haushalts -, um bereits erkannte Schwächen im kommunalen Finanzausgleich auszumerzen und zu einem Ziel zu kommen, das bereits in den Vorjahren formuliert wurde, nämlich dauerhafte Grundsätze für den Finanzausgleich festzuschreiben und die Planungssicherheit für die Kommunen tatsächlich zu erhöhen.

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Anspruch und Wirklichkeit auf diesem Gebiet weit auseinanderklaffen und die Kommunen meist nur zweite Sieger waren, wenn Änderungen des FAG vorgenommen wurden. Beispiele dafür sind Ihnen bekannt. Ich nenne nur den Vorwegabzug von jährlich 50 Millionen Euro zugunsten des Landeshaushalts. Selbst wenn die Nachzahlung an die Kommunen zeitverzögert erfolgt, haben sie die Zinslast für die zwischenzeitlich notwendige Kreditaufnahme zu tragen. Ebenso haben die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe nach SGB XII und die damit verbundene Mittelverteilung nicht zu mehr Planungssicherheit geführt. Eine dramatische Haushaltslage, hohe Kassenkredite, seit Jahren unausgeglichene Haushalte sind in den meisten Kreisen und Kommunen zu konstatieren. Symptomatisch dafür ist die hohe Anzahl an Hilferufen aus den Kommunen, die wir gegenwärtig vernehmen. Allein 111 Anträge aus Kommunen auf Finanzhilfe aus dem Ausgleichsfonds werden zurzeit bearbeitet. Viele davon sind bereits in den Jahren 2002 bis 2004 gestellt worden.

Kommunale Selbstverwaltung bleibt eine schöne Idee, wenn die politischen Aktivitäten stets auf Einschränkung der sogenannten freiwilligen Aufgaben gerichtet sind. Haushaltsgenehmigungen oder das Versagen von Haushalten sind meist mit der

Vorgabe verbunden, Reduzierungen bei den freiwilligen Aufgaben vorzunehmen.

Unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen ist das Thema „Rückzahlung der Finanzhilfen“ längst vom Tisch. Seit dem Jahr 2006 ist hier vollständige Ebbe eingetreten. Eine Rückzahlung der 132 Millionen Euro, die seit 1999 an die Abwasserzweckverbände zur Schuldentilgung geflossen sind, ist ohnehin nicht zu erwarten.

Planungssicherheit erwarten ganz besonders jene Kommunen, die im Rahmen der neuen Ziele der Landesplanung bereits Ende 2006/Anfang 2007 den ersten Schock bekamen. Vor Abschluss der Diskussion und vor offizieller Inkraftsetzung der neuen Strategie zur Landesentwicklung hat der Finanzminister den bisher als Grund- und Kleinzentren eingestuften Kommunen diesen Status durch die Kürzung der Zuweisungen aberkannt. Eine Alternative zu diesem Vorgehen wurde nicht gesehen. Herr Minister Speer hatte eine ganz logische Erklärung dafür, dass man so habe verfahren können: Man müsse ja einmal anfangen.

Dennoch müssen die vielen Protestbriefe aus den Kommunen angekommen - sicherlich auch bei Herrn Schulze, der das damals nicht wusste - und gelesen worden sein, aber auch Wirkung erzielt haben; denn sehr schnell passierte etwas, was sonst viel Zeit in Anspruch nimmt. Minister Schönbohm hat uns gestern über die schwere und zeitraubende Arbeit der Task Force in seinem Haus berichtet. Diese Task Force muss zwischen Weihnachten und Neujahr, quasi zwischen Frühstück und Gänsebraten, intensiv geprüft haben; denn bereits Anfang Februar erhielten 46 der betroffenen Kommunen ihr nachträgliches Weihnachtsgeschenk von den Ministern Schönbohm und Speer überreicht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Eine tolle Sache; ich gratuliere Ihnen dazu. Hoffentlich haben viele sofort Dankesbriefe geschrieben. Der vorher entzogene Betrag wurde nun aus dem Ausgleichsfonds nach § 16 zum Teil erstattet. Da kann ich nur sagen: Schade, dass Weihnachten nur einmal im Jahr ist.

Wer nun glaubt, dass nach dieser Aktion Ruhe in die Diskussion eingekehrt sei, der irrt. Wer regelmäßig an den Gesprächen zum Thema „Landesentwicklung“ in den regionalen Planungsgemeinschaften teilnimmt, wird die immer lauter vorgetragenen berechtigten Forderungen der Kommunen zur Kenntnis nehmen müssen. Kommunale Aufgaben, so lautet die Forderung, müssten durch eine entsprechende Finanzausstattung ausgefüllt werden können. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass die Reduzierung der Anzahl der Kommunen mit Zentrumsfunktionen nicht automatisch zur Reduzierung oder Abmeldung von kommunalen Leistungen führt. Die Diskussion, ob und wie Schritte in diese Richtung zu gehen sind, hat noch nicht einmal begonnen. Es gibt eine wichtige Voraussetzung, um darüber reden zu können: Wir müssen definieren, was kommunale Daseinsvorsorge ist. Dann kommen wir vielleicht auch dem Thema von soeben viel näher: Gehören Bibliotheken dazu?

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Im Rahmen einer Evaluation bzw. Novellierung des FAG muss

all das berücksichtigt werden, was an neuen Aufgaben den Kommunen in den kommenden Jahren zugewiesen wird. Ich nenne nur die Stichworte Funktionalreform und Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung. Was hier passiert ist, verdeutlichen zwei Zahlen: Von 2001 bis 2005 sind die Zuschüsse des Landes für die Kita-Betreuung um 11 % gesunken. Die Kosten für die Kommunen sind - aus vielen bekannten Gründen - gleichzeitig um 5,5 % gestiegen. Die Folgen dieser Lücke müssen die Kommunen tragen. Dann stellt sich die Frage: Was ist wichtiger - Kindergarten oder Bibliothek?

Wenn der Landtag in wenigen Wochen über den Doppelhaushalt befinden wird, sollten wir alle notwendigen Informationen besitzen, die für eine sachgerechte Entscheidung erforderlich sind. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Lassen Sie zu, dass uns der Finanzminister klüger macht! Unsere Beschlüsse könnten dadurch von mehr Weisheit getragen sein.

(Minister Speer: Das versuche ich die ganze Zeit ohne Erfolg! - Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich nutze die Beifallspause, um unsere Gäste - Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Gymnasiums in DoberlugKirchhain - zu begrüßen. Herzlich willkommen! Ich wünsche euch einen interessanten Nachmittag.

(Allgemeiner Beifall)

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es besteht in diesem Raum absolut Konsens darüber, wenn wir sagen, dass die Kommunen einen angemessenen Finanzausgleich vom Land erhalten sollen, um ihre Aufgaben eigenständig erfüllen zu können. Ich denke, Herr Kollege Theel, wir alle freuen uns über die aktuellen Steuerschätzungen bzw. darüber, dass Mehreinnahmen prognostiziert werden und insbesondere die Kommunen im Jahr 2007 mit einem Plus in Höhe von 69 Millionen Euro rechnen können. Die Kommunen - das wissen Sie auch - sind über die Verbundmasse an den Mehreinnahmen und Einnahmen des Landes beteiligt. Ich glaube, soweit besteht Konsens.

Hinsichtlich Ihres Antrags - ich will Ihr Engagement dabei nicht in Abrede stellen - habe ich mir einmal die Mühe gemacht und geschaut, welche vergleichbaren Anträge in den letzten Jahren - wenn es um den kommunalen Haushalt ging gestellt wurden. Dabei musste ich feststellen, dass es eine Reihe vergleichbarer Anträge gab, Herr Kollege Theel.

Mit dem Symmetriegutachten haben wir ein Instrument, das den kommunalen Finanzausgleich betrifft. Dieses Gutachten lag uns vor mehr als einem Jahr vor, und ich darf daraus eine Stelle - auf Seite 90 - zitieren. Die Gutachter stellen fest: Bezüglich der Teilräume erfüllt der kommunale Finanzausgleich - sofern allein die Verteilung der Schlüsselzuweisungen betrachtet wird - seine distributive Funktion in nahezu perfekter Weise. - An dieser Stelle muss man sagen, dass es wohl zu funktionieren scheint. Es gibt zwar noch einige Abstriche, aber, ich glaube, dieser Kernpunkt

so stellt es das Gutachten dar - ist die Grundlage und ist im Finanzausgleichgesetz auch so vorgesehen.

In Ihrem Antrag haben Sie zwei weitere Punkte - das haben Sie in Ihrer Rede eben auch dargestellt - aufgemacht. Unter Punkt 4 sagen Sie: Wir hätten gern einmal die Auswirkungen nach dem SGB XII - Ausführungsgesetz - geprüft und berücksichtigt. Unter Punkt 7 - das haben wir gestern beschlossen wird der Rechtsanspruch für Kinder arbeitslos gewordener Eltern gefordert; also der Zeit weit voraus.

Herr Theel, wir haben wie gesagt den Drei-Jahres-Rhythmus, in dem eine gewisse Seriosität steckt. Wenn wir bereits im September Vorgänge - hinsichtlich Punkt 4 Ihres Antrags zum SGB XII - evaluieren sollen, die erst am Anfang dieses Jahres wir haben noch nicht einmal ein abgeschlossenes Haushaltsjahr, über das wir hier sprechen können - zur Sprache kamen, weiß ich nicht, wie das funktionieren soll. Insofern können die Koalitionsfraktionen dem Antrag nicht folgen. Es gibt das Symmetriegutachten. Die anderen Punkte sind rechtlich nicht umsetzbar. Wir haben noch nicht einmal ein abgelaufenes Haushaltsjahr, und Sie fordern bereits eine Evaluation bis September. Wie soll das funktionieren? Wir halten dies für nicht möglich und lehnen den Antrag deshalb ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank. - Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Hesselbarth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brandenburgs Kommunen sind pleite. Das gilt - anderthalb Jahre nach Einführung des brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes - nach wie vor. Die seinerzeit versprochene Planungssicherheit für die Kommunen wurde um den Preis drastischer Kürzungen - insbesondere bei den Grundzentren sowie bei kleinen Gemeinden erkauft. Mit erheblichen Mitteln muss das Land nun den Gemeinden unter die Arme greifen, die ihre Finanzen nicht mehr im Griff haben. Insgesamt wurden seit Januar 2006 Zuweisungen an 23 Gemeinden bzw. Kreise veranlasst.

Ihren Aussagen zufolge, Herr Innenminister, liegen derzeit weitere 111 Anträge auf Gewährung von Finanzhilfen zur Bearbeitung vor. Allein im laufenden Jahr wurden bereits an 46 Grundzentren einmalige Zuweisungen in der Gesamthöhe von 6,6 Millionen Euro gezahlt, weil die Neuregelung der Schlüsselzuweisungen sie vor unvertretbare Härten gestellt hatte.

In den vergangenen beiden Jahren wurde der sogenannte Ausgleichsfonds, aus dem die Finanzhilfen gespeist werden, mit je 50 Millionen Euro gefüllt. Zwischen Anfang Januar und Ende März dieses Jahres bekamen zehn Gemeinden oder Kreise zum Teil beträchtliche Beträge, weil sie zumeist heillos überschuldet sind. Der Landkreis Prignitz hat zum Ausgleich besonderer Härten Ende Januar 2007 etwa 516 000 Euro überwiesen bekommen. Im vergangenen Jahr flossen 560 000 Euro an den Kreis. Die Stadt Perleberg hat im Jahr 2006 438 000 Euro erhalten. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Bereits jetzt ist klar, dass diese enormen Rettungszuschüsse auch künftig gezahlt werden müssen.

Wann der Finanztopf des sogenannten Ausgleichsfonds in einem der nächsten Jahre leer sein wird, lässt sich zwar noch nicht genau prognostizieren, doch dass es so kommen wird, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Obwohl seit 2003 für die Kommunen die Pflicht auf vollständige oder teilweise Rückzahlung der gewährten Mittel besteht, ist im gesamten vergangenen Jahr keine einzige Rückzahlung erfolgt.

Meine Damen und Herren, wie angesichts der Tatsache der chronischen Unterfinanzierung der brandenburgischen Kommunen, des Vorwegabzugs von 50 Millionen Euro und der Auswirkungen von Hartz IV, für welche die durch den Sozial- und Jugendhilfelastenausgleich bereitgestellten Mittel laut FAG beileibe nicht ausreichen, in Zukunft die kommunale Selbstverwaltung in Brandenburg noch gewährleistet sein soll, weiß niemand. Da können Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und von den Koalitionsfraktionen, noch so salbungsvolle Worte von sich geben. Die Kommunen und ihre Spitzenverbände in diesem Land sprechen andere Dinge an, und sie haben Recht damit.

Bei alledem sind die in den nächsten Jahren auf die Brandenburger Kommunen zukommenden Zusatzbelastungen - unter anderem aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für alle Kinder unter drei Jahre oder infolge der in Berlin durchgepeitschten sogenannten Unternehmenssteuerreform - nicht im Geringsten berücksichtigt. Allein daher ist eine Evaluation des brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes im Zuge der kommenden Haushaltsdebatte geradezu eine zwingende Notwendigkeit. Herr Theel, wir werden Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der DVU)