Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Aber auch für den Fall, dass man der absoluten Mindermeinung des Gutachters Prof. Steiner, der ja von Ihnen geladen worden war, folgen sollte, dass dem nicht so sei, stößt der von den Linken geforderte Weg auf massive verfassungsrechtliche Bedenken; denn in der Konsequenz würde dieser zu einem Gebührensplitting auch zulasten der Mieter führen, für das keinerlei sachliche Differenzierung existiert. Soweit kurz und knapp zu Ihrem Antrag.

Kommen wir jetzt zu dem Gesetzentwurf der Koalition aus SPD und CDU. Es war nahezu einhellige Auffassung der Anzuhörenden, dass die Einführung einer differenzierten Beitragspflicht mit der Folge der Zersplitterung des Landes in unterschiedliche Beitragstarifzonen in jedem Fall gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 12 der Landesverfassung verstoße.

Der Landesregierung geht es darum, dass das von der SPDCDU-Koalition verursachte gesetzliche Dilemma nun auf die Kommunen abgewälzt wird. Diese sollen vor ihren Bürgerinnen und Bürgern vertreten, ob sie unterschiedliche - höhere Beiträge erheben oder nicht. Herr Holzschuher, das wissen Sie ebenfalls; in der Anhörung kam das so heraus.

Der Ansatz der Koalitionsfraktionen greift zudem in gewachsene richterliche Rechtsstrukturen ein. Denn er ist insbesondere mit dem Risiko behaftet, dass die Neuanschließer gegen ihre Beitragserhebung klagen werden, was wegen der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Änderung der Landesverfassung

zwingt. Indes haben schon jetzt fast alle Anzuhörenden an der Zulässigkeit des Differenzierungsgrundes, den die Kommunen nach Ansicht von SPD und CDU für eine unterschiedliche abgaberechtliche Behandlung erhalten sollen, erhebliche Zweifel angemeldet. Denn die von der Koalition vorgeschlagene Lösung geht von einer willkürlichen Differenzierung aus. Zum Beispiel sind im Landkreis Elbe-Elster die Beiträge so hoch, und im Landkreis Märkisch-Oderland sind sie wieder anders wie die Anlagen nun mal so sind.

Man denke einmal an das Risiko, das ein mögliches Gebührensplitting mit sich bringt. Es würden dann nicht nur Grundstückseigentümer willkürlich behandelt, sondern - über die Möglichkeit der Umlage - auch noch Wohnungsmieter, die die Folgen einseitiger Gebühren tragen müssten. So sieht es aus, so sagt es Ihr Gesetzentwurf aus.

Beide Gesetzentwürfe sind daher nicht geeignet, das Gerechtigkeitsgefühl in der Bevölkerung zu verbessern. Sie verschärfen nur die Lage und sind von dem Ziel der Beitragsgerechtigkeit, die Sie ja immer fordern, weit entfernt.

Wir als DVU-Fraktion haben mit unserem eigenen Gesetzentwurf ganz klar gefordert, dass hier einzig und allein die Landesregierung in der Pflicht steht - sie hat es damals auch verzockt -, Abgabegerechtigkeit für die Beitrags- und Gebührenzahler herzustellen. Stattdessen wurde auf Initiative der Landesregierung die Verjährungsfrist verlängert. SPD und CDU legen uns nun einen Gesetzentwurf vor, den wir als Fraktion nur als Schlag ins Gesicht aller kommunalabgabenpflichtiger Bürgerinnen und Bürger werten können.

Wir werden natürlich beide Gesetzentwürfe ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Petke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen geht ein interessanter, aber auch durchaus schwieriger Diskussionsprozess im Landtag und in der Öffentlichkeit zu Ende.

Kollege Dr. Scharfenberg, wenn Sie an uns die Bitte richten, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen, dann darf ich gleich eingangs sagen: Das ist eine sehr mutige Bitte. Denn wir haben Ihren Gesetzentwurf und den unsrigen bewusst an den Innenausschuss überwiesen, um uns auch fachlich mit beiden Gesetzentwürfen zu beschäftigen. Sie können von uns nicht erwarten - jedenfalls nicht von der CDU-Fraktion; Kollege Holzschuher hat es auch für die SPD deutlich gemacht -, dass wir einem Gesetzentwurf zustimmen, zu dem in der Anhörung ganz klar gesagt wurde, dass er untauglich ist.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Dann haben Sie in einer anderen Anhörung gesessen!)

Diese Einschätzung müssen Sie sich schon gefallen lassen. Sie haben es sonst gelegentlich einfacher, weil dann nur ein Ge

setzentwurf, nämlich der der Landesregierung oder der der Koalitionsfraktionen, in den Ausschüssen des Hauses behandelt wird. Was diese Thematik angeht, sind beide behandelt worden.

Die durchgehende Kritik an Ihrem Gesetzentwurf lautet, dass er nur das feststellt, was ohnehin Realität ist, und dass er für all die Punkte, die Sie hier aufgezählt haben, keinen Hinweis auf eine wirkliche Lösung enthält.

Kollege Dr. Scharfenberg und Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, da ist eben wieder das, was Sie auszeichnet: Die Linke ist eine Protestpartei. Die Linke ist in Brandenburg noch nicht so weit, als dass sie für die Probleme, die es im Land nun einmal gibt, eine wirkliche Lösung anbieten könnte.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Wir haben es heute in der Aktuellen Stunde gehört. Frau Kaiser, da haben Sie gesagt, Sie wollten für einen Wechsel in Brandenburg einstehen. Aber ich glaube, für einen Wechsel jenseits der Realität, für einen Wechsel nach dem Motto „Wünsch Dir was“ stehen die Menschen in Brandenburg nicht zur Verfügung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Da geht es weiter. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob wir uns am Modell Thüringens orientieren sollten. Auch wir in Brandenburg haben sehr viel Geld für Investitionen im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ausgegeben. Aber es ist doch ein bisschen einfach zu sagen: Dann zahlt es halt der Steuerzahler. - Das ist ein Weg, den mit der CDU-Fraktion niemand gehen kann. Deswegen haben wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.

Wenn dann gesagt wird, der eine oder andere werde klagen, dann erwidere ich: Das mag so sein. Vor deutschen Gerichten und auf hoher See ist man in der Hand Gottes.

Wenn dann jemand ankündigt, er würde schon jetzt klagen, dann mag auch das so sein. Es ergibt sich möglicherweise zwingend aus der rechtlichen und politischen Position, die er bisher vertreten hat, dass er seinen Leuten sagen muss: Okay, dann werde ich zum Gericht gehen.

Aber das kann uns nicht davon abhalten, einen seriösen, vertretbaren Weg des Ausgleichs in dieser Frage zu gehen.

Meine Damen und Herren, der Fingerzeig in die Vergangenheit mag durchaus erlaubt sein. Aber das hilft uns doch nicht weiter, wenn es jetzt darum geht, dieses Problem, das nun einmal anerkannterweise da ist, für die Zukunft in den Griff zu bekommen. Insofern möchte ich Sie bitten, doch endlich das zu tun, was Sie hier in jeder zweiten Rede ankündigen, nämlich realistische Politik für Brandenburg zu machen. Wer regieren will, der muss auch einmal sagen, wie er das machen will. Er darf sich nicht auf den Hinweis beschränken: „Wir lösen das mit mit einem Fingerschnips“, sondern er muss sich der Verantwortung stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

- Kollege Dr. Scharfenberg, ich habe doch versucht, zu Ihrem Gesetzentwurf das Meine beizutragen.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Wenn Sie schon dem Abgeordneten Petke an der Stelle nicht glauben, Frau Kollegin Kaiser, dann schauen Sie doch in das Anhörungsprotokoll. Das waren durchaus Praktiker, Juristen, Leute, die davon möglicherweise mehr Ahnung haben als wir beide zusammen.

Die haben Ihren Gesetzentwurf als das bezeichnet, was er ist, nämlich untauglich, um die wirklichen Probleme an dieser Stelle zu lösen.

(Vietze [DIE LINKE]: Wo ist das nachzulesen?)

- In dem Protokoll der Anhörung, Kollege Vietze. Das ist ein bitteres Protokoll für Ihre Fraktion, aber es ist eben ein Protokoll. Da ich Sie als realistischen Kollegen kenne, sage ich Ihnen: Lesen Sie es einfach nach, darin steht es als Ergebnis.

Meine Damen und Herren, was wird die Zukunft bringen? Ich rechne nicht damit, dass wir uns jetzt im Parlament zum letzten Mal mit diesem Thema beschäftigen. Das Thema wird auch in Zukunft in der politischen Debatte eine Rolle spielen. Allerdings sei davor gewarnt, hier allzu schnell mit Worten wie „Gerechtigkeit“ oder mit dem Anspruch, es allen Recht tun zu wollen, zu agieren.

Ich kann für die CDU-Fraktion erklären: Wir haben zu keiner Zeit - wie auch Innenminister Jörg Schönbohm nicht - bei den Menschen durch Ankündigungen Erwartungen geweckt, die wir nicht erfüllen können. Wir wussten, dass dies ein schwieriges Problem ist; wir wussten, dass viele betroffen sind. Deswegen haben wir uns an dieser Stelle bemüht, nicht das übliche politische Spiel mitzuspielen, sondern auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Innenminister Schönbohm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass wir zu einer doch so komplexen Materie zwei Gesetzentwürfe vorliegen haben, kommt nicht oft vor. Es hat sehr intensive Diskussionen gegeben. Aus der Anhörung im Innenausschuss, kann sich jeder das herausholen, was ihm gefällt. Dort ist das, was Sie vorgelegt haben, zerrissen worden. Dort ist das, was wir vorgelegt haben, hinterfragt worden. Es ist gesagt worden, dass das, was wir vorgelegt haben, das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung und einer sorgfältigen Arbeit sei. Um diesen Sachverhalt geht es.

Im Kern geht es um die Frage: Wer soll das bezahlen, was wir schon haben? Und wer soll das bezahlen, was wir weiterhin betreiben? Einige sagen: Die Steuerzahler. - Das Modell funktioniert nicht. Andere sagen: Es sollten die zahlen, die es jetzt nutzen. - Eine Sache war doch immer einverständlich: dass die Altanschließer nicht herangezogen werden für Kosten, die früher entstanden sind. Diese Frage ist doch gar nicht erörtert worden. Sie haben Flugblätter verteilt und vielleicht selbst geglaubt, was Sie geschrieben haben. Das mag sein, aber das war nie die Position, die von den Koalitionsfraktionen vertreten wurde. Darum bin ich den Fraktionen sehr dankbar, dass sie jetzt gemeinsam ihre Auffassungen in einem Gesetzentwurf vorgelegt haben.

Dass niemand freiwillig sagt: „Ich möchte das bezahlen“, ist klar. Dass Interessenvertreter versuchen, für ihre Klientel Lösungen zu finden, ist auch klar. Also muss der Gesetzgeber entscheiden, und das sind wir. Wir müssen entscheiden, wie wir es am gerechtesten machen. Darum geht es bei diesem Gesetzentwurf.

Herr Innenminister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich wusste gar nicht, dass der Kollege Scharfenberg da so lebhaft ist.

Das macht das Thema. Herr Minister, trifft es zu, dass Ihr Ministerium 2005 in einer Verwaltungsvorschrift die Feststellung getroffen hat, dass die Änderung des Kommunalabgabengesetzes von 2004 nach vorn gerichtet zu betrachten ist und dementsprechend die vorher in Kraft gewesenen Satzungen, wenn auch nicht rechtswirksamen Satzungen, dazu geführt haben, dass Forderungen verjährt sind, die vor 2004 geltend gemacht werden konnten? Trifft das zu, Herr Minister, oder trifft das nicht zu? Denn das ist für das Verständnis unseres Gesetzentwurfs von großer Bedeutung.

Da ich Ihren Gesetzentwurf nicht im Einzelnen verstehe, will ich nur Folgendes feststellen: Es gibt einen Gerichtsentscheid des Oberverwaltungsgerichts vom Dezember 2007. Er ist die Grundlage der Diskussionen und der Erörterungen, die wir geführt haben. Mit dem, was in diesem Urteil festgelegt wurde und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, müssen wir uns auseinandersetzen. In Thüringen hat man das Problem über den Steuerzahler zu lösen versucht. Aber das Verfassungsgericht hat diese Regelung vor einigen Tagen teilweise für verfassungswidrig erklärt. Wir bewegen uns also in einem Gebiet, das rechtlich noch nicht in allen Facetten ausgeleuchtet ist. Das haben auch die Anhörungen gezeigt.

Die Regierungsfraktionen bemühen sich aus diesem Grunde, mit diesem Gesetzentwurf Klarheit zu schaffen. Es geht dabei um die Frage, wie die Eigentümer oder Nutzer der Grundstücke herangezogen werden. Hier machen wir vom KAG keine Vorgaben. Das bedauern Sie. Wir wollen aber, dass diese Dinge vor Ort entschieden werden können. Denn sonst ergeben sich tausend andere Forderungen. Von daher bedeutet dies ein Höchstmaß an Flexibilität, bezogen auf die Unterschiede, die es im Land Brandenburg gibt. Das haben wir auch bei den Anhörungen erörtert.

Die Frage, um wie viel die Beiträge und Gebühren erhöht werden sollen, wurde immer wieder sehr lebhaft diskutiert. Hierbei räumen wir auch einen Ermessensspielraum ein. Wenn man sich diese Grundsätze klarmacht, kann man feststellen, dass der Gesetzentwurf, der von Ihnen, Herr Kollege Scharfenberg, vorgelegt wird, nicht das Ergebnis hat, das wir für richtig halten. Nach Ihrem Wortlaut sollen Forderungen, die bis 2003 verjährt sind, nicht mehr neu begründet werden können. Das war eine Selbstverständlichkeit und ist hier schon verschie

dentlich erwähnt worden. Nach der Entwurfsbegründung der Linken sollen diejenigen nicht mehr zahlen müssen, die bis Ende 2003 nicht herangezogen werden konnten. Also ist hier eine neue Gruppe. Diejenigen, die gezahlt haben, haben Pech gehabt; die anderen brauchen nicht mehr zu zahlen. Ist das eine höhere Gerechtigkeit? Wer trägt deren Anteil? Wer kommt dafür auf? Die Steuerzahler, die Gebührenzahler, alle anderen? Es geht doch darum, wie es uns gelingt, diese Kosten gleichmäßig so zu verteilen, dass die, die davon Vorteile haben und diese auch nutzen, daran beteiligt werden. Also kommen nur Lösungen infrage, bei denen vorgesehen ist, auch Altanschließer zu Beiträgen heranziehen zu können.

In Mecklenburg-Vorpommern gilt, dass Alt- und Neuanschließer gleichermaßen Beiträge zahlen müssen. In Sachsen-Anhalt müssen die Altanschließer Beiträge zahlen, die aber geringer sind. Nach dem Vorschlag der Koalition gilt für Brandenburg ein Kompromiss: Die Aufgabenträger können entscheiden, ob sie gleiche oder geringere Beiträge von Altanschließern erheben, und das ist richtig. Das können sie vor Ort entscheiden, und das können sie auch dort in den jeweiligen Gremien erörtern.

Meine Damen und Herren, wir haben versucht, das Wünschenswerte mit dem Möglichen in Übereinstimmung zu bringen, und das bei einer Materie, die schwierig bzw. schwer zu erläutern ist. Viele Menschen haben dazu Fragen. Darum liegt uns daran, diese Fragen sachlich zu beantworten versuchen. Wir müssen, wenn wir in der Politik etwas bewegen wollen, diese Dinge erklären. Vielleicht gelingt es uns, wenn dieser Gesetzentwurf verabschiedet ist und Wirklichkeit wird, gemeinsam zu erklären, was wir damit erreichen wollen. Ich glaube, die Zeiten der Verunsicherung sollten wir gemeinsam beenden.

In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Damit beenden wir die Aussprache. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses in der Drucksache 4/7577 vor. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen?