„Der Landtag stellt fest, dass im Land Brandenburg keine Beiträge für Leistungen, auch Eigenleistungen, an Abwasser- und Trinkwasseranlagen gefordert werden sollen, die vor dem 3. Oktober 1990 erbracht wurden.“
„Der Landtag stellt fest, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz verstößt, (Alt)-Anschließer vollständig von Beiträgen... zu befreien.“
Das ist verfassungswidrig, meine Damen und Herren. In § 8 Abs. 4 Satz 3 des KAG ist eindeutig die Rede vom Anspruch auf Herstellungsbeitrag - den können Sie gar nicht wegfallen lassen -, und in § 8 Abs. 7 Satz 2 desselben Gesetzes steht auch etwas über die Fristen für die Verjährung. Das geht auch nicht durch Ihren Absatz 5, den können Sie nämlich auch vergessen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst will ich den Anlass nutzen, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu versichern, dass sich die CDU-Fraktion der Situation der Betroffenen sehr wohl bewusst ist. Wir sehen durchaus die für die betroffenen „Altangeschlossenen“ im Raume stehenden finanziellen Belastungen als Bedrohung an. Für entsprechende Befürchtungen haben wir Verständnis. Daher sind wir zusammen
mit unserem Koalitionspartner sowie mit der Landesregierung um eine Lösung dieser Problematik bemüht. Die Lösung soll interessengerecht sein und Rechtssicherheit schaffen. Das kann jedoch keinesfalls heißen, dass wir dem blinden und unüberlegten Getöse der Opposition nachgeben und Schnellschüsse fabrizieren, denn diese haben sich noch nie als gut erwiesen.
Meine Damen und Herren! Vor allen Dingen glaube ich eines: Die Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg haben ein Recht auf Wahrheit. Recht auf Wahrheit heißt, nicht irgendwelche Versprechungen, erst recht nicht irgendwelche Behauptungen in den Raum zu stellen, vor denen sich die Menschen natürlich erschrecken müssen, weil sie dann der Politik vielleicht alles zutrauen. Kollege Scharfenberg und Kollege Sarrach haben sich heute schon zum Thema geäußert, wenn auch in einer süßen Sprache. Sie beide sehen es vom Grunde her ähnlich wie ich, stellen es aber anders dar. Wenn zum Beispiel der Kollege Sarrach hier sagt, die Koalition müsse in ihrem Antrag doch gar nicht mehr darauf hinweisen, dass für Investitionen vor dem 3. Oktober 1990 keine Beiträge erhoben werden, dann wäre es schön gewesen, wenn er das in seiner Anzeige geschrieben hätte. Den Text dort kann man nämlich genau andersherum lesen. Auch Kollege Scharfenberg, der die Anhörung geleitet hat, wird das sicherlich einräumen. Aber gesagt haben Sie es eben doch anders. Sie nähren immer noch den Eindruck, dass irgendjemand hier im Hause vorhabe, Bürgerinnen und Bürgern Geld für vor dem 3. Oktober 1990 getätigte Investitionen abzunehmen.
Dann ergänzen Sie Ihre Behauptungen noch durch den Hinweis auf die Bürgerinnen und Bürger, die mit der Schippe in der Hand selbst den Kanal gegraben haben.
Von daher ist die Rechtssituation im Land Brandenburg eine ganz andere. Das Oberverwaltungsgericht - ich bin kein Jurist, glaube aber trotzdem zu verstehen, wie das Urteil gemeint war - hat ausschließlich eine Rechtslage, die auch schon vorher galt, bestätigt. Der Anlass war eine Klage im Zusammenhang mit der Verjährungsfrist. Dennoch hat sich die grundsätzliche Rechtslage überhaupt nicht verändert. Wer im privaten Bereich Möglichkeiten hat, sich mit Richtern zu unterhalten, die an solchen Verfahren rechtsprechend beteiligt sind, wird sehen - der eine oder andere Richter hat ja auch der Anhörung beigewohnt -, dass sie völliges Unverständnis darüber äußern, was da alles hineininterpretiert wird.
Von daher ist das, was die Koalition in ihrem Antrag vorschlägt, von dem Wunsch getragen, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen, sondern klarzustellen, dass für Investitionen, die vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden haben, keinerlei Beiträge erhoben werden sollen. Wenn das so selbstverständlich wäre und Sie nicht immer etwas anderes in den Raum stellen würden, hätten wir auf den ersten Punkt unseres Antrags verzichten können.
Aber es ist eine Klarstellung, damit die Bürger sehen, was wirklich gemeint ist, und damit sie besser unterscheiden können.
Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahrheit verdient. Um das zu verdeutlichen, stellen wir unter Punkt 2 unseres Antrags fest, dass die vollständige Ausnahme der Altangeschlossenen ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ist. Damit sind nicht Investitionen gemeint, die vor dem 3. Oktober 1990 getätigt wurden, sondern es geht ausschließlich um die Anlagenteile, die nach dem 3. Oktober 1990 verbessert oder neu errichtet wurden. Das ist der Bereich, um den wir uns bemühen. Das wollen wir hier ganz deutlich feststellen.
Wenn Kollege Sarrach sagt, das laufe ja alles schon, dann muss ich sagen: Natürlich läuft das. Wenn nachher beim RBB diskutiert wird, werden Sie wieder das Gleiche erzählen. Dann ist es eben gut, dass wir im Landtag Brandenburg mit breiter Mehrheit festgestellt haben, was hier gehauen und gestochen ist, was gewollt und nicht gewollt ist. Darauf können sich die Bürger dann auch verlassen.
Darum ist es notwendig - das ist auch eine Verantwortung der Verbände und der entsorgungspflichtigen Kommunen -, dass erst einmal eine belastbare Bestandserhebung gemacht wird, damit wir die Lage beurteilen können. Dann können wir gemeinsam in dem Rechtsrahmen, der uns vorgegeben worden ist, die notwendigen gesetzlichen Entscheidungen treffen, damit die Bürgerinnen und Bürger sich nicht ungerecht behandelt fühlen.
Zum Vierten bitten wir die Landesregierung zu prüfen, ob das Vorgehen in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern vielleicht auch für Brandenburg tauglich wäre.
Herr Sarrach, da Sie vorhin den Eindruck erweckt haben, Brandenburg sei allein in der Situation, muss ich klar sagen: Wir sind von den fünf neuen Bundesländern - Flächenländern die letzten, die sich jetzt mit dieser Thematik in der Form auseinandersetzen. Die anderen haben das - in unterschiedlicher Weise - schon hinter sich gebracht. Die einen haben es aus dem Staatshaushalt bezahlt, die anderen haben - wie Sachsen-Anhalt - mit zwei unterschiedlichen Anschlussnehmern gearbeitet, und in Mecklenburg-Vorpommern, wo ab 1998 Ihre Parteigenossen in der rot-roten Landesregierung mitgewirkt haben, haben die Bürger die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Von daher wollen wir einfach keine Schnellschüsse machen. Wir wollen uns beraten lassen, uns das in Ruhe angucken und dann abwägen, was für unser Land Brandenburg, für unser Kommunalabgabengesetz unter Beachtung unserer Rechtsprechung im Land Brandenburg das Richtige, Angemessene und Verträgliche ist.
Dabei wollen wir - das ist Fünftens - auch immer festgestellt haben, dass wir als Landtag im Grunde genommen nur bedingt zuständig sind. Wir fühlen uns zuständig durch das Kommunalabgabengesetz, aber es ist natürlich eine Pflichtaufgabe der Kommunen und der kommunalen Zweckverbände. Dabei wollen wir sie unterstützen und nicht allein lassen. Wir wollen den Verbänden wegen der ganz unterschiedlichen Betroffenheit auch gestatten, unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten ihrer Satzung zuzulassen, die den örtlichen Gegebenheiten gerecht werden. Da wollen wir auch nicht 08/15 haben.
Meine Damen und Herren von der Linkspartei, ich habe wenig Hoffnung, dass Sie gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen auf diese sachlichen Argumente wirklich eingehen werden. Ich sehe schon die nächsten Anzeigen von Herrn Sarrach oder anderen in der Presse. Sie werden weiterhin behaupten, was nicht der Wahrheit entspricht. Das ist bedauerlich, wird aber die Regierungsfraktionen nicht davon abhalten, erst einmal die Lage aufzuklären und dann besonnene und entschlossene Entscheidungen zu treffen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen über einen Sachverhalt, der uns seit Jahrzehnten beschäftigt. Ich bin damit zum ersten Mal im Wahlkampf 1999 konfrontiert worden. Da ich festgestellt habe, wie schwierig die Lage ist, habe ich mich entschlossen, zuzustimmen, dass die Zuständigkeit für Abwasserangelegenheiten vom Innenauf das Umweltministerium übergeht. Aber als Kommunalminister bin ich natürlich für das Kommunalabgabengesetz und damit auch für diesen Sachverhalt verantwortlich. Wenn Sie versuchen, die Kollegen Woidke und Schönbohm auseinanderzubringen, wird das nicht gelingen, denn wir spielen mit demselben Ball auf ein Tor. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich hier etwas verändert.
Nun möchte ich über eine schwierige Rechtsmaterie dabei sprechen und, da wir einen „Abwasserkronjuristen“ unter uns haben, noch einmal unter rechtlichen Aspekten auf das, was Sie gesagt haben, Herr Dr. Scharfenberg, eingehen und auf einige andere Dinge hinweisen: Das OVG Berlin/Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2007 auf den Tag der Deutschen Einheit, den 3. Oktober 1990, abgestellt. Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis: Wir sprechen nur über die Kosten, die nach dem 3. Oktober 1990 entstanden sind, wie es hier gesagt wurde. Wenn Sie ein Urteil lesen können - was Sie ja tun -, dann nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Sie haben Recht: Das Innenministerium hat bis 1999 die Auffassung vertreten, die sogenannten altangeschlossenen Grundstücke könnten angesichts des bereits lange zurückliegenden Anschlusses nicht mehr zu neuen Beiträgen herangezogen werden. Das ist auch Auffassung des MI. Diese Auffassung ist vom OVG Frankfurt mit Urteil vom 12. April 2001 zurückgewiesen worden. Lesen Sie bitte auch noch einmal dieses Urteil, um festzustellen, über welch schwierige Rechtsmaterie wir sprechen. In diesem Urteil wird eine interessante Feststellung getroffen. Aus der fehlenden rechtlichen Identität zwischen den Abwasserzweckverbänden und den vorherigen Zuständigen wird hergeleitet, dass die von den DDR-Bürgern in dieser Zeit geleisteten Zahlungen nicht zur Abgeltung von Anschlussvorteilen erbracht wurden, die nunmehr durch die neuen kommunalen Einrichtungen und Anlagen vermittelt werden. Oder anders ausgedrückt: Für das, was nach dem 3. Oktober 1990 neu geschaffen wurde, müssen alle die aufkommen, die von der verbesserten Qualität im Bereich Abwasser Gebrauch machen. Das, meine ich, liegt in der Logik der Sache, und ist auch das, worauf alle Kollegen hingewiesen haben.
Ich habe auch Anrufe bekommen. Mir haben Leute gesagt: Wir haben mit unserer eigenen Hände Arbeit den Abwasseranschluss gelegt und sollen jetzt noch dafür bezahlen! - Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, wer für die Kosten der Modernisierung aufkommt. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass das Land Brandenburg bisher schon 1 Milliarde dafür ausgegeben hat.
Herr Dr. Scharfenberg, Sie haben die Probleme sehr differenziert dargelegt, bis Sie dann auf einmal einen für mich ganz erstaunlichen Schlenker machten und sagten: Das Einzige, was jetzt hilft, ist die Stichtagsregelung! Übungsende! - Das ist fast militärisch, aber falsch. Sie müssen dann den richtigen Entschluss fassen. Die Differenziertheit, die Sie in Ihrer Darstellung gebracht haben, weist doch darauf hin, wie vielfältig das Problem ist. Darum haben wir uns für den Weg entschieden. Kollege Woidke und ich haben das besprochen. Wir haben das auch mit dem Ministerpräsidenten besprochen, weil er ja auch angesprochen wurde. Meinen Sie, wenn so etwas passiert, sitzt der Ministerpräsident in seiner Kemenate und sagt: Na prima, lasst die Jungs mal machen? - Es ist doch vollkommen klar, dass sich die Landesregierung hier koordiniert und gemeinsam einen Vorschlag erarbeitet.
Dieser Vorschlag ist dann von den Koalitionsfraktionen aufgenommen worden. Ich möchte mich bei den beiden Sprechern der Fraktionen sehr dafür bedanken, dass noch einmal klar geworden ist, wie komplex das Thema ist. Ich habe große Sorge. Nehmen wir einmal an, Ihr Entschließungsantrag würde angenommen und wir würden so verfahren. Dann hätten wir das nächste Urteil vermutlich nach der nächsten Landtagswahl. Das ist ja prima! Dann hätten wir das Problem gelöst, meinen Sie? Nein, wir hätten es nicht gelöst.
Wir werden keinen Vorschlag machen - solange ich Minister bin, werde ich diesbezüglich meine Juristen wirklich in die Pflicht nehmen -, bei dem wir uns nicht sicher sind, dass er rechtlich einwandfrei ist, oder wir werden im Landtag darauf hinweisen, wo Risiken liegen, und dann ist es Sache des Landtages zu entscheiden, welches Risiko er eingehen will.
Sie haben auf Sachsen-Anhalt hingewiesen. Darauf ist auch von anderen eingegangen worden. Es geht doch immer um Folgendes: Das, worüber wir entscheiden, müssen wir immer in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüfen. Zu sagen, dass ein Teil der Benutzer für Kosten, die während der Benutzungsdauer entstanden sind, nicht aufkommen soll, heißt doch: Jemand anders kommt für die Kosten auf. Wer wird das sein? Die anderen? Mir hat mal jemand gesagt: Die anderen können doch dafür aufkommen; die kommen doch aus dem Westen! Weil sie später dazu gekommen sind.
Ich nehme nicht an, dass das Ihre Argumentation ist, aber ich habe schon einmal gehört, dass einer meinte, das wäre doch klasse. Das geht vielleicht im Speckgürtel, in anderen Bereichen geht es nicht so. Von daher gesehen muss man das im Gesamtzusammenhang sehen.
Angesichts der Tatsache, dass Abwasserzweckverbände selbstständig und nicht berichtspflichtig sind, geht es darum, einmal festzustellen, wie die Sachlage eigentlich ist. Das wollen wir machen, damit wir dann einen Vorschlag unterbreiten können.
Zur Verlängerung der Verjährungsfrist werde ich einen Vorschlag machen. Sie werden nach der heutigen Debatte in Ihren Fächern das Schreiben vorfinden, das hier mehrfach angesprochen wurde. Es wurde unterschrieben und kann heute herausgehen. Darin werden Sie die Punkte sehen, die wir hier erörtert haben.
Lassen Sie mich auch Folgendes sagen: Es geht nicht um eine doppelte Heranziehung zu Anschlussbeiträgen. Dieser Eindruck wird doch erweckt.
Auch die Behauptung, der Gesetzgeber habe im Jahr 2003 unwissend eine Regelung mit echter Rückwirkung verabschiedet, stimmt nicht. Wir haben das Ziel verfolgt, Alt- und Neuanschlussnehmer abgabenrechtlich gleich zu behandeln. Darum geht es. Das macht die Sache aber auch so schwierig, weil das zu unterschiedlichen Belastungen führt.
Von daher gesehen: Aus den Anhörungen in den Ausschüssen ergibt sich, wie komplex und schwierig der Sachverhalt ist, den wir hier diskutieren. Es gibt keine schnelle und einfache Lösung. Darum lassen Sie uns die Zeit nehmen.
Es wird ja wieder sehr interessant; ich bin gespannt, wie die nächsten Anzeigen aussehen werden. Dann wird im Rahmen einer pinpointing strategy, wie wir es früher genannt haben, veröffentlicht, wer wofür gestimmt hat. Und dann heißt es: Schicken Sie einen Brief und machen Sie dieses oder jenes! Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt. Ich bin gewillt, diese Auseinandersetzung zu führen, und zwar deswegen, weil ich für den Rechtsstaat bin. Darum ist Ihr Antrag abzulehnen. Herzlichen Dank.
Zum Abschluss erhält noch einmal der Abgeordnete Scharfenberg das Wort. - Er signalisiert, dass er verzichtet. Also kommen wir zur Abstimmung.
Die Fraktion DIE LINKE hat namentliche Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/6252 beantragt. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.