Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

extrem geringen Eigenkapitaldecke der meisten Brandenburger Firmen sowie der nach wie vor deflationären Nachfragesituation auf dem Brandenburger Markt ist die Schaffung von regionalgeldgestützten Wertschöpfungsketten also ein geeignetes Mittel der wirtschaftlichen Selbsthilfe.

Trotz der neuen Förderpolitik, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, sollten Sie - wie im Übrigen immer wieder versprochen - eine Förderung regionaler Wertschöpfungsketten nicht aus den Augen verlieren und dazu in Form eines Berichts an den Landtag eine Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung der auch in Brandenburg zunehmenden Regionalgeldinitiativen dem Landtag vorlegen. Genau dem dient unser vorliegender Antrag.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich zu Beginn zu sagen: Den Antrag der DVU-Fraktion zur Förderung von Regionalgeldinitiativen wird die Regierungskoalition ablehnen.

Regionalgeld ist in verschiedenen Regionen Deutschlands im Umlauf, meist sind es örtliche Händlerinitiativen, die auf diese Weise gemeinsam lokales Marketing betreiben und versuchen, Kaufkraft in der Region zu binden. Das Finanzvolumen ist vergleichsweise gering. In Deutschland sind insgesamt nur ca. 200 000 sogenannte Regios gegenüber 146 Milliarden Euro nicht das Spielgeld, das wir früher im Kaufmannsladen hatten, 146 Milliarden Euro! - im Umlauf.

Grundsätzlich ist das mit Regionalgeldkonzepten verbundene Ziel einer Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe zu begrüßen. Die lokale Wirtschaft organisiert sich in diesen Initiativen im besten Sinne und im gemeinsamen Interesse selbst. Gerade deshalb halten wie den Einsatz öffentlicher Fördermittel für diese Konzepte weder für sinnvoll noch für notwendig. - Herzlichen Dank.

Die Landesregierung hat Redeverzicht angezeigt, die Fraktion DIE LINKE ebenfalls, deshalb erhält die DVU-Fraktion noch einmal das Wort. Frau Abgeordnete Hesselbarth, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Karney, wir wollen eigentlich nur einen Bericht, nichts weiter. Da haben wir uns bestimmt missverstanden.

Es steht die Frage im Raum: Warum wirtschaften wir? Wirtschaften wir, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln? Wirtschaften wir, um auf dem Weltmarkt zu bestehen? Oder wirtschaften wir vielleicht, um die Aktienkurse steigen zu lassen? Für manche Menschen mögen die genannten Gründe durchaus ihr persönlicher Sinn des Wirtschaftens sein. Für die große

Masse der Menschen ist die Wirtschaft jedoch der gesellschaftliche Raum, in dem sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen.

Menschen wirtschaften, weil sie Bedürfnisse haben, die sie erfüllen wollen. Essen, Wohnung, Bildung, Kultur, Vergnügen und Reisen - dies und vieles mehr ist nicht einfach so vorhanden und nutzbar. Diese Güter sind für uns nur nutzbar, weil andere Menschen sie für uns ermöglichen, indem sie wirtschaften. Wir wirtschaften also aus Notwendigkeit; denn ohne Wirtschaft gibt es keine Versorgung. All die Produkte und Annehmlichkeiten des Lebens wären ohne unsere Wirtschaft nicht vorhanden und nicht nutzbar.

Darüber hinaus ist es ein menschlicher Wunsch, kreativ und produktiv tätig zu sein. Arbeit vermittelt Lebenssinn, erklärte Bundespräsident Horst Köhler in seiner Weihnachtsansprache 2006. Doch was ist zu tun, wenn es in einer Region - hier in Brandenburg sind es viele - kaum Arbeitsplätze, eine zusammenbrechende Infrastruktur und zunehmende Versorgungsengpässe infolge Geldmangels gibt?

Der heutige Zeitgeist, der von Ihnen, meine Damen und Herren von der ganz großen Koalition von CDU über SPD bis zur sogenannten LINKEN vertreten wird, vermittelt den Eindruck, alle Fragen der Grundversorgung seien geklärt. Es wird suggeriert, wirtschaftliches Bestehen auf dem globalen Markt sei die einzige Fragestellung, auf die es in der Wirtschaft ankomme. Doch dieser Ansatz ist nicht nur weltweit, sondern insbesondere hier in unserem Land direkt vor Ort absolut falsch und zu kurz gegriffen; denn der Mensch lebt eben nicht global, sondern er verbringt den Großteil seiner Lebenszeit an demselben Ort in seiner Heimat. Er lebt dort, arbeitet dort und entwickelt sich und seine Umgebung weiter. Eine Wirtschaft, die dieser Tatsache Rechnung trägt, muss sich kleinräumig organisieren und am menschlichen Maß messen.

Regionale Wertschöpfungsketten fördern eine solche kleinräumige Wirtschaftsweise. Sie ergänzen globale Wirtschaftskreisläufe, verkürzen die Transportwege und schonen die Umwelt. Sie rücken Menschen, Unternehmen und lokale Akteure näher zueinander. Regionale Wertschöpfungsketten schaffen Arbeitsplätze durch die Förderung des regionalen Handwerks sowie des regionalen Dienstleistungs- und Bildungssektors. Die Selbstversorgung der Regionen macht sie unabhängiger von globalen Entwicklungen. Kurze Transport- und Arbeitswege schonen die Umwelt, fördern regionale Transportunternehmen und sparen auch Transportkosten. Da einem Güter- und Leistungsstrom immer ein Geldstrom entgegenstehen muss, sind in Zeiten der Eurodeflation Regionalwährungen sowie selbst geschaffene, unverzinsliche oder niedrigverzinsliche Kreditsysteme auf Regionalgeldbasis geeignete Mittel, solche regionalen Wirtschaftskreisläufe anzukurbeln und am Leben zu erhalten.

(Baaske [SPD]: Können Sie mir das bitte einmal erklären!)

- Sie müssen einmal zuhören, Herr Baaske. Sie tun dort alles Mögliche.

Das sollte unserer Meinung nach von einer verantwortungsbewussten Landespolitik beobachtet und auch öffentlich unterstützt werden. Deshalb noch einmal: Unterstützen Sie unser Anliegen, diesbezüglich eine Berichterstattung hier im Landtag zu erhalten!

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/5072 an den Ausschuss für Wirtschaft - federführend - und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen - mitberatend. Wer diesem Anliegen Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mit einer deutlichen Mehrheit wurde diesem Begehr nicht stattgegeben.

Ich lasse über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Spielgeldantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich verlasse Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Staatliche Parteienfinanzierung endlich abschaffen!

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/5073

Die Debatte eröffnet der Abgeordnete Norbert Schulze; er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Den Bürger bluten zu lassen ist eine Umkehr der Verantwortlichkeit.“ Dies ist der markante Kommentar des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim zur gegenwärtigen Diskussion zur geplanten Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung. Wie Sie hoffentlich aus der Presse mitbekommen haben, gibt es in der großen Koalition auf Bundesebene Bestrebungen, die staatlichen Zuschüsse für die Parteien um 20 Millionen Euro auf 153 Millionen Euro pro Jahr anzuheben. Von einem entsprechenden Gesetzentwurf, der sich in Vorbereitung befindet, haben alle Medien berichtet. Somit ist die Parteienfinanzierung aus Steuermitteln als eines der umstrittensten Themen in der öffentlichen Diskussion wieder einmal in den Vordergrund der Bundespolitik gerückt, und zwar in einer Weise, die weder dem Ansehen der Parteien noch dem Vertrauen des Bürgers in die parlamentarische Demokratie besonders förderlich ist.

Gerade angesichts der in der Vergangenheit geschehenen Finanzskandale - angefangen mit der „Flickaffäre“ bis hin zur „Schwarzgeldaffäre“ - ist der nach außen getragene Hunger sogenannter Volksparteien nach immer mehr Steuermitteln ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Dass dies nicht bloß Zeitungsenten zur Füllung des Sommerlochs waren, zeigte insbesondere der Bericht in der „Rheinischen Post“ Mitte August, in dem sich die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Frau Hendricks, künftige Schatzmeisterin der SPD, zu Wort meldete und sich nicht entblödete, zu verkünden:

„Wenn die Bürger sich entscheiden, sich nicht als Mitglieder in Parteien zu engagieren, wird dies zumindest zum Teil durch öffentliche Mittel ausgeglichen werden müssen.“

Dies zeigt, wie weit sich die Regierenden heute vom Bürger

willen entfernt haben. Wenn die öffentliche Unterstützung für die eigene Politik verwehrt wird, dann sollen die Parteifinanzen auch gegen den Willen der Bürger gesichert werden. Wir als DVU-Fraktion bleiben sprachlos angesichts dieses Demokratieverständnisses; sprachlos angesichts der seit Anfang der 90er durch das Bundesverfassungsgericht beleuchteten Frage, ob und inwieweit staatliche Parteienfinanzierung überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Angesichts der sichtbaren Tendenz, dass sich gerade die großen Parteien trotz abnehmenden Bürgerinteresses und zunehmenden Mitgliederschwundes immer mehr ihre Taschen auf Kosten des Steuerzahlers füllen wollen, wird es Zeit, dem ganzen Treiben ein Ende zu bereiten.

(Beifall bei der DVU)

Es wird Zeit, das Phänomen der staatlichen Parteienfinanzierung abzuschaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger endlich wieder an unabhängige Parteien glauben und Vertrauen zur Politik gewinnen können. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Nach dem Abgeordneten Schulze spricht der Abgeordnete Schulze, Christoph.

Herr Präsident, ich bedanke mich für die deutliche Unterscheidung; das ist in dem Fall wertvoll und wichtig.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt das schöne Sprichwort vom Wolf im Schafspelz. Ich möchte den Antrag der sogenannten Deutschen Volksunion zum Anlass nehmen, Sie mit einem Zitat aus der deutschen Literatur, allerdings einer Literatur, die man nicht jeden Tag lesen möchte, zu unterhalten. Es schrieb und sagte ein Deutscher - Gott sei Dank toter Deutscher -:

„Wir sind eine antiparlamentarische Partei. Wir lehnen aus guten Gründen die Verfassung ab und auch die republikanischen Institutionen. Wir sind Gegner einer verfälschten Demokratie, die die Klugen und die Dummen, die Fleißigen und die Faulen über einen Leisten schlägt. Wir gehen in den Reichstag, um uns im Waffenarsenal der Demokratie zu bedienen, um sie abzuschaffen. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. Wir kommen nicht als Freunde, wir kommen nicht als Neutrale, wir kommen als Feinde. Wir kommen wie der Wolf, der in die Schafsherde einbricht.“

Nun werden Sie sich fragen, wer das gesagt hat. - Joseph Goebbels, 1927.

Wenn man die Reden der DVU-Fraktion hört, dann sind die Parallelität und die Verachtung gegenüber dem Grundgesetz und den Institutionen geradezu mit Händen zu greifen. Herrn von Arnim, der zweifellos ein ausgewiesener Demokrat ist, als Kronzeugen zu bringen ist bitter und lässt einen übel aufstoßen.

Im letzten Jahr wurde die Fußballweltmeisterschaft in unserem

Land ausgetragen. Die Welt war zu Gast in Deutschland. Ich erinnere mich noch sehr gut an Zusammenkünfte mit Menschen aus aller Welt, die gesagt haben: Ihr habt ein schönes, tolles Land; super organisiert, superordentlich, sicher, und Ihr lebt in einem Wohlstand, wie wir es uns in unserem Land gar nicht vorstellen können.

Das ist ein Ergebnis dessen, was die deutsche Demokratie seit 1949 aufgebaut hat. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben Lehren aus den Irrungen und Wirrungen der Weimarer Republik und der Nazidiktatur gezogen und diese in das Grundgesetz eingebaut. Aus gutem Grunde haben sie entsprechende Artikel und Paragrafen verfasst, die dann durch das Bundesverfassungsgericht ausformuliert worden sind.

Herr Abgeordneter Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn ich fertig bin.

Wenn Sie fertig sind, ist eine Zwischenfrage nicht mehr zulässig.

- So ist das.

Die DVU-Fraktion beglückt uns hier mit einer Bundesratsinitiative, weil Sie nichts anderes kann, als herumzupolemisieren und zu versuchen, uns vor sich herzutreiben. Der Gegenstand dieses Antrags fällt nicht in die Zuständigkeit des Landtags, sondern in die des Deutschen Bundestags. Wir, die wir hier im Landtag sind, stehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die DVU-Fraktion steht für die Gerhard Freyliche Grundordnung.

Das ist genau der Hintergrund. Staatliche Parteienfinanzierung abschaffen - was heißt das denn? Das heißt, das amerikanische, brasilianische, mexikanische, japanische oder italienische System einführen oder was auch immer? Wir wollen, dass die deutsche Demokratie so organisiert bleibt, wie sie 60 Jahre lang erfolgreich organisiert war. Dann können wir auch in 10, 20 oder 50 Jahren wieder Weltmeisterschaften austragen; die Welt wird wieder bei uns zu Gast sein und sagen: Nach wie vor ist Deutschland ein freies, demokratisches und schönes Land.

Das, was wir hier hören, ist im Prinzip eine Verachtung auch der Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Wir lehnen das ab. Sie lassen natürlich keine Möglichkeit aus, alles durch den Dreck zu ziehen und zu verächten. Das zeigt, dass Sie nicht hierher gehören.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])