Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Entgegen der heute früh in der Aktuellen Stunde geführten Diskussion stelle ich fest, dass in den demokratischen Parteien zu dieser Problematik Übereinstimmung, zumindest annähernde Übereinstimmung, herrscht. So werte ich auch den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, mit dem wir sehr gut leben können, Herr Senftleben und Frau Geywitz. - Danke schön.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Es spricht die Abgeordnete Geywitz für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei Frau Stobrawa und der Linksfraktion für die Initiative zu diesem Antrag zur Thematisierung der wichtigen Frage „Muttersprache plus zwei“ bedanken. Wenn man neben der deutschen Muttersprache zwei weitere Sprachen fließend beherrschen soll, so ist das sicherlich eine ziemliche Hausaufgabe. „Fließend“ heißt sowohl für private als auch für berufliche Zwecke, nicht nur für die Urlaubsreise und das Bestellen des Vino tinto.

Das ist, glaube ich, eine Herausforderung, die sehr viel Veränderung in unserem Bildungssystem und in unserem Weiterbildungssystem voraussetzt. Deswegen ist richtig, was Frau Sto

brawa sagte: Hier braucht es einen Konsens der demokratischen Fraktionen in diesem Haus. Dieser Konsens ist vorhanden. Die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion haben die Initiative der Linksfraktion in einem eigenen Entschließungsantrag aufgegriffen, wobei uns wichtig ist, zu betonen, dass aufgrund der geografischen Lage die Förderung der polnischen Sprache ein ganz wesentlicher Bestandteil des vorzulegenden Konzepts sein muss.

Aber wir nehmen auch sehr ernst, was in unserer Landesverfassung steht. Dort gibt es den Auftrag an dieses Haus, an die Politik im Land Brandenburg, die sorbische Sprache zu pflegen und zu fördern. Das ist in den letzten Jahren sehr gut gelungen auch mit neuen, modernen sprachpädagogischen Ansätzen wie bilingualem Unterricht. Ich meine, das Niedersorbische Gymnasium in Cottbus hat sehr viel Erfahrung damit gemacht, Schüler für die sorbische Sprache zu begeistern, die dies von zu Hause nicht mitbekommen haben. Es geht aber auch um sprachliche Frühförderung im Kindergarten.

Zwei Sprachen neben der eigenen zu erlernen, das heißt, eine dauerhafte Aufgabe für die Struktur im Land auch jenseits der Schule zu stellen. Wichtig ist natürlich, in der Schule die Grundlage zu legen. Aber ich denke darüber hinaus auch an unsere Volkshochschulen und an einen Punkt, der hier unter dem Einzelpunkt d) Erwähnung findet, das E-Learning, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass einmal erworbene Sprachpraxis weitergeführt werden kann und Sprachkenntnisse vertieft und erweitert werden.

Ich denke, es wird unser aller Leben, auch die Weiterbildungskultur nach dem erstmaligen Schulabschluss, kennzeichnen, dass wir in der Lage sind, neben unserer Muttersprache noch in anderen Sprachen geschäftlich zu kommunizieren. Wir sind davon zwar noch ein gutes Stück entfernt; es ist aber das Schöne an der Europäischen Union, dass sie nicht nur - manchmal mehr Bürokratie in unser Leben bringt - das beklagen wir alle -, sondern dass sie in vielen Bereichen auch positive Akzente setzt, sei es im Bereich des Arbeitsschutzes, sei es im Bereich des Nichtraucherschutzes, wo wir auch von der Europäischen Union getragen wurden. Ein positiver Akzent ist aber auch die Förderung des Spracherwerbs, auch wenn wir insoweit noch sehr viel zu tun haben.

Uns als SPD-Fraktion ist es sehr wichtig, dass wir im entsprechenden Ausschuss ein Konzept, das die von der Linksfraktion gestellten Fragen aufgreift, von der Landesregierung dargestellt bekommen. Unser Augenmerk werden wir dabei besonders auf die Förderung des Polnischunterrichts und die Pflege der sorbischen Sprache legen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Der Abgeordnete Nonninger spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man ein Haus baut, fängt man bekanntlich ganz unten an. Zuerst muss ein Fundament errichtet werden. Auf dieses Fundament werden dann die Mauern gebaut. Ganz oben auf die Mauern kommt

der Dachstuhl und darauf dann das Dach. Aus dem Dach ragt oft noch der Schornstein. Auf vielen Dächern finden sich Antennen, Satellitenschüsseln, Solarmodule. Ganz selten kommt als krönender Abschluss noch eine Verzierung obendrauf, beispielsweise ein Wetterhahn.

Der vorliegende Antrag der Linken will den Hausbau mit dem Wetterhahn oder, etwas positiver formuliert, mit den Solarmodulen beginnen. Ein Solarmodul kann einem fertigen und ordentlich gebauten Haus den letzten Schliff geben und den Nutzen für die Bewohner erhöhen. Genauso könnte das Ziel der Mehrsprachigkeit aus einem guten, durchorganisierten und gut funktionierenden Bildungswesen ein sehr gutes Bildungswesen machen und seinen Nutzen für die Schüler und die anderen Lernenden erheblich erhöhen.

Doch davon sind wir in Brandenburg leider noch sehr weit entfernt. Im Brandenburger Bildungswesen hapert es doch schon am Fundament. Es gibt nicht genügend gut ausgebildete Lehrer mit den benötigten Qualifikationen und der benötigten Motivation. Es gibt nicht mehr genug Schulen, damit alle Schüler in einer vertretbaren Zeit eine geeignete Bildungsstätte erreichen können.

Auch sonst ähnelt das Brandenburger Bildungswesen eher einer Ruine als einem ordentlich gebauten Haus. Im Vergleich der Lesefähigkeiten der Grundschüler liegt Brandenburg immerhin noch vor Berlin und Bremen. Doch darauf können wir uns nun wirklich nicht etwas einbilden. Solange sich Brandenburger Ausbildungsbetriebe in großer Zahl darüber beschweren, dass es bei ihren potenziellen Lehrlingen oft bereits an der Beherrschung der Grundrechenarten und ihrer Muttersprache hapert, so lange ist der vorliegende Antrag ein schlechter und grausamer Scherz.

Über das Projekt Mehrsprachigkeit können wir gerne nachdenken, wenn das Brandenburger Bildungswesen endlich seine Grundaufgaben erfüllt.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Senftleben spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Vorrednerinnen von SPD und Linkspartei viel Wichtiges zum Thema „Muttersprache und Fremdsprache“ gesagt haben. Ich muss das nicht alles wiederholen, auch deshalb nicht, weil es für den Antrag der Koalitionsfraktionen anscheinend auch Zustimmung aus den Reihen der Linkspartei gibt.

Dennoch möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass aus unserer Sicht gerade im Kindergarten- und im Schulalter die besten Voraussetzungen dafür vorliegen, neben der Muttersprache auch Fremdsprachen zu erlernen. Wir verfügen über zahlreiche Erkenntnisse, dass bereits in diesen Altersgruppen - bei entsprechender pädagogischer Begleitung - sehr gute Möglichkeiten für den Fremdsprachenerwerb existieren. Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir ein Signal setzen, damit es in diese Richtung vorangehen kann.

Als Bürgermeister der Stadt Ortrand bin ich natürlich darum bemüht, dass auch wir als kleinere Kommune mit Kommunen im europäischen Ausland Kontakt aufnehmen können. Wie es im Leben immer so ist - meist hapert es nicht an den menschlichen, sondern an den sprachlichen Fähigkeiten zur Kontaktaufnahme, und zwar sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite. Wenn Europa tatsächlich ein Europa der gemeinsamen Entwicklungen sein soll, dann ist es nun einmal zwingend notwendig, dass die Menschen sich verständigen und verstehen können. Eine wichtige Grundlage dafür legen wir, wenn wir insbesondere die jungen Menschen entsprechend sensibilisieren und zum Fremdsprachenerwerb auffordern.

Es ist für uns mit Sicherheit nicht einfach, in einer anderen Sprache als der Muttersprache zum Beispiel hier eine freie Rede zu halten. Was für uns gilt, gilt auch für den Querschnitt der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Ich meine, dass gerade die junge Generation anders aufwachsen kann und aufwachsen wird, was diese Frage angeht. Die Grundlagen dafür werden in der Schule gelegt.

Die andere Seite ist die Arbeitswelt, die immer öfter von uns verlangt, im globalen Rahmen nicht nur zu denken, sondern auch zu arbeiten. Auf der einen Seite geht es darum, Produkte ins Ausland zu exportieren. Auf der anderen Seite sollen und wollen Brandenburger in Unternehmen arbeiten, die hier investiert haben, ihren Stammsitz aber in Dänemark, Amerika, Frankreich oder anderswo haben. Ein wichtiger Aspekt der Mehrsprachigkeit ist die Erhöhung der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes bzw. überhaupt erst die Schaffung der Möglichkeit, in solchen Unternehmen zu arbeiten, eben dadurch, dass man Fremdsprachenkenntnisse einbringen und darstellen kann.

Ich will nicht verheimlichen, dass wir die allererste Grundlage für den Fremsprachenerwerb in der Beherrschung der Muttersprache sehen. Ohne diese Voraussetzung ist es natürlich schwierig, andere Sprachen zu erlernen. Auch deswegen glaube ich, dass die Sprachförderung in Kindertagesstätten einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass neben der Muttersprache auch die Möglichkeiten der Fremdsprachen wahrgenommen werden können.

Auch wenn Brandenburg ein Land mit einem relativ geringen Migrantenanteil ist, so will ich dennoch darauf hinweisen, dass es uns wichtig ist, Migrantinnen und Migranten in Brandenburg willkommen zu heißen und mit den sprachlichen Möglichkeiten zu unterstützen. Es ist wichtig, dass wir diesen Punkt in unseren Entschließungsantrag aufgenommen haben. Uns liegt seit Wochen ein Bericht der Ausländerbeauftragten auf dem Tisch, der uns bescheinigt, dass gerade ausländische Kinder in Brandenburg einen hohen Bildungserfolg haben und sich an den Bildungsangeboten rege beteiligen. Aber noch nicht alle Kinder nutzen die gebotenen Möglichkeiten. Deswegen ist auch das ein wichtiger Punkt, den man in ein Konzept aufnehmen sollte.

Unter dem Strich können wir feststellen: Wir sind auf einem vernünftigen Weg. Ich will nicht verschweigen, dass wir noch einen „Problemfall“ an der Schule zu klären haben: das Thema „zweite Fremdsprache“. Sie wissen, dass Länder wie Sachsen und Thüringen die zweite Fremdsprache mittlerweile in Klasse 6 beginnen lassen. Da wir eine andere Schulstruktur haben, die wir auch nicht verändern wollen, stehen wir vor der Frage, wie wir dennoch, und zwar nicht zum Nachteil unserer Kinder, eine Möglichkeit finden können, auch die zweite Fremdsprache re

lativ frühzeitig beginnen zu lassen; sie muss zumindest im selben Umfang bis zum Abschluss der Klasse erteilt werden können. Ich glaube, unser Antrag und das vorzulegende Konzept bieten gute Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten. Darauf freue ich mich. Deswegen wird unsere Fraktion dem Antrag der Koalition zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Minister Rupprecht spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkenne in den vorliegenden Anträgen genauso wie in den gehaltenen Redebeiträgen einen Konsens zu folgender Feststellung: Fähigkeiten und Fertigkeiten in mehreren Sprachen sind heutzutage wichtige Schlüsselqualifikationen. Deshalb ist es wichtig und notwendig, das bestehende Konzept zur Organisation des Fremdsprachenunterrichts in regelmäßigen Abständen kritisch unter die Lupe zu nehmen, zu hinterfragen und an die aktuellen Bedürfnisse und Entwicklungen, auch innerhalb der Europäischen Union, anzupassen.

Bei der Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts sind wir in Brandenburg auf einem ganz guten Weg und wir werden diesen fortsetzen. Wir sind, um uns mal ein bisschen selbst zu loben, zum Beispiel Vorreiter hinsichtlich der Zahl von Schülerinnen und Schülern, die Polnischunterricht besuchen, auch wenn wir mit dieser Zahl noch nicht zufrieden sind und sie erhöhen wollen; darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Wir sind auch bezogen auf die Verpflichtung zum Belegen von zwei Fremdsprachen in der gymnasialen Oberstufe vorne dabei. Gleiches gilt für die erfolgreiche Teilnahme am berufsbezogenen KMK-Fremdsprachenzertifikat.

Damit komme ich zum Thema Polnischunterricht. Gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn wollen wir zukünftig noch mehr dafür werben, dass eine größere Zahl von Schülerinnen und Schülern in unseren Schulen die polnische Sprache erlernt. Dazu stellen wir derzeit gemeinsam Überlegungen an, deren Ergebnis wir dann nutzen wollen, mit Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen mit dem Ziel, bei ihnen und ihren Eltern ein positives Verhältnis zur polnischen Sprache und ein Bewusstsein für ihre Wichtigkeit zu schaffen. Das ist bei der Konkurrenz durch andere moderne Fremdsprachen wie etwa Spanisch keine leichte Aufgabe. Ich kann erfreut feststellen, dass auf polnischer Seite die Bereitschaft zum Mitmachen deutlich gewachsen ist. Ich habe beispielsweise in dem polnischen Vizeminister Stanowski und in dem polnischen Botschafter Marek Prawda zwei interessierte und motivierte Partner gefunden, mit denen wir gemeinsame Veranstaltungen planen werden.

Von besonderer Bedeutung im Lande Brandenburg ist, wie Frau Stobrawa schon gesagt hat, natürlich auch der Erhalt der sorbischen (wendischen) Sprache. Die niedersorbische Sprache kann im Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden einerseits als Fremdsprache erlernt werden; andererseits fördert das Land zielgerichtet ihre muttersprachliche Revitalisierung durch das WITAJ-Projekt. In diesem Projekt sind Kinder involviert, die mit

dem Besuch in sorbischen (wendischen) Vorschuleinrichtungen diese Sprache sehr frühzeitig erlernen können. Im schulischen Bereich tragen wir dann dafür Sorge, dass die Kinder, die aus einem WITAJ-Projekt stammen, den Spracherwerb fortsetzen können, und zwar in allen Schulstufen und in allen Bildungsgängen.

Ein weiterer wichtiger Punkt in allen Konzepten ist die Rolle, die Regelungen für den bilingualen Unterricht spielen. In der Sekundarstufe I und in der gymnasialen Oberstufe spielt der bilinguale Unterricht inzwischen eine bedeutende Rolle. Das Interesse an solchen Angeboten ist groß, und es wächst. Gegenwärtig bieten 13 Schulen bilingualen Unterricht an, der einen festen Bestandteil im jeweiligen Bildungsgang bildet; zwei weitere stehen kurz vor Beginn, und in der Form flexibler Module findet darüber hinaus bereits an weiteren Schulen bilingualer Unterricht statt.

Diese kurzen Darlegungen dürften ausreichen, um Folgendes deutlich werden zu lassen: Wir stehen den Intentionen der Europäischen Union hinsichtlich des Sprachenerwerbs positiv gegenüber, und wir werden ihnen wenn nicht vollständig, so doch zumindest in einem relativ großen Umfang auch schon gerecht. Trotzdem können wir natürlich noch viel tun. Zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen bedarf es der Zusammenarbeit mehrerer Ministerien. Einige dieser Maßnahmen bedürfen auch einer längeren Vorlauf- und Vorbereitungszeit. Aber ich verspreche: Wir werden ein modifiziertes und gutes Konzept auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort erhält bei Bedarf noch einmal die antragstellende Fraktion. - Die Abgeordnete Große spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So viel Harmonie gab es selten in diesem Hause. Wir danken wirklich für den ähnlich lautenden Entschließungsantrag. Das Problem wurde erkannt, und in den Antrag wurden wesentliche, von uns ja sehr kleinteilig aufgezurrte Probleme übernommen. Insofern sind wir auf einem guten Weg. Ich will auch gar nicht viel Salz in die Suppe streuen. Zu einigen Dingen gäbe es noch etwas zu sagen.

Ich möchte hier nur noch einmal aus dem Nähkästchen plaudern. Als ich im Jahre 2001 hier anfing, bestanden die ersten Veranstaltungen mit Fremdsprachenlehrern darin, dass die Lehrer eine tragfähige, nachhaltige Konzeption zur Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts eingefordert haben. Eine solche komplexe Konzeption ist noch nicht wirklich da. Auch das, was jetzt bezogen auf die zwölfjährige Abiturstufe läuft, wurde noch nicht harmonisiert. Ich sage ganz ehrlich: 12 oder 13 und vielleicht noch zwei weitere Schulen mit bilingualem Unterricht, das ist einfach zu wenig. Da muss jetzt ordentlich was passieren.

Aus unserer Sicht ist es auch zu wenig, wenn wir uns auf die vorhandenen Stärken konzentrieren. Bei uns gibt es Schülerinnen und Schüler mit einem Migrationshintergrund, die aus bildungsnahen Milieus stammen. Das ist eine riesige Chance. Die

Kompetenzen etwa russisch- und vietnamesischsprachiger Migrationskinder könnten wir gut nutzen, um dem, was wir alle hier als interkulturelle Bildung bezeichnen, eine breitere Basis zu geben, die hier vorhandenen Potenziale besser zu nutzen; denn auch da ist zurzeit zu wenig.

Ich nenne in diesem Zusammenhang ein Beispiel. An der Werner-von-Siemens-Schule in Gransee gibt es einen Mathelehrer als Schulleiter. Der ist in dieser Hinsicht total top. Es gibt dort Schülerinnen und Schüler, die Praktika in Siemenswerken machen und dort feststellen, dass die Arbeitssprache auch im Facharbeiterbereich überwiegend Englisch ist. Auch die Anleitungen für die dort auszuführenden Arbeiten sind überwiegend in Englisch abgefasst. So etwas müssen wir aufnehmen. Der Schulleiter dort ist zum Glück mit einer Englischlehrerin verheiratet. Er lernt jetzt Englisch, um ein gutes Vorbild zu sein. Hier muss von unserer Seite Butter bei die Fische; denn von allein kommt so etwas nicht.

Ich bitte auch den Minister, noch einmal über Folgendes nachzudenken: Ich bin ja dafür, dass wir in unserem Lande möglichst viele Europaschulen haben. Diese Schulen werden von der EU ja auch vernünftig gefördert. Aus einem Runderlass wurde jetzt aber der verpflichtende Unterricht in der Nachbarsprache Polnisch herausgenommen, was ich sehr bedauere. Ich meine, wir müssen beides tun, auf der einen Seite für die polnische Sprache werben, werben, werben und auf der anderen Seite den betreffenden Teil des Runderlasses möglichst bald wieder einführen. Eine andere Chance haben wir nicht. Interkulturelle Begegnungen gibt es am ehesten durch das gemeinsame Leben in der Grenzpartnerschaft.

Ein anderer Punkt sollte dringend behandelt werden. Auf der Tagesordnung für die heutige Sitzung befindet sich bekanntlich auch ein Antrag betreffend die Förderschulen. Wir sollten auch Kindern mit Förderbedarf im Bereich Lernen, die Möglichkeit geben, eine Fremdsprache zu erlernen. Das können die betreffenden Schülerinnen und Schüler auf einer Niveaustufe, die ihnen möglicherweise auch hilft, die Muttersprache besser zu strukturieren. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Herr Kollege Senftleben, wir werden ja nachher über die Abschlüsse in diesem Bereich reden. Ich sage noch einmal, dass das einer der ersten Punkte ist, der da angefasst werden muss.

Minister Speer hat heute früh mit mir geschimpft, aber ich kann es ihm nicht ersparen, dass er den wunderbaren Kennedy-Satz noch einmal um die Ohren bekommt. Dieser Satz lautet:

„Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung, und das ist keine Bildung.“

Das wird nicht ganz ohne Geld gehen. Bei aller Bereitschaft, die ich heute hier erlebe - wir werden ja sicherlich noch im Ausschuss darüber debattieren -, brauchen wir eine Strategie, eine kleine Aufstockung der Mittel, und es bedarf einer übergreifenden Zusammenarbeit mit dem Hause von Frau Prof. Wanka. Wir sollten uns dafür nicht allzu viel Zeit lassen; denn es gibt eine große Chance, den Kindern, die jetzt im System sind, da auch noch ein bisschen mehr zu bieten. - Vielen Dank.