Protokoll der Sitzung vom 01.07.2009

Der Dritte, dem ich danken möchte, ist sozusagen ein spätgeborenes Brandenburger MdL. Zurück in der Heimat hat er sich gleich hier im Landtag eingefunden. Lieber Jörg Schönbohm, wir hatten es nicht immer ganz leicht mit Ihnen, Sie aber auch nicht mit uns. Ich kann mich noch gut an die erste verbale und fast militärische Auseinandersetzung mit Regine Hildebrandt erinnern, welche Ihnen noch unterstellt hat, Sie würden bewaffnet in den Landtag kommen.

(Heiterkeit bei SPD und CDU)

Ich kann Ihnen aber versichern, sie hat es nicht so ernst gemeint.

Was ich an Ihnen persönlich schätze - und das will ich Ihnen heute auch sagen -, ist, dass Sie erkannt haben, dass Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antitoleranz eine große Gefahr für unsere Demokratie darstellen. Sie haben da sehr patriotisch gekämpft. Sie haben Ihre Polizei in diese Richtung geführt und dafür gesorgt, dass Rechtsextremismus in den letzten Jahren in diesem Lande massiv zurückgedrängt wurde. Dafür von hier aus noch einmal ein herzliches Dankeschön.

(Anhaltender Beifall bei SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Mein Dank gilt aber auch meinem Vorvorgänger, der jetzt leider nicht hier ist. Jeder muss ja mal wohin.

(Schulze [SPD]: Nein, er ist Rauchen! - Heiterkeit)

- Die Wahrscheinlichkeit, dass er Rauchen ist, ist bei ihm höher als bei vielen anderen; das ist schon klar. Ich will trotzdem die Gelegenheit nutzen, Folgendes zu sagen: Wolfgang Birthler ist ein Uckermärker von echtem Schrot und Korn. Er hat die Fraktion durch viele Irrungen und Wirrungen, auch durch schwierige Zeiten gelenkt. Er hat durch seine manchmal burschikose, aber auch ehrliche Art dafür gesorgt, dass viele Debatten abgekürzt wurden. Er brachte es wirklich fertig, wenn wir in der Fraktion drei oder vier auseinandergehende Meinungen hatten, sie ruckartig auf einen Punkt zu bringen und wieder zusammenzuführen, indem er einen Satz sagte. All das kann Wolfgang Birthler. Er hat Politik in diesem Lande mitgeschrieben, mitgestaltet; ich nenne nur die Rundfunkpolitik. Vor allem trägt unsere Landesverfassung seine Handschrift. Ich denke, für all das, was er hier geleistet hat, wird die Fraktion, wird aber auch dieser Landtag noch eine ganze Weile sehr dankbar sein. Wolfgang, auch dir ein Dankeschön!

(Beifall bei SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Wir können jetzt, meine Damen und Herren, die letzten Monate auf der Zielgeraden angehen. Wir sehen - um beim läuferischen Bild zu bleiben - dort vorn schon die neue Startlinie vor uns. Wir gehen mit großer Zuversicht dorthin. Ich wünsche diesem Landtag, ich wünsche diesem Plenum auch in Zukunft demokratische Streitkultur und im Ergebnis dieses Streites auch in Zukunft vernünftige, positive, gute Entscheidungen für unser Land. - Danke schön.

(Beifall bei SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 2 angelangt. Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/7690

Wir werden die Fragestunde mit Ihrem Einverständnis eventuell etwas einkürzen, um nicht ganz aus dem Zeitplan zu geraten.

Ich rufe die Frage 2390 (Gemeindeschwester) auf, die die Abgeordnete Lehmann stellen wird. Bitte schön.

Medienberichten ist zu entnehmen, dass sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Krankenkassen im Gemeinsamen Bewertungsausschuss am 17. März 2009 bezüglich der Umsetzung des § 87 Abs. 2b SGB V geeinigt und somit die Vergütung von ärztlichen Leistungen, die durch andere Personen in der Häuslichkeit des Patienten erbracht werden, geregelt haben. Damit ist der letzte Schritt zur Überführung des AGnES-Modellprojektes - Gemeindeschwester - in die Regelversorgung getan.

Ich frage die Landesregierung: Wie ist der Stand der Umsetzung der Regelungen im Land Brandenburg?

Das sagt uns Ministerin Ziegler. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Vorab möchte ich anmerken, dass der Bewertungsausschuss die Kostenpauschale für die ärztliche Vergütung zwar beschlossen, aber an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft hat. Insbesondere dürfen ärztliche Leistungen nur an sogenannte Praxisassistentinnen mit einer Zusatzqualifikation delegiert werden. Die Verantwortung für die Qualifizierung und die Anerkennung von nichtärztlichen Praxisassistentinnen liegt bei der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung.

Laut Information der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg sind in Brandenburg alle ca. 170 Hausärztinnen und -ärzte in den unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten angeschrieben worden. Das sind die Altkreise Angermünde, Belzig, Brandenburg-Land, Calau, Forst, Guben, Jüterbog, Pritzwalk und Schwedt. Die Hausärztinnen und -ärzte sind gebeten worden, ihr Interesse, von dieser neuen Versorgungsform Gebrauch zu machen, zu bekunden. Bisher - darüber freuen wir uns wirklich sehr - sind über 30 Anträge aus allen unterversorgten Gebieten bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingegangen. Diese wurden von ihr dahin gehend geprüft, ob die Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind. Im Anschluss hat die Kassenärztliche Vereinigung dies an die Landesärztekammer weitergeleitet.

Die Landesärztekammer hat eine Steuerungsgruppe eingerichtet. Diese ist für die inhaltliche und organisatorische Planung der Weiterbildungsmaßnahme und für das Anmeldeverfahren zuständig. Der erste Kurs mit ca. 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern soll wahrscheinlich im Juli, spätestens aber im September starten.

Die Laufzeit dieser modularisierten Weiterbildung ist bisher auf anderthalb Jahre fixiert. Inwieweit die Kassenärztliche Vereinigung vorläufige Genehmigungen erteilen wird, damit Hausärztinnen und Hausärzte schon jetzt von der neuen Versorgungsform Gebrauch machen können, ist - bisher jedenfalls nur für die bisherigen AGnES-Gemeindeschwestern des Medizinischen Zentrums Lübbenau bekannt. Diese haben von der

Kassenärztliche Vereinigung die Genehmigung erhalten und können jetzt schon Hausbesuche durchführen. - Vielen Dank.

Es besteht Nachfragebedarf. - Frau Schier, bitte.

Frau Ministerin, Sie sagen, 30 Ärzte hätten sich angemeldet. Kann man die irgendwo sehen? Wo erfährt man, aus welchen Gebieten sich Ärzte angemeldet haben? Gibt es mittlerweile das war ja ein Knackpunkt - eine Vereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung über die Abrechnungsmodalitäten? Übernimmt die Kassenärztliche Vereinigung auch die Qualifikation der - sie heißt nicht mehr Gemeindeschwester - nichtärztlichen Praxisassistentin?

Die nichtärztliche Praxisassistentin wird nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung weitergebildet, sondern von der Landesärztekammer. Die Vereinbarung mit den Kassen steht vor dem Abschluss; da haben wir uns noch einmal kurzfristig informieren lassen.

Zur Datenlage bzw. dazu, aus welchen Gebieten es Anträge gibt: Ich weiß nur von Herrn Dr. Helming, dass aus allen unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten Anträge eingegangen sind. Ich weiß nicht, ob die Auskunft darüber dem Datenschutz unterliegt. Daher würde ich Sie bitten, entweder bei der Landesärztekammer - die ja die Entscheidung darüber trifft, ob es zulässig ist, sich weiterqualifizieren zu lassen diese Information einzuholen oder nachzufragen, ob dies dem Datenschutz unterliegt. Die Frage kann ich derzeit nicht beantworten, glaube aber, dem steht nichts entgegen.

Die Abgeordnete Wöllert hat auch eine Nachfrage.

Meine erste Nachfrage: Ist diese nichtärztliche Praxisassistentin dann so ausgestattet wie beim Modellprojekt?

Meine zweite Frage betrifft die jetzige Entscheidung, dass der Einsatz nur in unterversorgten Gebieten erfolgt. Hält die Landesregierung es für richtig, dass dort, wo ärztliche Unterversorgung besteht, die Aufgaben von nichtärztlichen Praxisassistentinnen übernommen werden und in anderen Bereichen nicht? Ursprünglich war ja angedacht, das als grundsätzliche Aufgabenstellung zu betrachten.

Das ist richtig, Frau Wöllert. Wir haben dem BMG ein entsprechendes Schreiben gesandt. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich unserem Ansinnen einer Länderöffnungsklausel angeschlossen, weil wir als Flächenland natürlich wollen, dass auch in Gebieten, die nicht von Unterversorgung bedroht sind, in denen der Ansturm auf die Arztpraxen aber groß ist, eine große Entlastung durch eine Gemeindeschwester erfolgt, indem sie dem Arzt die Hausbesuche teilweise abnimmt. Des

halb haben wir ein entsprechendes Schreiben an das BMG gerichtet. Es hat dem, was Ärzte und Kassen im Gemeinsamen Bewertungsausschuss vereinbart haben, zugestimmt. Demnach ist es okay, dass wir in den unterversorgten Gebieten beginnen. Wir werden dranbleiben, damit der Bewertungsausschuss den Bitten einzelner Länder Folge leistet. Aber das liegt weder in der Landes- noch in der Bundeshoheit; darüber entscheidet die Ärzteschaft intern.

Ihre zweite Frage bezog sich auf die Ausstattung. Der Hausbesuch wird nach der jetzt geschlossenen Vereinbarung mit 17 Euro inklusive der Wegekosten vergütet. Das ist weniger als im Modellversuch. Aber dieser war mit vielen anderen Tätigkeiten belastet. Beispielsweise musste über jede Minute genau Buch geführt werden, damit man die Bezahlung auch entsprechenden Leistungen zuordnen konnte. Das bedeutete einen hohen Mehraufwand. Deshalb ist die Vergütung von 17 Euro mit Sicherheit ein guter Anfang. Wenn weitere zu behandelnde Personen in der Häuslichkeit besucht werden, werden 12,50 Euro vergütet. Die Vergütungen sind geregelt worden. Die technische Ausstattung ist allerdings Sache des Arbeitgebers. Damit hat das Land nichts zu tun.

Vielen Dank. - Wir kommen zu Frage 2391 (Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten), gestellt vom Abgeordneten Görke.

Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind auch auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt deutlich sichtbar. Besonders dramatisch verlief der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse von Oktober 2008 bis Februar 2009. In diesem Zeitraum nahm ihre Zahl von 751 800 um 31 300 auf 720 500 ab.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie den starken Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb weniger Monate?

Bitte, Frau Ziegler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Görke, ich glaube nicht, dass Sie das absichtlich tun; es würde mich jedenfalls sehr wundern. Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen. Deshalb habe ich Ihnen - im Sinne der visuellen Wahrnehmung - eine Darstellung mitgebracht.

(Ministerin Ziegler hält ein Blatt Papier mit einem Diagramm in Richtung der Abgeordneten.)

Daran können Sie sehen, dass diese Delle kein diesjähriges Spezifikum ist, sondern jedes Jahr auftritt. Das ist der entscheidende Punkt. Unabhängig von Wirtschaftsaufschwüngen oder Rezessionen sind die Schwankungen alljährlich von Oktober bis

Februar festzustellen. Das ist eine zyklische, für diese Monate typische Entwicklung. Dass Ihnen das entgangen ist, kann man eigentlich nicht glauben.

Zurückzuführen ist die Delle bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf saisonale, witterungsbedingte Arbeitsplatzverluste. Das betrifft insbesondere das Baugewerbe, die Landwirtschaft, den Tourismus und das Gastgewerbe. Ferner enden zum Jahresende Beschäftigungsverhältnisse häufiger als in der Jahresmitte. Die genannte Entwicklung ist also gar nichts besonderes.

Ich will aber auch nichts beschönigen, Herr Görke, denn der Rückgang von Oktober 2008 bis Februar 2009 fiel höher aus als in den vergangenen zwei Jahren. Das könnte ein Indiz für Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt sein.

Ich möchte auf zwei weitere Dinge hinweisen:

Grundlage für eine seriöse Bewertung von Entwicklungen sollte immer der Vorjahresvergleich sein. Ein solcher Vergleich ergibt, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Februar 2009 um 1 788 bzw. 0,2 % höher lag als im Februar 2008.

(Ministerin Ziegler hält erneut die oben genannte Darstel- lung in Richtung der Abgeordneten)

Sie sehen, dass die jeweils niedrigsten Werte im Verlauf der letzten Jahre ständig angestiegen sind, das heißt, es gab immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den entsprechenden Monaten.

Seit März 2009 steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder und ist um 4 900 höher als im Februar 2009. Dieser Anstieg fällt viel deutlicher aus als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Im März 2008 waren 4 200 Personen mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als im Februar desselben Jahres. - Vielen Dank.

Vielen Dank. Herr Görke hat Nachfragen.

Danke, Frau Ministerin, für Ihre Erklärung der typischen saisonalen Entwicklung, die wir zu verzeichnen haben. Wir haben im Zeitraum von Oktober 2008 bis Februar 2009 einen Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 31 300 verzeichnen müssen. Ich glaube, darin geben Sie mir Recht.