Doch anders als sie und ihre Wunschkoalitionspartner wissen wir: Es gehört zu einer Demokratie, dass die bürgerlichen und die Freiheitsrechte allen zustehen, auch denen, deren Meinung wir ablehnen und deren Ziele wir parlamentarisch bekämpfen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auschwitz zeigt, was Menschen anderen Menschen angetan haben, und es zeigt auch eine Seite der Geschichte in Deutschland, die sich nie wiederholen darf. Aus diesem Grund bin ich froh, dass im Jahr 1997 das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gegründet wurde und sich seit 1998 das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ durchgesetzt hat. Beide Maßnahmen haben sich bewährt und sind mittlerweile ein fester Bestandteil unserer politischen Arbeit geworden. Das ist gut und auch richtig; denn die Bekämpfung des politisch motivierten Extremismus ist ohne Zweifel eine Aufgabe, die man nie vernachlässigen darf.
Bei einem solchen Thema kann man nicht einfach - anders als bei den Themen Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenquote Zahlen und Statistiken heranziehen, um Erfolg oder Misserfolg zu bewerten. Dennoch möchte ich an dieser Stelle kurz auf einige wichtige Entwicklungen und Fakten eingehen. Die politisch motivierten Straftaten gingen im Jahr 2007 mit 1 923 Delikten gegenüber dem Jahr 2006 mit 1 943 leicht zurück. Davon waren die meisten Straftaten rechts motiviert. Von 2004 bis 2007 verringerte sich jedoch die Zahl rechtsextremer Gewaltdelikte um mehr als 11 %. Dabei muss auch die Aufklärungsquote in Höhe von 82 % gewürdigt werden, welche durch die konsequente Ermittlungsarbeit von Polizei und Justiz erreicht wurde. Für das vergangene Jahr zeichnet sich bundesweit leider ein deutlicher Zuwachs rechtsextremer Straftaten ab. Aber auch den Bereich der linksextremen Vorfälle muss man sehr genau beobachten. Diese haben sich in den letzten vier Jahren insgesamt - auch bei den Gewalttaten - nahezu verdoppelt.
Unabhängig von der Statistik gibt es einen festen Grundsatz: Jede einzelne dieser Straftaten ist eine zu viel. Unser Handeln wird sich daher nicht ausschließlich an Jahresbilanzen und Zu
oder Abnahme von Kriminalitätsstatistiken ausrichten, sondern muss langfristig und nachhaltig angelegt sein. Der Verfassungsschutzbericht ist dafür ein guter Ratgeber; denn er weist auf die Problemlagen hin und zeigt die wichtigen Ansatzpunkte und Gefahren auf.
Das Bestreben der DVU-Fraktion, den Verfassungsschutz aufzulösen, zeigt einmal mehr ihre undemokratische Haltung. Jedoch ist es auch nicht hilfreich, die Mittel für den Verfassungsschutz um mehr als 400 000 Euro - wie die Linke bei der Beratung des Doppelhaushalts - zu kürzen. Man kann nicht auf der einen Seite für die effektive Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sein und auf der anderen Seite wichtige Kontroll- und Prüfbefugnisse der inneren Sicherheit beschneiden oder diesbezüglich Finanzmittel kürzen. Das passt nicht zusammen.
Ich plädiere dafür, vor allem Aufklärung vor Ort zu betreiben und insbesondere den jungen Menschen die Werte von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu vermitteln; denn diese Werte sind das Gegenteil von Extremismus und Diktaturen. Konzepte nützen jedoch nur etwas, wenn sie mit Leben und Beispielen erfüllt werden. Die Chance, ein Bewusstsein junger Menschen für den Wert von Toleranz und Freiheit zu schaffen, ist dann besonders groß, wenn die düsteren Kapitel des 20. Jahrhunderts eindringlich beschrieben werden. Dies gelingt am besten durch Zeitzeugen, die ihre persönlichen Erlebnisse schildern.
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Dies ist mittlerweile 64 Jahre her. Die Zahl derer, die aus eigenem Erleben von dieser schrecklichen Zeit berichten können, wird immer kleiner. Die ungeheure Kraft und Eindringlichkeit persönlicher Erfahrungen aus der düsteren Zeit des Nationalsozialismus steht uns bald leider nicht mehr zur Verfügung. Deshalb wird es künftig unabdingbar sein, die Zeitzeugen stärker einzubeziehen, die in der DDR unter Restriktion, Zwang und Intoleranz gelitten haben. Auch sie können all die Dinge eines Unrechtssystems schildern, die im krassen Gegensatz zu dem stehen, was wir mit dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ bezwecken.
In diesem Jahr bieten sich mit dem 20. Jahrestag der friedlichen Revolution viele Möglichkeiten für solche Veranstaltungen. Die CDU-Fraktion hat deshalb einen entsprechenden Antrag eingebracht, der in der morgigen Landtagssitzung beraten wird. Das Handlungskonzept beinhaltet als wesentlichen Aspekt die Mobilisierung der Gesellschaft gegen Fremdenfeindlichkeit. Es gilt, diesen Ansatz durch möglichst viele Multiplikatoren im Bereich der Jugendarbeit, in Sportverbänden und Wirtschaftsorganisationen weiter voranzutreiben. Toleranz muss jeden Tag aufs Neue gelebt werden.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass die übergroße Mehrheit der Brandenburger weltoffen und tolerant ist. Da in diesem Jahr Europa-, Landtags- und Bundestagswahlen stattfinden, wird es in besonderem Maße darauf ankommen, die Menschen für die demokratischen Parteien zu gewinnen. Die Stärke unserer Demokratie liegt in der Freiheit und der Toleranz. Dabei ist das eine nicht ohne das andere zu haben. Freiheit und Toleranz bedingen einander. Ich bin fest da
von überzeugt, dass wir mit dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ auch nach elf Jahren über den richtigen Kompass verfügen, um diesen Glauben zu vermitteln und zu stärken. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei meinen Vorrednern aus den Fraktionen der demokratischen Parteien dafür bedanken, dass sie hier eines ganz deutlich klargemacht haben: Wir wollen und wir werden nicht nachlassen in unserem Bemühen, demokratiefeindliche und menschenverachtende rechtsextreme Bestrebungen mit allen verfügbaren rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen.
Es ist aus Sicht der Landesregierung gut und sinnvoll, wenn wir - das tun wir gerade - uns hier einmal im Jahr verbindlich dazu verabreden.
Am 23. Juni 2008 jährte sich zum zehnten Mal der Tag, an dem das damalige Kabinett das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ beschlossen hat. Zehn Jahre Handlungskonzept - das war Anlass zu einer Reihe von Veranstaltungen, in deren Rahmen einerseits Bilanz gezogen wurde, andererseits aber auch über neue Initiativen nachgedacht und gesprochen wurde.
Höhepunkt war zweifellos der Festakt der Landesregierung am 24. Juni, zu dem der Ministerpräsident eingeladen hatte; er bot nicht zuletzt wegen der Anwesenheit des Bundespräsidenten den Rahmen, um an die politische Willensbekundung der Landesregierung aus dem Jahr 1998 zu erinnern und sie erneut in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken.
Daneben gab es im Jahr 2008 in den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft Veranstaltungen und Aktivitäten, die im Rahmen des Handlungskonzepts standen und deutlich gemacht haben, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg in ihrer weit überwiegenden Mehrheit für die demokratischen Grundwerte einstehen und ihre Ablehnung gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus, Gewalt und Antisemitismus auch offen bekennen.
Ich will - der heutige Tag ist, glaube ich, Anlass, das zu tun - einige Veranstaltungen in einer kleinen Auswahl nennen. Zum Beispiel das Ausstellungsprojekt „Zug der Erinnerung“, das bundesweit über die Deportation von Kindern während der NSDiktatur informiert und im April 2008 in mehreren Bahnhöfen im Land Brandenburg Station machen konnte. Insbesondere Schulklassen haben die Gelegenheit genutzt, sich anhand dieses Beispiels darüber zu informieren, wie weit die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie in den Alltag und auch in scheinbar unpolitische Institutionen wie die Bahn hineinwirkte.
Auch im Sport gab es mit dem „Spieltag für Toleranz und Menschlichkeit“ ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit über den engeren Bereich der Sportvereine hinaus. Alle Liga-Spiele im Bereich des Brandenburgischen Fußballverbandes standen am 17. und 18. Mai unter diesem Motto; zu Beginn der Spiele wurde jeweils eine Deklaration verlesen.
Deutliches Zeichen für den Schulterschluss der Gesellschaft im Bemühen um ein tolerantes Brandenburg sind zahlreiche Kooperationsvereinbarungen, die die Landesregierung bzw. die in meinem Haus angesiedelte Koordinierungsstelle mit den verschiedensten gesellschaftlichen Verbänden und Organisationen geschlossen hat. Im letzten Jahr sind hier vor allem die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Vattenfall oder auch die Stadt Oranienburg hervorzuheben.
Nach wie vor, meine Damen und Herren, gilt das Leitprinzip des Handlungskonzepts: Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Gewalt kann nur dann erfolgreich sein, wenn er vorbeugende und bekämpfende Elemente miteinander verbindet und wenn jedes Ressort der Landesregierung seinen eigenen wichtigen Beitrag leistet.
Es würde mit Sicherheit den Rahmen der Redezeit sprengen, wenn ich jetzt alle Vorhaben der Ressorts aus dem vergangenen Jahr aufzählen wollte. Ich beschränke mich deshalb auf einige Beispiele, die aber verdeutlichen, wie breit gefächert die Handlungsansätze der Landespolitik sind.
Wer von Ihnen den Brandenburg-Tag im September besucht hat, dem ist sicherlich die gemeinsame Präsentation der Landesregierung in Erinnerung, die das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ in den Mittelpunkt gerückt hat.
Von den Aktivitäten des Verfassungsschutzes in Brandenburg möchte ich zwei erwähnen: Im Mai gab es eine Tagung mit Experten aus dem Sport, der Forschung und dem Sicherheitsbereich, die sich mit „Rechtsextremismus und Fußball“ auseinandersetzte, im November fand dann eine Fachtagung zum Thema „Rechtsextremismus im Internet“ statt.
Das Innenministerium bot in Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden und in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz, der Fachhochschule der Polizei und dem Mobilen Beratungsteam ab Juni Seminare an, die „Handlungsmöglichkeiten gegen extremistische Wahlstrategien“ auf kommunaler Ebene aufgezeigt haben.
Das Wirtschaftsministerium veranstaltete im September eine Tagung zum Thema „Weltoffenheit als Standortfaktor“, zu der es Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kammern und Unternehmensvertreter eingeladen hatte. Die Teilnehmer dieser Tagung haben eine Resolution verabschiedet, die deutlich macht: Es ist weiterhin notwendig, die Auseinandersetzung mit fremdenfeindlichen und anderen rechtsextremen Tendenzen gemeinsam zu führen.
Selbstverständlich gibt es auch in meinem Ministerium - sei es bei der Schulaufsicht oder in der Jugend- und Sportabteilung oder auch im Bereich der Weiterbildung - zahlreiche Bemühungen um präventive Maßnahmen und intensive pädagogische Auseinandersetzungen mit rechtsextremen Erscheinun
gen. Natürlich wird auch im Bereich des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie die Entwicklung von Toleranz und Weltoffenheit auf verschiedene Art und Weise gefördert. Im Mai 2008 beispielsweise veranstaltete das MASGF zusammen mit dem Mobilen Beratungsteam und der RAA eine Fachtagung und Workshops zur „Qualifizierung für Demokratie und Toleranz in der betrieblichen Ausbildung“.
Auch die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ selbst, die meinem Staatssekretär Burkhard Jungkamp als dem Koordinator der Landesregierung für das Handlungskonzept unterstellt ist, hat - wie nicht anders zu erwarten - eine Vielzahl von Veranstaltungen mit ihren Partnern inhaltlich begleitet. Dazu gehörten Fachtagungen wie die von der Stiftung Demokratische Jugend veranstaltete mit dem Titel „Ein Jahr Beratungsnetzwerk - 10 Jahre Tolerantes Brandenburg“ ebenso wie das internationale Treffen der „Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage“ im Juni in Potsdam, das von der RAA Brandenburg federführend vorbereitet wurde.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die Aktivitäten der Landesregierung waren auch im zehnten Jahr des Handlungskonzepts breit gefächert und haben die unterschiedlichsten Politikfelder abgedeckt.
Und: Es ist die ständige, beharrliche Arbeit, die mehr Erfolg verspricht als einzelne spektakuläre Aktionen.
Die Bilanz, die Ministerpräsident Matthias Platzeck auf der eingangs erwähnten Festveranstaltung gezogen hat, war zu Recht positiv. Im öffentlichen Umgang mit Rechtsextremismus und Intoleranz, mit Rassismus und Antisemitismus hat sich in den letzten zehn Jahren im Land Brandenburg vieles zum Positiven verändert. Aber wir wissen auch, meine Damen und Herren: Die Öffentlichkeit in unserem Land, aber vor allem die Öffentlichkeit außerhalb unserer Landesgrenzen sieht Wahlen als einen wichtigen Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaft an. Die Landtags- und auch die Bundestagswahlen im September dieses Jahres werden also in besonderer Weise im Hinblick auf das Abschneiden rechtsextremer Parteien beobachtet werden.
Auch wenn aktuelle Umfragen darauf hindeuten, dass die Stimmung im Land Brandenburg für die rechtsextremen Parteien wenig günstig ist, müssen wir davon ausgehen, dass diese Parteien alles tun werden, um den Einzug in den Landtag zu erreichen. Es ist daher zuallererst nötig, dass wir als Demokraten in den kommenden Monaten beständig und überall im Land dafür werben, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, und wir so für eine hohe Wahlbeteiligung sorgen.
Wir müssen dann natürlich auch dafür werben, dass sie ihre Stimme einer der demokratischen Parteien geben. Daneben aber geht es auch um die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Gegenwehr.
Es geht darum, die Gefahren rechtsextremer Ideologien für die Entwicklung unseres Landes zu verdeutlichen und die Chance zu vermitteln, die in Weltoffenheit und Toleranz liegt. Mein besonderer Dank gilt daher all diesen Partnern aus der Zivilgesellschaft, die uns helfen, insbesondere dem Mobilen Beratungsteam, der RAA, dem Verein Opferperspektive und dem landesweiten Aktionsbündnis gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Dass die Bemühungen im Rahmen des Handlungskonzepts auch im Jahr 2009 nicht nachlassen, konnten Sie in den letzten Wochen auch den Pressemitteilungen entnehmen. Die Medien haben landesweit über den Bandcontest SOUNDWAHL 2009 berichtet, in dessen Rahmen in allen Regionen des Landes Musikwettbewerbe und Live-Konzerte stattfinden und dessen Ergebnisse dann auf einer CD mit 16 Titeln in deutscher Sprache veröffentlich werden.
Der Landessportbund Brandenburg wird gemeinsam mit dem Landesfußballverband wiederum im Mai einen Aktionstag „Fußball für Menschlichkeit und Toleranz“ veranstalten, an dem sich auch die Brandenburgische Sportjugend beteiligt. Die Stadt Oranienburg wird sich auf einem Aktionstag im Rahmen der Landesgartenschau als „Stadt der Vielfalt und Toleranz“ präsentieren.
Die Volksbanken und Raiffeisenkassen führen gemeinsam mit dem Landespräventionsrat, der Koordinierungsstelle TBB und mit BB Radio einen Wettbewerb „Fair bringt mehr 2009“ durch.
Von den verschiedenen Tagungen, die vorbereitet werden, möchte ich nur zwei nennen. Es wird eine Fachtagung zur Arbeit mit rechtsextrem-affinen Jugendlichen geben, die unter anderem von der Stiftung SPI vorbereitet wird. Das Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam bringt sich in eine bundesweite Konferenz zur wissenschaftlichen Analyse des Rechtsextremismus am Beispiel Brandenburgs ein.