Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Ich frage die Landesregierung: Welche Unterstützung kann die Stadt bei der Altlastenbeseitigung vom Land erwarten?

Vielen Dank, Herr Holzschuher. Die heute sehr gefragte Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Tack beantwortet die Frage.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Holzschuher, heute machen wir Nägel mit Köpfen! Den gemeinsam mit dem Umweltministerium und dem Landesamt erarbeiteten und bei der ILB gestellten Förderantrag, den Sie mit 6,3 Millionen Euro beziffert haben, hat die ILB für die von Ihnen beschriebenen Sanierungsmaßnahmen geprüft. Die ILB hat einen zuwendungsfähigen Gesamtrahmen von 4,7 Millionen Euro ermittelt. Nach Auskunft der ILB wird der Zuwendungsbescheid der Stadt Brandenburg noch innerhalb dieser Woche zugestellt. So kann es gehen!

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Da dies so schnell ging, hat der Abgeordnete Ludwig von der Fraktion DIE LINKE nun noch Gelegenheit, die Frage 322 (Kommunalabgabe für Windräder) zu stellen.

Die Stadt Luckau im Landkreis Dahme-Spreewald plant die Einführung einer neuen Kommunalsteuer auf Windräder. Sie erhofft sich dadurch unter anderem wegen der Vielzahl der Windräder in der Stadt Luckau Mehreinnahmen in sechsstelliger Höhe. Sie hat dem Innenministerium ordnungsgemäß die Satzung zur Prüfung auf Gesetzeskonformität vorgelegt.

Ich frage die Landesregierung: Zu welchem Ergebnis ist sie bei der Prüfung des Antrags bisher gelangt?

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ludwig. Herr Minister Speer vom Innenministerium erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein interessanter Versuch. Allerdings ist die vergleichbare Regelung in Niedersachsen nicht zum Tragen gekommen. Vergleicht man, was Kommunen an Steuern erheben können, damit, was in Konkurrenz die Länder und der Bund praktisch tun, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Einführen einer solchen Steuer nicht möglich ist. Gleichwohl gibt es Überlegungen im Wirtschafts- und Umweltministerium, ob über den Nutzen, den die dort Investierenden ziehen, hinaus die Beeinträchtigungen derjenigen, die im Umfeld solcher Windkraftanlagen leben, entsprechend berücksichtigt werden können.

Über das Ob und Wie kann ich keine Aussage treffen. Der Antrag der Stadt Luckau, auf den Sie Bezug nehmen, ist derzeit in Bearbeitung. Ich gehe allerdings davon aus, dass er abgelehnt werden wird. - Danke.

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich sehe keinen weiteren Fragebedarf.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie im Land Brandenburg

Große Anfrage 1 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/859

Antwort der Landesregierung

Drucksache 5/1917

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der fragestellenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Jungclaus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Im Dezember 2006 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Ein Jahr später beschloss die Bundesregierung eine Nationale Biodiversitätsstrategie. In Brandenburg hat die zuständige Ministerin Tack gefordert, dies zum Anlass zu nehmen, dem Schutz der biologischen Vielfalt mehr Aufmerksamkeit zu schenken und das Thema stärker in politische und gesellschaftliche Prozesse zu integrieren. Wir haben diese Aufforderung ernst genommen, zur Biodiversität

eine Große Anfrage gestellt und das Thema so in das Parlament gebracht.

Das bisherige Ergebnis auf EU-Ebene in Sachen Biodiversität ist ernüchternd. Das beschlossene Ziel, bis 2010 den Rückgang der Arten zu stoppen, wurde nicht erreicht. Stattdessen wird in Brüssel nun erneut an einer wohlklingenden Zielformulierung für 2020 gebastelt. Auch in Brandenburg gibt es trotz einiger erfreulicher Erfolge bei Adlern und Wölfen ein riesiges Defizit bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Auch hier ist es nicht gelungen, den Rückgang der Artenvielfalt entscheidend zu verlangsamen. Nach wie vor sind gravierende Rückgänge bei einer Vielzahl von Arten und deren Lebensräumen zu verzeichnen. Erfolgreiche Politik sieht anders aus.

(Beifall GRÜNE/B90)

Nur noch etwa ein Viertel der bedrohten Arten findet hier gesicherte Lebensbedingungen vor. Drei Viertel aller Biotoptypen in unserem Land sind gefährdet. Da Brandenburg vom Klimawandel besonders betroffen ist, steht zu befürchten, dass sich die prekäre Situation in Zukunft weiter verschärfen wird.

Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt sind steigende Nährund Schadstoffeinträge in Ökosysteme, eine negative Wasserbilanz in Feuchtgebieten sowie die zunehmende Flächenversiegelung und -zerschneidung. Auch durch industriell betriebene Landwirtschaft, den Braunkohletagebau sowie sinkende Grundwasserpegel werden immer mehr natürliche Lebensräume zerstört.

Die Bundesregierung hat ihre Strategie zur biologischen Vielfalt als Kabinettsbeschluss verabschiedet, das heißt, alle Ressorts haben dieser Strategie zugestimmt und tragen die dort vereinbarten Ziele mit. Die Strategie umfasst 330 Ziele und 430 damit verbundene notwendige Maßnahmen. Sie beinhaltet allerdings auch konkrete Arbeitsaufträge an die einzelnen Landesregierungen. Aber da hat der Lehrer anscheinend Hausaufgaben verteilt und sich darauf verlassen, dass die Schüler diese irgendwann einmal erledigen. Weit gefehlt! Drei Jahre später existiert in Brandenburg immer noch keine Landesstrategie zur biologischen Vielfalt. Die Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zwar dafür ausgesprochen, die Strategie zur biologischen Vielfalt umzusetzen, jedoch bis heute keine konkreten Maßnahmen hierzu genannt.

Diese Situation war Anlass für unsere Fraktion, eine Große Anfrage zu stellen, um dem Thema die notwendige Bedeutung in Parlament und Verwaltung zukommen zu lassen. Ehrlich gesagt - quasi unter uns, Frau Tack - wollten wir Ihnen auch gern eine Vorlage anbieten, Ihre Landesstrategie endlich, unter dem sanften Druck der grünen Opposition, auf den Weg zu bringen und mit guten Antworten auf unsere Fragen zu glänzen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Allerdings bin ich, gelinde gesagt, enttäuscht; denn in den Antworten steckt nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen. Dabei gibt die Nationale Biodiversitätsstrategie zum Teil sehr konkrete Ziele vor. In unseren 47 Fragen haben wir versucht, die Landesregierung zu präzisen Aussagen zu bringen, welche dieser vom Bund geforderten Maßnahmen eins zu eins in Brandenburg umgesetzt werden.

Leider bleiben die Antworten oft schwammig und weichen somit von den konkreten Forderungen ab. Beispielhaft sei Frage 17 erwähnt. Die Bundesstrategie sieht auf 10 % der Waldflächen der öffentlichen Hand bis 2020 eine natürliche Entwicklung vor. Das ist eine klare Zeitansage, verbunden mit einem konkreten Flächenziel. Doch in Ihrer Antwort wird angegeben: Wir haben zurzeit 2 % der Landeswaldfläche entsprechend ausgewiesen. Es ist vorgesehen, sie zu erweitern. - Sie drücken sich also um eine klare Aussage.

Die Kernbotschaft Ihrer Antworten lautet: Es wird keine Landesstrategie geben, denn es gibt - angeblich - ausreichend Instrumente, um die dramatische Problemlage in den Griff zu kriegen. Sie zählen zwar alle Ihre wichtigen, bereits existierenden Programme auf. Aber wollen Sie damit ernsthaft eine erforderliche Strategie ersetzen? Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass die Nationale Strategie der Bundesregierung völlig umsonst geschrieben und verabschiedet wurde. Alle Ministerien des Bundes tragen diese Strategie mit und fordern darin die Länder zum Handeln auf. Aber Brandenburg sagt nichts anderes als: „Wir machen schon alles richtig. Wir machen weiter wie bisher.“ Das erinnert mich an meine Kinder zu Hause: „Nö, Papa, Hausaufgaben gab es heute nicht.“

Die Bundesregierung entwickelt eine progressive Strategie das kommt nicht oft vor -, und unten kommt davon nichts an. Es wird immer wieder betont, auch aus Ihrem Hause, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt ebenso wie der Kampf gegen den Klimawandel mit höchster Priorität angegangen werden muss. Aber wenn es konkret wird, ziehen Sie sich auf die Nennung Ihrer alten Instrumente zurück. Zur Bewältigung der Probleme hätte ich mehr erwartet als die Ankündigung, die Nationale Strategie - Zitat - „im Wege landesspezifischer Ziele und Maßnahmen“ umzusetzen.

So wichtig spezielle Artenschutzprogramme auch sind - so lange sie nicht in eine übergreifende Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt eingebunden sind, stellen sie lediglich den Versuch dar, Symptome zu bekämpfen und nicht die Ursachen zu beheben. Deshalb brauchen wir in Brandenburg eine Biodiversitätspolitik aus einem Guss statt Flickwerk im Artenschutz.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich sage Ihnen auch gern, was wir genau erwarten. Was bisher im Regierungshandeln fehlt, sind konkrete Ziele, die überprüfbar sind, ein Zeithorizont, bis wann die Ziele umgesetzt werden, und ein konkreter Maßnahmenkatalog, wie sie nun umgesetzt werden sollen.

Hinzu kommt: Biologische Vielfalt ist keine reine Naturschutzaufgabe. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist ein Querschnittsthema, an dessen Umsetzung ressortübergreifend gearbeitet werden muss. Nicht nur das Umweltministerium ist hier gefordert, sondern ebenso das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, das Wirtschaftsministerium usw.

Darüber hinaus müssen wir Vertreter von Naturschutz, Landund Forstwirtschaft, Tourismuswirtschaft und aus dem Infrastrukturbereich an einen Tisch holen und gemeinsam zukunftsfähige Konzepte zum Erhalt der biologischen Vielfalt entwickeln. Getragen werden müssen solche Konzepte dann von einer verbindlichen Strategie, der sich alle relevanten Akteure verpflich

tet fühlen. Einzelmaßnahmen und Presseerklärungen der Ministerin allein ersetzen diese rechtsverbindliche Strategie definitiv nicht.

Es geht uns bei diesen Forderungen nicht um Umwelt und Naturschutz um ihrer selbst willen. Es geht uns um den Erhalt der Lebensgrundlage für unsere Gesellschaft. Nicht nur ethische Gründe verpflichten uns dazu; Umweltschutz ist auch aus ökonomischen Gründen zwingend. Der Erhalt von Ökosystemen und der darin enthaltenen biologischen Vielfalt ist bei weitem kostengünstiger als die Versuche, einmal zerstörte Funktionen wiederherzustellen oder durch technische Lösungen auszugleichen.

Beispiele hierfür sind die Luftreinhaltung durch den Erhalt von Wäldern und die Gewinnung von sauberem Trinkwasser aus intakten Ökosystemen. Oder, um es in den Worten der Ministerin zu formulieren:

„Artenverlust ist irreversibel, verpasste Chancen kehren nicht zurück. Gefährdungsanalysen zeigen aber auch, dass gezielte und rechtzeitig durchgeführte Maßnahmen beachtliche Erfolge erzielen könnten.“

Hierin, Frau Ministerin, gebe ich Ihnen völlig Recht. Deshalb ist es höchste Zeit, eine umfassende ressortübergreifende Biodiversitätsstrategie zu formulieren. Unsere grüne Fraktion geht soweit schon einmal in Vorleistung, indem wir am 21. September einen Fachkongress zur biologischen Vielfalt durchführen und dort gemeinsam mit Expertinnen und Experten die Notwendigkeit einer Landesstrategie öffentlich diskutieren. Hierzu lade ich Sie alle herzlich ein. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Das Wort erhält nun die SPD-Fraktion. Die Abgeordnete Gregor-Ness wird zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind wir der Fraktion der Grünen dankbar, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat. Im Jahr 2010, dem Jahr der Biodiversität, liegt nichts näher, als sich die Frage zu stellen: Wo stehen wir in diesem Land eigentlich?

Ich bin sehr traurig darüber, dass Herr Jungclaus die Gelegenheit hier nur dazu genutzt hat, um auf die - durchaus vorhandenen - Defizite hinzuweisen. Aber wir haben in diesem Land auch etwas zu bieten.

(Zuruf des Abgeordneten Jungclaus [GRÜNE/B90])

Unser Land Brandenburg ist in seiner naturräumlichen Ausstattung und seiner Vielfältigkeit eines derjenigen, die man getrost vorzeigen kann. Wir haben Biodiversität immer als Ansatz nachhaltiger und ganzheitlicher Politik verstanden. Vor allen Dingen in der Landesplanung, dort, wo der Ansatz beginnt, etwas zu bewirken, sind wir von der Erkenntnis ausgegangen: Wir brauchen Freiräume. Wir brauchen Freiräume im Verbund. Wir brauchen Trassenbündelung, um die Zerschneidung der Landschaft zu verhindern. - Damit werden Grundlagen gelegt.

Wir haben große naturschutzfachliche Projekte in Angriff genommen. Das fängt bei der Wiedervernässung von Mooren an und geht bis hin zur Pflege der Trockenrasen. Ich verweise auch auf unsere zahlreichen großen Schutzgebiete. Wir wollen auch Wildnis wieder zulassen. Welches Land nimmt sich dieser Aufgabe so ernsthaft an wie wir? Der Nationalpark ist ein erster Baustein. Wir haben ehemalige Truppenübungsplätze und natürlich die Tagebaufolgelandschaften. Man kann zwar negativ über den Kohleabbau diskutieren, aber auch darin verbirgt sich eine Chance, alte Arten wieder anzusiedeln.

Das Problem an der ganzen Situation ist - und das darf hier niemand verkennen -: So wichtig Artenschutz ist, wir befinden uns immer auch in einem Nutzungskonflikt. Da, wo wir der Natur mehr Raum lassen wollen, müssen wir anderes verhindern. Da, wo wir Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energie installieren wollen, muss es uns möglich sein, eventuell auf die Arten weniger Rücksicht zu nehmen. In diesem Gesamtkontext bewegen wir uns hier.

Deshalb ist es nicht so einfach zu sagen, wir brauchten hier eine Strategie, noch dazu eine, die rechtsverbindlich sein kann. Was wir Schritt für Schritt über Rechtsverordnungen für Schutzgebiete regeln, was wir in der Landesplanung festlegen, was jeder Einzelne von uns dazu tun kann und was ganz viele Ehrenamtler jedes Jahr auch tun - das dürfen wir keinesfalls vernachlässigen -, das sind die Bausteine, die wir benötigen.

Da ist mit Rechtsverbindlichkeit gar nichts getan. Wenn es so einfach wäre, hätten wir ja eine tolle Situation, und Artensterben wäre mittels Rechtsverordnung zu verhindern. Wir überheben uns, denn die Schöpfung hat auch eigene Gesetzmäßigkeiten, die wir nicht aushebeln können. Es wäre schön, wir hätten schon zu Zeiten gelebt, als die Saurier noch auf der Welt waren, hätten uns dem Artenschutz gestellt. Auch das hätten wir nicht geschafft! Lassen wir deshalb doch die Kirche im Dorf.

Mir ist wichtiger, wir legen insgesamt im Land eine Nachhaltigkeitsstrategie auf, an der sich auch die anderen Ressorts stärker beteiligen. Allein kann die Umweltministerin dies nicht schaffen. Vor diesem Hintergrund lesen Sie bitte die Antworten auf die Große Anfrage. Sie werden sehen, an welchem Stand wir uns im Land befinden, aber auch merken, wo wir noch Defizite haben. Lassen Sie uns darauf aufbauen und gemeinsam arbeiten.