Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Wenn diese Änderung des Grundgesetzes so vorgenommen würde, dann hätte dies aufgrund des Wortlauts von Artikel 22 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung zur Folge, dass der Landesgesetzgeber rechtlich verpflichtet wäre, den Ausländern, unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel, das aktive und das passive Kommunalwahlrecht zu gewähren. Damit wären auch Ausländer ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu den Kommunalwahlen wahlberechtigt und wählbar. Der Landesgesetzgeber hätte dann zu entscheiden, ob es sachgerecht wäre, wenn Ausländer, die keinen unbefristeten Aufenthaltsstatus besitzen und sich regelmäßig lediglich vorübergehend im jeweiligen Wahlgebiet aufhalten, Einfluss auf die Zusammensetzung der jeweiligen Vertretungskörperschaften haben sollten.

Der Bundesrat hat am 12. Oktober 2007 beschlossen, den Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz und Berlin von der Tagesordnung zu nehmen. Es ist nicht ersichtlich, ob - und gegebenenfalls, wann - der Gesetzesantrag erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden wird. Im Übrigen ist die Willensbildung der Landesregierung zu der Bundesratsinitiative im Einzelnen noch nicht abgeschlossen, weil dieser Gesetzesantrag wieder von der Tagesordnung genommen wurde.

Es gibt Nachfragebedarf.

Herr Minister, es hat nach meiner Kenntnis dazu im Kabinett eine Verständigung gegeben. Könnten Sie die Position der Koalitionspartner wiedergeben? Trifft es zu, dass hier ein Widerspruch besteht zwischen der klaren Position der SPD, die ja für die Einführung des Kommunalwahlrechts für Migrantinnen und Migranten ist, und einer eher ablehnenden Haltung der CDU?

Ich kann mich an eine solche Diskussion im Kabinett nicht erinnern, obwohl ich ein gutes Gedächtnis habe. Man müsste entweder im Protokoll nachsehen oder die Kollegen fragen, ob sie sich daran erinnern können. Ich vermute, dass es entweder nicht besprochen wurde oder ich zu diesem Zeitpunkt gefehlt habe. Wäre die Diskussion jedoch lebhaft gewesen, Kollege Scharfenberg, wäre sie an mein Ohr gedrungen und in meinem Hirn haften geblieben. Von daher gehe ich davon aus, dass die Diskussion nicht stattgefunden hat.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Prägen sich bei Ihnen nur lebhafte Diskussionen ein?)

- Mit Ihnen zum Teil auch weniger lebhafte Diskussionen; denn gelegentlich sind die leisen Töne weiterführend. Aufgrund dessen sehe ich das immer sehr differenziert. Auf das Kabinett bezogen ist jedoch zu sagen: Wenn es lebhaft ist, dann weiß ich, es ist kontrovers. Ansonsten geht es sehr harmonisch zu. Dies werden Sie, Herr Scharfenberg, in Ihrem Leben aber nicht mehr lernen können.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank für die tiefen Einblicke. - Das Wort erhält die Abgeordnete Schier, die die Frage 1713 (Elternführerschein) formulieren wird.

In vielen Gesprächen - zuletzt in einem Gespräch mit Mitarbeiterinnen von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen - wurde mehr als deutlich dargestellt, dass es zunehmend Familien gibt, die nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu betreuen und zu erziehen.

Deshalb frage ich die Landesregierung: Wie positioniert sie sich zur Einführung eines Elternführerscheins?

Frau Ministerin Ziegler, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Lassen Sie mich vorweg Folgendes sagen: Ich finde diesen Titel schwierig. Zum einen hat es nichts mit Technik zu tun, die man als Eltern zu bedienen hat, wenn man seine Aufgabe der Erziehung wahrnimmt. Zum anderen kenne ich dies aus dem Zusammenhang mit Kampfhunden. Insofern ist dieser Begriff - auch wenn wir ihn immer wählen - mit Sicherheit nicht zutreffend und wird der Sache nicht gerecht.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

In der Landesregierung haben wir uns zum Thema „Einführung eines sogenannten Elternführerscheins“ bisher nicht positioniert. Gleichwohl sind mir entsprechende Ausführungen von Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftskonfliktberatungen ebenfalls bekannt, und es gibt auch Maßnahmen, die Probleme zu lösen. Unter anderem sind Ihnen unsere Netzwerke „Gesunde Kinder“ bekannt, die aus unserer Sicht ein sehr gutes Instrument dafür sind, Eltern in ihren Erziehungskompetenzen - neben vielen anderen Kompetenzen, die dort erreicht werden - zu stärken.

Drei dieser Netzwerke haben wir etabliert; in diesem Jahr sollen weitere vier - diese befinden sich in der Vorbereitung - hinzukommen. Ich glaube, dass der Einsatz einer Patin, die eine Familie in Ihrer Gesamtheit vor der Geburt und in den ersten Lebensjahren nach der Geburt eines Kindes unterstützt, der richtige Weg ist, um auch dies, was Sie ansprechen, zu erreichen.

Es gibt bereits erste Erfahrungen mit dem sogenannten Elternführerschein. Dabei ist sowohl aus Sicht des Bildungsministeriums als auch aus unserer Sicht sehr fragwürdig, ob diese Ergebnisse, die Sie mit den Familien, für die dies in erster Linie gedacht ist, erzielen wollen, tatsächlich erzielt werden können.

Richtigerweise wird Folgendes festgestellt: Wenn die Maßnahme in das System der aufsuchenden Familienbetreuung integriert ist, kann das ein gutes Instrument sein. Unter anderem in das Netzwerk „Gesunde Kinder Oberhavel“ haben wir in diesem Jahr ein Modul zur Familienbildung integriert. Dazu gehören auch Kurse zur Erlangung des Erziehungsführerscheins, wie es dort genannt wird. Die Wirkungsweise dessen, wie es etabliert worden ist, werden wir dann sehen.

Zur Familienbildung insgesamt gibt es zahlreiche Maßnahmen in unserem Land. Jährlich findet eine Familienbildungsmesse statt, auf der all diese Projekte dargestellt werden. Man muss jedoch deutlich sagen: Es sind immer die interessierten Familien und die interessierten Eltern, die am meisten daran partizipieren. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es als Zwangsmaßnahme ausgelegt werden kann. Dies hätte dann eine familiengerichtliche Entscheidung zur Grundlage und wäre ein völlig anderes Thema.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich bin dafür, die Verantwortung, die Kompetenzen bzw. die Erziehungskompetenzen unserer Eltern zu stärken, indem wir

nah an die Familien herankommen und sie nicht stigmatisieren. Das andere ist ein Kapitel für die Justiz. Das wollen wir eben verhindern. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Frau Wöllert hat eine Nachfrage.

Frau Ministerin, ich teile ausdrücklich Ihre Auffassung, dass der Begriff Führerschein nicht geeignet ist; denn unsere Kinder sind nicht mit Mopeds, Motorrädern, Pkws oder Lkws zu vergleichen.

Meine Frage: Teilen Sie die Auffassung, dass es viel wichtiger ist, unsere Schwangerenberatungsstellen bzw. Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen personell und materiell so auszustatten,

(Frau Schier [CDU]: Jawohl!)

dass sie auch noch umfangreiche Aufgaben zur Information in Schulen, in Jugendeinrichtungen etc. wahrnehmen können, um Jugendliche sowie junge Frauen und junge Männer auf die Aufgaben als Eltern besser vorzubereiten?

(Frau Lehmann [SPD]: Das haben wir getan!)

Genau das haben wir mit unseren Netzwerken getan. Aus diesem Grund etablieren wir sie auch in unserem Land. Ich halte den Einsatz einer Patin bzw. eines Paten, die bzw. der in die Familie geht und die Eltern in der Häuslichkeit hautnah betreut und berät, für ein sehr wichtiges Instrument. Wir sollten uns an dieser Stelle nicht verzetteln. Es gibt tatsächlich sehr zahlreiche und anerkennungswürdige Initiativen in unserem Land, die alle einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Die Frage war jedoch, ob man an Familien, die Bildungsferne oder andere Schwächen mitbringen, herankommt. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die Netzwerke „Gesunde Kinder“ derzeit das einzig richtige Instrument sind.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir setzen mit der Frage 1714 (Ortsumgehung Brandenburg-Süd im Zuge der B 102 neu) fort, die der Abgeordnete Holzschuher stellt.

Zwischen der Anschlussstelle Wollin der Bundesautobahn A 2 und der derzeitigen Ortsumgehung Wusterwitz ist eine neue Strecke, die später einmal ein Teil der Bundesstraße 102 werden soll, geplant. Die derzeitige Streckenplanung sieht eine Trassenführung im Bereich des Brandenburger Ortsteils Mahlenzien vor, die durch das dortige Trinkwasserschutzgebiet geführt würde. Dieses Trinkwasserschutzgebiet hat für die Stadt

insofern eine große Bedeutung, als das Wasserwerk Mahlenzien fast die gesamte Stadt Brandenburg an der Havel mit Trinkwasser versorgt. Vonseiten der Stadtverwaltung in Brandenburg an der Havel wurden daher erhebliche Bedenken gegen die derzeitige Streckenplanung geäußert und wurde eine andere Trassenführung gefordert.

Ich frage daher die Landesregierung: Wie ist der Stand der Planungen für die B 102 neu im Abschnitt Brandenburg-Süd im Hinblick auf die von der Stadtverwaltung geäußerten Bedenken?

Herr Minister Dellmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Holzschuher, die brandenburgische Straßenbauverwaltung hat im November 2003 das Raumordnungsverfahren zur Ortsumgehung B 102 neu für den Abschnitt Brandenburg-Süd abgeschlossen. Etwa ein Jahr später wurde auch das Linienbestimmungsverfahren abgeschlossen.

Das Problem der Wasserschutzzone - es handelt sich hier um die Wasserschutzzone III a - ist bekannt und in die entsprechenden Abwägungen eingeflossen. Auf der einen Seite musste eine Abwägung zwischen FFH- und SPA-Gebieten stattfinden, und auf der anderen Seite musste das Wasserschutzgebiet in die Abwägung mit einbezogen werden; dies erfolgte auch: Der Landesbetrieb Straßenwesen führt derzeit die Entwurfsplanung durch.

Die Stadt Brandenburg an der Havel hat sich mit Schreiben vom Dezember vergangenen Jahres an uns gewandt. Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen: Man muss etwas aufpassen, dass keine Ängste erzeugt werden; denn ich glaube, es ist selbstverständlich, dass die Straßenbauverwaltung - wenn sie die Straßenplanung weiterführt und Baumaßnahmen vornimmt selbstverständlich sämtliche Aspekte, insbesondere die des Grundwasserschutzes, in die Planung und Realisierung einfließen lassen wird. Das heißt, dieses Projekt Brandenburg-Süd das möchte ich an dieser Stelle deutlich hervorheben - hat aus meiner Sicht eine A-Priorität. Dieses Projekt ist für die Gesamtregion enorm wichtig. Ich glaube, diesbezüglich besteht Konsens. Dennoch haben wir dies noch einmal zum Anlass genommen, einen externen Gutachter zu beauftragen, der dieses Thema vertiefend untersucht. Das Ergebnis des Gutachtens wird in den nächsten Wochen vorliegen.

Der Präsident der IHK Potsdam, Herr Dr. Stimming, hat sich noch einmal an mich gewandt, weil es insgesamt ein bedeutendes Anliegen ist, dass die Ortsumgehung Brandenburg-Süd zeitnah realisiert wird. Wir haben vereinbart, dass nach Vorliegen des Gutachtens ein Workshop mit der Stadt, den regionalen Vertretern, der IHK und uns stattfindet, um das Gutachten auszuwerten. Ich gehe aber davon aus, dass es aufgrund der seitens der Stadt Brandenburg geäußerten Bedenken zu keinen Verzögerungen im Planungsablauf kommt.

Herr Holzschuher hat eine Nachfrage.

Es ist nur eine kurze Nachfrage: Wann ungefähr wird das Gutachten vorliegen?

Spätestens Mitte/Ende Mai wird das Gutachten vorliegen, sodass in diesem Zeithorizont auch der entsprechende Gesprächstermin mit den von mir Benannten stattfinden wird. Ich sage deutlich: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass durch diese fachliche Diskussion, die dort stattfinden wird, das gesamte Projekt in irgendeiner Weise gefährdet ist.

Vielen Dank. - Wir setzen mit der Frage 1715 (Leistungen für Kinder bedarfsgerecht ausgestalten) fort, die die Abgeordnete Wöllert stellt.

In Deutschland ist die Kinderarmut in den letzten Jahren gewachsen. Leistungen für Kinder nach dem SGB II und dem SGB XII sind nicht bedarfsdeckend. Vor dem Hintergrund dieser besorgniserregenden Entwicklung hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November 2007 einstimmig eine Neubemessung auf der Grundlage einer speziellen Erfassung des Kinderbedarfs gefordert. Im Bundesrat werden Initiativen der Länder Saarland, Rheinland-Pfalz, Berlin und Bremen verhandelt, die sich unter anderem auf eine kostenlose Mittagsversorgung an Ganztagsschulen, die Einführung einer Pauschale zur Beschaffung von besonderen Lernmitteln und die generelle Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe von Kindern beziehen.

Meine Frage lautet: Welche Position vertritt die Landesregierung bei den Verhandlungen im Bundesrat im Hinblick auf eine Neubemessung des Regelsatzes für Kinder?

Die Antwort gibt Ministerin Ziegler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich muss darauf hinweisen, dass es dazu keine Beschlussfassung in der Regierung, sondern in den Fachausschüssen auf Bundesebene gibt. Es gibt einen mit 16 : 0 Stimmen, also von den Ländern im Rahmen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz einstimmig gefassten Beschluss zu diesem Thema, der besagt, dass die Regelsätze bzw. die Regelleistungen für Kinder neu zu bemessen sind, sodass sie den besonderen Bedarfen der Kinder gerecht werden. Dazu wird die Bundesregierung also aufgefordert. Wir haben immer wieder gemeinsam und übereinstimmend festgestellt, dass Kinder in verschiedenen Lebensabschnitten auch unterschiedliche Bedarfe haben. Diese sollten angemessen berücksichtigt werden. Das ist der übereinstimmende Beschluss aller Arbeits- und Sozialminister dieser Bundesrepublik.

Diese Basis eines speziellen Bedarfs für die Kinder zu ermitteln bedarf einer längeren Zeit. Das ist völlig klar. Der Bundes

minister hat im August letzten Jahres zugesagt, diese Prüfung zu übernehmen. Die Ergebnisse liegen bisher nicht vor. Der Bundesminister hat in einem Presseinterview im Januar dieses Jahres erklärt, dass es im BMAS Überlegungen gibt, ob für besonders bedürftige Kinder etwas zusätzlich getan werden sollte. Dabei wurden zum Beispiel jährliche Zuschüsse für ein Schulstartpaket andeutungsweise genannt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales hat auf eine Dringliche Anfrage im Januar geäußert, dass gegenwärtig im BMAS darüber diskutiert wird, inwieweit die Zeiträume zwischen den Erhebungen verkürzt werden können, weil sie derzeit alle fünf Jahre stattfinden, bei der Entwicklung der Einkommens- und der Lebenssituation unserer Bürger aber viel kürzere Zeiträume relevant sind. Das ist die derzeitige Gemengelage. Der Antrag steht, er ist beschlossene Sache. Wir erwarten jetzt die Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema.