Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Im Übrigen intendiert der Antrag der DVU-Fraktion auch gar nicht eine Gesetzesänderung - das hat im Übrigen Frau Hesselbarth spannenderweise hier auch ausgeführt; es steht auch in der Beschlussvorlage, dass sich der Antragsteller nicht an der Gesetzeslage stört -, sondern die DVU-Fraktion begehrt eine Änderung der Rechtsprechung. Nun ergreift mich vollständige Verwunderung; denn heute früh ist von einigen hier das Bundesverwaltungsgericht als unumstößliche Instanz postuliert worden, und jetzt schreiben Sie selbst eine versteckte Richterschelte in Ihren Antrag hinein. Ich sage, das kann nicht sein. Wenn das Bundesverwaltungsgericht so entschieden hat, und zwar auf der geltenden gesetzlichen Grundlage, dann kann man das nicht einfach nolens volens wieder ändern wollen. Deswegen, meine Damen und Herren, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Er ist schlicht und einfach an der Sache vorbei, und es bringt letztendlich niemandem etwas. Ich glaube

auch nicht, dass die Regierungen der anderen Länder und die Bundesregierung dem zustimmen würden. Es wäre ein Beitrag, mit dem wir uns lächerlich machten. Deshalb ist dieser Antrag abzulehnen.

(Beifall bei SPD und CDU sowie bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Abgeordnete Wehlan setzt die Debatte für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Rede deutlich sagen, dass meine Fraktion den vorliegenden Antrag der DVU ablehnt, und das aus gutem Grund. Ich fühle mich auch sehr aufgehoben in den Ausführungen meines Vorredners. Der Antrag, im Gestus der Ewiggestrigen gehalten, steht dafür, die Bodenreform rückgängig zu machen. In der Gleichsetzung der von der Bodenreform Enteigneten in der Zeit von 1945 bis 1949 mit den Opfern der Nazidiktatur, wie in Ihrem Antrag geschehen, lassen Sie endgültig Ihre Maske fallen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ihre Argumentation, dass die Bodenreform Unrecht sei und damit eine Entschädigungspflicht bestehe, ist schlichtweg falsch. Dies haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unmissverständlich bestätigt. Entscheidungen, die auf Grundlage besatzungsrechtlicher Bestimmungen nach dem Zweiten Weltkrieg, der von Nazideutschland ausging, getroffen wurden, sind unumkehrbar in nationales Recht überführt worden. Ich empfehle Ihnen allen das Interview mit Lothar de Maizière, der als letzter Ministerpräsident der DDR den Einigungsvertrag verhandelt hat, nachzulesen in dem Buch „Junkerland in Bauernhand - Die deutsche Bodenreform und ihre Folgen“. Im Übrigen sind darin auch noch viele andere Artikel, unter anderem von Heinrich Graf von Bassewitz, wie er die Enteignung seiner Familie erlebt hat. Hier sind möglicherweise sehr unterschiedliche Sichtweisen zu ein und demselben Thema zur Kenntnis zu nehmen.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass sowohl die Modrow-Regierung als auch der Runde Tisch sich einig darin waren, dass die Bodenreform im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht zur Disposition steht. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass dieser Standpunkt bereits im Artikel 131 des Verfassungsentwurfs des Runden Tisches zum Ausdruck kam. Dort heißt es:

„Die Bodenreform und die Eigentumsbeziehungen, die durch Artikel 24 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 bestätigt wurden, sind unantastbar.“

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass in gemeinsamer Verantwortung sich deshalb die Regierung der DDR mit einer Erklärung an den Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR, Michail Gorbatschow, und an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Kohl, wandte. Zum Komplex Bodenreform heißt es in dieser Erklärung:

„Auf dem Lande werden die Eigentumsverhältnisse auf dem heutigen Gebiet der DDR maßgeblich durch die 1945 durchgeführte Bodenreform bestimmt. Auf der Grundlage von Gesetzen und Verordnungen der Länder wurde der Großgrundbesitz der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten sowie der gesamte Großgrundbesitz über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Die Bodenreform entsprach vollinhaltlich den Zielen des Potsdamer Abkommens.“

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass in der Antwort der Regierung der UdSSR die volle Übereinstimmung mit dem Standpunkt der DDR-Regierung signalisiert und weiter grundsätzlich festgestellt wird:

„Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und ihrer Verantwortung für die deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeiten in den Eigentumsverhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik ein.... Sie ist gegen jeden Versuch, die Vermögensverhältnisse der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens des einheitlichen Deutschlands infrage zu stellen. Das setzt voraus, dass beide deutschen Staaten im Prozess ihrer Annäherung und Vereinigung davon ausgehen, dass die 1945 bis 1949 von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsmaßnahmen gesetzmäßig waren.“

(Schuldt [DVU]: Sie sind willkürlich!)

„Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögen in der DDR in Abrede zu stellen.“

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass diese Erklärungen

(Schuldt [DVU]: Wir nehmen so etwas nicht zur Kennt- nis! Das war Willkür!)

wichtige Vorgaben für die Verhandlungen der Außenminister der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und der Außenminister der beiden deutschen Staaten über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit einschließlich der Sicherheit der Nachbarstaaten waren. Während der Verhandlungen unterzeichneten die deutschen Außenminister einen Brief, der Bestandteil des Zwei-plus-Vier-Vertrages ist.

Darin befindet sich die Aussage über die Unantastbarkeit von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und -hoheitlicher Grundlage. Damit erfolgte die völkerrechtliche Festschreibung der Ergebnisse der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone, und diese Erklärung ist als Anlage 3 Bestandteil des Staatsvertrages über die Herstellung der Einheit Deutschlands.

Deshalb für Sie von der DVU noch einmal zum Mitschreiben: Die Nichtrückgängigmachung der Enteignungen wurde als Baustein in den Gesamtkomplex der völkerrechtlichen Regelung über die deutsche Einheit eingefügt. Diese Erklärung ist als Anlage 3 durch Artikel 41 Abs. 1 des Einigungsvertrages ausdrücklich zum Bestandteil des Einigungsvertrages gemacht worden. In Absatz 3 wird zugesichert, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen wird, die der in Absatz 1 genannten gemeinsamen Erklärung widersprechen.

Da können Sie noch so oft und gern Herrn Gorbatschow zitieren, es wird Ihnen nichts helfen, wie dies auch die Lobby der ehemaligen Großgrundbesitzer und ihrer Erben feststellen musste, die aufgrund ebendieser Meinungsäußerung Gorbatschows einen erneuten Vorstoß beim Bundesverfassungsgericht unternahmen. Am 6. Mai 1996 traf Karlsruhe dazu die gleiche Entscheidung wie schon 1991. Am 30. März 2005 erklärte ebenso die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Beschwerden der Großgrundbesitzer und ihrer Erben für unzulässig. Der Gerichtshof verneinte sowohl die aktuelle Eigentumsposition der Beschwerdeführer als auch das Bestehen einer legitimen Eigentumserwartung zum Zeitpunkt des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik. Das Gericht verwies dabei auf die Anlage 3 des Einigungsvertrages.

Der Antrag der DVU ist Geschichtsverfälschung pur, missachtet das Völkerrecht und stellt die Bodenreform infrage; überdies ist er handwerklich völlig unzureichend.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Da die Landesregierung Redeverzicht übt, erhält noch einmal die Abgeordnete Hesselbarth das Wort.

(Dr. Klocksin [SPD]: Jetzt zeigen Sie mal, ob Sie auch so schnell sprechen können!)

Ich muss es, Herr Dr. Klocksin; ich habe nämlich nicht mehr so viel Zeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von Linksaußen, Ihre Zustimmung zu unserem Antrag wollten wir eigentlich gar nicht, und die wollen wir auch so nicht,

(Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE)

denn, Frau Wehlan, es ist doch Ihre Partei, die zusammen mit der sowjetischen Besatzungsmacht die Verfolgung, Vertreibung, Entrechtung, Enteignung und teilweise Ermordung des Bürgertums und der verbliebenen Adligen hier in Brandenburg wie in ganz Mitteldeutschland betrieben hat.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Welche Ideologie, meine Damen und Herren, heute noch in Ihren Köpfen kreist, davon haben wir vorletzte Woche durch Ihre niedersächsische Landtagsabgeordnete Christel Wegener eine Kostprobe erhalten.

(Beifall bei der DVU)

Sie hat ganz klar offenbart, dass sie die Wiedereinführung der Stasi fordert und den Bau der Berliner Mauer und der einstigen Zonengrenze verteidigt.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das war genauso ein Schwach- sinn!)

Erzählen Sie mir nicht, wir würden der Wolf im Schafspelz

sein oder Sie würden uns irgendeine Maske herunterreißen. Das sind Sie nämlich selber.

(Beifall bei der DVU)

Doch kommen wir zurück zur Sache. Mir ist das Thema zu wichtig, um hier zu polemisieren.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Es ist eine Schande, muss ich Ihnen sagen, dass die Opfer des Verfolgungs- und Enteignungsunrechts in der Zeit von 1945 bis 1949 nicht einmal als Opfer, sondern als Alteigentümer bezeichnet werden,

(Frau Alter [SPD]: Wer hat denn wen verfolgt?)

als hätten die damaligen kommunistischen Machthaber sie nur enteignet und sie als Klassenfeind nicht vernichten wollen und ihnen eben aus diesem Grund in einem zusätzlichen Verfolgungsakt alle ihre Ländereien, Grundstücke, Unternehmen, Werksanlagen, Gewerbebetriebe und Häuser entschädigungslos weggenommen. Um diese Diskriminierung als erzwungen und unabänderlich scheinen zu lassen, wird jenes Rückgabeverbot vorgetäuscht, das die Sowjetunion als vermeintliche Bedingung für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung gestellt haben soll.

(Schulze [SPD]: Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie re- den!)

Dass das nicht stimmt, ist lange bewiesen, nicht nur durch Herrn Gorbatschow höchstpersönlich, sondern akribisch in der Dissertation von Constanze Paffrath im Jahre 2003; das sollten Sie einmal lesen.

Zum gleichen Gegenstand hat es übrigens auch keine DDRBedingung für ein solches Rückgabeverbot gegeben, und im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 kann man nachlesen, dass eine Rückgabe keineswegs ausgeschlossen ist. Gleichwohl verfahren heute zuständige Behörden und Ämter sowie Gerichte grundsätzlich so, als bestünde dieses Verbot, und die meisten Politiker, und zwar aller etablierter Parteien, sowie alle Bundesregierungen seit 1990 vermitteln nach wie vor denselben Eindruck, weil sie die Rückgabe nicht wollen, jedenfalls nicht an die Privatpersonen. Dabei stehen die gesetzlichen Regelungen einschließlich gemeinsamer Erklärung und Einheitsvertrag dem nicht entgegen. In Ziffer 3 der gemeinsamen Erklärung steht beispielsweise:

„Enteignetes Grundvermögen wird grundsätzlich zurückgegeben.“

In Artikel 17 des Einheitsvertrages steht:

„Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, dass unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, dass alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Die Rehabilitierung dieser Opfer des SED-Unrechts-Regimes ist mit einer angemessenen Entschädigungsregelung zu verbinden.“

Trotz alledem und entgegen der Tatsache praktizieren Behörden, Ämter und Gerichte bis heute ein Rückgabeverbot, weil es sich dort als solches in den Köpfen festgesetzt hat. In Wirklichkeit ging es der damaligen Bundesregierung Kohl/Waigel und all ihren Nachfolgern nur darum, dem Bundeshaushalt quasi Raubgut zu sichern. Die einstigen Bodenreformlandeigner bzw. deren Nachkommen, die wir im Übrigen im Gegensatz zu dieser Landesregierung und zur Bundesregierung nicht wieder enteignen wollen, da hier für die Enteignungsopfer der sowjetischen Besatzungszeit der Grundsatz „Entschädigung vor Rückgabe“ gilt, wurden ja bekanntlich auch nicht wesentlich besser als die sogenannten Alteigentümer behandelt.

Ich fordere alle auf, denen es um eine echte Gerechtigkeit geht, unserem Antrag zuzustimmen. Diese Zustimmung würde auch zu einem echten Investitionsschub in Brandenburg führen, und zwar durch zurückkehrende deutsche Mittelständler und nicht durch internationale Heuschrecken.