Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Es geht darum, die vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten verantwortungsvoll zu nutzen. Fakt ist: Es gibt eine entsprechende Schutzklausel. Davon machen Österreich und Ungarn Gebrauch. Auch Brandenburg ist bemüht, im Einklang mit dem Naturschutzrecht den Anbau aus Naturschutzgründen im Umfeld von Schutzgebieten einzuschränken. Das ist nicht viel, aber immerhin. Bedenkt man, dass Brandenburg fast die Hälfte aller Anmeldungen der Gentechnikfelder Deutschlands hat, ist das jedoch offenbar zu wenig.

Auch eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft in Richtung Monokulturen und eingeschränkte Fruchtfolgen befördern den Rückgang der Artenvielfalt. Es gilt aber, den Artenschutz zu stärken.

Zusätzliche indirekte Kosten können den Landwirten und Imkern entstehen, die neben der landwirtschaftlichen Produktion auch touristische Angebote, zum Beispiel Urlaub auf dem Bauernhof, unterbreiten. Ist der Ruf einer Region erst ruiniert, kann sich dies im Rückgang der Zahl der Touristen deutlich bemerkbar machen. Regionale Produkte und auch ganze Regionen erfahren einen Imageschaden. Die Sorgen der Imker sind ernst zu nehmen. Der Verbraucher möchte keinen Honig, in dem gentechnisch veränderte Pollen vorkommen. Und diesen teuren Nachweis hat der Imker selbst zu tragen!

(Helm [CDU]: Sie wissen aber, dass Mais keine Pollen hat?)

Die Versicherungswirtschaft stellt klar, dass sie keinen Landwirt versichert, der gentechnisch verändertes Saatgut ausbringt. Die Haftung bei möglichen Auskreuzungen und Schäden hat der Landwirt selbst zu übernehmen. Genau hier ziehen sich die Konzerne zurück und lassen die Landwirte im Stich. Auch die Analysekosten bei möglichen Verunreinigungen haben die Landwirte selbst zu tragen.

In Brandenburg wurden für 2009 insgesamt 66 Flächen mit 1 645 ha angemeldet - Tendenz abnehmend. Deutschlandweit sind es 240 Flächen mit 3 670 ha. Hauptanbaugebiete bei uns sind die Landkreise Märkisch-Oderland und Oberhavel.

Dem wiederum stehen deutschlandweit 107 gentechnikfreie Regionen mit 790 000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche gegenüber. Genau darin besteht das Problem: Diese Zusammenschlüsse sind rein freiwilliger Natur und können jederzeit durch einzelne Unternehmen konterkariert werden. Damit sind ganze Unternehmensmodelle im Ökolandbaubereich hinfällig. Hier gilt es nach wie vor, das Brechen von Dämmen zu verhindern. Genmais im Freilandanbau gefährdet nicht nur den BioAnbau, sondern auch den konventionellen Landbau.

Produkte aus gentechnikfreien Regionen werden teilweise mit einem eigenen Label vermarktet, um die Gentechnikfreiheit positiv zu besetzen. Das sichert Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen und im touristischen Bereich, bindet die Menschen an ihre Region, erhöht die Akzeptanz und wirkt identitätsstiftend für die Bevölkerung.

Das bedarf der Positionierung und des Engagements. Es ist immer richtig, darauf zu verweisen, man sei nicht zuständig und die Gesetze seien zu befolgen. Klar - aber Gesetze sind nicht gottgegeben, und es ist auch nicht so, dass man nicht versuchen dürfte, sie kreativ anzuwenden. Genau darauf zielt unser Antrag. Die Schutzklausel in Artikel 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie lässt nämlich zu, den Anbau zu untersagen, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse ein Umweltrisiko besteht. Wenn genau dies für Österreich und Ungarn gilt, und das auch noch durch den EU-Ministerrat bestätigt, dann könnte es doch auch für Deutschland anwendbar sein,

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

und zwar jenseits von Ländergrenzen, Parteigrenzen und Koalitionen und auch mit Blick über die Grenzen Europas hinaus.

Ein Versprechen, welches uns die Agro-Gentechnikindustrie immer wieder suggerieren möchte, ist die Lösung des Welthungerproblems. Festzustellen ist hierbei, dass rein rechnerisch heute jedem Menschen täglich etwa 2 700 Kalorien zur Verfügung stehen. Die Nahrung reicht also aus, um die Weltbevölkerung von etwa 6,5 Milliarden Menschen gut und angemessen zu ernähren.

(Helm [CDU]: Was machen Sie bei 11 Milliarden?)

Das Problem ist nur die ungleiche Verteilung: Überschussproduktion bei uns und mangelnde landwirtschaftliche Erträge in den Entwicklungsländern. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Entwicklungsländer Zugang zu diesem Saatgut nur über Patente erhalten und dadurch die Abhängigkeit von Unternehmen erhöht wird.

Meine Damen und Herren! Ich würde mich freuen, wenn sich das Schild „Felder ohne Gentechnik“ an der Bürotür der Kollegen Kuhnert und Klocksin positiv auf die Positionierung der Fraktion auswirkt und Sie unserem Antrag zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Klein [SPD]: Die beiden, die Sie so gelobt haben, sind gar nicht da!)

Der Abgeordnete Folgart spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Angst - ich werde nicht lange reden.

Frau Steinmetzer-Mann, ich habe mir die Notiz gemacht, dass wir uns in der Sitzung des Landtages am 28. Mai vergangenen Jahres mit diesem Thema im Prinzip schon auseinandergesetzt und uns zu Für und Wider, Chancen und Risiken ausgetauscht haben. Im Vorfeld dazu, am 28. Februar 2008 und am 13. Dezember 2007, hatte es schon zahlreiche Anfragen zu diesem Thema gegeben.

Ich möchte Ihnen heute ein Geschenk machen.

(Oh! bei der SPD - Der Redner hält ein Buch in Richtung der Abgeordneten.)

Das Buch ist von den Herren Dirk Maxeiner und Michael Miersch geschrieben. Beide sind nicht etwa Lobbyisten der Landwirtschaft, sondern haben zwischen 1989 und 1994 als leitende Redakteure des größten europäischen Umweltmagazins „natur“ gearbeitet. Ich habe noch eine Weihnachtskarte meiner Schwiegermutter hineingelegt, damit Seite 181 schnell gefunden wird: „Wie grün ist die Grüne Gentechnik?“ Das Buch gebe ich Ihnen gleich im Anschluss. Lesen Sie sich das einmal durch; es sind sechs interessante Punkte.

Ich glaube auch, dass wir heute im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes über Bayern reden könnten. Darauf will ich verzichten. Ich selbst habe in meiner Arbeit auf Bundesebene festgestellt, dass Bayern anders ist.

(Allgemeine Heiterkeit)

- Ja, die sind wirklich anders: in der Politik anders, in der Verbandspolitik anders. Aber sie gehören nun einmal zu dieser Bundesrepublik Deutschland.

(Heiterkeit bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Wir müssen uns mit denen natürlich auseinandersetzen.

Ich sagte es schon: Die Argumente sind vorgebracht. Die Aussage in Ihrem Antrag, Frau Steinmetzer-Mann, dass GVO keine Zukunft habe, ist aus meiner Sicht haltlos. Ich habe schon am 28. Februar und am 28. Mai letzten Jahres hier gesagt, dass wir einmal schauen werden, wie sich die Anbaufläche von MON 810 entwickelt. Wir stellen fest, dass es vom Jahr 2007 auf das Jahr 2008 einen Rückgang der Anbaufläche von 1 347 ha auf 1 245 ha gab. Das hat verschiedene Ursachen. Aber ich habe immer gesagt: Die Landwirte, auch die in Brandenburg, gehen sehr bewusst mit diesem Thema um und sind sich sowohl der Risiken als auch der Chancen an der Stelle bewusst.

Die Forscher sehen für den GVO-Anbau - das steht auch in diesem Buch - eine Zukunft. Momentan erwarten wir eine Zulassung von knapp 20 neuen GVO. Es werden Ertragssteigerungen versprochen. Es wird über Kostensenkungen nachzudenken sein. Es wird aber auch über Mehrwerte im Laden nachzudenken sein. MON 810 ist eben ein schlechtes Thema, weil man im Verbrauchermarkt nicht feststellen kann, was der Anbau direkt bringt. Vielleicht ist es aber der Weizen der Marke „Faltenglatt“; den soll es geben. Wer diesen Weizen isst, der kriegt eine straffere Haut.

(Heiterkeit)

In dem Sinne sind da also Mehrwerte in Aussicht, und die wollen wir uns, glaube ich, nicht verbauen. Deswegen werden wir Ihrem Antrag heute nicht folgen.

Auch zu dem Argument - das will ich noch als Letztes anführen -, dass Brandenburg als Natur- und Reiseland gefährdet ist, müssen wir sagen: Wenn die Verbraucher aufgeklärt sind, nimmt Brandenburg als Reiseland - wegen dieser 1 300 ha mit GVO-Anbau - keinen Schaden. Die Übernachtungszahlen steigen. Der Zusammenhang ist also nicht gegeben. Auch in den USA nimmt die Zahl der Besucher aufgrund der Lebensmittelsituation nicht ab. Der Reiseboom dorthin ist eigentlich ungebrochen. Gleiches gilt für andere Länder, die GV-Pflanzen anbauen.

Die Übernachtungszahlen in Brandenburg sind von 8,616 Millionen im Jahre 2005 auf 9,407 Millionen im Jahre 2008 gestiegen, und ich glaube, das ist eine Zahl, die nicht unbedingt Ihrer Argumentationslinie folgt.

Jetzt bekommen Sie von mir das Buch. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Klein [SPD]: Jetzt müssen wir mit „Faltenglatt“ werben!)

Der Abgeordnete Norbert Schulze spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ruf nach Unterstützung der Pläne der Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner klingt schon irgendwie komisch. Aber GentechnikGegner sind eben auch Wähler. Erstaunlich ist doch, dass die Linken diesmal nicht nach den Folgen für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe und deren Beschäftigten fragen. Mit etwas mehr Sachlichkeit und Fachkompetenz wären Sie, meine Damen und Herren von der linken Seite, bei fast allen von Ihnen behandelten Themen gut beraten. Denn wohin Propaganda und Schaumschlägerei führen, haben Sie unter dem Namen SED 40 Jahre lang schließlich bewiesen.

Meine Fraktion hat in Bezug auf die Gentechnik immer eine klare Haltung eingenommen. Wir haben das auch stets sachlich, fachlich-wissenschaftlich und wirtschaftlich begründet. Das möchte ich Ihnen hier auch kurz erklären.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Das brauchen Sie nicht! Nein!)

Sachlich: Neue Wissenschaftserkenntnisse dürfen nicht mit der Brechstange durchgesetzt werden.

Fachlich-wissenschaftlich: Eine neue, bei Weitem noch nicht ausgereifte Methode mit derzeit noch nicht absehbaren Folgen darf gerade in Bezug auf die Nahrungskette bei Mensch und Tier sowie hinsichtlich eventueller Auswirkungen auf die Natur nicht angewandt werden.

Wirtschaftlich: Die Monopolstellung des Monsanto-Konzerns ist für die Landwirtschaftsbetriebe in aller Welt geradezu gefährlich. Die alleinige Abhängigkeit von einem ausschließlich profitorientierten Konzern führt zwangsläufig irgendwann zu einem unaufhaltsamen Anstieg der Preisspirale, in deren Folge eine unübersehbare Zahl von Existenzvernichtungen zu erwarten ist.

Dem Ansinnen des vorliegenden Antrags ist also schon aufgrund unserer seit langem vertretenen Auffassung zum Problem Gentechnik nichts Wesentliches entgegenzusetzen. Allerdings - das hatte ich ja gleich zu Beginn meiner Ausführungen gesagt -, was wird aus den von diesem strikten Verbot betroffenen Landwirten?

Unsere DVU-Fraktion hat Ende Februar in einer Kleinen Anfrage, Drucksache 4/7290, unter Frage 3 nach der Einschät

zung der wirtschaftlichen Folgen für die Genmais anbauenden Landwirte in Brandenburg gefragt. Nach unserer Überzeugung wäre es mehr als vernünftig, auch diesen Landwirten spürbar zu helfen. Wer zockenden Bankern Millionen in den Rachen wirft, muss auch für die Problemfälle in der Landwirtschaft Geld haben.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Helm spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Steinmetzer-Mann, wenn Sie genfreie Zonen fordern, müssen Sie auch sofort auf die Ernährung verzichten.

(Frau Steinmetzer-Mann [DIE LINKE]: Quatsch! - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Guten Appetit!)

Denn es sind überall gentechnisch veränderte Mikroorganismen Saccherose und Soja usw. - darin. Das brauche ich nicht weiter auszuführen. Und die Meinung der Bauern haben Sie vernommen.