Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

(Holzschuher [SPD]: Jetzt wollen wir aber mehr wissen!)

- Nein! In der Koalition muss es auch Vertrauen geben, und Gespräche, die intern geführt werden, müssen auch dort bleiben.

(Heiterkeit - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Der Rest steht dann in der Zeitung!)

- Nein, Das werden Sie nicht in der Zeitung lesen, Frau Kollegin.

Nun zum Thema. Wir haben mit der „Schulgesetzverbesserung“ in der Koalition mit dem Vertrauen, das ich eben angesprochen habe, gemeinsam dazu beigetragen, dass in Brandenburg das Ablegen des Abiturs nach 12 Jahren möglich ist. Damit sind wir anderen Ländern nicht nur gefolgt, sondern haben dies auch im Gleichschritt getan. Deswegen ist es richtig, dass wir uns als Koalition gefragt haben, welcher Schritt darauf als nächster folgen muss. Es geht darum, über die Frage des Doppelabiturs zu diskutieren. Die Opposition hat damals verhalten auf den Antrag reagiert, wie schon dargestellt wurde. Wichtig ist, dass wir gesagt haben, dass sich dieses Thema irgendwann stellen wird. Deswegen müssen wir jetzt darauf eingehen.

Ich sage ganz deutlich - Frau Große, Sie haben es angesprochen -: Sie wissen doch, dass wir Parlamentarier gemeinsam mit dem Ministerium im März eine Sitzung des Bildungsausschusses zum Thema „Abitur nach 12 Jahren“ veranstalten werden, um genau das, was Sie gerade inhaltlich eingefordert haben, auch mit den Kollegen aus Berlin zu besprechen. Deswegen haben Sie mit Sicherheit Recht, wenn Sie hier Forderungen stellen, aber Sie hätten gleichzeitig sagen können - es war auch eine Öffentlichkeit da, die zugehört hat -, dass wir bereits Termine vorgesehen haben, um das inhaltlich zu besprechen. Das hätte sich an dieser Stelle gut gemacht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, dass bis zum Jahr 2020 in ganz Deutschland ungefähr 180 000 junge Menschen mehr nach dem Abitur auf den Studien- oder Ausbildungsmarkt strömen werden. 180 000 sind insgesamt eine Diskussion und Beachtung wert. Nicht umsonst hat sich die KMK - die Kultusministerkonferenz - damit beschäftigt, und nicht umsonst hat sich auch eine Fachkonferenz des Philologenverbandes im Oktober letzten Jahres damit beschäftigt. Es wurde aber von allen Beteiligten gesagt, dass man dieses Thema mehr als Chance und nicht als Problem begreifen muss. Ich denke, daran liegt es auch. Der Bericht umfasst vielleicht nicht so viele Seiten, wie man sich vorgestellt hat, aber er hat das Thema so aufgegriffen, wie ich es gerade beschrieben habe, nämlich als eine Chance und nicht als Problem. Deswegen ist es für unseren Arbeitsmarkt gut, das so zu haben.

Zweites Thema: Sachsen-Anhalt ist das Land, das westlich von uns liegt und bereits im zurückliegenden Jahr als erstes Land

einen Doppelabiturjahrgang hatte. Es gab nach dem Abitur 7 500 junge Leute mehr auf dem Ausbildungs- und Studienmarkt als in einem Regelstudienjahr vorher. Die Minister und die Kollegen aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt haben mir berichtet, dass es überhaupt keine Probleme gab. Das lag daran, dass sich die Regierung darauf vorbereitet hatte. Wenn auch wir das vier oder fünf Jahre vorher tun, ist das ein gutes Zeichen. Deswegen können wir im Jahr 2012 mit Sicherheit wie Sachsen-Anhalt gut darauf reagieren. Ich möchte all die Argumente, die vorgebracht wurden, nicht wiederholen. Sie sind und bleiben richtig.

Ein wichtiger Punkt, der aus meiner Sicht so im Konzept nicht enthalten ist, ist die Anzahl der Studienplätze. Wir haben sie um fast 12 % erhöht. Das ist richtig. Aber der doppelte Abiturjahrgang wirkt sich nicht nur in einem Jahrgang aus, sondern wird seine Auswirkungen während der ganzen Studienzeit zeigen. Deswegen müssen wir auch daran denken, dass unter anderem mit einem erhöhten Wohnraumbedarf zu rechnen ist. Bei einer Uni mit einer bestimmten Studentenzahl müssen bei erhöhter Studentenzahl weitere Dinge berücksichtigt werden. Aus diesem Grund dieser Hinweis.

(Frau Große [DIE LINKE]: Das steht nicht im Bericht!)

Frau Kollegin Große, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass Berlin im selben Jahr wie wir einen doppelten Abiturjahrgang haben wird. Laut KMK sind es aber nur 7 000 junge Menschen mehr und nicht, wie Sie gesagt haben, 16 000 oder 17 000.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

- 19 000 sogar! Ich vertraue Ihnen zwar, aber mehr vertraue ich der KMK. Deswegen sage ich: Es sind mit 7 000 weniger, als Sie in Sorge dargestellt haben.

Insgesamt kann man sagen, dass wir uns dem Thema gestellt haben. Der Bericht zeigt, was in den nächsten Jahren gemacht werden muss. Wir können in Sprechstunden und bei Besuchen vor Ort den Schülerinnen und Schülern, aber auch den Lehrern sagen, was wir machen werden, um bis zum Jahr 2012 den doppelten Abiturjahrgang abzusichern. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Ich beende die Aussprache. Damit ist der Bericht der Landesregierung, Drucksache 4/5692, von Ihnen zur Kenntnis genommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Bericht über die Veränderungen der Bevölkerungszahlen in den Wahlkreisen für die 4. Wahlperiode des Landtages Brandenburg gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 des Brandenburgischen Landeswahlgesetzes

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/5709

Da vereinbart wurde, hierzu keine Debatte zu führen, haben Sie diesen Bericht hiermit zur Kenntnis genommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt - für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg (Beschluss des Landtages Brandenburg vom 13.04.2005 - Drucksache 4/943 [ND]-B)

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Gujjula.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wer neulich das Magazin „Der Spiegel“ gelesen hat, der hat sich, sofern er Demokrat ist, gefreut: Rechtsextreme Strukturen, die von außen relativ stabil wirken, sind innerlich marode. Auf sämtlichen Gebieten läuft das rechtsextreme Rad nicht rund: schlechte Finanzen, fehlende Mitstreiter, mangelnde Mobilisierung und ein schlechtes Medienecho.

Die Unbelehrbaren, Ewiggestrigen und Extremisten haben es nicht leicht in Brandenburg. Als Vorsitzender des Vereins „Brandenburg gegen Rechts“ kann ich meine Freude darüber nicht verbergen. Ich bin stolz, dass die Arbeit vieler Tausender aufrechter Demokraten Früchte trägt. Ich freue mich darüber, dass die Aufklärung im Rahmen des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ funktioniert. Es ist gut, dass auf allen Ebenen der Gesellschaft - von staatlicher bis zivilgesellschaftlicher Seite - an einem Strang gezogen wird; denn die Brandenburgerinnen und Brandenburger wissen, dass es sich lohnt, den Rechtsextremen keine Freiräume zu lassen, aber für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen.

(Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Jetzt geht es darum, dieses Engagement über die Kommunalwahlen bis zur Landtagswahl fortzusetzen, damit rechtsextreme Einstellungen zurückgehen, damit Rechtsextreme bei Wahlen außen vor bleiben und niemals oder nur in geringer Dosierung „Volksvertreter“ werden.

(Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt allerdings auch Gründe, sich nicht zu freuen. Vor kurzem haben sich unsere Freunde von der Linksfraktion in Unkosten gestürzt und eine Umfrage in Auftrag gegeben. Das Wichtigste, was mir auffiel, ist, dass, wenn heute Wahlen wären, die NPD 4 % der Stimmen bekommen würde. Wenn es offiziell 4 % sind, sind es für mich schon 6 %. Das gibt uns einen Vorgeschmack auf das, was wir in den vor uns liegenden Monaten noch zu tun haben.

Deswegen: Mit Bundesprogrammen wie „Vielfalt tut gut“ und „Kompetent. Für Demokratie“ im Rahmen von „Tolerantes Brandenburg“ leisten wir wichtige Präventions-, Bildungs- und Jugendarbeit. Mir ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche

stärker als bisher verinnerlichen, wie Demokratie und Mitsprache funktionieren, welche Vorteile es hat, wenn in der Familie wie im Staat nicht mehr geprügelt und unterdrückt wird.

Gerade angesichts der aktuellen Debatte über das Nichtwissen unserer Schülerinnen und Schüler über die DDR-Vergangenheit finde ich es wichtig, elementare Grundkenntnisse über unsere gesellschaftlichen Grundlagen zu vermitteln. Darauf lege ich mit meiner Biografie besonderen Wert und möchte das nicht missen.

Umgekehrt verlange ich von einem Erwachsenen, sich für Recht und Demokratie einzusetzen und keine autoritären Lösungen zu favorisieren. Das gilt besonders, wenn er sich mit den Möglichkeiten parlamentarischer Demokratie in ein Amt wählen lässt, um anschließend Parlamentarismus und Pluralismus zu bekämpfen und zu untergraben. Um nichts anderes geht es den Rechtsextremen, die offen oder verdeckt den Volks- und Führerstaat anstreben. Hier kommt der Vorschlag Günter Baaskes ins Spiel, der eine Art „Demokratie-Check“ angeregt hat.

Nun weiß ich wohl, dass unkonventionelle Maßnahmen ebenso umstritten sind wie ein Bekenntnis zu unserem gesellschaftlichen Konsens. Ja, es gibt kein Allheilmittel, um Antidemokraten davon abzuhalten, bei den Kommunal- und Landtagswahlen anzutreten. Doch es geht nicht darum, alle ehrenamtlich Tätigen einem Gesinnungs-TÜV zu unterziehen, sondern darum, potenziellen Volksvertretern - Wahlbeamten - auf den Zahn zu fühlen.

Liebe Freunde, überall verlangen wir die Einhaltung gewisser Regeln und Umgangsformen, benötigen einen Führerschein, um Auto zu fahren, oder Bildungsqualifikationen, um eine Arbeit zu finden. Nur im Parlament ist uns egal, wer die- oder derjenige überhaupt ist?!

Willy Brandt hat gesagt:

„So wie die Freiheit eine Voraussetzung für die Demokratie ist, so schafft mehr Demokratie erst den Raum, in dem Freiheit praktiziert werden kann.“

Wir sollten nicht zulassen, dass Antidemokraten die Demokratie einen Tag lang als schwach erleben und unsere Freiheit beschneiden.

(Beifall bei der SPD und bei der Fraktion Die LINKE)

So viel habe ich aus der vielfältigen deutschen Geschichte gelernt: dass man wachsam sein muss und schon früh und auch mit kleinen Maßnahmen gegensteuern kann, wenn man Veränderungen bewirken will. Ja, ein solcher „Demokratie-Check“, über dessen konkrete Ausgestaltung noch keine weiteren Pläne existieren, hilft uns wenig im Kampf gegen die Existenz rechtsextremer Parteien. Aber es ist ein kleiner Beitrag in der Öffentlichkeitsarbeit, um den Antidemokraten das Leben zu erschweren.

Liebe Freunde, im zeitlichen Umfeld des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar sprechen wir jedes Jahr über das erfolgreiche Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, das dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Der Erfolg gibt uns Recht. Blicken wir nach vorn und bleiben wir wachsam! - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU sowie bei der Fraktion Die LINKE)

Wir setzen die Beratung mit dem Beitrag der Faktion DIE LINKE fort. Es spricht die Abgeordnete Kaiser.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor knapp drei Jahren haben wir uns darauf verständigt, uns alljährlich im Vorfeld des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar mit der Umsetzung des Konzepts „Tolerantes Brandenburg“ zu befassen. Heute ist uns das noch einen fast letzten Tagesordnungspunkt und minimale Redezeiten wert. Es gibt leider auch keine Diskussionsgrundlage.

(Schulze [SPD]: Sie hätten mehr Redezeit beantragen können!)

Ist die Bedeutung des Themas so weit zurückgegangen? Nein, ich denke nicht. Wir haben erst dieser Tage gelernt, dass zwar die DVU an Einfluss im Land verliert, dafür aber die NPD an Zuspruch gewinnt. Vielerorts streben rechtsextreme Kräfte den Einzug in die kommunalen Parlamente an.

Im Jahr 2005 hatten wir uns die Förderung des Demokratieverständnisses bei Kindern und Jugendlichen vorgenommen. Wir wollten die Menschen auch für eine Kultur des Einmischens gewinnen, die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers für die freiheitlich-demokratische Grundordnung mobilisieren und dafür konkrete Unterstützung und Förderung gewährleisten. Natürlich können wir das alles nicht in fünf mal fünf Minuten hinreichend besprechen und bedenken.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, unsere heutige kurze Debatte kann und sollte ein Auftakt sein. Lassen Sie uns auch nicht sechs Monate warten, bis wir das Thema wieder behandeln. Vor 75 Jahren kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht - leider kein Thema für uns im Landtag. Aber auf die Machtergreifung im Januar folgte im März 1933 der Tag von Potsdam und zwölf Jahre später das Massengrab von Halbe. Bis heute ist das der Ort, an dem wir die geschichtlichen Lehren hart gegen Geschichtsklitterung und nationalistischen Ungeist verteidigen müssen.