Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

ist nicht meine Aufgabe, aber unter Kollegen, Herr Lakenmacher und Herr Genilke, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihr Antrag diesem Umstand in keiner Weise Rechnung trägt. Oder fassen Sie die Änderung des ÖPNV-Gesetzes bewusst nicht an, weil Sie wie auch wir die Kürzungsbestrebungen bei den zukünftigen Regionalisierungsmitteln des Bundes deutlich zur Kenntnis nehmen durften, ebenso die Information, die mich gestern erreichte, zu den Vorstellungen des CDUgeführten Verkehrsministeriums, dass für 2011 die Mittel aus dem Entflechtungsgesetz, die den Ländern zur Weiterleitung an die Verkehrsträger oder an Projekte zur Verfügung stehen sollen, um 20 % gekürzt werden sollen? Dann eint uns ja vielleicht die Sorge, dass angesichts dieser Meldung selbst das auf dem Prüfstand steht, was gegenwärtig im ÖPNV-Gesetz für den straßengebundenen Ausbau geregelt ist.

Angesichts der Kürzungsbestrebungen der Bundesregierung wissen wir jetzt schon um weitere Baustellen im Ministeriumsbereich Infrastruktur und Landwirtschaft. Die Stichworte Heizkostenzuschuss beim Wohngeld, Halbierung der Städtebaumittel und Altschuldenhilfe sollen an dieser Stelle genügen. Ich meine in Erinnerung an Ihre Montagsäußerungen, dass in Anbetracht der ersten Signale der Landesregierung zum Haushalt 2011 die dicken Krokodilstränen, die da schon geflossen sind, was Investitionen betrifft, möglicherweise zu harten Eisklumpen in Ihrem allwöchentlichen Montagskaffee werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Der Abgeordnete Jungclaus spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Im Einzelplan 11 des im Mai beschlossenen Haushalts 2010 heißt es:

„Die erhöhten Ausgaben für die Mittel gemäß ÖPNV-Gesetz resultieren aus der Dynamisierung der Pauschalzuweisung an die Aufgabenträger mit 1,5 %. Damit sollen die Kosten im Energiebereich sowie die zusätzlichen Aufwendungen für Umwelt- und Sicherheitsaspekte ausgeglichen werden. Das Land leistet damit einen wichtigen verkehrspolitischen Beitrag zur Sicherstellung eines nachhaltigen ÖPNV.“

Dies wurde im Mai beschlossen. Drei Monate später kündigt der zuständige Minister an: Die dynamisierten Regionalisierungsmittel werden nicht an die Aufgabenträger weitergereicht. Auch in Ihrem eigenen Entwurf zur Novelle des ÖPNV-Gesetzes, ebenfalls Stand Mai dieses Jahres, wurde diese Festschreibung noch explizit genannt. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass dieser Punkt nun ebenfalls verschwinden wird; aber vielleicht erfahren wir ja dazu noch etwas. Die Halbwertszeit von Gesetzestexten sinkt jedenfalls rapide, und die Nachhaltigkeit geht dabei flöten.

Herr Vogelsänger, ich frage mich, wann Sie die von Ihnen so oft angekündigte nachhaltige Verkehrspolitik umsetzen wollen. Denn mit Nachhaltigkeit haben diese Kürzungen nichts zu tun. Angesichts der steigenden Energiepreise handelt es sich hier

bei um Kürzungen, auch wenn Sie auf entsprechende Nachfrage in der letzten Ausschusssitzung uns etwas anderes glauben machen wollten. In Zeiten des Klimawandels und der Haushaltsengpässe in den Kommunen ist eine solche Kürzung aber das absolut falsche Signal. Der im Haushalt für den ÖPNV abgesteckte Finanzrahmen ist für die Bereitstellung des ÖPNV in Brandenburg das absolute Minimum. Wir reden ja hier nicht von irgendwelchen Umschichtungswünschen. Diese Gelder waren explizit für den ÖPNV gedacht, und Sie nehmen sie weg.

Das Land hat dem ÖPNV in den letzten Jahren sukzessive die Mittel entzogen. Auch der Bund hat in der Vergangenheit die Regionalisierungsmittel deutlich gekürzt. Brandenburg hat für diese Kürzungen jedoch Ausgleichszahlungen erhalten. Diese gab die damalige Regierung aber nicht weiter, sondern speiste sie in den Landeshaushalt ein. Das kritisierten damals nicht nur wir, sondern auch die Linke, und jetzt weigert sich die rot-rote Landesregierung, die Aufstockung der Regionalisierungsmittel weiterzureichen.

Diese Politik der Kürzungen ist umso enttäuschender, als sie von einer Partei mitgetragen wird, die bisher für eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots gestritten hat. Auf Ihrer Webseite, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, sind die Forderungen an die letzte Landesregierung noch zu lesen: den ÖPNV bequemer, schneller, preisgünstiger und umweltfreundlicher gestalten, Neuverhandlungen zum Bahnvertrag des Landes mit der Deutschen Bahn AG, Erhöhung der Landesmittel für den Nahverkehr.

Auf der einen oder anderen Seite hätten wir dazu sicherlich noch Ergänzungen, aber im Großen und Ganzen stimmen wir hier überein, allein die Umsetzung fehlt. Der alten Landesregierung haben Sie vorgeworfen, den ÖPNV „zur freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte zu degradieren“. Eine treffliche Formulierung, die nun leider auf Ihre eigene Politik zutrifft.

Nachhaltige Verkehrspolitik bedeutet, dem Schienenverkehr Priorität einzuräumen. Wir brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung des ÖPNV, ein transparentes Vergabesystem, einen fairen Wettbewerb auf der Schiene und die Einführung eines Qualitätsüberwachungssystems, wie es die EU fordert. Herr Vogelsänger, wenn Sie im Verkehrsetat den Rotstift ansetzen müssen, bietet das eine oder andere Straßenbauprojekt hierfür noch ausreichend Luft.

Aber den ÖPNV dürfen wir in unserem Land auf keinen Fall weiter ausbluten lassen. Ich appelliere vor allen Dingen an die Kolleginnen und Kollegen der Linken: Erhöhen Sie endlich den Druck auf den Infrastrukturminister und bringen Sie Ihre ehemals guten Ansätze in der Verkehrspolitik zur Umsetzung!

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90)

Die im CDU-Antrag geforderte Weiterreichung der Regionalisierungsmittel ist dazu ein erster Schritt. Wir werden diesem Antrag daher zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Herr Minister Vogelsänger spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Lakenmacher, ich muss ganz eindeutig sagen: Verantwortlich für diesen Schritt ist Verkehrsminister Vogelsänger, nicht Finanzminister Dr. Markov, und dazu stehe ich auch. Ich stehe auch dazu, dass jeder Bereich meines Hauses einen Einsparbeitrag leisten muss. Ich halte den Einsparbeitrag bezüglich der Dynamisierung für verantwortbar.

Der ÖPNV ist nicht nur in Brandenburg auf Zuschüsse der öffentlichen Hand angewiesen. Das Finanzgeflecht ist sehr kompliziert und komplex. Das fängt bei den Regionalisierungsmitteln an und geht bis zum Entflechtungsgesetz. Wir hatten heute eine Zusammenkunft mit den Abgeordneten der „Straßenbahnstädte“. Auch dort gibt es viele Wünsche, und das alles muss entsprechend finanziert werden. Das ÖPNV-Gesetz ist 2005 grundlegend reformiert worden. Ich denke, mit 83 Millionen Euro für die kommunalen Aufgabenträger leistet das Land einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV.

Jetzt komme ich zum ländlichen Raum: Mit dem schienengebundenen Personennahverkehr - dafür ist zuerst das Land zuständig - sorgen wir im Land Brandenburg für eine gute Raumerschließung. Die Koalition hat sich darauf verständigt - das ist richtig -, dass wir bis 2014 keine Streckenstilllegungen im SPNV vornehmen. Das stärkt insbesondere den ländlichen Raum, denn eine Streckenstilllegung einer Regionalexpresslinie ist nicht denkbar. Ich habe dies bezüglich der Dynamisierung durch mein Haus prüfen lassen und entschieden, dass es verantwortbar ist, diese Mittel nicht weiterzureichen.

Ich will auch daran erinnern, dass wir uns als rot-schwarze Regierung für das Mobilitätsticket eingesetzt haben. Rot-Rot wird es weiterführen; ich habe das entschieden. Das sind über 2 Millionen Euro in diesem Jahr und über 2 Millionen Euro im nächsten Jahr. Diese Mittel standen so explizit nicht im Haushalt drin; das ist schon deutlich mehr als die jährliche Dynamisierung von 1,5 %, die wir hätten weiterreichen können, wenn wir dieses Ticket nicht weitergeführt hätten.

Ich möchte etwas zu den Mitteln 2010 sagen, weil dazu eine Frage kam: Es sind 394 Millionen Euro Regionalisierungsmittel und 22 Millionen Euro aus dem Entflechtungsgesetz, was übrigens bis 2013 begrenzt ist - darüber müssen wir mit Schwarz-Gelb im Bund noch einmal verhandeln, damit das weitergehen kann. Sonst haben wir da keine Finanzierungsmöglichkeit mehr.

Es ist vorgesehen, für Verkehrsverträge 323 Millionen, laut ÖPNV-Gesetz 83 Millionen, für den Verbund 6 Millionen, für die Investitionsförderung ÖPNV für die Landkreise immerhin noch 12 Millionen sowie 3 Millionen Euro für das Mobilitätsticket und für Gutachten auszugeben. Alles zusammengezählt ist das mehr, als allein Regionalisierungsmittel und Entflechtungsgesetz umfassen. Das Land leistet noch einen zusätzlichen Beitrag. Leider ist nicht mehr möglich; auch der ÖPNV muss jährlich einen Konsolidierungsbeitrag leisten, und das sind dann eben die 1,5 % Dynamisierung, die wir nicht weitergeben. Das hängt aber auch mit den anderen Aufgaben zusammen.

Der schienengebundene Personennahverkehr bleibt Rückgrat im Land Brandenburg, dafür werden wir uns weiter gemeinsam einsetzen. Für sozial Schwache haben wir das Mobilitätsticket

eingeführt. Ich halte 83 Millionen Euro für die kommunalen Aufgabenträger für einen guten Beitrag. Deshalb habe ich auch am 30. Juli die Pressemitteilung herausgegeben. Das geht nicht nach Gutsherrenart. Ich sorge dafür, dass die Informationen transparent ankommen, und ich meine, wir werden unter RotRot weiterhin gute Verkehrspolitik machen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die antragstellende Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Genilke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie sprachen gerade über die Dynamisierung und die Nichtweiterreichung der 83 Millionen Euro. Wenn Sie von 83 Millionen Euro reden und meinen, Sie hätten sie ja nicht gekürzt und es sei schon eine herausragende Tat, dass Sie im Grunde dem Gesetz Genüge getan haben, dann muss ich sagen: Dann ist die Pressearbeit umsonst. Ich sage Ihnen: Von 391,7 Millionen Euro, die wir vom Bund an Regionalisierungsmitteln dafür bekommen haben, nicht die 1 Million für den ÖPNV übrigzuhaben, der sich aufgrund dessen, dass sie im Haushalt waren, darauf eingestellt hat, ist schon sehr verwunderlich.

(Vereinzelt Beifall CDU und GRÜNE/B90)

83 Millionen Euro damit zu begründen, dass es nicht zu einer Minderung komme, heißt doch im Klartext - jetzt wird mir einiges klar, was Sie in diesem Haushalt an Finanzierung so alles hin- und hergeschoben haben -: Wir haben einen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, den kennen Sie. Hier ist es der TNNIBRB, der jährlich eine 1,5%ige Erhöhung der Entgelte der in dem Bereich Beschäftigten vorsieht. Bei Nichtweitergabe der Dynamisierung nehmen Sie also praktisch den Nahverkehrsunternehmen die Mittel, die nötig sind, um explizit Nahverkehr anbieten zu können. Das richtet sich dann nicht gegen die Bezahlung, denn diese läuft natürlich, wenn man einem Tarifvertrag unterlegen ist. Das führt allerdings zu einer Einsparung, die gefunden werden muss, und das ist letztlich Abbestellung von öffentlichem Personennahverkehr in der Fläche, und deshalb kann ich Ihre Argumentation hier absolut nicht verstehen.

Frau Wehlan, Sie sprachen davon, dass dies ein typischer CDUAntrag sei. Richtig! Denn wir bekennen uns zum ÖPNV in der Fläche.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90 - Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Aber absolut! - In meinem Kreis macht das 53 000 Euro pro Jahr aus, auf die wir nicht verzichten können. Dies als Gegenargument für das Mobilitätsticket zu nehmen ist unredlich, Herr Minister, und das wissen Sie. Laut Ihrer eigenen Studie profitieren nämlich nicht die berlinfernen Räume, sondern die im Speckgürtel liegenden und vor allem Städte mit einem Straßenbahnnetz. Das muss ich an dieser Stelle eindeutig sagen.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrte Frau Kollegin Kircheis, die Landkreise sind in der Pflicht - völlig richtig! Aber wenn es darum geht wir alle sind in Kreistagen vertreten -, die Preise im öffentlichen Nahverkehr anheben zu müssen, dann ist es Ihre Partei, dann sind es die SPD und die Linke, die dem natürlich nicht zustimmen. Aber wenn Sie gleichzeitig verweigern, die Mittel angemessen zu erhöhen, wie Sie sie in Ihrem eigenen Haushaltsgesetz beschlossen haben, dann ist das einfach nur eine Katastrophe, wie hier mit den Vertretern des öffentlichen Personennahverkehrs umgegangen wird.

(Beifall CDU)

Worte sind verräterisch, hat heute schon einmal eine Kollegin gesagt. Aus Ihrem eigenen Wahlprogramm - erinnern muss man immer wieder, denn sonst gehen Emotionen verloren möchte ich einmal kurz zitieren:

„Die Bedingungen für den ÖPNV wurden weiter verschlechtert. Der Straßenverkehr wuchs übermächtig, und mit ihm wuchsen die Umweltbelastungen. Liniennetze des ÖPNV wurden ausgedünnt, und ganze Regionen sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar.“

Sie forcieren diese Entwicklung aufs Eklatanteste, und das werden wir hier nicht weiterhin zulassen.

(Zurufe der Abgeordneten Frau Kaiser und Görke [DIE LINKE] - Unruhe bei der SPD)

- Beruhigen Sie sich, es kommt noch besser. Im Wahlprogramm der SPD steht:

„Wir brauchen Mobilität in allen Regionen unseres Landes, in den ländlichen Regionen helfen Bürgerbusse. Mobilität gewährleisten!“

Diese Initiative unterstützen wir. Die BuG hat beschlossen, diese 1,5%ige Dynamisierung dafür zu nehmen, diese Bürgerbusse oder Rufbusse in ihrer Anfangsphase ein Stück weit anzuschieben, damit das verträglicher wird. Aber genau diese Zusage brechen Sie. Das ist das Problem an dieser Stelle: Die Verlässlichkeit für den öffentlichen Personennahverkehr ist nicht mehr gegeben, und das werden wir mit Abbestellung quittieren müssen. Darauf gehe ich mit Ihnen jede Wette ein.

(Beifall CDU)

Wenn Sie, Frau Wehlan, uns vorwerfen, wir würden das ÖPNVGesetz nicht ändern wollen, dann antworte ich Ihnen: Die ÖPNV-Gesetzesänderung hat ja schon einmal im Kabinett gelegen. Herr Vogelsänger wird mir da zustimmen. Wir haben es nur deshalb so nicht verfasst, weil nämlich neben der Dynamisierung - was der Auftrag dieses Plenums war - noch einige redaktionelle Änderungen vorgenommen werden mussten. Für alles können Sie uns nicht verantwortlich machen. Ich wollte Sie aber schon daran erinnern, dass dies bereits vorgelegen hat. Daher hätte ich schon gern einmal eine Antwort darauf gehabt, warum Sie es zurückgezogen haben. Das heißt, Sie waren sehr wohl schon dabei. Jetzt zu sagen: „Der ÖPNV ist uns wichtig“, ist ein Witz. Die Regionalfaktoren wurden abgeschafft; das würde dem SPNV 20 Millionen Euro bringen. Warum wir dann nicht die 1 Million Euro für den ÖPNV übrighaben, das müssen Sie mir noch deutlichst erklären.

Ich bedanke mich sehr herzlich und hoffe dennoch auf Ihre Stimme und auf eine starke Stimme für den ÖPNV auf dem Land. - Vielen Dank!

(Beifall CDU und vereinzelt GRÜNE/B90 - Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wir auch!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/1911 der CDU-Fraktion. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.