Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag hört sich wieder einmal sehr nett an, und er greift auch ein Thema auf, welches Inhalt etlicher Petitionen war. Auch der Bildungsausschuss hat sich während einer der letzten Sitzungen mit einer solchen Petition beschäftigt.

Es ist schon traurig, dass Kinder mit einer besonderen Begabung oft nur außerhalb unseres Landes entsprechend ihrer Begabung beschult werden können. Hinzu kommt dann oftmals noch, dass erhebliche Kosten für die Eltern entstehen. Denn es gibt Länder, die von nicht landeseigenen Kindern einen höheren Beitrag fordern als von den eigenen Landeskindern. Und es gibt Bundesländer, so wie das Land Brandenburg, die hier ganz anders handeln. In § 116 des Brandenburgischen Schulgesetzes heißt es zu diesem Thema:

„Für Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern, mit denen die Gegenseitigkeit gewährleistet ist... sorgt das Land Brandenburg für einen angemessenen Finanzausgleich an den Schulträger.“

Das ist schön und klingt auch sehr gut, und die DVU begrüßt das. Aber es ist eine brandenburgische Entscheidung. Sie kommt daher, dass das Land Brandenburg aus verschiedenen Gründen daran interessiert ist, dass viele Schüler aus anderen Bundesländern beispielsweise die Sportschule in Potsdam nutzen. Deswegen subventioniert Brandenburg auch die erforderliche Unterbringung dieser auswärtigen Schüler in Potsdam im Wohnheim. Wie bereits gesagt, das ist eine Brandenburger Entscheidung.

Die Antragsteller fordern nun die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Bundesländer einen Schulkostenausgleich für solche Schüler vereinbaren. Möglicherweise - Frau Große sagte es auch - wäre die Kultusministerkonferenz der bessere Ansprechpartner als der Bundesrat. Aber letzten Endes soll es darum nicht gehen. Bildungspolitik ist Ländersache; das ist richtig. Das Land Brandenburg freut sich offensichtlich über Schüler aus anderen Bundesländern an Brandenburger Spezialschulen. Deshalb lässt sich das Land Brandenburg dieses auch etwas kosten. Wie wollen Sie aber andere Bundesländer dazu bringen, sich ebenfalls darüber zu freuen, dass auswärtige Schüler landeseigene Bildungseinrichtungen nutzen, Bildungseinrichtungen, die für die eigenen Landeskinder und größtenteils von den Steuergeldern der Bürger des eigenen Bundeslandes errichtet wurden? Das Landes

gymnasium in Wernigerode in Sachsen-Anhalt beispielsweise verlangt von den Schülern, die nicht aus Sachsen-Anhalt kommen, einen wesentlich höheren Internatsbeitrag als von den eigenen Landeskindern - und das ist rechtens.

Ich muss zugeben, dass ich als Steuerzahler es sehr gut verstehen kann, dass man die Kinder begünstigt, deren Eltern durch ihre Steuern eine solche Bildungseinrichtung finanzieren. Wie soll unsere Landesregierung zum Beispiel die von SachsenAnhalt überzeugen, dass man das ganz anders sehen sollte? Am wahrscheinlichsten ist doch, dass Sachsen-Anhalt dann freundlich die Hand aufhält und sich die Differenz vom Land Brandenburg bezahlen lässt.

Meine Damen und Herren der LINKEN/PDS, der Antrag ist sicherlich gut gemeint. Doch allzu viel wird er nicht bewirken können. Wir sehen hier sehr geringe Erfolgsaussichten für eine solche Initiative der Landesregierung. Wir halten sie auch in dieser Form nicht für besonders wirkungsvoll. Denn aus Sicht eines Brandenburger Steuerzahlers begeistern wir uns nicht so sehr dafür, dass Brandenburg viel Geld für Dinge ausgibt, die normalerweise von den Steuerzahlern anderer Bundesländer bezahlt werden müssten. Da aber die DVU-Fraktion andererseits eine Menge davon hält, begabte deutsche Schüler zu fördern, sind wir mit der Politik Brandenburgs in Hinsicht auf die Potsdamer Sportschule sehr einverstanden. Wesentlich sinnvoller allerdings als die mit diesem Antrag vorgeschlagene Initiative wäre aus Sicht der DVU-Fraktion, die Förderung von begabten und hochbegabten Brandenburger Kindern in Brandenburg erheblich zu verstärken und damit die Voraussetzungen zu schaffen, dass unsere Landeskinder hier in Brandenburg Spezialschulen besuchen können.

Aus den genannten Gründen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

(Gott sei Dank! bei der Fraktion DIE LINKE - Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Senftleben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte ist deutlich geworden, dass wir alle gerechte Bildungschancen für richtig und notwendig halten, wenn es darum geht, dass Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten und Begabungen, ihren Leistungsstärken, aber auch ihren Leistungsschwächen eine Schulform finden, die sie dabei unterstützt, auch das Leben nach der Schulzeit gut zu meistern. Insofern muss ich der Fraktion DIE LINKE zunächst einmal herzlich dafür danken, dass sie den Kurs der Großen Koalition nun endlich unterstützt, indem auch sie deutlich macht: Es kann nicht nur das Prinzip „Eine Schule für alle“ gelten, sondern es muss auch Schulen geben, die den Begabungen und den Leistungsstärken der Kinder und Jugendlichen entsprechen; Brandenburg und andere Bundesländer müssen geeignete Angebote unterbreiten.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Das ist eine Kurskorrektur der Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg, vielleicht auch ein Schwenk in Richtung

Koalition, wie ich es an dieser Stelle einmal ausdrücken möchte.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Nicht mit uns. Frau Tack, wir haben zwar viele, auch persönliche Gemeinsamkeiten, aber so weit soll das dann doch nicht führen,

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

dass wir uns in einer Koalition wiederfinden. - Noch einmal: Das sind zwei wesentliche Punkte, von denen Sie nur noch den letzten im Ohr haben. Am Anfang habe ich gesagt, dass es unser gemeinsames Ziel ist, eine gerechte Bildung zu ermöglichen, bei der den Kindern und Jugendlichen nach ihren besondern Fähigkeiten und Fertigkeiten Angebote gemacht werden können. Im zweiten Punkt habe ich erwähnt, dass Sie eine Kurskorrektur vorgenommen haben. Deswegen finde ich es richtig, dass wir uns - auch gegen Ihre Kritik - für ein möglichst flächendeckendes Netz solcher Schulen in Brandenburg eingesetzt haben, damit nicht teure Internatsplätze bezahlt werden müssen oder lange Fahrzeiten entstehen und es zu einer Trennung von Kind und Familie kommt. Wir wollen also ein flächendeckendes Netz haben, damit möglichst viele Kinder in Brandenburg die Möglichkeit haben, eine geeignete Schule wohnortnah zu besuchen.

Wie hier schon gesagt worden ist, handelt es sich bei dem vorliegenden Antrag mit Sicherheit um einen solchen, über den man gerade inhaltlich noch einmal ins Gespräch kommen muss. In diesem Zusammenhang ist es aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir bereits in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses über dieses Thema gesprochen haben. Ausgehend von einer Petition haben wir den Minister gebeten, uns in einer der nächsten Sitzungen Datenmaterial zur Verfügung zu stellen, damit wir herausfinden können, um wie viele Schüler es in Brandenburg eigentlich geht. Darüber bin ich froh, unabhängig davon, dass die Schulträger in Potsdam oder in Frankfurt (Oder), die Sie erwähnt haben, das Geld in die Hand nehmen, um damit ihre Standorte auch für junge Leute aus anderen Bundesländern attraktiv zu machen. Die Erfolge der Schulen beweisen es - wir haben als Bildungsausschuss solche Schulen bereits besucht -, dass das gut angelegtes Geld ist. Deswegen machen sie das, obwohl sie es nicht machen müssten. Dafür gebührt ihnen unsere Anerkennung und unser Lob.

Deswegen, Frau Präsidentin, lohnt sich eine Überweisung an den Bildungsausschuss also nicht; denn dort ist das Thema längst schon. Der Antrag ist im Übrigen, wie meine Kollegin Geywitz schon gesagt hat, vielleicht nicht so flächendeckend ausformuliert, wie wir uns das vorstellen. Deswegen lassen wir uns die Zeit, sodass wir das Material in Ruhe besprechen können. Dann können wir das Thema gern noch einmal aufgreifen. Dafür bieten wir auch unsere Plattform an. - In dem Sinne danke ich Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Minister Rupprecht.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE ist gut

gemeint, aber aus verschiedenen Gründen problematisch. Ich möchte auf diese Gründe kurz eingehen.

Erstens: Angelegenheiten des gegenseitigen Schulbesuchs gehören in die Bildungshoheit der Länder, wie einige meiner Vorredner schon festgestellt haben. Deswegen sind die wenigen bisherigen Vereinbarungen über den gegenseitigen Schulbesuch durch die Ständige Konferenz der Kultusminister getroffen worden, in der übrigens, Frau Große, leider gar nicht so sehr viele Sportminister sitzen, wie mancher vielleicht denkt. Sollten also die Kultus- und Bildungsministerien der Länder beabsichtigen, Vereinbarungen zu treffen, so wäre nicht der Bundesrat, sondern die Kultusministerkonferenz zuständig. Dasselbe gilt natürlich ganz besonders dann, wenn es um Kostenübernahmen geht und sich so etwas aus einer Vereinbarung ergeben würde. Den entsprechenden Irrtum in der Antragsformulierung haben Sie in Ihrem mündlichen Vortrag schon korrigiert.

Zweitens: Ein genereller länderübergreifender Schulkostenausgleich ist bisher nicht möglich. Schulrecht ist Landesrecht, und die Kosten des Schulbesuchs werden zwischen dem jeweiligen Land und den Schulträgern geregelt. Das ist nichts Neues. § 116 unseres Schulgesetzes sieht jetzt schon vor, dass brandenburgischen Schulträgern ein angemessener Finanzausgleich für den Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern aus anderen Bundesländern zu gewähren ist.

Im Verhältnis der Länder untereinander gingen diese bisher davon aus, dass der grenzüberschreitende Schulbesuch im Rahmen der Gegenseitigkeit auf freiwilligem Wege gewährleistet wird. Das heißt, es wird zwischen Flächenländern kein finanzieller Ausgleich für den gegenseitigen Schulbesuch gewährt. In Sondersituationen, beispielsweise zwischen einem Stadtstaat und dem benachbarten Flächenland, ist das anders. Das will ich hier nicht vertiefen. Sie kennen unser Gastschülerabkommen mit Berlin. So etwas gibt es auch zwischen Bremen und Niedersachsen oder zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. So ist das in der Kultusministerkonferenz zum Beispiel in Bezug auf die Fachklassen an beruflichen Schulen für Ausbildungsberufe mit einer sehr geringen Zahl von Auszubildenden oder auch für bestimmte Förderschulen vereinbart.

Drittens kann ich Ihre konkrete Problembeschreibung in der verallgemeinernden schriftlichen Form nicht richtig nachvollziehen. In der Antragstellung steht ja nichts von Sportschulen, leider auch nichts vom Schüler Max. Sie haben das, was damit gemeint ist, in Ihrem mündlichen Vortrag deutlicher ausgedrückt.

Wir haben zurzeit ein aktuelles Problem mit Mecklenburg-Vorpommern, wo einzelne Schulträger die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern aus dem Land Brandenburg nur noch dann genehmigen wollen, wenn die Wohnsitzkommune die Kosten freiwillig übernimmt. Beispiel: Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern. Dies betrifft aber keine Spezialschulen, sondern hier geht es in erster Linie um Grundschulen und um weiterführende allgemeinbildende Schulen nahe der entsprechenden Landesgrenze. In diesen Fällen übrigens - das möchte ich an der Stelle hinzufügen - habe ich mich an meinen zuständigen Kollegen in Schwerin gewandt und ihn gebeten, dafür zu sorgen, dass bei grenzüberschreitendem Schulbesuch künftig wieder die Gegenseitigkeit gewährleistet wird. Das ist ein bisschen

schwierig, weil in Mecklenburg-Vorpommern dafür das Schulgesetz geändert werden müsste.

Die Frage, ob es einer speziellen Vereinbarung über den gegenseitigen Besuch von Spezialschulen bedarf, wurde in der Kultusministerkonferenz angesichts des beschriebenen Grundkonsenses bisher nicht erörtert. Ich werde - das ist versprochen Ihren Antrag zum Anlass nehmen und entsprechende Gespräche insbesondere zu dem Thema - Sie haben das ja zitiert - der Sportschulen führen.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ob sich aus diesen Gesprächen, die ich zunächst einmal mit den Kollegen in den östlichen Bundesländern führen will, ein Handlungsbedarf ergibt, wird man sehen. Etwas ist in diesem Zusammenhang nämlich problematisch: Es gibt ein ganz deutliches Ungleichgewicht beim Besuch von Sportschulen außerhalb des eigenen Landes zwischen den östlichen und den westlichen Bundesländern. Das wird die Sache nicht einfacher machen, sondern deutlich problematischer gestalten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Frau Große hätte jetzt die Gelegenheit, noch etwas zu erklären. - Das möchte sie nicht. Dann beende ich die Aussprache an dieser Stelle, und wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über die Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 4/5822, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport ab. Wer diesem Antrag auf Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/5822 in der Sache. Wer diesem Antrag in der Sache seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? Mit Mehrheit ist gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2009 ohne Sozialdumping

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/5831

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Görke von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schade, dass der zuständige Fachminister zu dem Thema der Arbeitnehmerfrei

zügigkeit, das er zu Beginn des Jahres selbst auf die politische Agenda gehoben hat, noch nicht hier ist. Aber ich freue mich, dass sich die Arbeitsministerin diesem Thema in ihrem eigenen Redebeitrag nachher widmen möchte.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Rahmen der Freizügigkeit von Personen ist neben der Freiheit des Warenverkehrs, des Kapital- und Zahlungsverkehrs sowie der Dienstleistungen eine der vier Grundfreiheiten, die der Zusammenarbeit in der Europäischen Union seit Jahrzehnten zugrunde liegen.

Ja, meine Damen und Herren, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Grundfreiheit der Freizügigkeit nur dann anerkennen, wenn sie für Deutschland Nutzen bringt, oder ob Sie nach den allgemein gültigen Regeln der Europäischen Union handeln wollen. Natürlich müssen wir gerade in der deutsch-polnischen Region vorhandene Ängste ernst nehmen; das haben die drei demokratischen Fraktionen in der Januar-Sitzung des Parlaments im Rahmen einer Aktuellen Stunde nicht nur einmal betont. Nur darf Politik auch angesichts dieser Problemlage Probleme nicht vor sich herschieben, nicht aussitzen, sondern muss sie lösen.

In Bezug auf die Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem Jahr 2009 hat uns der Bundesarbeitsminister in der letzten Woche eine offensichtlich neue Sicht offenbart. Vergangene Woche sprach er sich für eine Verlängerung über das Jahr 2009 hinaus aus. Wie Berlins Wirtschaftsminister Harald Wolf meint auch meine Fraktion: Die Äußerungen von Olaf Scholz, den Zugang osteuropäischer Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt weiter zu beschränken, sind unangemessen und unsachgemäß.

Wie Sie wissen, war die Wirtschaftsministerkonferenz im November 2007 diesbezüglich schon viel weiter. Ich zitierte aus dem Protokoll:

„Die Wirtschaftsministerkonferenz vertritt die Auffassung, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Personen aus den am 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten zum 1. Mai 2009 hergestellt werden soll.“

Diesem Termin stimmt meine Fraktion aus den folgenden fünf Gründen zu: