Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Ernährungs- und Bewegungsverhalten werden von Kindesbeinen an geprägt. Kinder und Jugendliche haben an den Folgen falscher Ernährung und unzureichender Bewegung meist ihr ganzes Leben lang zu tragen. In Deutschland und den meisten anderen Industrienationen nimmt die Zahl der Krankheiten zu, die durch unausgewogene Ernährung und zu wenig Bewegung begünstigt werden. Die hierdurch entstehenden Kosten werden in Deutschland auf immerhin mehr als 70 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Kitas und Schulen sind die Orte, die gute Möglichkeiten haben, Kindern und Jugendlichen Freude an einem gesunden Essverhalten und an körperlicher Bewegung zu vermitteln. Der vorliegende Bericht zeigt eindrücklich, dass viele Kitas und Schulen in Brandenburg diese Möglichkeit nutzen. Ich habe auch den Eindruck, dass das Land die Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Krankenkassen und den Trägern bei der Unterstützung gesundheitsförderlicher Strukturen in Kitas und Schulen in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Das ist ein Thema, das dieses Land wirklich verinnerlicht hat und das es auch umsetzt. Beispiele wurden hier schon genannt.

Aber so positiv diese Entwicklung ist - da gebe ich Herrn Krause und den anderen Rednern Recht -, so ist dem aufmerksamen Leser doch nicht entgangen, wie sehr es dem Bericht neben den beschriebenen guten Beispielen noch an der Einbindung in eine übergreifende Strategie, an Überprüfungen ihrer Wirksamkeit und einer nachhaltigen strukturellen Verankerung fehlt.

Aber diese Feststellung allein reicht nicht aus. Vielmehr sollten wir über politische Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Bericht nachdenken. Es wird in Zukunft darauf ankommen, die in dem Bericht beschriebenen positiven Beispiele noch besser in die übergreifenden Gesundheitszieleprozesse des Bündnisses „Gesund aufwachsen“, das es in unserem Land gibt, einzubinden und zu nachhaltig wirkenden Strukturen weiterzuentwickeln, was gleichzeitig heißt, das Gesundheitsziel, gesund aufzuwachsen, zu stärken.

Ich will in diesem Zusammenhang noch nennen den „Nationalen Aktionsplan zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten“ und auch den „Masterplan Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg“, die Möglichkeiten zur nachhaltigen Verankerung von Strukturen bieten. Wir haben also diese Möglichkeiten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass sie auch genutzt werden.

Lassen Sie mich noch kurz einen weiteren Punkt ansprechen. „Gesunde Ernährung“ darf nicht gleichgesetzt werden mit „viel Geld ausgeben“. Es ärgert mich zunehmend, wenn gesagt wird, Herr Krause, es sei nur dann möglich, ein gesundes Essen zu bekommen, wenn das Land einmal im Jahr in Form einer Biobrotbox zum Schuljahresbeginn ein solches an Erstklässler verteilt. Damit wird suggeriert, dass es überhaupt nur einmal im Jahr möglich ist, sich gesund zu ernähren. Die Abgeordnete Jutta Lieske hatte am letzten Wochenende dazu eine Initiative ergriffen. Wir haben gemeinsam gekocht. Ich möchte nicht auf das Niveau hinabsteigen, auf das sich der Berliner Finanzsenator begeben hat; aber wir haben deutlich gemacht, dass es, wenn man wirklich einmal nachdenkt, sehr leicht möglich ist, gesundes Essen preiswert herzurichten. In diese Richtung sollten noch viel mehr Menschen initiativ werden und das deutlich machen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren! Ich beende die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 7. Damit ist der Bericht der Landesregierung - Drucksache 4/6421 - von Ihnen zur Kenntnis genommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Vorlage eines Berichtes zu landesbezogenen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Ursachen von Verletzungen des elterlichen Sorgerechts im Sinne von § 1666 BGB sowie von Fällen der Kindeswohlgefährdung gemäß § 8 a SGB VIII

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/6423

Der Abgeordnete Nonninger eröffnet die Debatte für die DVUFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der geistig-moralische Zustand einer Gesellschaft zeigt sich vor allem beim Umgang mit den Kindern. Hier zieht sich aber durch das Land Brandenburg seit Jahren eine Geschichte des Schreckens. Dazu ein paar Beispiele:

Am 23. Oktober 2003 verprügelte ein 24-jähriger Kindesvater seinen drei Monate alten Säugling derart, dass dieser schließlich an inneren Verletzungen gestorben ist.

Am 1. Mai 2003 erhärtete sich der Verdacht, dass eine Kindesmutter durch Fußtritte in den Bauch ihres einjährigen Sohnes

einen Darmabriss verursacht hat, wobei nur durch eine Notoperation der Tod abgewendet werden konnte.

Am 14. Februar des gleichen Jahres wurde ein vier Monate alter weiblicher Säugling in die Spreewald-Klinik eingewiesen. Der Kindesvater hat ihm durch Gewalteinwirkung mehrere Gehirnblutungen mit erheblicher Lebensgefahr zugefügt.

Am 17. Juli 2001 misshandelte eine Kindesmutter ihre vier Monate alte Tochter dermaßen, dass diese aufgrund eines Schütteltraumas an Gehirnblutungen verstarb.

Diese Liste ließe sich bis heute fast endlos fortsetzen, aber zum Glück reicht meine Redezeit nicht aus.

Bei den genannten Fällen handelt es sich sämtlich um Kindesmisshandlungen und -tötungen, zum Beispiel in Guben, Luckenwalde, Lübbenau, Senftenberg usw., also im Land Brandenburg.

Auf eine Anfrage des Abgeordneten Petke im Jahre 2006 Drucksache 4/2986 - hin sah sich unsere Landesregierung allerdings außerstande, konkrete Angaben zu den dem Jugendamt bekannt gewordenen Fällen von Kindesmisshandlung zu machen.

Ich habe eingangs bewusst nicht die aktuellsten Fälle genannt; denn ich möchte Ihnen zumindest nahebringen, dass sich an den vorhandenen Erkenntnisdefiziten der Landesregierung zu Kindesmisshandlungen nichts geändert hat, und das nicht nur im Bereich der Kinder- und Jugendhilfestatistik.

Die Antwort auf eine aktuellere Kleine Anfrage meiner Kollegin Liane Hesselbarth zu landesbezogenen Erkenntnissen über die Ursachen von Tötungsdelikten an Kindern vom 13. März dieses Jahres - Drucksache 4/6233 - hat ergeben, dass die Landesregierung auch dazu noch immer keine Ahnung hat. Gleichwohl lobt der Minister für Bildung, Jugend und Sport in der Beantwortung von Frage 3 der vorgenannten Anfrage die angebliche Strategie der Landesregierung zur Verbesserung des Kinderschutzes im Hinblick auf präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Kindesvernachlässigungen und -misshandlungen und die qualifizierte Intervention im Falle der Kindeswohlgefährdung.

Meine Damen und Herren, da frage ich mich - und auch Sie, Herr Minister Rupprecht - allerdings schon, auf welchen Erkenntnissen und Erfahrungen Ihr sogenanntes Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg Drucksache 4/2733 - überhaupt gründen soll, wenn Sie zu all diesen wichtigen Fragen überhaupt nichts antworten können.

Mit unserem Antrag wollen wir Ihnen da zumindest ein wenig auf die Sprünge helfen und einen Weg aufzeigen, wie Sie hier endlich Kompetenz erwerben können; denn schließlich betrifft der Kinderschutz Ihr Ressort, oder irre ich mich da?

Unser Antrag zielt zunächst einmal darauf ab, bei der überfälligen landesbezogenen Ursachenforschung anzufangen. Alles andere hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wenn wir es mit dem Schutz der Kinder ernst nehmen, dürfen zumindest die Fachpolitiker künftig nicht mehr im Trüben stochern. Wir müssen in der Lage sein, Präventionsansätze gezielt aus fundierten Erkenntnisquellen abzuleiten.

In einer Pressemitteilung der Landesregierung vom 3. August 2004 mit der Überschrift „Misshandlung von Kindern ruft Innenminister auf den Plan“ ließ Herr Schönbohm lauthals verkünden:

„Gefordert sind alle. Vor allem Eltern und Verwandte, aber auch das soziale Umfeld, Schulen und Ämter müssen ihre Verpflichtung zum Schutz der Kinder ernst nehmen. Niemand darf wegschauen, wenn es um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geht. Wer wegschaut, handelt mindestens unmoralisch und macht sich zum Mittäter. Auch Vernachlässigung ist eine Form von Gewalt.“

Wenn Sie, liebe Landesregierung, demnach - nach den Worten des Innenministers - das Wegschauen als unmoralisch ansehen, müssten Sie für eine landesbezogene Ursachenforschung sein, denn deren Erstellung erfordert ein genaues Hinschauen. - Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Christoph Schulze spricht für die Koalitionsfraktionen.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was wären die Abgeordneten der DVU-Fraktion ohne ihre Manuskripte? Ich glaube, nichts.

Wir lehnen den Antrag ab. Wenn die DVU-Fraktion Handlungsbedarf sieht: Wir haben a) einen Wissenschaftlichen Dienst und b) verfügen Sie über ausreichende Fraktionsmittel, ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben. In Themenbereichen, die uns interessieren, tun wir das auch.

Die Landesregierung mit Berichtspflichten zu überhäufen und sich dann zu beschweren, dass die Regierung ihrer Arbeit in der Landesverwaltung nicht mehr nachkommen kann, ist eine einfache und bewährte Methode. Deswegen möchte ich Sie bitten, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der DVU: Sie haben kein Interesse an Ursachenforschung!)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Wöllert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Thema der Aktuellen Stunde, die im Februar stafffand, hat die DVU-Fraktion faktisch ihren Antrag von heute eingeleitet. Was ich damals gesagt habe, trifft auch heute zu. Frau Fechner meinte damals sagen zu sollen, manch einer melde sich zu Wort, der es hätte sein lassen sollen. Ich habe ihr empfohlen, diesen ihren Satz für sich selbst zu berücksichtigen. Das hat sich, was die DVU-Fraktion heute mit ihrem Antrag betrifft, nicht erledigt, sondern ist damit auch gemeint.

(Zuruf des Abgeordneten Nonninger [DVU])

Da aber die DVU hier ein Thema besetzt, das die Menschen im Land tatsächlich bewegt, sollten wir das, was sie hier gemacht hat, auch ernst nehmen. Ich tue das durchaus, und zwar in dem Kontext Ihrer Aktuellen Stunde vom Februar 2008, in der Sie sich allein durch Ihre Sprache entlarvt haben, welcher Intention Sie folgen.

Zu Ihrem Antrag selbst kann ich nur sagen: Er strotzt nur so vor pseudowissenschaftlichen Aussagen, in denen weder Logik steckt noch klare Zusammenhänge zu erkennen sind. Was Sie wollen, bringen Sie überhaupt nicht zum Ausdruck. Sie verwechseln Ursachen und Folgen. Es ist überhaupt nicht klar, ob Sie die Ursachen von Misshandlungen aufdecken wollen oder ob die Folgen von Misshandlungen analysiert werden sollen. Sie verarbeiten auch nicht die Antwort der Landesregierung betreffend die Kriminalstatistik; Sie selbst haben sie erwähnt. Dort ist Ihnen gesagt worden, dass es überhaupt nicht möglich ist, anhand der wenigen Fälle - jeder Fall ist zu viel - eine solche Analyse vorzunehmen, weil jeder Fall mit seinen Ursachen und Folgen, die daraus abzuleiten sind, einzeln zu betrachten ist.

In dem Zusammenhang versuchen Sie, mit Ihrem Antrag auf ein Thema zu setzen, das viel zu ernst ist, als dass Sie es mit einem solchen Antrag hier tatsächlich ernsthaft angehen könnten.

(Nonninger [DVU]: Über welchen Antrag reden Sie denn?)

- Ich rede von Ihrem Antrag, Herr Nonninger.

(Nonninger [DVU]: Sie haben ihn gar nicht gelesen!)

Um noch einmal nachzulegen, was Sie eigentlich meinen, welcher Sprache Sie sich bedienen und woher diese Sprache kommt, lassen Sie mich einige Sätze zitieren, die Sie genannt haben. Sie haben im Februar zum Beispiel vom „traurigen Phänomen der Gewalt gegen Kinder, der Verachtung und sogar Tötung der jüngsten Glieder unseres Volkes“ gesprochen. Überlegen Sie sich einmal, welche Sprache Sie wählen. Sie reden vom „feministischen Irrweg“, der die „Familien zerstört“. Sie verwenden Formulierungen, die sehr eindeutig die Herkunft erkennen lassen,

(Zuruf von der DVU)

wenn Sie sagen, „die sozialen und moralischen Verwahrlosungstendenzen in unserer Gesellschaft“ gehörten „ausgemerzt“. Ähnlich haben Sie sich vorhin zum Auftakt Ihrer Rede geäußert. Also ist Ihr Antrag überhaupt nicht zu bearbeiten.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Da die Landesregierung Redeverzicht übt, erhält das Wort noch einmal die DVU-Fraktion. Die Abgeordnete Fechner spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wöllert, Sie regen sich auf, dass wir ein Thema besetzen, das wichtig ist, und Sie regen sich darüber auf, dass wir es besetzen. Warum hat Ihre Fraktion das Thema nicht besetzt?